Um diesen Plan auszuführen war die nothwendige Bedingung daß Wolfgang in Mannheim blieb. Sein erstes Bestreben war denn auch darauf gerichtet sich dem Churfürsten zu empfehlen, um wo möglich eine Anstellung in der [117] Kapelle zu erhalten, und seine Freunde waren ernstlich bemüht ihm dazu behülflich zu sein.
Gleich nach seiner Ankunft führte ihn Holzbauer beim Intendanten Graf Savioli1 ein, wo sie zufällig auch Cannabich anwesend fanden. »Hr. Holzbauer« berichtet er dem Vater (4. Nov. 1777) »sagte auf welsch zum Grafen, daß ich möchte die Gnade haben, mich bey Sr. Churfürstl. Durchlaucht hören zu lassen; ich bin schon vor funfzehn Jahren hier gewesen, ich war dort sieben Jahre alt; aber nun bin ich älter und größer geworden, und so auch in der Musik. Ah, sagte der Graf, das ist der – –. Was weiß ich, für wen er mich hielt. Da nahm aber gleich der Cannabich das Wort. Ich stellte mich aber, als wenn ich es nicht hörte, und ließ mich mit Andern in Discours ein, ich merkte aber, daß er mit einer ernsthaften Miene von mir sprach. Der Graf sagte dann zu mir: Ich höre, daß Sie so ganz passabel Clavier spielen. Ich machte eine Verbeugung.« Es waren gerade Gallatage, am ersten derselben stellte Graf Savioli Wolfgang der Churfürstin vor, welche ihn sehr gnädig aufnahm und sich noch sehr wohl erinnerte, wie er vor funfzehn Jahren dort gewesen sei, ob sie ihn gleich nicht würde wiedererkannt haben. Am dritten Gallatag (6. November) war große Academie bei Hof, in welcher Mozart ein Concert und vor der Schlußsymphonie »aus dem Kopf« und eine Sonate spielte. »Der Churfürst«, schreibt er (8. Nov. 1777) »sie und der ganze Hof ist mit mir sehr zufrieden. In der Accademie, alle zwey Mal wie ich spielte, so gieng der Churfürst und sie[118] völlig neben meiner zum Clavier. Nach der Accademie machte Cannabich, daß ich den Hof sprechen konnte. Ich küßte dem Churfürsten die Hand. Er sagte: Es ist jetzt, glaube ich, funfzehn Jahre, daß Er nicht hier war? – Ja, Ew. Durchlaucht, funfzehn Jahre, daß ich nicht die Gnade gehabt habe – – Er spielt unvergleichlich. Die Prinzessin, als ich ihr die Hand küßte, sagte zu mir: Monsieur, je vous assure, on ne peut pas jouer mieux.« Die Churfürstin ließ ihn wissen daß er noch einmal bei ihr allein spielen sollte und sie mußten nun zunächst bleiben um zu erwarten, wann sie ihn befehlen würde. Nach einigen Tagen wurde Mozart auch mit Cannabich zum Grafen Savioli beschieden, der ihm das für ihn bestimmte Präsent einhändigte. »Es war so«, schreibt er (13. Nov. 1777) »wie ich es mir eingebildet habe: nichts in Geld, eine schöne goldene Uhr. Mir wären aber jetzt 10 Carolin lieber gewesen als die Uhr, welche man mit Ketten und Devisen auf 20 Carolin schätzt; auf der Reise braucht man Geld. Nun habe ich mit Dero Erlaubniß 5 Uhren; ich habe auch kräftig im Sinne, mir an jeder Hosen noch ein Uhrtäschl machen zu lassen und, wenn ich zu einem großen Herrn komme, zwey Uhren zu tragen (wie es ohnehin jetzt Mode ist), damit nur keinem mehr einfällt, mir eine Uhr zu verehren.«
Nach der Meinung des Vaters sollte Wolfgang in Mannheim, wenn nicht bestimmte Aussichten auf eine Anstellung sich ergäben – was ihm nicht wahrscheinlich war –, nicht länger als irgend nöthig verweilen; durch gute Freunde ließe sich dort wie in München für eine künftige Anstellung auch in seiner Abwesenheit wirken; er selbst müsse den Augenblick nutzen und sich an verschiedenen Orten hören lassen um Geld zu erwerben für den Unterhalt und sich bekannt zu machen, was das beste Mittel sei um ein Unterkommen zu finden. Er [119] war auch nicht müssig geblieben, er hatte sich umgethan, wo etwa gute Aussichten seien; in Frankfurt sei eingezogenen Nachrichten nach nichts zu machen; eher in Mainz2, wo man durch den Beistand des Concertmeister Kreuser3 Concerte bei Hofe und in der Stadt wohl zu Stande bringen könne, vielleicht auch in Trier, wo Prinz Clemens von Sachsen Churfürst sei, derselbe »zwischen welchem und dem Churfürsten Du in München bei der Tafel mit dem Bleistift componirt hast, als wir von England nach Hause gereiset« (I S. 68), während Bonn nichts eintragen würde. Von solchen Ausflügen könnten sie ja auch nach Mannheim wieder zurückkehren, wenn dort nur Aussicht sei sich den Winter über zu halten; im äußersten Falle müsse man freilich an Paris denken, was aber eine schwierige und kostspielige Unternehmung sei. Ihm, der fortwährend mit Plänen umging und ihre Ausführung zu ermöglichen strebte, war es keineswegs recht daß die Reisenden sich in Mannheim behaglich einzurichten schienen ohne bestimmte Aussichten. Wolfgang aber, der im Kreise seiner musikalischen Freunde warm geworden war, der zum erstenmal die Erfahrung machte, bei kunstverständigen Fachgenossen Anerkennung und Bewunderung, im ungezwungenen und [120] heiteren Verkehr mit gebildeten Familien Zuneigung und Anregung zu finden, fühlte sich in diesem neuen Elemente so wohl, daß er es gern hörte, wenn »Alles zu ihm sagte: Wo wollen Sie denn den Winter hin? bey dieser Jahreszeit ist es ja gar übel zu reisen; bleiben Sie hier!« Und da erschienen ihm auch die Aussichten, welche die guten Wünsche so vieler guter Freunde ihm eröffneten, keineswegs unsicher. Die Mutter ließ sich von dem Sohne und seinen Freunden leiten und war zufrieden, wenn man sie überredete, der Aufenthalt in Mannheim sei für Wolfgang das Vortheilhafteste.
Der Churfürst hatte befohlen daß Mozart auch bei seinen natürlichen Kindern eingeführt werde, die er sehr liebte und bei denen er sich Nachmittags einige Stunden aufzuhalten pflegte, wo er denn auch an ihrem Unterricht näheren Antheil nahm. Mozart ging mit Cannabich dahin. »Da sprach ich« schreibt er dem Vater (8. Nov. 1777) »den Churfürsten wie meinen guten Freund. Er ist ein recht gnädiger und guter Herr. Er sagte zu mir: Ich habe gehört, Er hat zu München eine Opera geschrieben? – Ja, Ew. Durchlaucht! Ich empfehle mich Ew. Durchlaucht zur höchsten Gnad, mein größter Wunsch wäre, hier eine Opera zu schreiben. Ich bitte auf mich nicht ganz zu vergessen. Ich kann, Gott Lob und Dank, auch deutsch! und schmutzte. – Das kann leicht geschehen4. – Er hat einen Sohn und drey [121] Töchter5, die älteste und der junge Graf spielen Clavier. Der Churfürst fragte mich ganz vertraut um Alles wegen seine Kinder. Ich redete ganz aufrichtig, doch ohne den Meister zu verachten. Cannabich war auch meiner Meynung. Der Churfürst, als er ging, bedankte sich sehr höflich bey mir.« Nach einigen Tagen ging er wieder zu ihnen und spielte dort »recht von ganzem Herzen. Ich spielte dreymal; der Churfürst ersuchte mich allezeit selbst darum, setzte sich allezeit neben meiner und blieb unbeweglich. Ich ließ mir auch von einem gewissen Professor ein Thema zu einer Fuge geben.« Dies schien der geeignete Weg die Gunst des Churfürsten zu gewinnen; mit Wissen und auf Anstiften Cannabichs, wie er seinem Vater ausdrücklich zu bemerken sich veranlaßt sieht6, begab er sich zum Grasen Savioli »einem recht braven Cavalier« und fragte ihn ob es nicht möglich sei, daß ihn der Churfürst den Winter da behielte, er sei gern bereit die Kinder desselben zu instruiren. Dieser antwortete, er wolle es dem Churfürsten proponiren, und so viel es bei ihm bestehe, werde es gewiß geschehen, nur möge er Geduld haben bis die Gallatage vorbei wären. Diese Antwort sah auch Cannabich als eine günstige an und erwartete den besten Erfolg. Unter diesen Umständen sei nichts zu machen als diesen abzuwarten; und da sich so eine Sache nicht übereilen lasse, so müsse man sich in Geduld zu fassen [122] wissen, meldet Wolfgang dem Vater, und ermahnt ihn nicht durch Speculationen sich Zeit und Stimmung zu verderben, die sich doch meistens als nutzlos erwiesen. Mittlerweile habe er 150 Gulden beim Bankier aufgenommen; »denn der Wirth wird ohne Zweifel lieber Geld als Musik klingen hören.«
Das war nicht nach dem Sinn des Vaters, der ihm einen derben Wischer für die unbesonnene Aeußerung ertheilt, daß die Speculationen nichts nützen. »Gerechter Gott!« schreibt er »ich soll nicht speculiren, nachdem ich nur wegen Euch itzt 450 fl. schuldig bin! und Du glaubst vielleicht mich dadurch in gute Laune zu bringen, wenn Du mir hundert Narrenspossen schreibst.« Er weist ihnen nach, wie wenig sie bis jetzt auf ihrer Reise die Zeit gehörig in Acht genommen hätten7, und schilt daß sie nicht zu rechter Zeit im Voraus ihre Pläne mittheilten damit man gehörige Vorbereitungen treffen könnte. »Ich bitt Dich, mein Wolfgang, überleg doch Alles und schreib nicht immer die Sachen, wenn sie schon vorbey sind; sonst sind wir alle unglücklich.« Er macht ihn darauf aufmerksam, wie er bis jetzt fast nur von Hoffnungen gelebt und dem Vater die Sorge für das Geld überlassen, das sie gebrauchten; [123] dazu wäre nicht einmal Rechnung abgelegt, was doch namentlich sein liebes Weib ihm versprochen hätte8, wohl aber Geld aufgenommen ohne rechtzeitig Anzeige zu machen. »So eine Reise ist kein Spaß; das hast Du noch nicht erfahren Man muß andere wichtige Gedanken im Kopf haben als Narrenspossen; man muß hundertfach voraussehen, bemühet sein, sonst sitzt man auf einmal im Dreck, ohne Geld – und wo kein Geld ist, ist auch kein Freund, und wenn Du hundert Lectionen umsonst giebst, Sonaten componirst und alle Nächte statt wichtigeren Dingen von 10 bis 12 Uhr Kindereien machst. Begehre dann einen Geld-Credit! – da hört aller Spaß auf einmal auf – und im Augenblicke wird das lächerlichste Gesicht ganz gewiß ernsthaft.«
Aus dem zugleich gereizten und dabei doch etwas kleinlauten Ton, in welchem Wolfgang die Vorwürfe seines Vaters zurückweist, merkt man ebenso deutlich, daß er die Wahrheit derselben fühlte als auch, wie empfindlich es ihn berührte aus dem Mannheimer Leben, in welchem es ihm wohl geworden war, durch den Hinweis aufgestört zu werden, daß es für ihn noch andere Pflichten gebe, als sich in einer vorübergehenden Stellung behaglich sein zu lassen. »Wenn Sie [124] die Ursach« heißt es in einem ausführlichen Brief (29. Nov. 1777) »meiner Nachlässigkeit, Sorglosigkeit und Faulheit zuschreiben, so kann ich nichts thun als mich für Ihre gute Meinung bedanken und von Herzen bedauern daß Sie mich, Ihren Sohn nicht kennen. Ich bin nicht sorglos, ich bin nur auf Alles gefaßt und kann folglich Alles mit Geduld erwarten und ertragen – wenn nur meine Ehre und mein guter Name Mozart nicht darunter leidet. Nun, weil es halt so seyn muß, so seye es. Ich bitte aber im Voraus sich nicht vor der Zeit zu freuen oder zu betrüben; denn es mag geschechen was da will, so ist es gut, wenn man nur gesund ist; denn die Glückseligkeit besteht – in der Einbildung.« Allein auch mit dieser Moralphilosophie war der Vater nicht einverstanden; mit großer Gelassenheit giebt er ihm eine ausführliche Kritik des Satzes daß das Glück in der Einbildung bestehe, die eines Garve nicht unwürdig wäre, und ruft ihm besonders die Situation in den Sinn, wenn Jemand bezahlen solle und kein Geld habe. »Mein lieber Wolfgang, dieser Satz ist ein Moralsatz für Menschen, die mit nichts zufrieden sind!«
Wir erfahren nun ausführlicher den Verlauf dieser Bemühungen beim Churfürsten. Zunächst sucht Wolfgang den Vater über Cannabichs Gesinnung und Verhalten aufzuklären. »Nachmittag (nach der ersten Unterredung mit Savioli) war ich bey Cannabich«, schreibt er dem Vater (29. Nov. 1777) »und weil ich auf sein Anrathen zum Grafen gegangen bin, so fragte er mich gleich, ob ich dort war? – Ich erzählte ihm Alles. Er sagte mir: Mir ist es sehr lieb, wenn Sie den Winter bey uns bleiben; aber noch lieber wäre es mir, wenn Sie immer und recht in Diensten wären. Ich sagte: Ich wollte nichts mehr wünschen, als daß ich immer um Sie seyn könnte, aber auf beständig wüßte ich wirklich nicht, wie [125] das möglich wäre. Sie haben schon zwey Kapellmeister, ich wüßte also nicht, was ich seyn könnte, denn dem Vogler möchte ich nicht nachstehen! Das sollen Sie auch nicht, sagte er, hier steht kein Mensch von der Musik unter dem Kapellmeister, nicht einmal unter dem Intendant. Der Churfürst könnte Sie ja zum Kammer-Compositeur machen. Warten Sie, ich werde mit dem Grafen darüber sprechen. – Donnerstag darauf war große Accademie; als mich der Graf gesehen hatte, bat er mich um Verzeihung, daß er noch nichts geredet habe, indem jetzt die Gallatäg sind, so bald aber die Galla vorbey seyn wird, nämlich Montag, so wird er gewiß reden. Ich ließ drey Tag vorbey gehen, und als ich gar nichts hörte, so ging ich zu ihm, um mich zu erkundigen. Er sagte: Mein lieber Mr. Mozart (das war Freytag, nämlich gestern), heute war Jagd, mithin habe ich den Churfürsten unmöglich fragen können; aber morgen um die Zeit werde ich Ihnen gewiß eine Antwort sagen können. Ich bat ihn, er möchte doch nicht vergessen.«
»Die Wahrheit zu gestehen, so war ich, als ich weg ging, ein wenig aufgebracht, und entschloß mich also, meine leichteste sechs Variations über den Fischer-Menuett9, die ich schon eigends wegen dies hier aufgeschrieben habe, dem jungen Grafen zu bringen, um Gelegenheit zu haben, mit dem Churfürsten selbst zu reden. Als ich hin kam, so können Sie sich die Freude nicht vorstellen von der Gouvernante. Ich ward sehr höflich empfangen; als ich die Variationen herauszog und sagte, daß sie für den Grafen gehören, sagte sie: O, das ist brav, aber Sie haben ja doch für die Comtesse auch was? – Jetzt noch nicht, sagte ich, wenn ich aber noch so lange [126] hier bleibe, daß ich etwas zu schreiben Zeit habe, so werde ich – A propos, sagte sie, das freut mich, Sie bleiben den ganzen Winter hier. – Ich? da weiß ich nichts! – Das wundert mich, das ist curios. Mir sagte es neulich der Churfürst selbst. A propos, sagte er, der Mozart bleibt den Winter hier. – Nu, wenn er es gesagt hat, so hat es derjenige gesagt, der es sagen kann; denn ohne den Churfürsten kann ich natürlicher Weise nicht hier bleiben. Ich erzählte ihr nun die ganze Geschichte. Wir wurden einig, daß ich morgen, als heute nach vier Uhr hinkommen würde und für die Comtesse etwas mitbringen würde. Sie werde, ehe ich komme, mit dem Churfürsten reden, und ich werde ihn noch antreffen. Ich bin heute hingegangen, aber er ist heut nicht gekommen. Morgen werde ich aber hingehen. Ich habe für die Comtesse ein Rondeau gemacht.«
»Habe ich nun nicht Ursache genug, hier zu bleiben und das Ende abzuwarten? – Sollte ich etwa jetzt, wo der größte Schritt gethan ist, abreisen? – Jetzt habe ich Gelegenheit, mit dem Churfürsten selbst zu reden. Den Winter, glaube ich, werde ich wohl vermuthlich hier bleiben; denn der Churfürst hat mich lieb, hält viel auf mich, und weiß, was ich kann. Ich hoffe, Ihnen im künftigen Briefe eine gute Nachricht geben zu können. Ich bitte Sie noch ein Mal, sich nicht zu früh zu freuen, oder zu sorgen, und die Geschichte keinem Menschen als Hrn. Bullinger und meiner Schwester zu vertrauen.« Allein so rasch ging diese Angelegenheit nicht vorwärts; in seinem nächsten Briefe konnte Wolfgang dem Vater nur von mancherlei Vorfällen berichten, die einen guten Ausgang zu versprechen schienen. »Vergangenen Montag« schreibt er ihm (3. Dec. 1777) »hatte ich das Glück, nachdem ich drey Tage nach einander Vor- und Nachmittags zu den natürlichen Kindern hingegangen, den Churfürsten endlich [127] anzutreffen. Wir haben zwar Alle geglaubt, es wird die Mühe wieder umsonst seyn, weil es schon spätt war, doch endlich sahen wir ihn kommen. Die Gouvernante ließ gleich die Comtesse zum Claviere sitzen, und ich setzte mich neben ihr und gab ihr Lection, und so sah uns der Churfürst, als er herein kam. Wir standen auf; aber er sagte, wir sollten fortmachen. Als sie ausgespielt hatte, nahm die Gouvernante das Wort und sagte, daß ich ein so schönes Rondeau geschrieben hätte. Ich spielte es, es gefiel ihm sehr. Endlich fragte er: Wird sie es aber wohl lernen können? – O ja, sagte ich, ich wollte nur wünschen, daß ich das Glück hätte, ihr es selbst zu lehren. Er schmutzte und sagte: Mir wäre es auch lieb; aber würde sie sich nicht verderben, wenn sie zweyerley Meister hätte? – Ach nein, Ew. Durchlaucht, es kömmt nur darauf an, ob sie einen guten, oder schlechten bekömmt. Ich hoffe, Ew. Durchlaucht würden nicht zweifeln – werden Vertrauen auf mich haben – – O das ganz gewiß, sagte er. Nun sagte die Gouvernante: Hier hat auch Mr. Mozart Variations über den Menuett von Fischer für den jungen Grafen geschrieben. Ich spielte sie, sie haben ihm sehr gefallen. Nun scherzte er mit der Comtesse, da bedankte ich mich für das Präsent. Er sagte: Nun, ich werde darüber denken; wie lange will Er denn hier bleiben? – So lange Ew. Durchlaucht befehlen, ich habe gar kein Engagement, ich kann bleiben, so lange Ew. Durchlaucht befehlen. Nun war Alles vorbey. Ich war heute Morgens wieder dort, da sagte man mir, daß der Churfürst gestern abermals gesagt hat, der Mozart bleibt diesen Winter hier. Nun sind wir mittendrein, warten muß ich doch.«
»Heut zum viertenmal habe ich bey Wendling gespeis't. Vor dem Essen kam Graf Savioli mit dem Kapellmeister Schweitzer, der gestern Abends angekommen, hin. Savioli [128] sagte zu mir: Ich habe gestern abermal mit dem Churfürsten gesprochen, er hat sich aber noch nicht resolvirt. Ich sagte zu ihm, ich muß mit Ihnen ein paar Worte sprechen. Wir gingen aus Fenster. Ich sagte ihm den Zweifel des Churfürsten, beklagte mich, daß er gar so lange hergeht, daß ich schon so viel hier ausgegeben, bat ihn, er mochte doch machen, daß mich der Churfürst auf beständig nehme, indem ich fürchte, daß er mir den Winter so wenig geben wird, daß ich etwa gar nicht hier bleiben kann; er soll mir Arbeit geben, ich arbeite gern. Er sagte mir, er wird es ihm gewiß so proponiren; heute Abends könnte es zwar nicht seyn, indem er heute nicht nach Hofe kömmt; aber morgen verspricht er mir gewisse Antwort. Nun mag geschehen, was will. Behält er mich nicht, so dringe ich auf ein Reisegeld; denn das Rondean und die Variationen schenke ich ihm nicht. Ich versichere Sie, daß ich so ruhig bey der Sache bin, weil ich gewiß weiß, daß es nicht anders als gut gehen kann, es mag geschehen was will, ich habe mich völlig in Willen Gottes ergeben.«
Aber auch in den nächsten Tagen war vom Churfürsten keine andere Antwort herauszubringen als mit Achselzucken: Ich bin noch nicht resolvirt. Endlich konnte Mozart seinem Vater das Resultat aller Verhandlungen berichten: es war dasjenige, was dieser immer vermuthet hatte (10. Dec. 1777). »Hier ist dermalen Nichts mit dem Churfürsten. Ich war vorgestern in der Accademie bey Hof, um eine Antwort zu bekommen. Der Graf Savioli wich mir ordentlich aus, ich ging aber auf ihn zu; als er mich sah, schupfte er die Achseln. Was, sagte ich, noch keine Antwort? – Bitte um Vergebung, sagte er, aber leider Nichts. – Eh bien, antwortete ich, das hätte mir der Churfürst eher sagen können. – Ja, sagte er, er hätte sich noch nicht resolvirt, wenn ich ihn nicht dazu getrieben und ihm vorgestellt hätte, daß Sie schon so [129] lange hier sitzen und im Wirthshause Ihr Geld verzehren. – Das verdrießt mich auch am meisten, versetzte ich, das ist gar nicht schön. Uebrigens bin ich Ihnen, Herr Graf (denn man heißt ihn nicht Eccellenz), sehr verbunden, daß Sie sich so eifrig für mich angenommen haben und bitte sich im Namen meiner beym Churfürsten zu bedanken für die zwar späte, doch gnädige Nachricht, und ich versicherte ihn, daß es ihn gewiß niemalen gereuet hätte, wenn er mich genommen hätte. – O, sagte er, von diesem bin ich mehr versichert, als Sie es glauben.« Die unerwartete Wendung machte auf die Mannheimer Freunde einen ebenso unangenehmen Eindruck, wie auf Mozart. Er ging zu Cannabich und erzählte, da dieser auf der Jagd war, der Frau die ganze Sache. »Als die Mlle. Rose«, fährt er fort »welche drei Zimmer weit entfernt war und just mit der Wäsche umging, fertig war, kam sie herein und sagte zu mir: Ist es Ihnen jetzt gefällig? denn es war Zeit zur Lection. – Ich bin zu Befehl, sagte ich. – Aber, sagte sie, heut wollen wir recht gescheut lernen. – Das glaube ich, versetzte ich, denn es dauert so nicht mehr lang. – Wie so? warum? – Sie ging zu ihrer Mama und die sagte es ihr. Was? sagte sie, ist es gewiß? ich glaube es nicht. – Ja ja, gewiß! sagte ich. Sie spielte darauf ganz serieuse meine Sonate; hören Sie, ich konnte mich des Weinens nicht enthalten; endlich kamen auch der Mutter, Tochter und dem Herrn Schatzmeister die Thränen in die Augen, denn sie spielte just die Sonate und das ist das Favorit vom ganzen Hause. Hören Sie, sagte der Schatzmeister, wenn der Hr. Kapellmeister (man nennt mich hier nie anderst) weggeht, so macht er uns alle weinen. – Ich muß sagen, daß ich hier sehr gute Freunde habe, denn in solchen Umständen lernet man sie kennen.«
Besonders Wendling kam diese Resolution sehr unerwünscht; [130] als Mozart sie ihm mittheilte wurde er »völlig roth und sagte ganz hitzig: Da müssen wir Mittel finden, Sie müssen hier bleiben, die zwey Monate aufs wenigste, bis wir hernach mit einander nach Paris gehen«10. Er fand auch eine Auskunft, denn schon als Wolfgang am nächsten Tag zu ihm zu Tisch kam, machte er diesem, wie er seinem Vater berichtet (10. Dec. 1777), einen Vorschlag, der sehr befriedigend schien. »Unser Indianer (das ist ein Holländer, der von seinen eigenen Mitteln lebt, ein Liebhaber von allen Wissenschaften und ein großer Freund und Verehrer von mir11) ist halt doch ein rarer Mann. Er giebt Ihnen 200 fl., wenn Sie ihm drey kleine, leichte und kurze Concerte und ein paar Quattro auf die Flöte machen. Durch den Cannabich bekommen Sie auf das wenigste zwey Scolaren, die gut bezahlen. Sie machen hier Duetti auf das Clavier und eine Violine per souscription, und lassen sie stechen. Tafel haben Sie sowohl Mittags als Abends bei uns. Quartier haben Sie für sich bey Herrn Hof-Kammerrath; das kostet Sie Alles Nichts.« Mozart war froh in der Aussicht nun doch in Mannheim bleiben zu können und dachte an Alles, was er während der Zeit componiren könne. »Ich werde die zwey Monate hindurch genug zu schreiben haben, 3 Concerte, 2 Quartetten, 4 oder 6 Duetti auf Clavier, und dann habe ich auch im Sinne, eine neue große Messe zu machen und dem Churfürsten zu präsentiren.« Gleich am folgenden Tag machte er sich auf um ein kleines und billiges Quartier für die Mutter auszusuchen; »die sind hier sehr rar«, schreibt diese »die wohlfeilen, theure kann man genug haben.«
[131] Der Vater, dem es schon eine Beruhigung war daß er nur wieder klar die Verhältnisse durchschauete, war zufrieden wenn die Reise nicht in der Winterkälte fortgesetzt werden mußte12, und meinte ebenfalls, der Plan ließe sich ausführen, wenn man des Holländers sicher wäre; wäre aber dies nicht der Fall, sollten sie gleich nach Mainz aufbrechen. Davon aber wollte er in keinem Fall etwas wissen, daß Sohn und Mutter sich trennten. »So lange die Mama dableibt, sollst Du bei ihr bleiben«; schreibt er (18. Dec. 1777) »Du sollst und mußt die Mama nicht allein Trübsal blasen und anderen Leuten überlassen, so lang sie bey Dir und Du bey ihr bist.« Auf die Paar Gulden, die ein größeres Quartier koste, komme es nicht an, und nach Hause reisen könne die Mutter jetzt nicht. »Unterdessen seye bedacht, daß Du bey ihr bleibest und sie versorgest, daß ihr nichts abgehet, so wie sie für Dich besorget ist«13. Diesem Uebelstande wurde durch das Anerbieten [132] des Hof-Kammerraths Serrarius abgeholfen, Mutter und Sohn in sein Haus aufzunehmen, wo sich die Mutter, welche, so lange sie im Wirthshaus wohnten, da Wolfgang seinen Geschäften nachging, viel allein geblieben war, ungemein wohl befand. »Wir sind jetzt unvergleichlich logirt«, schreibt sie (18. Dec. 1777) »haben schöne Betten, alle Bedienung. Der Herr Hof-Cammerrath heißt Serrarius. Seine Frau ist recht höflich mit uns; ich speise alle Abend bey ihnen und plaudere bis halb 11 Uhr mit der Frau und Tochter, ich sollte fast den ganzen Nachmittag bey ihnen seyn. Mein Sohn wird so von ihnen geschätzt, daß es nicht zu sagen ist; es ist ihnen nur leid, daß er nicht alleweil bey ihnen sein kann.« Er gab der Tochter, Namens Therese Pierron, einem jungen Mädchen von funfzehn Jahren, welche schon acht Jahre Klavier spielte, Unterricht; dafür erhielten sie Wohnung, Holz und Licht. Sie scheint ihn nicht durch hervorragendes Talent angezogen zu haben, denn es ist von der »Hausnymphe« nur selten die Rede; indessen studirte er ihr doch eins seiner Concerte ein, das sie in einer großen Gesellschaft, welche ihre Eltern dazu einluden, vortrug; später spielte sie in einer Akademie bei seinem Concert für drei [133] Klaviere das dritte und leichteste. Vor seinem Abschied aus Mannheim componirte er auch eine Klaviersonate mit Violinbegleitung für sie14. Dem jungen Danner gab er Unterricht im Componiren, dafür speiste die Mutter dort zu Mittag, er selbst fand seine Kost bei Wendlikigs. »Der Wolfgang« schrieb sie ihrem Mann »hat so viel zu thun mit Componiren und Lectiongeben, er hat nicht Zeit Jemand eine Visite zu machen. Du siehst also daß wir diesen Winter commod hier verbleiben, und dies alles hat Mr. Wendling gemacht, der den Wolfgang wie seinen eigenen Sohn liebt.«
Dieser giebt seinem Vater selbst folgenden Bericht über seinen täglichen Lebenslauf (20. Dec. 1777): »Vor 8 Uhr können wir nicht aufstehen, denn in unserem Zimmer (weil es zu ebener Erd ist) wird es erst um 1/29 Uhr Tag. Dann ziehe ich mich geschwinde an; um 10 Uhr setze ich mich zum Componiren bis 12 Uhr oder 1/21 Uhr15; dann gehe ich zum Wendling, dort schreibe ich noch ein wenig bis 1/2 Uhr, dann gehen wir zu Tisch. Unterdessen wird es 3 Uhr, dann muß ich in den maynzischen Hof zu einem holländischen Officier16 um ihn in Galanterie und Generalbaß Lection zu geben, wofür ich, wenn ich nicht irre, 4 Ducaten für 12 Lectionen habe. Um 4 Uhr muß ich nach Haus um die Tochter zu instruiren; da fangen wir vor 1/25 Uhr niemalen an, weil man auf die Lichter wartet. Um 6 Uhr gehe ich zum Cannabich und lehre die Mlle. Rose; dort bleibe ich beym Nachtessen, dann [134] wird discutirt oder bisweilen gespielt, da ziehe ich aber allezeit ein Buch aus meiner Tasche und lese – wie ich es zu Salzburg zu machen pflegte.«
Die Mutter konnte also mit Recht dem Vater schreiben, der Wolfgang habe soviel zu thun, daß er nicht wisse, wo ihm der Kopf stehe und mit gerechter Befriedigung durfte sie hinzufügen (14. Dec. 1777): »Du kannst Dir nicht vorstellen, wie der Wolfgang hier hochgeschätzt wird, sowohl bey der Musik als auch bey Anderen; sie sagen Alle daß er seines gleichen nicht hat, seine Compositionen thun sie völlig vergöttern.« Und das war dieselbe Zeit, wo berichtet wurde, Wolfgangs Bart mache sich nun so bemerklich, daß er abgenommen werden müsse. Worauf der Vater fragt: »à propos, wird der Bart weggeschnitten, weggebrennt oder gar wegrasirt?« und gewissenhaft berichtet wird: »Noch ist der Bart nicht barbiert worden, sondern mit dem Scheerl geschnitten; es wird sich aber nicht mehr thun lassen, mit nächstem wird der Barbier herhalten müssen.«
Das große musikalische Ereigniß, welches damals die allgemeine Aufmerksamkeit erregte, war die bevorstehende Aufführung von Wielands und Schweitzers Rosamunde. Nachdem mit Günther von Schwarzburg die Bahn gebrochen war, glaubte man nicht würdiger fortschreiten zu können als wenn man den Dichter und den Componisten der Alceste veranlaßte ein zweites Meisterwerk für die Mannheimer Bühne zu liefern. Schon im Sommer 1776 erging eine schmeichelhafte Aufforderung an Wieland eine Oper zu dichten, die dann Schweitzer unter seinen Augen componiren sollte17; [135] im Frühjahr 1777 machte er sich daran und hatte, wie er Merck schreibt18, »das Ding den ganzen März durch dergestalt im Leibe, daß er sonst nichts sinnen noch beginnen konnte.« Er war, obgleich »das ganze opus ein Werk des schrecklichsten Dranges von außen war«19, doch so wohl damit zufrieden, daß er Merck schrieb (4. April 1777): »Ich schmeichle mir väterlich, Sie werden finden, daß es ein gesundes, wohlgestaltes Kind ist. Unter uns, wenn Schweitzer, der's componirt, seinen Mann prästirt, wie ich nicht zweifle, und die Acteurs halbwegs mit Menschengefühl spielen, so muß das Ding einen Effect machen, wie noch keine Oper gemacht hat.« Wie groß war daher sein Erstaunen20, als Jacobi, dem er seine Rosamunde »nicht als ein Werk der Liebe, sondern des Dranges, aus dem aber Schweitzer immer ein glänzendes Werk machen werde« zugesandt hatte21, ihm erklärte, er halte die Oper für mißlungen, als Goethe diesem Urtheil beistimmte [136] und er erfuhr, daß auch der Minister Hompesch eine Umarbeitung der letzten Acte wünschte22. Er war außer sich, zuerst über die Kritiker, dann über sich, und ihn dauerte nur der arme Schweitzer, der schon (24. Mai 1777) drei Acte zum Entzücken schön componirt habe; denn er war nun entschlossen »das dumme Ding« ganz zurückzuziehen. Allein Hompesch erklärte, Rosamunde müßte geliefert werden, »da man ihm eher eine Mißrechnung von 100000 Gulden verzeihen würde, als die neue deutsche Oper nicht zu liefern«; und so mußte sich Wieland daran begeben sie umzuarbeiten. Als er damit fertig war, schickte er sie wieder an Jacobi mit den Worten: »Von meiner Rosemunde denke nun was Du kannst, lieber Bruder; hier hast Du sie für todt oder lebendig. Schweitzer hat daraus ein Werk gemacht, welches zu hören man von 20 und 30 Meilen her kommen wird. Die schwache Seite des Dings kenne ich wohl; aber den möcht' ich sehen, der bei der Aufführung Zeit behielte darauf Acht zu geben, und darauf kommt doch bei einer Oper alles an«23. [137] Er war zugleich eingeladen worden persönlich der Aufführung seiner Oper beizuwohnen; zwar hatte das Mißbehagen an seiner Arbeit ihm die Luft dazu verbittert, häusliche und ökonomische Bedenken kamen dazu; endlich siegte doch der Wunsch sich einmal in Musik zu ersättigen und die Aussicht theure Freunde zu sehen: Jacobi und Sophie La Roche mit ihrer Tochter Max Brentano versprachen ebenfalls nach Mannheim zu kommen24.
Die Aufführung der Oper war anfangs für den Namenstag des Churfürsten (4. Nov. 1777) bestimmt gewesen, der durch die Umarbeitung veranlaßte Aufenthalt verursachte daß man sie bis in den Januar 1778 verschob. Nachdem alle Vorbereitungen getroffen, namentlich Decorationen und Costumes mit großer Pracht veranstaltet waren, kam Schweitzer25 [138] um die letzten Proben selbst zu leiten anfangs December nach Mannheim. »Hr. Kapellmeister Schweitzer« schreibt Mozart, der gleich seine Bekanntschaft machte (3. Dec. 1777), »ist ein guter, braver, ehrlicher Mann; trocken und glatt, wie unser Haydn, nur daß die Sprache seiner ist. In der zukünftigen Opera sind sehr schöne Sachen und ich zweifle gar nicht daß sie gewiß reussiren wird. Die Alceste hat sehr gefallen26 und [139] ist doch halb nicht so schön wie die Rosamunde. Freylich hat das viel beygetragen, weil es, das erste teutsche Singspiel war; nun macht es, NB. auf die Gemüther die nur durch die Neuheit hingerissen werden, lange den Eindruck nicht mehr.« Täglich wurde nun die Oper probirt und es kann uns als ein Beweis der Achtung gelten, in welcher Mozart bei der Kapelle stand, daß er »als Schweitzer übel auf war, statt seiner die Oper mit etlichen Violinen bey Wendling dirigiren mußte« (18. Dec. 1777). Indessen gewann sie durch öfteres Anhören nicht bey ihm. »Die neue Oper gefällt dem Wolfgang gar nicht«; schreibt die Mutter (18. Dec. 1777) »er sagt, es ist keine Natur darinnen und Alles übertrieben, und für die Sänger nicht gut geschrieben27; wie es bei der Production ausfallen wird, müssen wir erwarten.«
Im Publicum war man auf die Ankunft Wielands, der damals in Mannheim vor allen denischen Dichtern beliebt war28, ganz besonders gespannt. »Hr. Wieland, der [140] die Poesie [der Oper] gemacht hat, wird auch den Winter hieher kommen; den möchte ich wohl kennen – wer weiß es!« schrieb Wolfgang (3. Dec. 1777). Am 21. December kam Wieland an und war mit dem Empfang, welchen er beim Churfürsten fand, ebenso sehr zufrieden als mit der Aufmerksamkeit, welche man ihm von allen Seiten erwies. »Man empressirt sich mich zu haben und jeder Tag ist mit etwas bezeichnet, das mir die Wiedererinnerung desselben angenehm macht« schreibt er am 26. December an Sophie La Roche29, und am folgenden Tag an Merck30: »Ich kann Euch itzt noch nichts Weiteres sagen, als daß ich mich zu Seel und Leib wohl befinde und eben dadurch, daß ich keine andere Rolle spiele als meine eigene, meine Sachen, wie mich däucht und wie es wenigstens scheint, recht gut mache. Vierzehn Tage, längstens drei Wochen, wirds herrlich gehen und mehr verlangen wir ja nicht. Eure Weissagungen oder Ahnungen von dem Eindruck, den meine Epiphania unter diesen Menschenkindern machen werde, scheinen völlig in Erfüllung zu gehen. Bis jetzt habe ich mich gut gehalten: Gott gebe nur, daß mir nicht zu wohl unter diesem Volke werde! Doch dafür ist auch gesorgt.« Auch Mozart wurde bald mit ihm bekannt; er ließ sich durch den Glanz, welchen der Enthusiasmus für [141] den berühmten Dichter um diesen verbreitete, nicht imponiren und entwirft seinem Vater folgende unbefangene Charakteristik (27. Dec. 1777): »Nun bin ich mit Hrn. Wieland auch bekannt; er kennt mich aber noch nicht so wie ich ihn, denn er hat noch nichts von mir gehört. Ich hätte mir ihn nicht so vorgestellt, wie ich ihn gefunden. Er kommt mir im Reden ein wenig gezwungen vor; eine ziemlich kindische Stimme, ein beständiges Gläselgucken, eine gewisse gelehrte Grobheit und doch zuweilen eine dumme Herablassung. Mich wundert aber nicht, daß er (wenn auch zu Weimar oder sonst nicht) sich hier so zu betragen geruhet, denn die Leute sehen ihn hier an, als wenn er vom Himmel herabgefahren wäre. Man genirt sich ordentlich wegen ihm, man redet nichts, man ist still, man giebt auf jedes Wort acht, das er spricht; – nur Schade daß die Leute oft so lang in der Erwartung seyn müssen, denn er hat einen Defect in der Zunge, vermöge er ganz sachte redet und nicht sechs Worte sagen kann ohne einzuhalten. Sonst ist er, wie wir ihn alle kennen, ein vortrefflicher Kopf. Das Gesicht ist von Herzen häßlich, mit Blattern angefüllt, und eine ziemlich lange Nase; die Statur wird seyn, beyläufig etwas größer als der Papa.« Nachher lernte Wieland denn auch ihn kennen. »Der Hr. Wieland« schreibt er (10. Jan. 1778) »ist, nachdem er mich nur zweymal gehört hat, ganz bezaubert. Er sagte das letztemal nach allen möglichen Lobsprüchen zu mir: Es ist ein rechtes Glück für mich daß ich Sie hier angetroffen habe! und druckte mich bey der Hand.«
Von der Wendling war Wieland im höchsten Grade entzückt, auch alle sonstigen Vorbereitungen für die Oper befriedigten ihn sehr. Die erste Aufführung war auf den 11. Januar bestimmt und er hoffte mit seiner Rosamund viel Ehre und Freude an Mannheim zu erleben, wenn nur die Krankheit [142] des Churfürsten von Bayern keinen schlimmen Streich spielte. Diese Befürchtung traf ein. Am 30. December starb Churfürst Maximilian; die Todesnachricht traf in Mannheim ein, als Karl Theodor dem Schlußgottesdienst des Jahres beiwohnte und schon in der folgenden Nacht entschloß er sich zur Abreise nach München31. Damit hatten alle Festlichkeiten ein Ende. »Dem hiesigen Publico und mir selbst« schreibt Wieland an den Freiherrn v. Gebler (5. Jan. 1778) »hat der Tod Maximilian Josephs einen großen Spaß verdorben. Meine von Herrn Schweitzer ganz vortrefflich gesetzte Oper Rosamunde sollte den 11. dieses zum erstenmal gegeben werden und das Karneval durch achtmal wiederholt werden. Alle Anscheinungen versprachen mir einen so großen Succeß, als vielleicht jemals ein Singspiel gehabt hat, als der Tod des Churfürsten von Bayern auf einmal eine Veränderung des Schauplatzes hervorbrachte, deren lugubre Decorationen die meinigen verdrängen mußten«32. Ihm zu Ehren, wie es scheint, wurde die Oper noch einmal im Theater probirt33, dann reiste er, trotz dem daß die Hauptsache vereitelt war, befriedigt nach Weimar zurück34.
[143] Das wichtige Ereigniß hatte für die Mannheimer und namentlich auch die Musiker bedeutendere Folgen als daß für die nächste Zeit alles still und langweilig war. Zwar konnte man in Mannheim nicht glauben, daß Karl Theodor seine Residenz nach München verlegen werde – der Patriotismus der Pfälzer war viel zu fest von den unübertrefflichen Vorzügen Mannheims überzeugt35 –; indeß wurde doch die Aussicht in die Zukunft unsicher und bald durch die drohende Wendung, welche die politischen Zustände nahmen, sehr beunruhigend.
1 Wieland, dem es ein fabelhafter Gedanke war seine deutsche Oper in Mannheim unter der Direction eines Italiäners zu sehen (Briefe an Sophie La Roche S. 189f.), war nachher sehr mit ihm zufrieden; »il se conduit en galant-homme« schreibt er an Merck (Wagner II S. 124).
2 Der Churfürst von Mainz war für Musik enthusiasmirt; »nicht leicht« sagt Schubart (Aesthetik S. 182) »hat ein großer Mann die Musik so in sein Leben verwebt wie dieser. Musik weckte ihn, Musik begleitete ihn zur Tafel, Musik scholl auf seinen Jagden, Musik beflügelte seine Andacht in der Kirche, Musik wiegte ihn in balsamischen Schlummer und – Musik hat diesen wahrhaftig guten Fürsten gewiß im Himmel bewillkommt.«
3 Georg Anton Kreuser, geb. 1743, war ein tüchtiger Violinspieler und hielt sich auf seinen Reisen längere Zeit in Italien, Frankreich und Holland auf, bis er Concertmeister in Mainz wurde, wo er auch gestorben ist. »Er soll von einem sehr leutseligen und gefälligen Charakter sein« sagt Gerber.
4 Leop. Mozart hatte schon seinem Sohn geschrieben (2. Nov. 1777): »Ich wünsche daß Du in Mannheim etwas zu thun bekommst. Sie spielen immer deutsche Opern; vielleicht bekommst Du eine zu machen. – Sollte es geschehen, so weißt Du ohnehin, daß ich Dir das Natürliche, für Jedermann leicht Faßliche, Populare nicht erst recommandiren darf; das Große, Erhabene gehört zu großen Sachen: alles hat seinen Platz.« Man sieht, er hatte nur das leichte Singspiel im Auge, von der neuen Erscheinung einer großen deutschen Oper war ihm noch nichts bekannt.
5 Es waren die Kinder der Schauspielerin Seyffert (Gräfin Haydeck). Der Sohn war später Fürst von Brezenheim, die Töckter an vornehme Herren verheirathet; Hausser Geschichte der rhein. Pfalz II S. 934.
6 »Hier ist der Fall freilich« antwortet dieser (29. Nov. 1777) »daß Du an Hrn. Cannabich einen Freund haben wirst, da sein Interesse wegen der Tochter damit verknüpft ist.«
7 »Mein liebes Weib hat sich gerühmt, daß sie früh aufstehen, sich nicht aufhalten und Alles geschwind und hauswirthschaftlich machen werde. 16 Täge in München, 14 Täge in Augsburg, und nun 17 Täge in Mannheim – das ist in der That Hexerey! Ihr seid erst 8 Wochen, folglich 2 Monate weg und schon in Mannheim? das ist ohnbegreiflich geschwind. Da wir nach England reisten, waren wir 9 Täge in München, waren beim Churfürsten und Herzog Clemens und mußten auf das Präsent warten. – Wir waren 15 Tage in Augsburg, gaben aber 3 Concert allda, nemlich den 28 und 30 Junij und den 4 Julij. – Wir sind den 9Junij von Salzburg abgereist, sind erst den 12ten in München eingetroffen, weil in Wasserburg neue Räder gemacht wurden und sind doch den 13 Julij in Schwezingen gewesen, obwohl wir uns auch in Ulm, Ludwigsburg und Bruchsal aufgehalten.«
8 Hierauf erfolgte eine sehr summarische Rechnungsablage in einem Briefe der Frau (11. Dec. 1777): »Mein lieber Mann, Du verlangst zu wissen, was wir alles auf der Reise ausgegeben. Den Conto von Albert haben wir Dir geschrieben, und der von Augsburg ist 38 fl. gewesen. Der Wolfgang hat Dir geschrieben, daß wir 24 fl. Schaden haben, er hat aber die Unkösten vom Concert, welche auch 16 fl. machten, nicht dazu gerechnet, wie auch den Wirthsconto nicht. Also wie wir nach Mannheim gekommen, haben wir von allem Geld nicht mehr als 60 Gulden gehabt, also in 14 Tägen, wann wir abgereist wären, würde nicht viel übrig geblieben sein. Dann die Reisen kosten als mehr, seitdem es so theuer gewesen; es ist nicht mehr so wie es gewesen, Du würdest Dich verwundern.«
9 D.h. von diesen Bravurvariationen die sechs leichtesten; vgl. I S. 610f.
10 Leopold Mozart fand es sehr natürlich, daß Wendling ihn bis zur Reise zu halten suchte; »sie brauchen einen Vierten und wo fänden sie einen gleichen?«
11 Er hieß Dejean (einmal nennt Mozart ihn De Champs).
12 »O ich kann manchmal Euch den ganzen Tag nicht ans meinem Kopf bringen«; schreibt er der Frau (11. Dec. 1777) »sonderlich, wenn ich aus Reisen bei dieser Kälte denke – und an die anderen Sachen, die ganz anders hatten gehen sollen. – Ich darf nicht daran denken, daß ich nun schon über 600 fl. schuldig bin.«
13 Auch darüber machte er sich mitunter Bedenken, ob auch Wolfgang seine Pflichten als Katholik erfülle. »Darf ich wohl fragen«, schreibt er seiner Frau (15. Dec. 1777) »ob der Wolfgang nicht auf das Beichten vergessen hat? Gott gehet vor allem! von dem müssen wir unser zeitliches Glück erwarten und für das ewige immer Sorge tragen; junge Leute hören dergleichen Sach nicht gern, ich weiß es, ich war auch jung; allein, Gott sei Dank gesagt, ich kam doch bey allen meinen jugendlichen Narrenspossen immer wieder zu mir selbst, flohe alle Gefahren meiner Seele und hatte immer Gott und meine Ehre und die Folgen, die gefährlichen Folgen vor Augen.« Sie beruhigte ihn, daß Wolfgang zu Marien Empfängniß gebeichtet habe, und daß sie freilich an den Wochentagen nicht regelmäßig, Sonntags aber immer die Messe hörten, und zwar Wolfgang in der Hofkirche. Auch dieser rechtfertigte sich, nicht ohne Empfindlichkeit (20. Dec. 1777): »Ich habe geschrieben, daß mir Ihr letzter Brief viel Freude gemacht hat, das ist wahr! nur eins hat mich ein wenig verdrossen – die Frage, ob ich nicht das Beichten etwa vergessen habe? – Ich habe aber nichts dawider einzuwenden, nur eine Bitte erlauben Sie mir, und diese ist, nicht gar so schlecht von mir zu denken! Ich bin gern lustig, aber seyen Sie versichert, daß ich trotz einem jeden ernsthaft seyn kann. Ich habe seit ich von Salzburg weg bin (und auch in Salzburg selbst) Leute angetroffen, wo ich mich geschämt hätte so zu reden und zu handeln, obwohlen sie 10, 20 und 30 Jahre älter waren als ich! Ich bitte Sie also nochmals und recht unterthänig, eine bessere Meinung von mir zu haben.«
14 Sie ist gedruckt Oeuvres IV, 2. Auf dem Autograph (André Verz. 226) steht: Sonata di Wolfgango Amadeo Mozart li 11 di Marzo 1778 à Mannheim. Pour Mademoiselle Therese Pierron.
15 Am 18. December war schon ein Quartett »für den indianischen Holländer, für den wahren Menschenfreund« fertig.
16 Er nennt ihn später einmal La Pautrie.
17 Er schreibt an Merck den 24. Aug. 1776 (Wagner II S. 76): »Ich arbeite wieder an einer Oper Rosemund genannt – Sie kennen ja Heinrich II, seine Rosemund und Woodstocks Park etc. Ich gehe aber mit dem Ding um als mit einer Fabel. Es wird als einopus musicum betrachtet ein gewaltiges opus werden – Schweitzer componirts. Von Alceste soll dann, ob Gott will, die Rede nicht mehr sein.«
18 Wagner I S. 105.
19 Wagner II S. 89: »Ich mußte; denn ich hatte mir in einem Anfall von bonhommie ein Wort entfallen lassen [in einem Brief an Klein, in Maltens Bibl. d. Weltk. 1840 I S. 380f.], das man für Versprechen nahm. Sagen ich will nicht ging nicht an: sagen ich kann nicht noch weniger. Ich raffte mich also zusammen – wurde warm – fermentirte – und so gings dann weiter, von Punct zu Punct, wie Sie wissen, daß es nach dem ordentlichen Lauf der Natur zu gehn pflegt, wenn ein Kind des Geistes geboren werden soll, das Lebenskraft in sich habe.«
20 Nichts kann naiver und liebenswürdiger sein als die Lebhaftigkeit und Offenherzigkeit, mit welcher der leicht erregte Wieland die ganze Scala verschiedener Empfindungen bei dieser Angelegenheit in seinen Briefen an Jacobi (auserl. Briefw. I S. 265–280) und Merck (II S. 93 I S. 102. 118f.) ausspricht.
21 Jacobis auserl. Briefwechsel I S. 262ff.
22 »Herzlichen Dank für Hompesch's Brief. Der Inhalt soll in meiner Seele ewig begraben bleiben. Der edle, gute Mann dauert mich. Alles, was er von Rosemund schreibt, ist wahr. Nichts ist gewisser, als daß ich für das Dramatische gar keinen Sinn habe.«
23 An Sophie La Roche schreibt er (S. 184), er gehe nach Mannheim »um Schweitzers Rosemunde zu hören. Sie wissen daß bey einer Oper der Text nicht in Anschlag kommt.« Und später (S. 187f.): »Ich glaube, Rosemunde wird Ihnen ein großes Vergnügen machen – nicht als ob ich glaubte, was ich dabey gethan habe, sey ein großes Werk; sondern weil ich glaube, Sie werden in Ihrem Leben nie in solchem Grad erfahren haben, was die Magie der Musik ist als in dieser Oper. Mein ganzes Verdienst bey dieser Sache ist, daß ich einige schöne Arien gemacht und Schweitzern Gelegenheit gegeben habe sein ganzes Genie zu deployiren. Sie werden alle Ihre Nerven vonnöthen haben um die Scene, wo die Königin mit Gift und Dolch zu Rosamunden kommt, auszuhalten – und in zwey oder drey anderen Scenen werden Sie in Elysium zu seyn glauben. Kurz, ich freue mich selbst auf meine Reise nach Mannheim wie meine Kinder auf den heiligen Christ.«
24 Auch den Witterungswechsel in der Reiseangelegenheit kann man in den Briefen an Merck verfolgen (Wagner II S. 93. 104. 113f. 116f. I S. 119f.)
25 Anton Schweitzer, geb. zu Coburg 1737, wurde in Baireuth gebildet und trat in die Kapelle zu Hildburghausen, wo ihn Dittersdorf im Jahr 1758 als einen »lieben jungen Menschen« kennen lernte (Selbstbiogr. S. 87). Im Jahr 1772 kam er nach Weimar; dort traf ihn Großmann und rühmte ihn Knebel als einen geschickten Tonkünstler, der einen ansehnlichen Posten verdiente. »Er hat Elysium [von G. Jacobi] componirt und den Beifall der Kenner erhalten. Pygmalion, ebenfalls von seiner Composition, ist schön, voll Feuer und Ausdruck; ich habe ihn besonders in den Uebergängen vom Heftigen zum Sanften bewundert. Jetzt setzt er Ariadne auf Naxos [von Brandes, vgl. dessen Selbstbiogr. II S. 156f.] in Musik; es ist nach dem Rousseau dialogisirt und sehr fähig die Geschicklichkeit eines Tonkünstlers zu beschäftigen« (Knebels litter. Nachl. II S. 166). Nachdem er durch die Alceste im Jahr 1773 großen Ruhm erlangt hatte, machte der Schloßbrand im folgenden Jahr allen theatralischen Aufführungen in Weimar ein Ende; er ging als Kapellmeister nach Gotha und starb dort 1787.
26 Wieland war ganz entzückt von der Alceste. »Fremde vom ersten Rang und von zuverlässigem Urtheil«, schreibt er an Sophie La Roche (S. 167) »welche in England, Frankreich und Italien alles gesehen und gehört haben, waren bei der Repetition beinahe außer sich vor Verwunderung in Weimar so was zu hören. Musik und Execution (zumal von unseren Sängerinnen Mlle. Koch und Mlle. Hellmuth) sind wirklich das Schönste, was ich jemals gehört habe.« In einem Briefe an Klein vom Jahr 1774 schreibt er von Glucks Alceste: »Auch diese ist ein göttliches Werk, wie Sie wissen. Aber meines Schweitzers Composition der teutschen Alceste ist und bleibt doch das Schönste, was wir bisher in dieser Art noch gehört haben. So überzeugt ich hiervon durch mein Gefühl und meinen Verstand bin, so würde ich doch nicht so zuversichtlich sprechen, wenn ich nicht große Kenner der Musik, die in Italien und Teutschland Alles gehört haben, was hörenswerth ist, ebenso sprechen gehört hätte. Die Recitative sind darin ebenso interessant und beinahe noch interessanter als die Arien. Aber die herrlichsten Stellen würden verloren gehen, wenn sie nicht mit dem gehörigen Geist, Nachdruck und Gefühl recitirt würden, oder wenn die Instrumente, die keine Note zu machen haben, welche nicht etwas zum Ausdruck beitrüge, nicht mit der äußersten Accuratesse zu dem gemeinschaftlichen Zweck mitarbeiteten« (Morgenblatt 1820 n. 160); vgl. Gruber Leben Wielands III S. 33ff. Auch Jacobi war, nachdem er Hartig Stücke aus der Alceste hatte singen hören, über das Schicksal der Rosemunde beruhigt (auserl. Briefw. I S. 273. 274f.) und Schubart (Aesthetik S. 110) giebt ihr die größten Lobsprüche. Mozart urtheilte nicht so günstig. »Nun wird zu München die traurige Alceste von Schweitzer aufgeführt!« schreibt er später dem Vater (18. Dec. 1778). »Das Beste (nebst einigen Anfängen, Mittelpassagen und Schlüssen einiger Arien) ist der Anfang des Recitativ: O Jugendzeit! und dies hat erst der Raaff gut gemacht; er hat es dem Hartig, der die Rolle des Admet spielt, punctirt und dadurch die wahre Expressien hereingebracht. [Dieses Recitativ ließ sich Jacobi viermal vorsingen.] Das Schlechteste aber (nächst dem stärksten Theil der Opera) ist die Ouverture.«
27 Später beklagt er in einem Brief an den Vater (11. Sept. 1778) Aloisia Weber wegen ihrer schlechten Rolle in der Rosamund. »Eine Arie hat sie, wo man aus dem Ritornell was Gutes schließen könnte, die Singstimme ist aber alla Schweitzer, als wenn die Hunde bellen wollen; eine einzige Art von einem Rondeau hat sie im zweiten Act, wo sie ein wenig ihre Stimme souteniren und folglich zeigen kann. Ja, unglücklich der Sänger oder die Sängerin, die in die Hände dieses Schweitzers fällt; denn der wird sein Lebtag nicht das singbare Schreiben lernen!«
28 Schubart suchte in Mannheim durch Vorlesen den Geschmack für deutsche Dichtkunst zu bilden und besonders für Klopstocks Anerkennung zu wirken, auch fanden sich Leute, die es bloß auf sein Wort glaubten daß Klopstock das größte deutsche Dichtergenie sei, wie dieser denn auch bei seinem Aufenthalt in Mannheim im Jahr 1775 alle einem solchen gebührende Ehre genoß. »Hingegen hatte Wielands Genius allenthalben Eintritt. Seine ausländische Miene, wollüstige Gemälde, freie Moral, Kenntniß des verderbten Herzens, dem er auf eine so süße Art zu schmeicheln wußte, machten ihn leicht zum Liebling eines Volks, das ebenso gesinnt war. Nur wenige – aber die edelsten – schmeckten Milton, Shakespeare, Poung, Ossian und unsere echte deutsche Barden« (Schubart Selbstbiogr. 14 I S. 217f.).
29 Wielands Briefe an Sophie von La Roche S. 191. 193.
30 Wagner I S. 121.
31 Häusser Gesch. der rhein. Pfalz II S. 957f.
32 Auswahl denkw. Briefe von Wieland II S. 58.
33 »Heut ist die Rosamund im Theater probirt worden«; schreibt Mozart dem Vater (10. Jan. 1778) »sie ist – – gut, aber sonst nichts; denn wenn sie schlecht wäre, so könnte man sie ja nicht aufführen?« Holzbauer, der sich »alle mögliche Arten von Fieber über die Rosamunde an den Hals probirt hatte«, als diese 1789 gegeben wurde – Minna Brandes sang die Rosamund, Toskani den König – sagte an Heinse von Schweizer: »Er ist ein Genie; wenn ers trifft, so ists göttlich; sonst ist es manchmal, als ob er Branntwein gesoffen hätte« (Briefe von Gleim und Heinse I S. 324).
34 »Ich reife nun«, schreibt er an Gebler »übrigens mit meinem hiesigen Aufenthalt höchst vergnügt, wieder nach meinem lieben Weimar. Ich habe hier viel Merkwürdiges gesehen und gehört und besonders unter den Tonkünstlern und Malern verschiedene Subjekte kennen gelernt die ich für einzig in ihrer Art halte, und um derentwillen Mannheim mir immer interessant bleiben wird.« Der Churfürst ließ ihm eine gar schöne Tabacksdose, 40 Carolin au Werth, nebst 100 fl. und 24 Carolin Reisegeld zustellen, womit er sehr zufrieden war, und so dämmerte sich die Geschichte von Mannheim, wie er Merck schreibt (Wagner II S. 122. 124), allmählich in seinem Kopfe zu einem seinen Mährchen zusammen.
35 K. R[isbeck] Briefe über Deutschland I S. 340f.: »Die Mannheimer thaten dem Churfürsten den seltsamen Vorschlag bei ihnen zu bleiben und Bayern, welches wenigstens fünfmal so groß ist als die Pfalz, durch einen Statthalter regieren zu lassen. Sie können jetzt noch nicht begreifen, wie ihr Landesfürst München vorziehen konne. Sie sind von den Schönheiten ihrer Hauptstadt so sehr eingenommen, daß sie Dich unter die Nase auslachen, wenn Du ihnen sagst, es gebe noch schönere Städte in der Welt als Mannheim. – – Ueberhaupt sind die Mannheimer das eitelste Völkchen unter der Sonne. Sie haben einen so hohen Begriff von der Macht und dem Reichthum ihres Landes, daß sie ihren Fürsten mit den größten Monarchen parallel setzen.« Aehnliche Züge von Localpatriotismus aus jener Zeit erzählt Brandes (Selbstbiogr. II S. 279).
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