[121] Neunzehntes Schreiben.

Anmerkungen über die Schweiz und ihre Alpen. Beschreibung des Cantons und der Stadt Bern.

Mein Herr!


Man rechnet von Basel bis Solothurn achtzehn und bis Bern zwanzig Stunden. Drey Stunden von Basel liegt das mit einer Mauer umgebene Städtlein Liechstall, und bis dahin ist in einem angenehmen Thale, das mit Weinstöcken und Obstbäumen besetzet ist, guter Weg. Rand rechts: Liechstall. Fünf Stunden von Basel, nämlich hinter Holsten, geht das rauhe Gebirge, der Hauenstein genannt, an, so etliche Stunden lang dauret und sehr beschwerlich ist. Rand rechts: Gebirge Hauenstein. Auf beyden Seiten des Weges sind noch viel höhere Berge, welche zur rechten Hand beständig anhalten, linker Hand aber sich mit einer großen Ebene endigen. Des D. Scheuchzers Karte von der Schweiz ist zwar außer Zweifel die beste von diesem Lande, aber auch in dieser Gegend nicht allzurichtig. Die Berge, über welche man hier kömmt, sind nicht so hoch als die tirolischen, und oben mehr als diese bewachsen. Rand rechts: Höhe der Alpen. Die Benennung[121] der Alpen begreift nicht nur die in der Schweiz befindlichen Gebirge, sondern auch einige benachbarte, und werden sie in Maritimas, Cottias, Grajas, Penninas, Rhætias & c. eingetheilet. Der Theil des Cantons Bern von dem Genfersee gegen Morgen, desgleichen die Cantons Uri, Schwiz, Underwald, Glaris, Appenzel, ein Theil des lucernischen Cantons, und endlich das Graubünderland sind mit hohen Bergen angefüllet, deren Gipfel der berühmte Scheuchzer durch barometrische Observationen an etlichen Orten abgemessen und von neun bis zwölftausend Fuß über der Fläche des Meeres befunden hat. Für die erhabensten in der Schweiz werden gehalten der Schreckhorn, der Grimsel und der Wetterhorn in dem Canton Bern1; St. Gotthard in Uri; Gemmi beym Leukbade im Walliserlande, (der zehntausend einhundert und zehn Fuß hoch ist) und St. Bernard auf der walliser Gränze gegen das Thal Aosta, auf welchem die Aussicht gegen Italien sich sehr weit erstrecket. Am Berge Grindelwald ist der Gletscher oder das Eisgebirge auch deswegen berühmt, weil sein Eis niemals schmelzet, sondern jährlich sowohl in der Höhe als Weite zunimmt und um sich greift.

Von dieser Höhe des Landes kömmt es, daß die Luft in der Schweiz sehr rein und subtil ist, und die Schweizer in fremden Landen jederzeit eine Art von Bangigkeit und eine unruhige Begierde nach ihrer von Jugend auf eingesogenen frischen Luft empfinden, ohne daß sie selbst davon eine besondere Ursache zu geben wissen. Rand links: Schweizerisches Heimweh, woher es komme? Wenigstens entschuldiget Herr Scheuchzer auf diese Art seiner Landsleute Nostalgiam, Pathopatridalgiam, oder sogenanntes Heimweh, welches sonderlich den Bernern anhängt2. Man hat Exempel, wenn die neu aus der Schweiz angekommene Recrouten den Kuhreihen, der die Melodie, welche die Bauern in den schweizerischen Alpen bey ihrem Viehe zu pfeifen und zu singen pflegen, unter den alten schweizerischen Truppen bey der Armee angestimmt, daß alsdann bey diesen das Andenken ihres Vaterlandes dergestalt erreget worden, daß sie aus unruhigem Verlangen in Mattigkeit, Bangigkeit des Herzens, schlaflose Nächte. Rand links: Wirkung des Kuhreihen. Ekel vor Speisen, auszehrende und hitzige Fieber zu fallen angefangen, und daher die Officiers hart verbiethen müssen, diese Melodie weder zu singen noch zu pfeifen3. Bey den in piemontesischen Diensten stehenden schweizerischen Truppen erstrecket sich die Strafe der Uebertretung solches Verboths bis auf das Spießruthenlaufen.[122]

Die Gegend vor der Stadt Solothurn ist angenehm und mit schönen Alleen versehen. Rand rechts: Solothurn. Mitten durch die Stadt fließt die Aar, der Theil aber, so gegen Basel liegt, ist der vornehmste und größeste, worinnen auch die Jesuiterkirche wegen ihrer Gemälde, Gipsarbeit, und des Frontispicii (zu welchem letztern Ludwig der vierzehnte zehntausend Livres geschenket hat) gesehen zu werden verdienet.

Nahe bey der Halle liest man folgende Inscription: Rand rechts: Göttinn Epona.


DEAE EPONAE MAX

OPILIVS RESTIO. M.

LEG. XXIL ANTONI

NIANAE P. P. F. IMMU

NIS. COS. CURAT. SALENS.

VICO SOLOD.

XIII. KAL SEPTEMBR.

D. N. ANTONINO

EIVS. SACERDOS.

COS.

V. S. L. M


Es ist zwar Epona eine Stadt in Languedoc, und wie es scheint, nicht weit von St. Moriz in Velay gewesen, wo im Jahre 517 ein Concilium gehalten worden; allein ich halte nicht dafür, daß die hier gemeldte Göttinn Epona eine Verwandschaft mit solcher Stadt habe, sondern vielmehr ihren Namen von dem griechischen ἵππος herleite, und4 als eine Beschützerinn der Pferde sey verehret worden.

Beyde Theile der Stadt sind mit neuen und kostbaren Befestigungswerken von großen Quadersteinen umgeben, deren Nothwendigkeit und sonderbarer Nutzen noch nicht abgesehen werden kann. Rand rechts: Befestigungen. Sie geben indessen der Stadt eine schöne Zierde, und finden einige daran nur dieses auszusetzen, daß die Graben zu schmal seyn. Uebrigens gleichwie Lucern der größeste unter den römischkatholischen Cantons ist; also hat Solothurn den Ruhm, daß er der fruchtbarste unter denselben ist.[123]

Nachdem ich auf bernischen Grund und Boden gekommen, fand ich eine halbe Vierthelstunde vor Frauenbrunn auf einer Höhe, woselbst eine beständige Schildwache steht, eine steinerne Seule und Tafel, mit folgender Aufschrift: Rand links: Frauenbrunn. Rand links: Monument einer Bataille.


Tausend drihundert zehlt siebenzig und fünff Jahr,

Uf S. Johannis Tag der um die Weinacht war,

Zu Frauenbrunnen war durch die von Bern vertrieben

Das Englisch Heer davon achthundert todt geblieben

Die man in diesen Land die Gügler hat genennt,

Auch darinn noch vielmehr geschlagen und zertrennt.

Der Herr so dießen Sieg aus Gnaden hat bescheeret,

Sey darum ewiglich hoch priesen und geehret.

Erneuret 1648.


Auf der andern Seite stehen die Verse:


Uxorís dotem repetens Cusinus amate

Dux Anglus, frater quam dabat Austriacus,

Per mare trajecit validarum signa cohortum

Miles ubique premens arva aliena jugo.

Hoc rupere loco Bernates hostica castra

Multus5 & injusto Marte dedere neci.

Sic Deus armipotens ab apertis protegat ursum,

Protegat occultis hoftis ab infidiis.


Addisson in seiner italienischen Reise a. d. 308 S. bemerket, daß kein englischer Geschichtschreiber etwas von diesem Kriegszuge seiner Landsleute melde; er irret aber, wenn er setzt, daß Cussinus seine Frau aus den Händen der Schweizer habe erlösen wollen. Hätte er die Verse gelesen oder abgeschrieben: so würde er gefunden haben, daß es Cussino nur um den Brautschatz zu thun gewesen. Indessen ist doch auch bey der Inscription noch vieles auszusetzen. Engerranus de Coucy, aus der Picardie, hatte Katharinen,Leopoldi Gloriosi aus Oesterreich Tochter, und mit ihr zum Brautschatze den Anspruch auf einige in der Schweiz gelegene Reichsstädte bekommen. Allein dieser Engerran starb noch vor seiner Gemahlinn, welche zur andern Ehe schritt und im Jahre 1349 verschied. Katharine hatte auch keinen Bruder. Muß es also Ingelramus de Coucy, welchen Engerranus de Coucy mit Katharinen gezeugt, seyn, der seines Vaters Foderung ausführen wollen; allein von diesem kann nicht gesagt werden, daß er seiner Frauen Heirathsgut gefodert habe. Es setzet STVMPFFIVS im XIIIten Buche der schweizerischen Chronike im 4 Hauptst. daß Coucy wegen der noch nicht gezahlten Ehesteuer seiner Mutter Krieg geführet. Wie übrigens die Engländer in diese Händel geflochten worden, zeigen die Umstände der damaligen Zeiten. Ein großer Theil von Frankreich war in ihrer Gewalt, und Ingelramus de Coucy, Graf von Bedfort (vielleicht ein Bruder desjenigen, der die österreichische Prinzeßinn Katharinen geheirathet) hatte zur Gemahlinn Isabellen, Eduards des dritten Königs in England Tochter, eine Schwester des Prinzen von Wallis Eduardi Nigri. Vermuthlich sind die Namen Engerran und Ingelram einer, und daher drey Personen von einerley Namen wohl zu unterscheiden.[124]

In der Ebene von diesem ganzen Wege, gleichwie auch ferner bis Geneve und in Savoyen sind viele wälsche Nußbäume gepflanzet, aus deren Früchten das Oel zu Arzeneyen, Farben und Brennen in Lampen folgendergestalt bereitet wird. Rand rechts: Nutzen der wälschen Nußbäume. Man legt die Nüsse in ihrer innern harten Schale geräumlich neben einander, also daß keine auf der andern zu liegen komme, damit sie recht trucken werden. Dann nimmt man die Kerne heraus, stampft und kocht sie in einem Kessel, ohne etwas hinzu zu thun, packt sie in ein dick haarenes Tuch, legt sie also unter die Presse und quetscht das Oel heraus. Dasjenige, so aus frischen Nüssen gemacht wird, bringt zwar an der Menge kaum den dritten Theil, ist aber sehr angenehm zu trinken und dabey so stark, daß man leicht einen Rausch davon bekommen kann. Es ist eine Luft zu sehen, wie häufig sich an Sonn- und Festtagen des Herbstes das Landvolk unter den Nußbäumen sammlet und sich mit frischen Nüssen etwas zu gut thut. Im bernischen Gebiethe stehen die Bauern am besten, und soll in den meisten Dörfern wenigstens einerseyn, der zwanzig bis dreyßig tausend Gulden, ja wohl bis sechszig tausend Gulden im Vermögenhat. Rand rechts: Reiche Bauern im Bernischen. Der Schultheiß von Hutwil wird viermal hundert tausend Gulden reich geschätzt. Er hat drey Söhne, (die auch beym Bauernstande geblieben sind) und eine Tochter: um diese haben sich viele berner Herren beworben, der Vater aber hat sie auch an einen Bauer gegeben. Rand rechts: Tracht des gemeinen Volks. Das gemeine Volk beyderley Geschlechts geht mit Strohhüten, und die Weibespersonen tragen ihre Röcke so hoch unter den Achseln, daß ihre Taille kaum eine Hand breit austrägt. In der ganzen Schweiz auf diesem Wege habe ich gute Wirthshäuser angetroffen. Rand rechts: Wirthshäuser. Forellen, Karpen, Rindfleisch, Kalbfleisch, Hühner, Tauben, Butter, Käse, Aepfel, Pfirschen, Rüben, Zuckerbrodt etc. und guter Wein waren fast überall zu finden, und zwar noch um billigen Preis, wenn man solchen gegen die schwäbische, tirolische und bayerische Rechnungen hält.

Die Schweizer dienen fast allen großen Herren in Europa; jedoch stehen diejenigen, welche in französischen Kriegesdiensten sind, fast am besten. Rand rechts: Auswärtige Kriegsdienste der Schweizer. Ein Hauptmann, der eineganze Compagnie hat, kann es jährlich auf zehntausend Franken bringen; allein es haben die meisten nur halbe Compagnien. Voritzt sind in allen nur vierzehntausend Mann in französischem Solde.

Ehe man nach Bern kömmt, muß man einen Berg hinunter, und gleich bey dem Fuße desselben liegt die Stadt wieder Berg an. Rand rechts: Bern Sie ist anfänglich sehr schmal, breitet sich aber mit zunehmender Höhe auch in die Weite aus, und ist oben, da sie fast eben wird, mit schönen breiten Gassen versehen. Die Häuser sind meistens von weißen Quadersteinen und solchergestalt gebauet, daß man in den Hauptstraßen allenthalben unter gewölbten Bogen gehen kann, an deren einer Seite in den Häusern die Kaufladen sind. Hiedurch ist man zwar wider Wind und Regen gesichert, und man geht gar bequem auf den Quadersteinen, womit diese breiten Gänge beleget sind; allein es entgeht dadurch den Häusern aller Zierrath eines Portals, und die Pfeiler, welche von der Gasse gegen das erste Stockwerk der Häuser angebauet sind, um solche desto mehr zu befestigen, geben kein gutes Ansehen.

Die Jahrzahl der Stiftung dieser Stadt ist enthalten in dem Verse:


ETDVX BERChto LDVs BernaM strVXIsse notatVr.


Die Historie von dem Bären, der an dem Tage ihrer Stiftung gefangen worden, und Gelegenheit zu ihrer Benennung gegeben haben soll, ist bekannt. Rand rechts: Bär im Wapen Es ist auch solches Thier[125] nicht nur in ihrem Wapen; sondern auch in dem obern Theile der Stadt werden noch heut zu Tage etliche lebendige Bären in zwoen Gruben unterhalten, da sie Gelegenheit haben an hohen Bäumen herum zu klettern.

Die Bürgerschaft wird eingetheilt in regimentsfähige Bürger, und in ewige Habitanten. Rand links: Regiment der Stadt. Diese sind diejenigen, so erst nach dem Jahre 1635 das Bürgerrecht erhalten haben, genießen aller Freyheiten, können aber niemals in den Rath oder zu einer öffentlichen Stadtbedienung gelangen, wie jene, welche noch vor dem gemeldten Jahre Bürger gewesen. Die Stadt ist zwar im Jahre 1191 den gewaltthätigen Unternehmungen des Adels zum Einhalt und Riegel erbauet worden; indessen haben sich doch sechs uralte adeliche Familien unter den regimentsfähigen Bürgern erhalten, welche vor allen andern angesehen sind, und auch diesen Vorzug haben, daß, wenn einer aus einem solchen Geschlechte in den Senat oder kleinen Rath als Mitglied kömmt, er sodann den Rang über alle andere Rathsherren, ob sie gleich älter in ihrer Bedienung sind, erhält und gleich nach den Bannerherren oder Tribunis populi, deren vier sind, folget. Itztgedachte sechs Geschlechter sind 1) von Dießbach, 2) Waltenweyl, 3) Bonstetten, 4) Lauteman, 5) Müllenen, und das reicheste unter allen 6) von Erlach. Rand links: Sehr alte adeliche Geschlechter. Der große Rath ist zweyhundert und achtzig Personen stark, und kann keiner vor dem dreyßigsten Jahre seines Alters hinein kommen. In dem kleinen oder täglichen Rathe sitzen die zween Schultheiße und fünf und zwanzig Rathsherren, worunter die vier Bannerherren und die zween Seckelmeister gehören. Die Häupter dieser aristokratischen Regierungsform sind die zween Schultheißen, so in französischer Sprache Avoyers genennet werden. Rand links: Avoyer von Erlach. Ihre Bedienung ist auf Lebenszeit, und wechseln sie jährlich in der Regierung. Die itzigen sind 1) Hieronymus von Erlach6, Herr zu Hindelbank, Urthenen, Moosseedorf, Bärisweyl, Wyl, Thun- und Maatstetten, kaiserlicher Kämmerer und Generalfeldmarschalllieutenant, Ritter des brandenburg-bayreuthischen und des würtembergischen Jagdordens, gebohren im Jahre 1667, ein Mann von großen Verdiensten, welche seine Landsleute auch erkennen, und mit aller Hochachtung belohnen. Als er im Jahre 1715 in den täglichen Rath kam, legte er die kaiserlichen Kriegsdienste nieder, in der Absicht auf das Schultheißenamt, worinnen er sich auch nicht betrogen hat. Er leitet sein Geschlecht von den alten burgundischen Königen her, hat vor sich große Güter und beynahe eine Million Gulden mit seiner Frau erheirathet. Bey allen diesen äußerlichen glücklichen Umständen hat es ihm dennoch nicht an Verdrusse in seinem Hause gefehlet. Der eine Sohn wurde in Berlin von einem eifersüchtigen Italiener mit einem Stilet von hinten zu in der Kutsche erstochen, als er eben von der Dame, welche das Misvergnügen erwecket hatte, zurück fuhr; dem andern noch lebenden fehlt das Feuer und die großen Gemüthsgaben des Vaters, und die Tochter ist nicht zum besten gewachsen.

Der zweyte itzige Schultheiß ist Christoph Steiger, welcher im Jahre 1718 in dieses Amt getreten.

Nach den zween Schultheißen kömmt der Seckelmeister der deutschen Lande; auf diesen folgen die vier Bannerherren und ferner der Seckelmeister des Païs de Vaud, welche Bedienung die einträglichste unter allen ist.

Die Landvogteyen des Cantons werden wegen der Einkünfte sehr gesucht; man hat aber zu Abstellung vieler Intriguen nöthig gefunden, seit dem Jahre 1711 diese und andere einträgliche Stellen durchs Loos zu vergeben. Rand links: Landvogteyen. Rand links: Loosung um dieselben. Die dazu tüchtige Candidaten loosen erstlich[126] um die Ordnung zu ziehen; hernach werden so viele Kugeln, als Personen sind, in einen Sack geworfen. Diese Kugeln sind alle versilbert, ausgenommen eineeinzige, die verguldt ist, und wer diese zieht, trägt die Landvogtey davon, welche zwar nur auf sechs Jahre verliehen wird, indessen aber doch bisweilen so wichtig ist, daß man in solcher Zeit dreyßig bis vierzigtausend Thaler dabey zurück legen kann. Kein Junggeselle kann zu einer Landvogtey oder andern einträglichen Bedienungen gelangen, ohne Zweifel um den Ehestand und die Vermehrung der Unterthanen durch solches Gesetz desto mehr zu befördern. Rand rechts: Gesetz wider den ledigen Stand.

Mitten in der Stadt und Hauptstraße ist ein breiter steinerner Richtstuhl mit eisernen Gittern umgeben, auf welchem der regierende Schultheiß und die zween nächsten des Raths sitzen, wenn das Todesurtheil über einen Missethäter gesprochen werden soll. Rand rechts: Oeffentlicher Richtstuhl.

Seit funfzig Jahren haben sich zwar die Sitten des Landes in vielen Dingen verändert, und die Liebe zu überflüßigen Ausgaben und wollüstigem Leben hat mehr überhand genommen; allein viele Laster sind doch noch nicht so gemein, als an andern großen Orten, da man nur ein Gelächter damit treibt: und hat die Geistlichkeit auf den Kanzeln über die zunehmenden Laster und schändlichen Sünden sehr geeifert, als itzt ein gewisser Rathsherr gezwungen war, wegen einer venerischen Krankheit den in solchen Curen berühmten Naumann aus Paris nach Bern kommen zu lassen. Rand rechts: Sitten der Einwohner.

Der Canton Bern zieht vielen Vortheil aus den öffentlichen Kornhäusern, welche sowohl in der Stadt als auf dem Lande, zum Nutzen der Unterthanen angelegt sind. Rand rechts: Oeffentliche Kornhäuser. Die stets überbleibende Menge Getraides dienet nicht nur auf allen Nothfall in Kriegszeiten, sondern auch dazu, daß bey einfallendem Miswachse die Armen von den Wohlhabenden nicht zu sehr mit dem Preisedes Korns übersetzet werden können. Das zu solchem Ende in der Stadt Bern angelegte schöne Gebäude steht nicht weit von der Dominicanerkirche, ist von Quadersteinen aufgeführet, und ruhet ein Stockwerk ganz frey auf hohen Seulen, welchen Platz man bequemlich zu einer Börse brauchen könnte. Große Einkünfte ziehen sie auch aus ihren Salzwerken, zu Bevieux, Roche und Panex in Païs de Vaud, beywelchem man zu besserer Absonderung des salzigen Wassers von dem süßen dieses Mittels sich bedienet, daß man das Wasser oftmals gegen das in der Höhe hängende Stroh gießt. Rand rechts: Salzwerke. Dieses erfodert vieler Menschen Arbeit, und könnte man leichter dazu kommen vermittelst der Einrichtung, welche ich bey dem hanauischen Salzwerke zu Nauheim, eine Vierthelstunde von Friedberg, beobachtet habe. Rand rechts: Art das Salzwasser zu tractiren. Daselbst wird durch ein Treibwerk, welches Pferde regieren, das Wasser erstlich auf die Höhe eines Hauses gebracht, und von dannen in sehr lange offene hölzerne und auf beyden Enden verstopfte Rinnen geleitet, welche auf beyden Seiten (nachdem nämlich die Luft wehet) schief und also gestellet werden können, daß das überlaufende Wasser ganz sachte und in einzeln Tropfen auf lang zusammen gebundenes Stroh und von dannen noch in freyer Luft bey achtzehn Fuß hoch abtreufelt. Durch die Sonnenstralen, die Luft und das Herabfallen der Tropfen verzehret sich nach und nach dus süße Wasser, und das salzige sammelt sich in Cisternen, aus welchen es wieder durch das erstgemeldte Treibwerk zur wiederholten Abtropfung in die Höhe gebracht wird, und dieses so oft, bis sich das süße Wasser meistentheils verlohren, und ein Maaß, das vorher nur fünf Loth gewogen, sechsmal so schwer wird. Alsdann kocht man es, wie an andern Orten, und dus Salz setzt sich auf dem Grunde der eisernen Pfannen an.

In der Stadt Bern wird die französische Sprache viel geredet; sie haben aber sowohl hier als zu Basel die Art, daß sie die Töne fast mehr im Halse als Munde formiren, welches ihre Aussprache unangenehm machet. Rand rechts: Sprache der Berner.[127]

Die Hauptkirche ist ein schönes Gebäude, worinnen Berchtold von Zähringen begraben, und die neue große Orgel mit ihrer schönen Bildhauerarbeit sehenswürdigt ist. Rand links: Hauptkirche. Rand links: Bildhauerarbeit. Im Jahre 1421 ist der erste Stein zu dieser Kirche gelegt worden, wie aus einer Inscription, die bey dem Hauptthore steht, zu sehen ist. Man findet an den Seiten dieses Einganges die fünf klugen und fünf thörichten Jungfrauen in Lebensgröße von Stein gehauen mit wohlausgedrückten Gemüthsbewegungen von Freude und Verzweiflung. Ueber der Pforte ist das jüngste Gericht nebst vielen künstlichen Zierrathen von Laubwerke und Früchten in Stein gehauen. Wie in dem Gemälde des Rathhauses zu Basel, also sitzt auch hier der heilige Vater Pabst mit in der Hölle.

Auf dem Thurme ist in der Höhe von zweyhundert und drey und zwanzig Stuffen ein Umgang, von welchem man eine angenehme Aussicht über die Stadt gegen die Aar hat. Rand links: Prospect von der Terrasse beyder Kirche. Weil die Domkirche hoch und der daran stoßende Theil der Stadt gegen itztgemeldten Fluß gar niedrig liegt, so hat man den Fundamenten des Thurms und der Kirche zu Hülfe etwan funfzig bis achtzig Schritte davon auf drey Seiten eine Mauer mit vielen Pfeilern und gewölbten Bogen gezogen, damit das Erdreich nicht welchen könne. Diese Mauer ist etliche hundert Fuß hoch, und weil der ganze Platz hernach mit Erde ausgefüllt und eben gemacht worden, so ist daraus ein trefflicher mit Linden besetzter Spazierplatz entstanden, von welchem man eine lustige Aussicht über den kostbaren und zum Vortheile der Stadtmühlen mit Kunst verfertigten Wasserfall der Aar hat. Etliche vergleichen diese Terrasse wegen ihrer Schönheit mit derjenigen, welche Salomon bey seinem Tempel anlegen lassen. Theobald Weinzäpflein, ein Studiosus Theologlæ, stürzte im Jahre 1654 im Trunke mit einem Pferde von itztgedachter Höhe. Das Pferd blieb todt, der Reutet aber brach nur ein Bein, wurde hernach Prediger auf dem Lande, und starb erst dreyßig Jahre hernach, nämlich im Jahre 1684, wie eine deutsche Inscription auf diesem Platze bezeuget.

In der Dominicanerkirche zeigt man in der Mauer das Loch, so aus der Zelle eines Mönchs in dem anstoßenden Kloster zu einem Marienbilde gieng, und zu einem schändlichen Betruge, bey welchem man das Bild sprechen machte, dienen mußte. Rand links: Dominicanerkirche und der Pfaffen Betrug. Die Urheber dieses Trauerspiels wurden im Jahre 1504 zu Bern verbrannt7, und die ganze Geschichte findet man in Bur nets Reise a. d. 53 S. weitläuftig beschrieben. Ausdem Kloster ist ein Zuchthaus gemacht worden.

Bey der Stadtbibliothek wird das Zelt und etliche kostbare Tapeten Karls des kühnen, welche die Schweizer im Jahre 1476 in der Schlacht bey Morat erbeutet haben, aufgehoben, nebst vielen andern Merkwürdigkeiten und Alterthümern, worunter die vornehmsten sind, eine kleine Figur von Metalle, die bey Lausanne ausgegraben worden, und einen Ochsen mit einem Opferpriester, der einen Krug über des Thiers Kopf ausgießt, vorstellet; zweene nicht weit von Bern gefundene Satiren von Metalle, und eine gute Anzahl römischer Münzen. Rand links: Stadtbibliothek.

Das Zeughaus bekömmt man nicht zu sehen ohne Erlaubniß eines dazu ernennten Rathsherrn, der sie aber nicht leicht versaget. Rand links: Zeughaus. Es soll darinnen für hundert tausend Mann Gewehr seyn, welches in so fern seine Richtigkeit haben kann, daß jeder ein Gewehr bekomme. Denn wenn von einer vollkommenen Rüstung die Rede wäre: so glaube, daß[128] dreyßig tausend zu bewaffnende Leute dasselbe nicht wenig ausleeren sollten. Gleich beym Eingange steht ein aufgerichteter hölzerner und angemalter Bär im Kürasse, mit dem Degen an der Seite. Er beweget seinen Kopf hin und her, wenn man zur Seite auf ein Holz tritt. In dem ersten langen Saale sieht man sechs und funfzig Canonen, viele Fahnen, und unter andern zwey große Hörner von Auerochsen, deren sich der Canton Uri im Kriege an stattder Trompeten bedienet, und welche man im Jahre 1712 den Römischkatholischen abgenommen hat. Rand rechts: Trophæa vom Jahre 1712. Es hängen auch dabey die sonderbaren Kleidungen derjenigen, die sie geblasen haben. Die von Uri kommen von den alten Tauriscis her, führen im Wapen einen Kopf vom Auerochsen, und derjenige, so das große Horn bey der Armee bläst, wird der Stier von Uri genennet.

Zu Ende dieses Saales sieht man zwey große Geschütze von Karln dem kühnen, nebst einer Menge von Stricken, so er bey Morat nebst den Galgen im Vorrathe mit sich geführet, um die überwundenen Schweizer daran aufzuhängen. Rand rechts: Reliquien Karls des kühnen. Der bernische General Joh. Franz Nägeli, welcher dem Herzoge von Savoyen, Karln dem dritten, im Jahre 1536, Gex, Chablais, und le Païs de Vaud abgenommen, ist auch in seiner Rüstung zu Pferde vorgestellet.

Ueber dem nächst daran stehenden Gebäude stehen die Verse:


Felices populi meditantes tempore pacis

Queis opus in bello, semper ut illa parent.


Man sieht daselbst auch drey Schweizer in verschiedenen Kleidertrachten, und unter denselben die deutschen Worte:


Als Demuth weint und Hochmuth lacht,

Da ward der Schweizer Bund gemacht.


In dem untersten Platze dieses Gebäudes stehen hundert und sechs und siebenzig Stücke von grobem Geschütze, worunter Böller sind, so Bomben von zween bis drey Zentnern werfen. Die größten Canonen, die man hier findet, sind Dreyvierthelkarthaunen, weil wegen der schlimmen und bergichten Wege ganze Karthaunen nicht mit Bequemlichkeit würden geführet werden können. Sie zeigen hier eine Canone mit sieben Läufen und sieben besondern Zündlöchern, die auf einer Seite beysammen sind; desgleichen wider das Eindringen der Reuterey eine Maschine, so aus ein undzwanzig Läufen zusammengesetzet ist, und leicht von einem Orte zum andern geführet werden kann. Auf einer ganz neuen Canone liest man:


Excellentissimis

Atque Potentissimis

Dn. Dn. Dn.

Bernensibus

me donavit

I. M. D. F. B. D. G. V. D. M. D. G.

Anno Salutis

M. DCC. XXVII.


Hierunter stehen zwey Wapen, in deren einem drey Räder und ein Schwert zu sehen, in dem andern zwo Binden und sechs Kugeln. Die Erklärung der Buchstaben überlasse ich[129] andern, die Canone aber ist ein Geschenk der Madame Langallerie, welche sich vor etlichen Jahren wichtige Güter in dem Canton Bern angekaufet hat, übrigens aber am hessencasselischen Hofe bekannt genug ist. Rand links: Präsent der Madame Langallerie.

In dem obern Saale findet man die Statue und Rüstung des Stifters der Stadt, Berchtolds von Zähringen, nebst Zelten für vierzig tausend, und Flinten für sechs und vierzig tausend Mann; desgleichen drey Schwerter, mit welchen sich eben so viele Scharfrichter losgerichtet haben. Rand links: Scharfrichterschwerter. Hiezu wird erfodert, daß sie mit einem einzigen Schwerte hundert und eine Person, oder in einem Viertheljahre drey Leute aus einer Familie geköpfet haben. Unser Führer versicherte in guter Meynung, daß dergleichen Scharfrichter Doctores wären8, sie behielten aber itziger Zeit das Schwert und gäben dafür funfzig Ducaten an die Republik.

Zu Ende des gedachten Saales sieht man eine vortreffliche Arbeit an der hölzernen Statue des bekannten Wilhelm Tell. Rand links: Statue Wilhelm Tell. Er zielet nach dem Apfel, der seinem gegenüber stehenden kleinen Sohne auf dem Kopfe liegt, und sind insonderheit die Hände und Augen überaus wohl gemacht. Er selbst ist mit einem aufrichtigen Gesichte9 und als ein langer, schmaler, wohlgewachsener Mann vorgestellt. Nach selbiger Zeiten Gewohnheit ist die eine Hälfte des Rockes roth, die andere gelb und schwarz in abwechselnden langen Strichen. Hosen und Strümpfe machen ein einziges Stück aus. Ein Pfeil steckt hinter seinem Kopfe im Rocke; der Knabe lächelt, als einer, der bey diesem Handel nichts zu befürchten habe. Man zeigt ferner vieles altes mit Elfenbeine künstlich eingelegtes Gewehr, welches die Leibwache Karls des kühnen soll geführet haben; desgleichen von neuerer Arbeit eine Flinte mit sechs Läufen, die herumgedrehet werden. Rand links: Gewehr von Karls des kühnen Garde

Der im Zeughause aufgehobene Blutrichterstab von Bern sieht einem oben an der runden Kugel eingekerbten Commandirstabe eines türkischen Bassa nicht unähnlich. Rand links: Bernischer Blutrichterstab. Er wird den Missethätern bis zur Vollziehung ihrer Lebensstrafe von dem Großweibel10 zu Pferde vorgetragen, und ist das Zeichen der hohen Jurisdiction. Rand links: Großweibel. Seit dem Jahre 1712 hat er einen Nachbar bekommen an dem Blutrichterstabe von Baden, welchen man dieser Grafschaft mit samt ihren hohen Gerichten und Freyheiten, so sie vorher unter den alten acht[130] Orten oder Cantons noch genossen hatte, abgenommen hat, also, daß sie nun unter den dreyen Cantons, Bern, Zürch und Glaris (welcher in letztern Unruhen wegen des Abtes von St. Gallen neutral geblieben war) allein steht. Rand links: Wie die Grafschaft Baden um ihre Privilegien gekommen. Dieses sind die Früchte, welche die Badener endlich von ihrer Aufführung geärntet haben, da sie schon lange Zeit her bey allen sich eräugenden Gelegenheiten wider die Protestanten zum Vortheile der Römischkatholischen, mit welchen sie von einerley Religion sind, Partey genommen haben. Was diese letztgemeldten vornehmlich mit kränket, ist, daß sie bey dem bekannten unglücklichen Ausgange des Krieges im Jahre 1712 den Protestanten den sogenannten alten Landfrieden haben herausgeben und vernichten müssen. Rand rechts: Wie ungern die Katholiken den alten Landfrieden extradiret. Dieser war im Jahre 1531 geschlossen worden nach der Schlacht bey Cappel, in welcher auch der berühmte Hulderich Zwingel geblieben, dessen todten Körper die Römischkatholischen viertheilten und hernach verbrannten. Die Noth, worinnen sich damals die Protestanten befanden, nebst dem Mangel an Leuten von genugsamer Einsicht, machten, daß man in Eile den vorgelegten Frieden und solche Ausdrückungen unterschrieb, in welchen die römischkatholische Religion die wahre, alte und untrügliche, die Lehre aber der Protestanten ein neuer Glaube genennetwurde11. Rand rechts: warum? Es ist nicht zu sagen, wie hart es den Katholiken eingegangen, dieses Originalbekenntniß, mit welchem sie bey hundert und achtzig Jahre triumphiret hatten, auszuantworten, und wollte sich anfänglich kein Mensch zur Uebergabe desselben gebrauchen lassen. Allein die siegenden Waffen der Cantons Bern und Zürch machten, daß die Reihe, in einen sauren Apfel zu beißen, nun auch an die Katholiken kam.

Auf der andern Seite des Zeughauses liegen in einer langen Galerie etliche Millionen Bomben und Gestückkugeln in artigen Pyramiden beysammen. Rand rechts: Bomben und Canonenkugeln.

Außer diesen erzählten Rüstungen ist nicht nur auf den Schlössern, wo die Landvögte wohnen, viel großes und kleines Gewehr, sondern auch alle Unterthanen sind mit nöthigen Waffen versehen, und wird kein junger Bursch ehelich getrauet, er besitze denn vorher eigenthümlich einen Degen und Büchse, wovon er ein gehöriges Zeugniß an den Geistlichen, der das Ehepaar in der Kirche einsegnen soll, bringen muß. Rand rechts: Bewaffnung des Landvolks. In jeder Landvogtey wird auf[131] dem höchsten Berge beständige Wache von einem Corporal und sechs Gemeinen gehalten, und zwar bey zweenen großen Haufen, deren der eine aus trockenem Holze und der andere aus Strohe besteht. Rand links: Signale auf den Bergen. Bey dem geringsten feindlichen Lärmen wird damit ein Zeichen gegeben, und also innerhalb einer oder zwoen Stunden das ganze Land in die Waffen gebracht, weil dieses Zeichen von einem Berge und Orte zum andern gegeben wird. Der Rauch des Strohes dienet hiezu des Tages, und die helle Flamme vom Holze des Nachts. Jeder Unterthan weis schon, an was Orten er sich in solchem Falle einzustellen habe. Die auswärtigen Kriegsdienste, aus welchen sich viele wieder in ihr Vaterland begeben, machen, daß es ihnen niemals an erfahrnen Officieren und Soldaten fehlet; das Landvolk wird in beständiger Kriegsübung unterhalten: und im Jahre 1712 hat die Erfahrung gelehrt, daß ihr Volk mit so guter Ordnung gefochten, als wären sie schon lange des Kriegswesens gewohnt. Der Canton Bern allein hatte zu dieser Zeit vierzig tausend Mann auf den Beinen. Gleichwie ich aber von der Handlung und dem Einkommen dieser Länder schon angemerkt habe: also ist leicht zu erachten, daß auch in diesem Stücke die protestantischen Cantons vor den katholischen ein großes voraus haben, und die Partey keinesweges gleich sey.


Bern, den – – –

1729.

Fußnoten

1 Eine genaue Beschreibung dieser Berge haben wir dem Herrn Scheuchzer zu danken, in itinere alpino IV und VII. Eben derselbe hat sowohl den Gletscher-a. d. 289 S. als auch den Gothards- und Gemmiberg in saubern Kupfern abbilden lassen, in der Naturgeschichte des Schweizerlandes 2 Th. a. d. 97 und 191 S.


2 LVCRETIVSlib. VI. Nonne vides etiam cœli novitate & aquarumTentari procul a patria quicunque domoqueAdveniunt, ideo quia longe discrepat aër.


3 Diese Nachricht des Verfassers wird durch die breslauer Sammlungen, III B. a. d. 832 u. f. S. bestätiget, woselbst sogar die Noten von der Melodiedes Kuhreihen sind abgedrucket worden. Der Namen Nostalgie, welcher vermöge seiner Abstammung dolorem ex non concesso in patriam reditu bedeutet, ist noch bekannter als die Benennung der Pathopatridalgias, wovon Theodor Zwinger in Basel eine eigne Abhandlung hinterlassen hat.


4 MINVCIVSFelixin Octav. p. m. 166, c. 28: Nisi quod vos PROBLEM totos Asinos in stabulis cum venos cum Iside religiose decoratis. Und beym Tertullian, aus welchem Octavius dieses genommen und vestra nur zum Spott hinzugethan hat, spricht Septimius:Vos tamen non negabitis PROBLEM jumenta omnia PROBLEM totos cantherios cum sua Epona coli a vobis. APVLEVIS 3. Metam. meldet, daß er der Epona Bild im Stalle gesehen. Beym IVVENALISat. VIII. heißt sie Hippo; Hippona ἐςὶ θεὸς πρόνοιαν ποιουμένη ἵππων, exAGESIL. 3. Ital. Plut. Parall. min. und gehöret hieher die capuanische Inscription ap.GRVTER. P. CXCV, welche REINESIVSad RVPERT. Ep. LII, p. 495 also liest: HIPPONAE. EGNATiæ. NEPTVNO CEREI. ERINNYI ÆDiles. II. VIRI luri DICVNdo INFRA ACTAM. Hæc SacSa ERIGVNT. In unserm solothurnischen Steine wird Restio Miles Legionis XXII. Immunis Consulis wohl ein solcher seyn, der beneficio Consulis von beschwerlichen Diensten der gemeinen Soldaten befreyet morden. Was Curator Salensis oder Salensium sey, ist mir unbekannt, und liest REINESIVSl. c. Fp. XXII, p. 85 dafür Curator Kalend. Vico Solodor, h. e. qui pecuniam vel publicam municipii vel privati cujusque fœnori Iocatam curabat, & Calendis quibusque modo. caput ipsum cum usuris, modo proventum tantum usurarum exigebat. Es gehöret auch hieher der Stein, so zu Pinburg oder Ponburg in Bayern an der Donau gefunden worden, wenn man nicht lieber ein numen locale daraus machen will, das feinen Namen von Pinburg oder Ponburg, welches noch in instrumentis publicis Epinaburgum geschrieben wird, herleitet. Die Schrift daran ist folgende: CAMPES. ET EPONAE AEL. BASSIANVS. PRAEF. V. S. L. L. M. Das erste Wort heißt Campestribus,GRVT.LXXXVII, 6, und kömmt auch vor ap. GRVT. MXV. u. 2. die andere Zeile liest REINBS. Inscr. I, 16. Ala prima singularium civium Romanorum Quiritium. Des Ælii Bassiani wird als Proconsulis Africæ beim CAPITOL. in vita Clodii Albini gedacht.conf.GVD. ad GRVT. l. c.


5 Die Sylbe in vor justo ist mit kleinern Buchstaben eingerücket, und macht einen verkehrten Verstand. Nimmt man sie heraus so fehlt dem Verse Leine gehörige Abmessung. Mich dünkt, der Steinhauer habe aus Versehen gesetzt Multus, und darüber sey einer, so die scansion besser als die Sache verstanden, gekommen, und habe in hineingerücket, da es billig heißen sollte: Multos & justo etc.


6 Diesen haben seine Verdienste im Jahre 1721 zum drey und achtzigsten Schultheißen gemacht. Die Geschichte nennen Otten von Ravensburg 1218 den ersten Schultheißen.


7 Die richtigste und weitläuftigste Nachricht von dieser Geschichte ist in Sebast. Frankens Chronike enthalten, Straßburg 1531, a. d. 219 bis 224 S. und sind nach offenlicher Degradierung priesterlicher wirdigkeyt in gegenwertigkeit einer großen Menge des Volkes zu Bern am letsten Tag des Meyen im Jar M. V. C und IX als Ketzer auf einer matten zu pulver verbrent. Da hier das Jahr 1509 deutlich angezeiget wird, so muß die von Burnet angegebene Jahrzahl nothwendig falsch seyn, welches auch daraus erhellet, weil die Geschichte versichern, daß die Mönche erst im Jahre 1506 den Vorsatz gefaßt, die strafwürdigste Betrügerey vorzunehmen.


8 In den Zeiten des Alterthums war das Amt eines Scharfrichters so verehrungswürdig, daß selbst, nach Cäsars Berichte, die Druiden kein Bedenken getragen, sich dasselbe zuzueignen. Daß in der Reichsstadt Reutlingen öffentlich ein Schwert gezeiget werde, womit jedesmal der jüngste Rathsherr henkersmäßige Proben abgeleget, meldet CAMERARhor. subcis. cent. I, p. 76. womit LIMN. jus public. l. I, c. 7 zuvergleichen ist.


9 Als der Prinz Eugen einsmals im Haag den Hof von Holland besah, und ihm du Tour, ein Deputirter der Staaten, unter andern das Bild des Prinzen Wilhelms von Oranien mit folgenden mehr nachdrücklichen als behutsamen Worten zeigte: Voicy ce grand Prince, le Restaurateur de nôtre liberté etc. antwortete ihm der Prinz Eugen, nachdem er das Bildniß genau betrachtet, mit etwas lächlender Mine: il a pourtant l'air un peu mutin. Rand links: Reflexiones über die Physiognomie der Chefs de Parties. So scharfsinnig und unanstößig diese Antwort war, so ungestüm und unhöflich fuhr der kaiserliche Minister, der Graf- den holländischen Gesandten, Grafen von Rechtern an, als dieser im Jahre 1711 im Namen seiner Herren für die ungarischen misvergnügten Protestanten sprach; denn jener sagte: Es sey kein Wunder, daß die Holländer sich der Rebellen so sehr annähmen, weil sie selbst in Ansehung des burgundischen und spanischen Hauses nicht besser wären. Er mußte sich aber gefallen lassen, eine nicht weniger unfreundliche Antwort von dem Grafen von Rechtern wieder einzunehmen, nämlich, daß, wenn der obgedachte kaiserliche Minister dieses auf Befehl seines Hofes spreche, er es nur sagen möchte, weil alsdann die Republik der vereinigten Niederlande schon wissen würde, wie sie Satisfaction erhalten könnte; unterstünde sich aber jemand vor sich des Grafen von Rechtern Principale für Rebellen auszugeben, so erkläre er denselben für einen – gegen welchen er dieso Rede mit seinem Degen (an welchen er zugleich schlug) behaupten wollte.


10 Dieser wird im Französischen genennet le Grand-Sautier. Sein Amt ist, auf die allgemeine Ruhe der Stadt ein wachsames Auge zu haben, und die Störer derselben zu bestrafen. In Paris würde er Lieutenant de Police genennet werden. Er hat aber dabey noch etliche andere Verrichtungen.


11 Man ist es an der römischen Clerisey schon gewohnt, daß sie in ihrem vorgegebenen Alterthume einen großen Ruhm zu finden vermeynet. Sie glaubt von langen Zeiten her in ruhigem Besitze der Wahrheit zu seyn. Unsere seligmachende Lehre hingegen soll sich nur eines Alterthums von etwa zweyhundert Jahren zu erfreuen haben. Gewiß wenig genug. Allein ein schwaches Vorurtheil! welches durch die Kirchengeschichte völlig entkräftet wird. Denn diese belehren uns, daß sobald die wahre Lehre durch herrschenden Aberglauben verdunkelt worden. Zeugen der Wahrheit zu allen Zeiten wider solchen Abfall von der ersten Lauterkeit geeifert haben. Und o! ein schlechter Ruhm, den sich auch die Heiden angemaßet haben, wenn sie sich von ihrer Verbindlichkeit losmachen wollen. König Gottrich in Dännemark setzte das Alterthum seines Aberglaubens mit vieler Zuversicht den christlichen Lehrern entgegen ap.SNORRON.chron. Norw. P. III, n. 6. Auf gleiche Weise suchten sich die Boier und Vindelicier zu entschuldigenap.AVENTINannal. Boi. III, p. 151: Se non posse deserere avitas cærimonias, quæ ipsis tot triumphos præstitissent: hanc novam religionem christianam adversam esse viris fortibus & rei bellicæ studiosis.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1. Hannover 1751, S. 132.
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