[71] Zwölftes Schreiben.

Nachrichten von dem herzoglichwürtembergischen Hofe und Lande.

Wenn ich wenige gebirgichte Gegenden an dem Schwarzwalde und auf der Alb oder den hiesigen Alpen ausnehme, so ist das Herzogthum Würtemberg mit unter die gesegnetesten Länder von Deutschland zu rechnen, und kann man es in Ansehung der angenehmen Abwechselung von Hügeln und Thälern gar wohl mit Siebenbürgen vergleichen. Rand rechts: Güte des würtembergischen Landes. Rand rechts: Zahl der Einwohner. Man zählt darinnen vierzehn Prälaten und Aebte, (worunter vier die Bedienungen von Generalsuperintendenten zugleich bekleiden) sechs und dreyßig Speciales oder Superintendenten, und bey fünfhundert und siebenzig Stadt- und Dorfprediger1; zwey und siebenzig Städtchen und Aemter; zwölfhundert Dörfer, und in allen ungefähr vierhundert und funfzigtausend Einwohner2. Diese letzte Zahl, welche insgemein bey dem Ueberschlag von andern Ländern die ungewisseste zu seyn pfleget, ist hier dem wenigsten Zweifel unterworfen, weil nach einer sehr löblichen Anstalt die Superintendentes Speciales bey der jährlichen Visitation die Anzahl der Seelen jedes Orts ihrer Diöces erforschen und bemerken, solche hernach in ihre Visitationsrelation an ihre Generales bringen, von welchen sie dem jährlichen Synodo, der aus dem fürstlichen Consistorio und den vier obgedachten Generalsuperintendenten besteht, vorgetragen wird. In den Jahren 1686 und 1687 war die Zahl eben so groß, als sie itzt ist, allein durch die französische Verwüstungen und Hungersnoth von 1690 und den folgenden Zeiten, nahm sie so stark ab, daß im Jahre 1696 nicht viel über dreymal hundert tausend gerechnet wurden. Wobey jedoch auch dieses zu bemerken, daß man ehemals nicht allezeit mit dem genauesten Fleiße die Untersuchung und Abzählung verrichtet hat.[71]

In den ersten Jahren nach der Wiederrufung des Edicts von Nantes, hätte das Herzogthum Würtemberg einen ansehnlichen Vortheil aus der Aufnehmung der französischen Religionsflüchtlinge ziehen können, weil viele reiche Leute darunter waren, und vielerley einträgliche Manufacturen durch solche Gelegenheit in das Land würden gekommen seyn, die sich hernach in die brandenburgische und andere Länder gezogen haben; allein der blinde Eifer für die Orthodoxie und das strenge Geschrey vieler Geistlichen, welche lehrten, daß man hiedurch Altar gegen Altar baue, und es besser sey, der türkischen als der kalvinischen Religion anzuhangen, machten so vieles Bedenken in der Versammlung der Landstände, daß der Hof seinen Endzweck nicht erreichen konnte. Als man hernach auf reifere Gedanken gerathen wollte, war die beste Gelegenheit vorbey, und die Aufnehmung der armen vertriebenen Waldenser, mit welchen man verschiedene anitzo sogenannte wälsche Dörfer, sonderlich in den Vogteyen Maulbrunn und Brakenheim besetzte, war zwar löblich, und den Regeln sowohl der klugen Regierungskunst, als des Evangelii gemäß, allein nicht hinlänglich, den aus den Händen gelassenen Hauptvortheil zu ersetzen, obgleich diese Leute mit Hut- und Strümpfmanufacturen itziger Zeit sich gut in die Höhe bringen. Eine zu Calwe etablirte Handlungsgesellschaft ist dem Lande von großem Nutzen, und erstrecket sich mit ihren Niederlagen in viele auswärtige Länder3. Die Einkünfte des ganzen Herzogthums, oder wenn man die landschaftliche Einnahme an Accis, nebst der geistlichen und weltlichen Kammer zusammen nimmt, können bey ruhigen Zeiten und guter Einrichtung, auf zwo Millionen Gulden gerechnet werden. Die weltliche Kammer ist schon seit vielen Jahren dergestalt in Unordnung gerathen, daß, als vor etlichen Jahren der vormals durlachische Minister, Maximilian von Schütz, die hiesige Kammerpräsidentenstelle antrat, der Herr geheime Rath von Forstner, ihm dazu, wie alle andern, zwar Glück wünschet; dabey aber nicht verhielt, wie er glaube, daß; wenn auch der Engel Gabriel vom Himmel käme, um dieses Finanzwesen in guten Stand zu bringen, er wenig Ehre einlegen würde, so lange die übrigen itzigen Umstände blieben4.

Nach dem Tode des letzten Herzogs von Mömpelgard, ist zwar diese fürstliche Grafschaft mit der Herrschaft Etoban und Magni d' Anegon, als deutschen Reichslehen, an das durchlauchtige Haus Würtemberg-Stutgard gekommen; allein die besten Stücke solches Erbanfalles, nämlich die vier Seigneuries, Blamont, Clemont, Chatelot, Hericourt, welche jährlich über viermal hundert tausend französische Livres betragen, sind noch in französischen Händen. Rand links: Anfall von Mömpelgard.

Die Engländer sind der Meynung, man habe verschiedene Gelegenheiten vorbey streichen lassen, da ihre Freundschaft dem Hause Würtemberg nachdrückliche Vortheile auch in dieser Sache hätte zuwege bringen können, und wäre noch im Jahre 1727 Zeit gewesen, durch kräftige Vermittelung bey Frankreich etwas auszurichten; allein man habe nicht darauf geachtet, und sich nach einem andern großen Hofe gerichtet, der die Privatabsichten einer sichern Familie, welche bisher alles am würtembergischen Hofe zu sagen hat, mehr zu befördern im Stande war.[72]

Der Herzoginn habe ich in Stutgard aufzuwarten die Gnade gehabt, da ich denn über ihre sonderbare Gütigkeit und Gelassenheit mich höchlich verwundern müssen. Der Herzog ist ein ansehnlicher Herr, den die Unterthanen wegen seines gütigen Gemüthes von Herzen lieben. Das Land seufzet sehr nach einem männlichen Erben vom Erbprinzen, aus Furcht, es möchten durch eine katholische Erbfolge viele verdrießliche Folgerungen über das Land erwachsen. Rand rechts: Künftige Succession Der Prinz Karl Alexander ist zwar ein Herr, den jedermann hoch achtet; allein obgleich unter seiner Regierung nichts zu fürchten wäre, so steht es doch kaum in seinem Vermögen zu verhindern, daß nicht einige seiner Nachkommen, wenn sie bey der römisch-katholischen Religion bleiben, den Pfaffen und andern Gemüthern (welche durch Verfolgung der Protestanten als vermeynten Ketzer den Himmel zu verdienen glauben) mehr Gehör geben, als der Wohlfahrt des Landes zuträglich seyn möchte.

Ehe zu Ludwigsburg die Schloßkapelle zu Stande gekommen, und das neueste Corps de Logis angefangen worden, wäre vielleicht Gelegenheit gewesen, des Herzogs Gegenwart wieder in Stutgard zu haben; vielleicht hätte man auch den Prinzen Alexander beym ledigen Stande behalten, und seinen Bruder, den Prinzen Friedrich, der noch gut evangelisch ist, zum Heirathen bewegen können; allein die Sparsamkeit der Landstände hat (wie etliche dafür halten) alles gehindert, und die besten Gelegenheiten aus den Händen gehen lassen. Ich bediene mich aber mit Fleiß der Ausdrückung, vielleicht, weil die Landstände zu ihrer Entschuldigung vorwenden können, daß allenfalls die Geldausgaben gewiß genug gewesen seyn würden, die gehörigen Sicherheiten aber der dafür angetragenen Bedingungen fast unmöglich hätten geleistet werden können, und ihnen solchergestalt nicht verarget werden müsse, wenn sie bey ihren Grundsätzen und der so nöthigen Sparsamkeit geblieben.

Wenn man bey Sr. Durchlaucht. dem Herzoge etwas zu suchen hat, so giebt man das Memorial bey dem geheimen Rathscollegio ein, welches solches an den Premierminister sendet. Rand rechts: Train der Affairen an diesem Hofe. Dieser giebt es an den geheimen Referendarium, wenn die Sache im Kabinetrathe soll vorgetragen werden, und wird in diesem Collegio gemeiniglich erst ein Gutachten der geheimen Räthe erfodert. Wenn dieser Bericht wieder in das Referat gekommen und darinnen genehm gehalten worden, alsdenn ergeht erst an die geheimen Räthe der herzogliche Befehl, was für eine Antwort ausgefertiget werden soll. Mein Herr sieht hieraus, wie Sachen, die nicht angenehm sind, lange hingehalten werden können, ferner, wie das Collegium der geheimen Räthe so große Gewalt nicht habe, als an vielen andern Orten, und von welchen Personen endlich ein gnädiger oder unangenehmer Bescheid, Regen oder Sonnenschein, ursprünglich herkomme.

Der Herzog ist das Haupt vom Kabinetrathe, und sitzen darinnen: Rand rechts: Kabinetrath.


  • 1) Die Frau Landhofmeisterinn von Grävenitz, oder Gräfinn von Würben.

  • 2) Friedrich Wilhelm, Graf von Grävenitz, Premierminister und Oberhofmarschall, des schwarzen preußischen Adlers und des würtembergischen Jagdordens Ritter.

  • 3) Der Baron von Schütz, der auch Comitialabgesandter ist, und sich durch seine Verdienste in die Höhe gebracht hat. Er besitzt Studia und Verstand, absonderlich versteht[73] er die Reichstagssachen und die Art, wie am wienerischen Hofe Sachen durchzutreiben sind. Man setzet aber an ihm aus, daß er gar zu viele Finessen und List gebrauche etc.

  • 4) Victor Sigismund, Graf von Grävenitz, des preußischen und würtembergischen Ordens Ritter, des Premierministers jüngster Sohn.

  • 5) Der Herr von Pfau, als geheimer Referendarius, ein Mann von guten Wissenschaften, und der ein treffliches Münzkabinet besitzt.


Unter allen Kabinet- und geheimen Räthen ist nur ein einziges Landskind. Unter siebenzehn Expeditionsräthen habe ich gleichfalls nur drey gebohrne Würtemberger gefunden.

Kammerräthe heißen in diesem Lande diejenigen, welche die Rechnungen nachsehen, wie an andern Orten die Kammermeister und Secretarien zu thun pflegen. Rand links: Geistliche Kammer. Die Kammersachen werden eigentlich durch die Expeditionsräthe verrichtet. Bey der Reformation sind siebenzehn reiche Klöster secularisiret worden, deren Stiftungsbriefe und Beschenkungen von BESOLDO hie und da verfälschet herausgegeben, und ungeachtet der vom Hause Würtemberg geschehenen Gegenvorstellungen, zu Wien wieder aufgeleget worden sind. Diese Klöster und andere Kirchengüter werden durch eine geistliche Kammer verwaltet, aus welcher nach den Landsgesetzen die Gelder nur verwandt werden sollten 1) zu Erhaltung der Kirchen, Schulen, und des geistlichen Ministerii, 2) zu gemeinschaftlicher Tragung der Last des Landes, 3) zu Einlösung der veräußerten Güter, 4) zu Tilgung der Schulden, und 5) zu Rettung Land und Leute. Allein es sind dieser Kammer nach und nach viele andere Ausgaben zugewachsen, sonderlich durch den kostbaren Bau zu Ludwigsburg, durch die Bezahlung der Hälfte von Besoldungen einiger Räthe und Kanzleyverwandten, und durch die Summen, so man von ihr nur gleichsam entlehnet hat. Wegen der richtigen Bezahlungen stehen die Professoren zu Tübingen am besten, weil sie die Zehenden und Gründe, welche zur Unterhaltung der Universität gewidmet sind, in eigener Verwaltung haben, und sich also selbst bezahlt machen. Die Bergwerkssachen werden durch ein besonderes Collegium besorget, welches vermuthlich aber wieder eingehen wird. Rand links: Bergwerke. Man hat zwar im vorigen und itzigen Jahre etliche Silberanbrüche in der Grube vom drey Königsstern gefunden, auch etliche hundert Speciesthaler davon prägen lassen; wie lange aber die Ausbeute anhalten werde, muß die Erfahrung lehren. Den Gewerken ist indessen wegen der daran gewandten Zubuße jeder Thaler solcher Ausbeute auf zwanzig zu stehen gekommen. Itztgedachte Grube giebt auch guten Kobold, allein nicht so austräglich, als solcher eine halbe Stunde davon, nämlich in der Gegend des Klosters Wittichen, in dem fürstenbergischen Gebiethe gefunden wird.

Das Hofgerichte ist ein Kleinod unter den Rechten des würtembergischen Hauses, und so viel als das Oberappellationsgericht bey einem Churfürsten. Rand links: Hofgericht. Der gelehrte Tractat, welchen D. Schöpf davon geschrieben, zeiget die ganze Ordnung, mit welcher dieses Gericht verfährt, und kann auch in andern höchsten Gerichten mit Vortheile gebrauchet werden.[74] Einer der größten Nutzen dieses Dikasterii besteht in geschwinder Verwaltung der Gerechtigkeit, indem der Vortrag der Advocaten mündlich geschehen, und alle Tage ein Urtheil gesprochen werden muß.

Ehemals war der Rang zwischen den Regierungsräthen und den Hofgerichtsassessoren streitig, ist über nun durch das neuere Rangreglement denen Regierungsräthen zugesprochen worden. Die Besoldung der Glieder des Hofgerichts ist gar geringe. So lange dessen Sessionen dauern, genießt der Präses täglich drey rheinische Gulden, die adelichen Beysitzer zween Gulden, die übrigen, so nicht in Tübingen (woselbst es gehalten wird) wohnen, einen Reichsthaler, und die in itztgemeldter Stadt ansäßige einen Gulden, ohne etliche Eimer Wein, die jeder Assessor nach geendigtem Gerichte, wiewohl nicht von dem besten Gewächse, bekömmt. Nach der Hofgerichtsordnung sollte dieses Gericht jährlich viermal; und nach einem Rescript vom Jahre 1699 zweymal gehalten werden; man sieht aber anitzo auf keine gewisse Zeit, und es bleibt auch selten über sechs Wochen beysammen.

Das Haupt und der Hofrichter ist dermals Christoph Peter, Freyherr von Forstner, des Collegii Illustris zu Tübingen, Oberhofmeister, Obervogt von Tübingen, und Ritter des würtembergischen Jagdordens, ein Mann von ungemeinen Verdiensten, und den bisher von den höchsten Bedienungen der Landesregierung nichts ausgeschlossen hat, als seine unparteyische und beständige Absicht, das wahre Beste des Landes zu befördern, wobey er sich nicht überwinden kann, auf niederträchtige Art zu schmeicheln, und dasjenige weiß zu nennen, was er schwarz zu seyn befindet5.

Uebrigens habe ich in keinem Lande so viele Commissionen auch über geringe Dinge angeordnet gefunden, als hier, wodurch denn nicht nur viele Landessachen verzögert werden, indem die Regierungs- und Expeditionsräthe meistens in Commissionibus abwesend, und öfters von einem solchen Collegio kaum drey oder vier in Ludwigsburg gegenwärtig sind; sondern auch durch diese langwierige und kostbare Untersuchungen die Unterthanen sehr entkräftet werden, und niemand dabey gewinnet, als die Commissarien. Rand rechts: Viele Commissionen. Der Herr von Kulpis pflegte das würtemberger Land zu nennen, Regnum Pharisæorum et Scribarum, und vielleicht ist dieses eine von den Ursachen mit, die ihn dazu bewogen haben. Rand rechts: Von Kulpis. Bey Erinnerung dieses Mannes kann ich nicht umhin, zu melden, wie er in seiner Jugend Currentschüler zu Hailbronn gewesen, und sich bloß durch seine Wissenschaften in die Höhe gebracht habe, Sein Hauptfehler war die allzugroße Hitze und Heftigkeit, welche nicht mit den höflichsten Manieren und Ausdrückungen bekleidet waren. Diese letzte ließ er am meisten spüren, wenn die Rede auf den König von Frankreich fiel. Gegen seinen Wohlthäter, den Administrator, Herzog Karl Friedrich, war er sehr undankbar. Einen großen Fehltritt hat er auch begangen, durch die übereilte Unterzeichnung des ryswickischen Friedens, in dessen IV Art. den Protestanten zu nahe getreten wird, und kann man Kulpis weder mit dem kleinen Rausche, den er damals gehabt haben soll, entschuldigen, noch mit der Begierde, sein neu erhaltenes Wapen und Petschaft bey solcher wichtigen Gelegenheit das erstemal zu brauchen.[75]

Die Unterschrift, deren er sich gebrauchte, war: Ioh. Georgius Nobilis de Kulpis, S. R. Imp. Eques, Consil. Status intimus & Consil. Director. Die Holländer theilten den Namen Kulpis, und fanden ihn deswegen gar schlecht. Seine Verwandten geben vor, er sey mit Gifte hingerichtet worden; es scheint aber vielmehr, daß der Verlust seines Ansehens, welchen er nach seiner Zurückkunft von Ryswick erlitten, und den er nicht mit Standhaftigkeit ertragen konnte, seinen Tod verursachet habe.

Des Herzogs Truppen belaufen sich auf vier tausend Mann, worunter das Kreiscontingent von achtzehn hundert Mann begriffen ist. Rand links: Des Herzogs Kriegsstaat.

Der oftgedachte würtembergische Jagdorden wurde zu Anfang dieses Jahrhunderts gestiftet, und seine Statuta im Jahre 1719 erneuert und vermehret. Rand links: Würtembergische Jagdordnung. Die Mitglieder desselben haben den besondern Vortheil, daß sie vor andern mit Obervogteyen (deren jede etwan fünf hundert Gulden einträgt) versehen werden. Zum Zeichen solches Ritterordens ist das Jagdhorn beliebt worden, als das gewöhnliche Wapen der ehemaligen mit des heil. römischen Reichs Jägermeisteramte belehnten Grafen von Urach, deren Lande bereits vor etlichen hundert Jahren an das Haus Würtemberg gekommen sind. Die Ritter des Ordens haben das Recht und die Erlaubniß, allen solennen Lustbarkeiten, insonderheit den Jagden, sowohl des Hauptes und Ordensherrn, als der Ordensgenossen beyzuwohnen. Außer einer willkührlichen Anzahl von fürstlichen und gefürsteten Personen, wie auch von zwölf alten regierenden Reichsgrafen, soll derselbe aus dreyßig Rittern und einem Ordenssecretario bestehen. Das Ordenszeichen ist ein Kreuz von purem Golde, mit rubinrothem Schmelzwerk überzogen, in der Figur eines Maltheserkreuzes, mit vier ganz goldenen Adlern in denen vier Ecken, und zwischen den mittlern und untern Spitzen jedes Orts ein Jagdhorn. In der Mitte zeigt sich ein rundes grün geschmelztes Schildchen, worauf an einer Seite ein von Gold erhabenes lateinisches W, mit einem Herzogshute über demselben, (so das Herzogthum Würtemberg andeutet) und auf der andern Seite drey goldene Jagdhörner, nach dem würtembergischen Wapen in einander geschlungen, zu sehen sind. Itztbeschriebenes Kreuz soll insgemein an einem ponceau-rothen, einer Hand breiten seidenen gewässerten Bande über dem Rocke von der linken Schulter zur rechten Seite abhangend getragen werden. Es wird auch auf dem Rocke an der linken Brust ein gestickter silberner Stern getragen, in dessen Mitte und Boden das Ordenszeichen zu sehen ist, samt der in einem grünen Ringe um dasselbe mit Golde gestickten Devise des Ordens: Amicitiæ Virtutisque fœdus. Und geschieht dieses von allen Rittern, außer denen, die höhere Orden daneben, und mithin an solchem Orte bereits einen Ordensstern haben, welche jedoch den würtembergischen Ordensstern dabey mittragen, denselben auf das Kamisol setzen lassen, und das kleine Ordenskreuz sodann an einem rothen schmalen Bande am Halse tragen sollen. Jeder Ordensritter ist verbunden, unten an seinem Geschlechtswapen das Ordenskreuz an der Ordenskette hangend, Zeit seines Lebens zu führen: und besteht gedachte Kette aus grün emaillirten runden Schildchen, in deren einem wechselsweise ein von Golde erhabenes lateinisches W, mit einem Herzogshute über demselben, und in dem andern drey goldene Jagdhörner in einander geschlungen,[76] zwischen diesen beyden Schildchen aber jedesmal ein goldener Adler mit in die Höhe ausgestreckten Flügeln, die beyde Klauen an die Schildchen haltend, bemerket werden. Das Fest der allgemeinen Ordensversammlung ist alljährlich am Hubertstage, da an dem Orte, woselbst sich das Haupt des Ordens befindet, eine Jagd gehalten wird. Die Mitglieder, welche Verhinderung haben, daselbst zu erscheinen, sind dennoch, es sey an was Orten es wolle, wenn es nur immer möglich, und sie nicht durch Krankheit oder andere dergleichen erhebliche Ursachen abgehalten werden, zu Ehren des Ordens schuldig, an selbigem Tage auf die Jagd zu gehen und einige Ergötzlichkeit mit guten Freunden anzustellen. Wenn ein Ritter von einem andern Ordensgenossen ohne dem Ordenskreuze öffentlich angetroffen wird, ist er verbunden, dem Anbringer ein Paar gute Pistolen, und den Armen zwanzig Reichsthaler zu geben. Wer aus Geringschätzung in Jahr und Tag den Orden nicht trägt, ist desselben gänzlich verlustig.

Der Herzog ist ein großer Liebhaber der Jagden, und hat er dazu solche Gelegenheiten, als wenige deutsche Fürsten in ihren Ländern finden. Rand rechts: Jagden des Herzogs. Man machet aus den Sterberegistern von London, Paris und andern großen Städten einen Ueberschlag von der Menge der Einwohner: und einigermaßen wird man auch von des hiesigen Wildes großen Menge ein Urtheil fällen können, wenn man bedenket, daß in einem einzigen kalten Winter bey sieben tausend Stücke rothen Wildpräts umgekommen6, oder, damit ich vielleicht besser sage, gestorben sind; wie ein sicherer Fürst von seinen wilden Schweinen spricht, da es indessen von den armen Bauern heißt, sie sind crepiret.

Der Herzog von Würtemberg hat verschiedene Jagdschlösser, welche er wechselsweise zur Hirschbrunst oder Sauhatze bezieht, also, daß er alle fünf Jahre in seinen vornehmsten Forsten herumkömmt. Die Herrschaft logirt bey solcher Gelegenheit gut genug; der übrige Hof aber gar enge. Ich habe mich dabey verwundert, daß nicht ein jedes solcher Häuser auch für den Hofstaat mit allem nöthigen Hausrathe eingerichtet ist, sondern von den umliegenden Aemtern die Betten und manche Kleinigkeiten geliefert werden müssen; welche die Unterthanen vielleicht lieber auf einmal käuflich anschaffen und bezahlen würden, wenn sie dadurch der beschwerlichen Fuhren überhoben und versichert seyn könnten, daß die einmal herbey geschafften Sachen an dem bestimmten Orte bleiben würden.

Es ist in dem ganzen würtembergischen Lande eine uralte Gewohnheit, daß man die Zimmer und Galerien mit vielen großen Hirschgeweihen auszieret7; und desto leichter ist zu glauben, daß diese Geräthschaften auf den Jagdhäusern in allem Ueberflusse anzutreffen sind. Rand rechts: Meublen von Hirschgeweihen. Zu Waldebug sind bey den meisten großen Geweihen die Namen dererjenigen, von welchen die Hirsche geschossen worden, hinzu geschrieben. Des itztregierenden Herzogs Geschicklichkeit hat etliche Zimmer damit angefüllet, und ein anders ist voll Geweihe der Hirsche, welche die Frau Landhofmeisterinn erleget hat8. Auf dem Jagdhause Einsiedel im Schönbuch, eine Stunde von Tübingen, sind unter andern zwey Geweihe merkwürdig, welche von ihren Hirschen, da solche in der Brunst zusammen gekämpfet, dergestalt in einander gedrängt und geflochten worden, daß man sie mit keiner Gewalt wieder auseinander bringen[77] kann, wie denn auch beyde Hirsche darüber ihr Leben gelassen haben. Dergleichen bemerket man auch in der königlichen Kunst- und Naturkammer zu Kopenhagen. Auf dem Einsiedel ist ferner zu sehen ein Hagedorn, der aus einem Zweige erwachsen, welchen Eberhardus Barbatus vor mehr als zweyhundert Jahren von seiner nachdem gelobten Landegethanen Reise auf dem Hute nach Hause gebracht, und allhier selbst gepflanzet haben soll. Rand links: Großer Hagedorn. Zu Zeiten CRVSII hatte sich dieser Strauch oder Baum auf zwey und funfzig Ellen im Umfange ausgebreitet, seine Aeste ruheten auf vierzig steinernen Seulen, und keine einzelne Person9 konnte seinen Stamm umfassen; wobey man den Aberglauben hatte, daß mit dem Absterben dieses Baumes auch das Glück des Hauses Würtemberg erlöschen würde. Rand links: Prognosticon. Schon vor langen Jahren hat dieser Dornbusch Schaden am Stamme und Aesten erlitten, und itzt befindet er sich in einem gar schlechten Zustande10. Alle Prinzen vom Hause Würtemberg-Stutgard sind tapfer und gleichsam zum Kriegswesen gebohren. Vor andern aber gab Prinz Maximilian viele Hoffnung von sich. Rand links: Anekdoten vom Prinzen Maximilian. Als er kaum vierzehn Jahre alt war, begleitete er Karl den zwölften, König von Schweden, in allen Treffen, und attaquirte in diesem geringen Alter im Jahre 1703, bey Ueberrumpelung der Stadt Pultausk, mit bloßem Degen einen alten sächsischen Reuter, der sich mit Verwunderung umkehrte und sagte: Und du kleiner B – – – r willst auch schon einem rechtschaffenen Kerl den Hals brechen? mit welchen Worten er dem jungen Prinzen seinen Rest würde gegeben haben, wenn der König Karl der zwölfte, nicht selbst dazu gekommen und sein Erretter gewesen wäre. Der Herr G. R. v. F – – war begierig, die Umstände von dem jungen Prinzen selbst zu hören, der denn alles erzählte, bis auf des Reuters Rede, die seiner Ehre nachtheilig zu seyn schien; daher er nur kürzlich hinzu setzte: was der sächsische Reuter gesagt, werden Sie wohl wissen. Der König liebte ihn sehr, und vermeynte bey ihm ein Gemüth zu finden, das von Vorurtheilen und Eindrückungen noch ganz frey sey, und sich also in allem nach seinem Willen und Absichten würde gewöhnen lassen. Dieses verdroß den Prinzen von S. G. welchem empfindlich fiel, daß man gleichsam ein Kind ihm vorzog. Der König merkte dieses Misvergnügen, und wurde gleichfalls etwas kaltsinnig, weil er glaubte, dem Prinzen von S. G. sey es nur um des Königs Schwester Ulrica zu thun; und weil hiezu kam, daß dieser Prinz – – bey der nächsten Campagne zurück blieb, weil er wider die churfürstlichsächsischen Lande den Degen nicht führen wollte11: so wurde Prinz Maximilian der einzige Liebling des König Karls, in dessen Gemüth und Neigungen er auch sich gänzlich zu schicken wußte. Einsmals (auch in dem Jahre 1703) ritte der Prinz bey finsterer Nacht in vollem Sprengen vor dem Könige her, stutzte aber beyeinem großen Graben. Der König vermeynte, es geschehe solches aus Furcht vor Feinden, und rufte: fort! fort! Der Prinz gab hierauf ohne ferneres Bedenken und Zaudern dem Pferde die Sporren, und fiel darüber mitten in den Graben. Der König rennte so nahe hinter ihm darein, daß er auch mit dem Pferde in den Graben und auf den Prinzen stürzte, der halb todt heraus gezogen wurde, und von dem Könige die Liebe genoß, daß dieser eine ganze Nacht bey ihm wachte. In der unglücklichen Schlacht bey[78] Pultawa wurde er gefangen, da er als Oberster das schonische Dragonerregiment anführte. Der Czar both ihm Kriegsdienste an; der Prinz aber versetzte: so lange ein Blutstropfen in seinen Adern sich bewegen würde, sollte er zum Dienste des Königs in Schweden, als seines Wohlthäters angewendet werden. Der Czar ließ sich diese Antwort gefallen, und schenkte dem Prinzen unter gewissen Bedingungen die Freyheit nebst einem Degen, den er damals an der Seite trug. Ob er nun aus Erkenntlichkeit gegen die Russen ihnen in starkem Getränke gar zu wohl Bescheid gethan, oder sich sonst in den vorhergegangenen mühseligen Feldzügen zu stark angegriffen habe, ist ungewiß; wenigstens fiel der Prinz noch in selbigem Jahre, nämlich 1709, auf seiner Reise nach den würtembergischen Landen, in ein hitziges Fieber, woran er seinen Geist aufgab, im ein und zwanzigsten Jahre seines Alters, und also in der schönsten Blüte seiner Jugend, und in der ungezweifelten Hoffnung, daß er durch die Heirath mit des Königs Schwester Ulrica, dermaleins König in Schweden würde geworden seyn.

Das würtemberger Land theilet sich in das Land ob der Staig und unter der Staig. Rand rechts: Eintheilung des Landes. Jenes begreift Tübingen nebst den Ländern an und auf der Alb oder den würtembergischen Alpen, und kömmt dem Unterlande weder an Fruchtbarkeit noch Wärme des Climatis bey. Indessen hat es treffliche Holzungen, gutes Ackerland und viele Viehzucht, sonderlich aber starke Schäfereyen, welche erst seit etwan vierzig Jahren durch die Herren von Kniestätt, zu ihrem und des Landes merklichen Vortheile, in diese Lande eingeführet worden, und zwar aus Niedersachsen, und insbesondere aus dem Hildesheimischen, woher diese Familie sich ursprünglich schreibt. Rand rechts: Schäfereyen. Sollten bey dieser Sache seit etlichen Jahren in Ansehung der Kammer, einige Misbräuche eingerissen seyn: so sind solche nicht dem Hauptwesen und dessen Absichten zuzuschreiben. Ich erinnere mich hiebey in einem Voto des braunschweigwolfenbüttelischen Gesandten auf dem regenspurgischen Reichstage, den 27 October 1663, gelesen zu haben, daß zu Zeiten Henrici Julii im Lande zu Braunschweig bey achtzehn tausend Hirten gewesen, so dem Herzogthume nicht geringen Vortheil gebracht haben. Rand rechts: Weinwachs. Man bauet in dem würtembergischen Oberlande zwar auch Weine, es sind aber solche so schlecht, daß es zu verwundern, wie man die fernere Anlegung solcher Weinberge nicht den Unterthanen untersaget, und sie dafür anhält, dergleichen Gegenden zum Ackerbaue und zur Weide zu gebrauchen. Noch in diesem Jahre hat man bey Hageloch, nicht weit von Tübingen, dergleichen neue Weinberge an der Nordseite des Berges angelegt, welche unmöglich anderes als saueres und ungesundes Getränk hervorbringen können. Die Herrenberger müssen sich ohnedem vorhalten lassen, es könnten ihre Weintrauben unter der Kelter wegen der Härte nicht bezwungen werden, ehe sie in den Tennen tüchtig durchgedroschen worden; der reutlinqer, osterberger, pfuhlinger und anderer Weine anitzo zu geschweigen. In dem Unterlande hingegen haben sie gute Neckerweine, sonderlich um Brackenheim, Uhlbach, Hailbronn, Unter, türkheim und Stetten, an welchem letzten Orte ein besonderer Wein wächst, der weiß an der Farbe, sehr stark ist, und Brodtwasser genannt wird. Unter die vornehmsten Neckerweine[79] wird auch der roßwager und der bey Maulbrunn wachsende elsinger gerechnet. Ehemals und noch zu Anfange dieses itzigen Jahrhunderts, hatten die Würtemberger einen starken Handel mit ihren Neckerweinen nach Bayern: und fanden beyde Provinzen ihren Vortheil dabey, weil die Bayern auch nicht nöthig hatten, mit baarem Gelde den Wein zu bezahlen, sondern ihr Salz dafür angeben konnten. Rand links: Wie die Handlung mit Bayern Noth gelitten. Nachdem aber Bayern auf eine Zeitlang in kaiserliche Hände gerathen, wurden die Sachen also eingerichtet, daß die Bayern ihre Weine aus den benachbarten österreichischen Landen, wie auch aus Tirol und Franken nahmen. Die Einfuhr des fränkischen Weines beförderte insbesondere der kaiserliche Administrator, Graf von Löwenstein, weil seinen in Franken gelegenen Gütern hiedurch gleichfalls ein Vortheil zuwuchs. Hiebey bleibt es auch noch itzo, zu großem Nachtheile der würtembergischen Unterthanen, welchen ihre Weine, die sich ohnedem nicht lange halten, auf dem Halse bleiben; da sie hingegen für das Salz, das sie nicht entbehren können, baares Geld aus dem Lande bringen müssen. Bey der geschehenen Wiedereinsetzung des Churfürsten von Bayern wäre vielleicht Zeit gewesen, dem ganzen Handel, durch aufgerichtete Verträge, wieder auf die alten Wege zu helfen; allein es unterblieb, ohne, daß man die Ursachen davon weis. Sollten sich inskünftige die Zeiten etwas günstiger zu einer Veränderung in diesem Stücke anlassen, so wäre meines Erachtens nöthig, daß die Handlung einem jeden Unterthanen frey blieb, und nicht etwan auf Monopolia und dahin zielende Absichten gedacht würde, als wodurch zwar auf eine kurze Zeit der Privatvortheil eines Landesherrn, das allgemeine Beste aber niemals erhalten wird.

Außer dem Feldbaueund Weinwachse ist dieses Land auch gesegnet mit herrlichen Gesundbrunnen und Quellen, wovon ich anitzo nur die Boller-Zaisenhauser-Wild-Teinacher-Liebenzeller-Rithenaner- und Göppinger-Bäder und Wasser anführen will etc. Rand links: Gesundbrunnen.

Wegen der Policey dieses Landes ist noch hier beyzufügen, daß in allen Städten, Flecken und großen Dörfern gewisse Corycæl, so Gemeinsmänner oder heimliche Aufseher genennet werden, auf die Aergernisse, heimliche Zusammenkünfte und andere anstößige Lebensart ihrer Mitbürger Achtung haben, und davon an die obersten obrigkeitlichen Personen des Orts Nachricht geben, um nach Gutbefinden und nach Beschaffenheit der Sachen mehrere Kundschaft einzuziehen. Rand links: Corycæl. Diese heimlichen Aufmerker sind niemanden bekannt, und eidlich verpflichtet, ihres Amtes mit aller Treue zu warten. Sie genießen keine Besoldung, zur Belohnung aber suchet man sie bey Besetzung der Rathsherrenstellen oder anderer dergleichen obrigkeitlichen Bedienungen vor andern zu befördern. Niemand erfährt seinen Ankläger, und könnten verschiedene Misbräuche einschleichen, wenn man ihre Nachrichten als hinlängliche Proben, und nicht vielmehr als Warnungen in Ansehung des Richters, oder als Anmuthungen zu behutsamer Wachsamkeit ansehen wollte. Itztgedachte Anstalten haben mit dem venetianischen Denuncie secrete etwas gemein, und zweifele ich, ob man sie sonst irgendwo in Deutschland antreffe.


Ludwigsburg, den 1 Aug.

1729.

Fußnoten

1 In dem Hessencasselischen sind ohngefähr drey hundert und zwanzig Pfarren. Im Jahre 1712 bestand der Clerus der churbraunschweigischen Lande, wie er damals unter dem Consistorio zu Hannover war, und folglich ohne die Geistlichkeit im Bremischen, Verdenischen, und Lauenburgischen mit zu rechnen, aus einem Director, zweenen Hofpredigern, fünf Generalsuperintendenten, sechs und dreyßig Specialsuperintendenten, Pröbsten etc. etwan acht hundert ordinirten Priestern, und wenigstens doppelt so vielen Schulbedienten, Küstern und Dorfschulmeistern.


2 Im Jahre 1734 wurden vierhundert und acht und zwanzig tausend, einhundert und drey und funfzig Seelen gezählet.


3 Was dergleichen wohl eingerichtete Compagnien einem Lande nutzen können, ist wenigstens daraus abzunehmen, daß, als lm Jahre 1734 das würtembergische Land einen großen Stoßwegen der von Frankreich gefoderten Brandschatzungen zu befürchten hatte, und es allenthalben am Credit mangelte, oder die ungerechtesten Zinsen gefodert wurden, diese Handelsgesellschaft zu Calwe zu einem Anlehen von dreymal hundert tausend Gulden, und zwar unter gar billigen Bedingungen, sich erbothen hat.


4 Der Herzog Eberhard Ludwig starb im Herbste 1733. Sein Exempel dienet zum Beweis, daß diejenigen Länder nicht allezeit die glücklichsten sind, deren Regenten ein wollüstiges Temperament haben. Eine Maitresse, und ein eigennütziger Premierminister, welche zusammenhalten und den Landsherrn der Regierungslast überheben, können öfters ein Land so sehr aussaugen, als in andern Orten ein tyrannisches Regiment thun würde. Der Erbprinz von Würtemberg verwechselte im Jahre 1732 das Zeitliche mit dem Ewigen.


5 In denen zeither vorgefallenen vielen Veränderungen des würtembergischen Hofes hatsich dieses Ministers Standhaftigkeit, Einsicht und Großmuth noch mehr hervorgethan, indem er zu zweyenmalen, nach des Herzog Eberhard Ludwigs, und Herzog Karl Alexanders Tode, da man die neuen Regierungen beliebt machen und gut einrichten wollen, von jederman, ja von seinen Feinden selbst, der tüchtigste erkannt worden, dem Lande als Präsident des geheimen Raths vorzustehen: da er denn dem gemeinen Wesen höchst nützlichen und ersprießliche Dienste geleistet, den Religionszustand durch Entwerfung und Auswirkung der bekannten Reversalien versichert, und sowohl des fürstlichen Hauses Nutzen, als der Unterthanen Wohl aufs nachdrücklichste befördert hat. Selbst die gewaltsamsten Drohungen und bevorstehende äußerste Gefahr haben nicht vermocht, ihn von diesen redlichen und patriotischen Absichten wanken zu machen: und haben wir ihn in den unglückseligen Zeiten des Herzog Karl Alexanders zuvörderst, so lange er gekonnt, denen landverderblichen Anschlägen des berüchtigten Lieblings Süße, und seiner zahlreichen und vornehmen Anhänger, mannhaft widerstehen, sodann aber, wie dessen Tücke die Oberhand gewonnen, sein Präsidium niederlegen, und eine unschuldige Einsamkeit, einem auf Unrecht oder heilloses Stillschweigen gegründeten Glücke vorziehen sehen.


6 In den zween Wintern vom Jahre 1731 und 1732, sind zwanzig tausend Stücke schwarz und roth Wild, vom Rehe an gerechnet, darauf gegangen.


7 Hiezu kann das eine Feld des würtembergischen Wapens Gelegenheit gegeben haben, und vornehmlich die Menge des hohen Wildpräts. Gleiche Zierrathe, und wie OVIDIVS, Metamorph. lib. XII. v. 211 schreibt: – – Votivi cornua cervi, fanden sich vor Alters in den Tempeln der Diana, als der Göttinn der Jagden: und fragt PLVTAR CHVS, in Quæstionibus Romanis, warum in ihrem einzigen aventinischen Tempel nur Ochsenhörner anzutreffen seyn? Sonst meldet NICETAS, Lib. II, vom Kaiser Andronico, daß er Hirschgeweihe an diejenigen Hauser nageln lassen, wo die Ehefrauen ihm zu Gefallen gelebt hatten, specie ostentandæ magnitudinis ferarum, quas cepiffet. Aus dem ARTEMIDORO, Oneirocrit. lib. II, c. 12, p. 46, sieht man, daß schon zu dieses Autors Zeiten die Redensart, einem Hörner machen, so viel bedeutet habe, als des andern Frau zum Ehebruch verleiten. Rand rechts: Redensart vom Hörneraufsetzen.


8 Als die Landhofmeisterinn von Grävenitz oder Würben, im Jahre 1731, in Ungnade fiel, hat man auch diese Geweihe weggeschaffet.


9 Da die Stauden sehr selten zu einer Baumdicke gelangen, so verdient diese Nachricht alle Aufmerksamkeit. Eine ähnliche Seltenheit finden die Reisenden zu Frankfurt am Mayn. in dem haßeltischen Garten an einem Haselnußbaume, welcher vierzig Fuß hoch ist, und dessen Stamm wo er am dicksten ist, zehn Fuß und drey Zoll im Umfange hat.


10 Als man sich nach wiederhergestellter Eintracht zwischen dem Herzoge und seiner Gemahlinn im Jahre 1732 im ganzen Lande mit der Herzoginn Schwangerschaft schmeichelte, beobachtete man, daß dieser Dornstrauch mitten durch seinen holen Stamm sich mit einem jungen Triebe und Reise erneuerte, welches schon etlichemal geschehen ist. Ohne Zweifel sind mit der vergeblichen Hoffnung von der Niederkunft der Herzoginn mit einem Prinzen, auch manche poetische Einfälle, wozu dieser Dornstrauch schon zum Voraus Anlaß gegeben haben wird, hinweggefallen.


11 Andere meynen dennoch, daß diesem Prinzen des Königs Schwester nicht würde entstanden, und die Heirath vor sich gegangen seyn, wenn der Prinz nicht bald darauf vor Toulon geblieben wäre, wohin ihn Karl der zwölfte nicht gern gehen ließ.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1. Hannover 1751, S. 80.
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