[259]

Sechs und dreyßigstes Schreiben.

Anmerkungen von der Stadt Mayland.

Der Weg von Sesti nach Mayland ist anfänglich in einer schlechten mit Heide und Buschwerke bewachsenen Gegend, aus welcher man aber bald in einen niedrigern Grund gelanget, worinnen die schönsten Wiesen, Gärten, Aecker, Weinberge und fruchtbare Bäume anzutreffen sind. Rand rechts: Gegend zwischen Sesti und Mayland. Der Fuhrweg ist eben, breit, und in Alleen oder Hecken eingeschlossen, dabey aber schade, daß er vier bis fünf Fuß niedriger als das übrige Land liegt, wodurch guten Theils die Aussicht gehindert wird, und bey starkem Regen das Wasser sich dergestalt darinnen sammelt, daß es ungeachtet der Gräben, die auf beyden Seiten gezogen sind, so bald nicht wieder verläuft.

Die Stadt Mayland ist iu Vergleichung mit Turin für häßlich zu rechnen, weil sie wenige gleiche, und viele sowohl krumme als enge Straßen hat. Rand rechts: Der Stadt Mayland Gebäude, Straßen und Größe. Hiezu kommen die papier nen Fenster, welche allhier in noch größerer Menge, als zu Turin oder Florenz anzutreffen sind, und die Stadt destomehr verunzieren, je öfter man zu Mayland auch in großen Pallästen Glas und Papier (welches letztere an die Stelle einer zerbrochenen Scheibe aufgekleibet worden) in einem Fensterflügel beysammen findet. Die ganze Stadt ist mit Holziegeln gedeckt. In vielen Kreuzstraßen und andern Plätzen, wo bey öffentlichen Processionen die gewöhnlichen Stationes gehalten werden, sind Statuen aufgerichtet, deren Anzahl sich bis auf sechszig beläuft. Etliche davon sind von Marmor, die meisten aber aus Metalle. Was übrigens der Stadt an Schönheit mangelt, ersetzet sie durch ihre Größe, indem ihre Rundung auf dem Walle zehn italienische Meilen begreift, worein jedoch auch viele Gärten, die zwischen dem Walle und den Häusern liegen, eingeschlossen sind. Man giebt ihr insgemein dreymal hundert tausend Einwohner. Sie hat sechs kleine und eben so viel große Thore, zu deren jedem eine breite Straße, il Curso genannt, führet. Dieses sind die besten Straßen der Stadt, welche aber von dem Mittelpuncte derselben und von einander selbst sehr entfernet sind. Bey den sechs großen Thoren wird täglich Markt gehalten. Ferner zählet man in Mayland hundert und zehn Klöster, hundert Oratoria oder Bethhäuser für geistliche Brüderschaften, hundert und siebenzig untere Schulen und zweyhundert und funfzig Kirchen, worunter bey hundert Pfarrkirchen sind. Rand rechts: Viele Veränderungen, die sie erlitten. Es ist zu verwundern, wie diese Stadt, ungeachtet sie an keinem schiffbaren und zur Handlung völlig bequemen Flusse liegt, sich so oft und wohl erholet, nachdem sie gar vielen widrigen Fällen von Krieg und Pest unterworfen gewesen, wie sie denn mehr als vierzig mal belagert, etliche und zwanzig mal eingenommen, und viermal fast gänzlich zerstöret worden, dergleichen Unfall sie noch im 1162sten Jahre unter dem Kaiser Friderico Barbarossa, wiewohl durch ihre eigene Schuld und übermüthige Aufführung betroffen hat. Bey dieser letzten Eroberung wurde die Stadt bis auf die Kirchen St. Mariä, St. Ambrosii und St. Mauritii geschleifet und verbrannt, der Grund oder Boden mit einem Pfluge überackert, und mit Salze bestreuet1. Im Curso vor der Porta Orientale ist auf einer Seule ein Löwe, der gegen das Thor sieht, aufgerichtet, zum Anzeichen, wie weit einsmals die Venetianer in die Stadt eingedrungen. Mayland[259] ist, wie alle sehr große Städte, gar nicht fest, und mit einer einzigen Mauer am Walle umgeben. Rand links: Befestigung. Citadelle. Die Citadelle liegt in etwas von der Stadt abgesondert, jedoch daß sie von derselben als von einem halben Monde umgeben wird. Sie besteht aus sechs Bastionen, und kann wegen des morastigen Grundes von der Landseite nicht wohl mit Laufgräben und Minen angegriffen werden. Hingegen ist sie weder mit hinlänglichen Außenwerken versehen, noch geräumig genug, sondern mit vielen Gebäuden angefüllt, und von Seiten der Stadt schadet ihr die allzugroße Nähe der Bürgerhäuser und Straßen; obgleich hierinnen einige Veränderung vorgegangen, und unter dem vorigen Gouverneur, dem Grafen Colmenero (zu dessen Andenken auch auf dem Platze zwo weitläuftige Inscriptionen an steinernen Monumenten zu lesen sind), eine ganze Straße abgebrochen worden. Zween starke Thürme, deren Mauern zwölf Ellen dick und mit großen Marmorsteinen, so auswärts als brillantirte Diamanten zugehauen worden, bekleidet sind, dienen ihr auf der Seite gegen die Stadt zur Zierde und Befestigung, weil die Canonkugeln wenig dagegen ausrichten. Die Citadelle hat ihr eigenes Gießhaus, und ein Zeughaus, woraus zwölftausend Mann bewaffnet werden können. Ueber ihrem Thore steht eine zu Ehren des spanischen Königs Philipp des zweyten verfertigte Inscription, in welcher ihm der Titel Defensoris Fidei beygeleget wird. Vor der Wohnung des Gouverneurs hat man in diesem Jahre das Bildniß des heil. Nepomuk aus weißem Marmor aufgerichtet. Rand links: Einkünfte des Gouverneurs von der Citadelle. Das Gouvernement der Citadelle ist sehr einträglich, und hat derjenige, so es bedienet, von einer einzigen Pforte, die zur Stadt geht und unter seinem Befehle steht, jährlich über vierzigtausend Livres de Piemont Einkünfte, weil er bey Einbringung der Kaufmannswaaren sowohl bey Tage, als in der Nacht, durch die Finger sehen kann. Der Generalgouverneur hat nichts über ihn zu sagen. Von dem – – – N–– versicherte mich der savoyische Oberstlieutenant de Corbeau, daß er in vier Graden seiner aufsteigenden Linie keine verheirathete Person zählen können, und seine Großmutter eine Nonne gewesen sey. Rand links: Sonderbare Genealogie. In Spanien sieht man nicht viel darauf, ob ein Kind außer oder in der Ehe erzeuget sey, und ein Freyer, welcher die Wahl unter zwoen Schwestern hat, wird eben so leicht die unehelich-gebohrne, als die andere, so aus einem ächten Ehebette ist, heirathen, wenn jene nur z. E. den geringsten Vortheil in Ansehung der Schönheit über die andere hat. Rand links: Wie wenig die Spanier auf die uneheliche Geburt sehen. Man sagt auch, daß wenn ein Sohn eines Grand d'Espagne in den Maltheserorden aufgenommen werden soll, es in Ansehung seiner Geburt genug sey, wenn ihm der Vater nur das schriftliche Zeugniß giebt: Questo–è il mio Figlio. Rand links: Begebenheit mit dem Prinzen von Vaudemont. Ich erinnere mich hiebey des alten Prinzen von Vaudemont, Karl Heinrichs, welcher zu Ende des vorigen Jahrhunderts Gouverneur von Mayland war, und im Jahre 1723 in Frankreich gestorben ist. Dieser war gleichfalls ein natürlicher Sohn Karls des dritten Herzogs von Lothringen, der sich aus diesem Flecken seiner Genealogie nichts machte. Einsmals erzählte ein Italiener bey seiner Tafel von den Gesetzen, welche man in Deutschland bey Aufnehmung des Adels in die Stifter beobachtete, und was es oftmals für Schwierigkeiten wegen des erfoderten Beweises der Ahnen gebe. Einer von des Italieners Nachborn, der sich befurchte, es möchte bey solcher Gelegenheit etwas gesprochen werden, so dem Prinzen nicht angenehm wäre, stieß den Erzählenden an und sagte leise zu ihm: Prennes garde à canie du Prince de Vaudemont. Der Italiener versetzte ganz ernsthaft: bon! bon! fuhr aber fort und sagte in der Meynung die Sache gar verblühmt zu geben: par exemple on n'admettroit point un garçon comme cela, wobey er zugleich auf den Prinzen deutete. Dieser wurde so wenig zornig darüber, daß er vielmehr der erste war, so über solche Ausdrückung lachte, und hernach mit dem Italiener öfters darüber scherzte. Itztgedachter Prinz hatte durch seinen[260] leutseligen Umgang alle Gemüther gewonnen. Wie weit er vom Hochmuth entfernet gewesen, kann unter andern daraus abgenommen werden, daß als er einsmals einen Adelsbrief unterschrieb (wie ihm dann das Recht zu nobilitiren nebst der Souveraineté von Commercy kraft gewisser Verträge zugestanden war), er dabey sagte: Ma foy, cette Patente est plus grande, que ma Souveraineté.

Der Generalgouverneur des Herzogthums Mayland hat seine Wohnung in der Stadt, und zwar in einem weitläuftigen, dabey aber alten und schlechten Pallaste, worinnen auch die Theater zu den Opern und Komödien befindlich sind. Rand rechts: General-Gouverneur. Es wird noch beständig eine Kapelle oder Compagnie von Musikanten unterhalten, nicht anders, als wenn ein Herzog gegenwärtig wäre. Rand rechts: Graf von Daun. Der itzige Generalgouverneur ist der Graf von Daun, welcher im Jahre 1706 in der Belagerung von Turin viel Ehre eingeleget hat, und damals schon siebenzehn Wunden, die er in verschiedenen Schlachten empfangen hatte, auf weisen konnte. Der Prinz Eugen von Savoyen hat ihn beständig seines Vertrauens gewürdiget, und kann daher gar wohl gekommen seyn, daß ihm von dem Erzbischofe von Valence und dem Grafen von Stella, welche ehemals die italienischen Staatssachen in Wien unter Händen hatten, und sowohl als der Graf von – – dem Prinzen nicht gar geneigt waren, durch die Umstände seiner Zurückberufung aus Neapolis etwas zu nahe geschehen, sonderlich da der Graf von Daun sich nicht in allem von ihnen regieren lassen wollte. Er ist nicht viel über sechszig Jahre alt, vom Podagra aber so übel zugerichtet, daß er kaum einen Tritt mehr gehen kann, sondern sich in seinen Zimmern auf einem kleinen Stuhle, der auf Rädern ruhet, herum schieben lassen muß. Er hat bey jedermann das Lob eines guten Generals: nur beklagen sich viele der unter ihm stehenden Officiere über seine Schärfe, indem er sie nicht unnöthiger Weise in der Stadt Mayland, sondern lieber bey ihren Regimentern haben will. Vermuthlich macht ihn sein kränklicher Zustand auch in andern Dingen verdrießlicher und schärfer, als er sonst seyn würde. Dieses ist gewiß, daß er nicht so geliebet ist, als sein Vorfahrer, der Graf Coloredo, welcher einem jeden sehr freundlich begegnete, viele Bälle und andere Lustbarkeiten gab, offene Tafel hielt und an solche auch Capitains nahm, an statt daß der Graf von Daun keinen, der weniger als Oberstlieutenant ist, mit sich speisen läßt. Des Coloredo Sohn hielt gleichfalls eine offene Tafel, und der Ueberfluß regierte in dem ganzen Pallaste: da hingegen der itzige Generalgouverneur wenig Gäste hat, und nicht viel Fremde sieht; welchen letztern ohnedem dieses beschwerlich ist, daß, wenn sie auch nur ihre Aufwartung gemacht haben, ohne bey ihm zu speisen, alsbald eine Menge von Bedienten z. E. der Fourier, Kammerdiener, Trompeter, Pfortner etc. ja sogar der Gräfinn Kammerdiener sich einstellen, um Geschenke und Trankgelder, die sich leichtlich auf etliche Louis d'or belaufen, einzufodern.

Das Gouvernement den Herzogthums Mayland soll jährlich zweymal hundert tausend Gulden einbringen, und werden die Gouverneurs insgemein alle drey Jahre abgewechselt. Rand rechts: Einkünfte des Generalgouverneurs Kriegsstaat.

In dem ganzen Staate liegen anitzo achtzehn tausend Mann regulirte Völker, deren Montierung, Gewehr und andere Nothwendigkeiten großen Theils aus den deutschen und österreichischen Fabriken angeschaffet werden, nicht ohne Misvergnügen der Mayländer, welche lieber wollten, daß das Gelo, so sie zu Unterhaltung der Soldaten aufbringen, wieder in ihrem Lande ausgegeben und verzehret würde.

Der Rath der Stadt besteht aus einem Präsidenten und sechszig adelichen Doctoren, die nicht von dem Generalgouverneur dependiren. Rand rechts: Regierung der Stadt. Sie gehen sämmtlich in spanischer Tracht.[261]

Man giebt vor, es hätten die Spanier in Friedenszeiten jährlich zwo Millionen Thaler aus dem mayländischen Staate gezogen, welches ich dahin gestellt seyn lasse. Rand links: Einkünfte des Herzogthums. Alle dergleichen Schätzungen und Ueberschläge sind gar vielen Zweifeln unterworfen, weil wenige Leute Gelegenheit haben, genaue und eigentliche Kundschaften davon einzuziehen.

Die Veränderungen, welche die Stadt erlitten, indem sie bald Franzosen, bald Spanier, bald Deutsche zu Herren und Gästen gehabt, sind Ursache, daß eine viel freyere und von den Gewohnheiten des untern Theils von Italien abgehende Lebensart allhier eingeführet worden, zu deren Unterhaltung die Fruchtbarkeit des Landes und der Reichthum des Adels nicht wenig beyträgt. Rand links: Lebensart. Rand links: Reichthum des Adels. Ohne etlicher Herren zu gedenken, welche mehrals hundert tausend Livres de Piemont jährliche Einkünfte genießen: so ist gewiß, daß sich alle Winter in der Stadt Mayland bey achtzig adeliche Personen aufhalten, deren jede des Jahres mehr als vierzigtausend Livres einzunehmen hat. Rand links: Freyheit der Damen; Die Damen könnten in Frankreich selbst kaum mit wenigerm Zwange leben, als sie allhier thun. Die Marquisen Trotti, Simonetti, Arese, und etliche andere, geben wechselsweise in der Karnavalszeit bey einem gewissen Traiteur, der große Zimmer hat, Bälle und Maskaraden, um viele Beschwerlichkeiten und Unkosten zu ersparen, die nicht vermieden werden könnten, wenn solche Lustbarkeiten in ihren eigenen Häusern angestellet würden. Die Männer lassen sich solches gefallen; entweder weil sie sich nicht vieler Herrschaft berühmen können, oder weil sie der Treue ihrer Ehegatten dergestalt versichert sind, daß sie sich desfalls keine Unruhe zu machen nöthig erachten. Etliche lieben auch ihre Weiber mit solcher Ergebenheit, daß sie sich eine Freude machen, zu ihrer Vergnügung alles, was nur möglich ist, beyzutragen. Madame Simonetti hat große Handgelder von ihrem Manne, und außer denselben noch von ihrem eigenen Vermögen mehr als zwanzigtausend Speciesthaler jährliche Einkünfte; sie verzehret solches alles aber nicht nur richtig, sondern machet auch über dieses Schulden. Von der freygebigen und prächtigen Lebensart der mayländischen Damen kann zum Exempel dienen, daß vor wenigen Tagen eine Gesellschaft derselben in Begleitung von fünf bis sechs Cavalieren, mit Zurücklassung ihrer Männer, nach der Messe von Alexandria verreiseten, wobey sie ihr Silberservice, kostbaren Weine und andere zum Wohlleben und der Bequemlichkeit gehörigen Dinge voraus sandten. Die Damen besorgten nicht nur alle Tractamente und Zeitvertreibe, sondern hielten auch auf der ganzen Reise sowohl die Cavaliere, als deren Bediente und Pferde frey.

Das weibliche Geschlecht von geringerm Stande nimmt gleichfalls allhier Theil an vielen Freyheiten, die ihnen an andern Orten Italiens abgeschnitten sind. Fast in allen Kaufläden findet man, nicht anders als wie zu Paris, Frauenzimmer sitzen, und wo sie selbst mit Hand anlegen, als z. E. bey Nehen, Sticken etc. so geschieht solches, so lange es die Jahreszeit zuläßt, in ganz offenen Buden und Gewölbern, in welchen öfters zahlreiche Gesellschaften beysammen sitzen. Rand links: auch in den Klöstern. Selbst in den Klöstern hat man die Schranken der eingezogenen Lebensart, so viel es möglich, zu erweitern gesucht, und kann man mit den Nonnen vor ihren Sprachgittern nicht nur mit vieler Freyheit sprechen, scherzen und lachen, sondern auch Musik mit ihnen machen, und auf solche Art ganze Nachmittage daselbst zubringen. Wie Herr Preval, ein Engländer, vor zweyen Jahren die Comtesse Pietra aus einem Benedictinerkloster nach Geneve entführet, ist meinem Herrn schon bewußt.

Ehemals diente der Platz vor der Domkirche zur allgemeinen Abendpromenade; seit etlichen Jahren aber sieht man nur gemeines Volk, so zu Fuße geht, sich daselbst erlustigen. Rand links: Promenaden. Hingegen wird der Wall bey der Porta Orientale gegen diePorta Tosa hin, sowohl von Kutschen als Fußgängern fleißig besuchet, nachdem solchen ein Kaufmann mit weißen Maulbeerbäumen[262] (die nach seinem Tode der Stadt zufallen werden) auf beyden Seiten besetzen lassen. Diese Alleen gehen gerade zu, und sind so breit, daß drey bis vier Wagen neben einander fahren können. Das Auge ergötzet sich auf der einen Seite mit der Aussicht in das freye Feld, und auf der andern an denen Küchen- und Weingärten, so zwischen dem Walle und den Häusern der Stadt liegen. Der schönste Theil dieses Walles ist hinter der Kirche von S. Maria della Passione.

Was die Handlung und Manufacturen der Stadt anlanget, so bestehen solche vornehmlich in Seidenwaaren, Stahlarbeit und Bergkrystall, welcher in den benachbarten Alpen oftmals mit vieler Lebensgefahr gefunden, und in Mayland zu Leuchtern, Tobacksdosen, Spiegeln und andern dergleichen kostbarem Geräthe geschliffen und gefasset wird. Rand rechts: Handlung und Manufacturen. Die äußerste Größe, welche man bisher in Spiegeln aus einem Stücke Krystall erreichen können, ist von einem Fuß in der Breite und anderthalb Fuß in der Höhe. In Mayland werden auch, gleichwie in Bologna und Verona, vielerley Bluhmen von Wachs, Papier, Hausblasen, Federn und Baumwolle gemacht, die der Natur aufs vollkommenste nachahmen. Absonderlich wissen die Nonnen mit solcher Arbeit wohl umzugehen. Mannspersonen bedienen sich niemals solcher Zierrathen, ausgenommen bey Masken und in der Karnavalszeit, man sieht sie auch nicht viel an Frauenzimmern: hingegen werden sie desto häufiger zu Schmückung der Altäre und Zierde der Zimmer gebrauchet, auch viele in auswärtige Länder versandt.

Als eine besondere Sache habe bemerket, daß in der ganzen Stadt nur an einem Orte und einem einzigen Kaufmanne erlaubt ist, Schießpulver zu verkaufen.

Die Doüanen und Zölle können nirgends schlechter bestellet seyn, als sie es im Mayländischen sind. Rand rechts: Zölle. Alles kömmt auf geringe Trankgelder an, welche von den Zöllnern ungescheuet gefodert werden, ohne die fremden Reisenden mit fernerer und genauerer Nachfrage zu belästigen: hingegen wird im Piemontesischen alles desto genauer untersuchet.

Unter den geistlichen Gebäuden der Stadt Mayland steht die der heil. Maria und St. Thekla gewidmete Domkirche billig oben an. Rand rechts: Domkirche. Ihre Länge ist von zweyhundert und vierzig braccii Milanesi, deren jeder ungefähr zween Fuß ausmachet. Eine Menge marmorne Seulen, deren viele so dick sind, daß drey Männer Mühe haben eine zu umfassen, tragen das Gewölbe der Kirche, so in drey Gänge oder Galerien getheilet ist. Oben zwischen den Seulen sind große Gemälde aufgestellet, welche den Lebenslauf des heil. Caroli Borromäi abbilden, und unter andern, wie er sein Fürstenthum Doria verkaufet, und in einem Tage den Armen achtzig tausend Thaler austheilet. Rand rechts: Silberne Gelübde. Hiebey finden sich sehr viele silberne Gelübde, die etliche tausend Unzen schwer sind, und die Figuren von Köpfen, Herzen, Füßen, Händen, Ohren und andern Gliedern des menschlichen Leibes vorstellen, woran die Patienten Noth gelitten, durch Fürbitte aber des heil. Borrömäi Hülfe und Gesundheit erlanget hatten, Bey allen Goldschmieden sind dergleichen Gelübde von verschiedener Größe fertig und vor den Läden ausgestellet, damit die Liebhaber ohne fernern Anstand, der ihren Eifer etwan erkalten lassen mochte, damit bedienet werden können. Dergleichen Denk- und Dankmaale sind nicht erst unter den Christen aufgekommen, sondern eines viel ältern Ursprunges, wie davon die Historie der Philister im ersten Buche Samuelis Cap. 5, v. 6 einen deutlichen Beweis giebt. Rand rechts: Ihr Ursprung aus dem Heidenthume. Von den silbernen Abbildungen der Ohren, welche der Minerva, als einer Schutzgöttinn des Hauptes geopfert worden, kann eine Inscription beym GRVTEROpag. MLXIX, n. 1. nachgesehen werden. Daß dergleichen Gelübde dem Aeskulap als dem Vorsteher der Arzeney und Gesundheit bezahlet worden, ist noch weniger zu bewundern, und[263] kann davon die Inscriptio GRVTERIp. LXXI, und PAVSANIASCorinthiac oder Lib. II, cap. 27. pag. 173. edit. Kuhn. deutliche Beweise geben. Von der Isis sagt TIBVLLVSLib. I, Eleg. 3:


Nunc Dea, nunc succurre mihi, nam posse mederi

Picta docet templis multa tabella tuis.


HORATIVS zielet gleichfalls auf dergleichen Gewohnheiten, wenn er Carm. lib. I, Od. 5. schreibt:


Me tabula sacer

Votiva paries indicat uvida

Suspendisse potenti

Vestimenta maris Deo.


Unsere heidnischen Vorfahren in Deutschland, bey welchen das Silber und Gold nicht in grossem Ueberflusse war, begnügten sich, ihren Götzen, die Glieder, an welchen sie Hülfe erlanget hatten oder noch hoffeten, von Holze nachgemacht, in den Tempeln aufzuhängen2: Ja daß viele der neubekehrten Deutschen diesen Gebrauch aus dem Heidenthume in die christliche Religion eingeführet, zeiget der Indiculus Superstitionum Liptinensis §. 29. de ligneis pedibus vel manibus pagano ritu; woraus man aber auch sieht, daß solche Gewohnheit damals nicht gebilliget, sondern als ein heidnischer Misbrauch verworfen worden3. Warum man von dieser Meynung bald hernach abgegangen, und itzt die Leute zu einer Sache als zu einem guten Werke anvermahnet werden, welche die ehemaligen Concilia und Synodi als heidnisch verworfen, überlasse ich anderer Urtheil, getraue mir auch nicht zu versichern, daß vielleicht der Fehler oder das Vitium damals nur an der Materie des Gelübdes gelegen habe.

Die alten Römer setzten unter ihre Tabulas votivas E. V. ex Voto, oder P. G. R. d.i. Pro Gratia Recepta, welche und andere dergleichen Formeln man häufig auch unter den Gelübden in den römischkatholischen Kirchen antrifft.

In der mayländischen Domkirche stehen am Portale zwo runde Seulen von weißgrauem Marmor, deren jede aus einem einzigen Stücke besteht. Rand links: Außerordentlich große Seulen. Sie sind so hoch als das Thor, und so dicke, daß kein Mann sie umklaftern kann.

Der Fußboden der Kirche wird aus rothem, schwarzem und weißem Marmor in Figuren von Zirkeln, Bluhmen, Laubwerke und dergleichen Dingen zusammengesetzt. Rand links: Fußboden. Wenn man es von oben herab aus der Cuppola betrachtet, scheint es eine schöne Tapete zu seyn. Es ist aber noch nicht die Hälfte fertig, obgleich schon über sechs und sechszig tausend Scudi daran verwendet worden, ohne das Estrich des Chores dazu zu rechnen, welches gleichfalls über fünftausend Scudi gekostet haben soll. Der übrige Fußboden ist mit ungleichen Backsteinen, worauf unbequem zu gehen ist, bepflastert.[264]

In dem Chore sieht man an denen Stühlen, auf welchen die Domherren sitzen, des Theodosii und Ambrosii Lebensgeschichte in Nußbaumholz vortrefflich geschnitten. Rand links: Chor. Jede Geschichte besteht aus einem einzigen Stücke, und obgleich derselben sehr viele sind, so soll dennoch nur ein einziger Meister Hand daran geleget haben. Die Canonici werden in drey Classen getheilet. Dreyßig davon sind von Adel, und gehen als Kardinäle roth gekleidet. Die reichen Leute vom bürgerlichen Stande machen die andere Abtheilung aus, und gebrauchen sich in ihrer Tracht der grünen Farbe. Die übrigen sind ordentlich, wie andere Geistliche, gekleidet.

Im Chore halten vier metallene Engel von Mannsgröße das Tabernakel, worinnen das Venerabile verwahret wird. Auf jeder Seite steht ferner noch ein solcher Engel, und das ganze Werk zusammen ist ein Geschenk des Pabstes Pii IV.

Die zwo Kanzeln, so beym Eingange des Chores einander gegenüber stehen, sind mit schönen metallenen Statuen umgeben. An der äußern Seite des Chores hat Andreas Biffi die Geschichte des neuen Testaments in trefflichen bas-reliefs aus weißem Marmor ausgedrückt. Vor andern bewundert man die Vorstellung der Geburt Christi.

An der Mauer der Kirche hinter dem Chore ist das Grab des Kardinals Marino Caracciolo, dessen Bildniß aus weißem Marmor auf einem schwarzen Piedestal ruhet. Rand rechts: Grab des Kardinals Caracciolo.

Nahe dabey wird die große marmorne Statue des heil. Bartholomäi, welcher seine abgezogene Haut über den Schultern hängen hat, bemerket. Rand rechts: Statue St. Bartholomäi. Man rühmet insbesondere die Arbeit an dem Kopfe. Unten an der Statue liest man die Worte:


Non me Praxiteles sed Marcus finxit Agrato.


Sowohl in hiesiger als andern Kirchen von Mayland sitzen bey den Thüren alte Weiber, welche spinnen und andere dergleichen Arbeit verrichten. Ich habe nicht bemerket, daß sie betteln, es kann also wohl seyn, daß es auf ein Werk des Verdienstes oder der Heiligkeit hinaus laufe, wenn sie den ganzen Tag in dem Hause Gottes zubringen. Rand rechts: Maskirte Bettlerinnen. Hie und da trifft man in schwarze Schleyer verhüllete Frauenpersonen an, welche Almosen fodern, und sollen solches Personen seyn, die wegen ihres Standes oder anderer Umstände Bedenken tragen, sich zu erkennen zu geben, oder öffentlich zu betteln. Vor diesem giengen auch Mannspersonen auf gleiche Art verhüllet herum; allein weil viele Misbräuche bey dergleichen Maskaraden einrissen, so sind solche dem männlichen Geschlechte vom Erzbischofe untersaget worden.

Der Körper des heil. Caroli Borromäi liegt auf dem Altare einer unterirdischen Kapelle gerade unter der Hauptcuppola. Rand rechts: Sarg des heil. Caroli Borromäi. Er ist noch wohl erhalten, mit bischöflichen Kleidern angethan, und in einem fast unschätzbaren Sargevon Bergkrystall, der in einem hölzernen[265] eingeschlossen wird, verwahret. Außer dem Erzbischofe hat niemand den Schlüssel dazu, und kann man ohne desselben Erlaubniß dieses Heiligthum nicht zu sehen bekommen. Die Wände dieser Kapelle sind fast ganz mit silbernen Tafeln überzogen; die Grabschrift des Heiligen aber ist in Marmor nächst bey seinem Sarge zu lesen.

Der Schatz der Domkirche kostet vier bis fünf Livres de Piemont zu besehen. Rand links: Schatz. Er ist von ungemeinem Reichthume, was sowohl die silbernen und goldenen Geschirre, als auch Ostensoria, busta, Statuen, Ringe, Kelche, Kreuze und dergleichen Kostbarkeiten, an deren etlichen itztgedachte Metalle das geringste sind, anlanget. Unter andern ist St. Caroli Borromäi silberne Statue in mehr als Lebensgröße vorhanden, an deren Brust ein überaus kostbares Kreuz von Diamanten hängt. Der Bischofshut, welcher jederzeit dem verstorbenen Erzbischofe bey seinem Leichengepränge aufgesetzet wird, ist vornen her ganz mit Perlen bedeckt. Ein Becher von Bergkrystall, so in Gold gefaßt und oben mit einem Sapphire von der Größe einer Bohne gezieret ist, wird in Proceßionen nur vom Erzbischofe getragen. Ein anderes Kleinod von vielen zusammengesetzten Edelgesteinen, welches der Erzbischof auf der Brust trägt, hat in der Mitte einen orientalischen Topas von der Breite einer grossen Wallnuß. St. Caroli Borromäi Ring, worinnen ein Sapphir von der Größe einer Haselnuß gefasset ist, wird von den Geistlichen mit großer Ehrerbiethung geküsset. Viele andere kostbare Stücke übergehe ich zu Vermeidung fernerer Weitläuftigkeit mit Stillschweigen. Man sieht hiebey in einem Schranke auch ein Dessein vom Raphael d'Urbino, welches die Anbethung der Weisen aus Morgenlande vorstellet.

Unter dem Kirchenornate verdienet die Bekleidung eines Altars, welche schon vor hundert und funfzig Jahren mit Seide gestickt worden, in Augenschein genommen zu werden. Die Künstlerinn davon hieß Lidovina Peregrina, und ist ihr Werk so wohl gerathen, daß man Mühe hat, es von einem schönen Gemälde durch die bloßen Augen zu unterscheiden.

Wegen der vielen Kostbarkeiten, die allhier verwahret werden, bleiben alle Nachte vier junge Priester, so etliche wachsame Hunde bey sich haben, in der Kirche. Rand links: Nachtwache in der Kirche.

Oben unter dem Gewölbe des Chores wird einer von denen Nägeln, mitwelchen Christus ans Kreuz befestiget gewesen seyn soll, aufgehoben. Rand links: Nagel vom Kreuze Christi. Er ist in Bergkrystall eingefaßt, und ein besonderes Gerüst vorhanden, in welchem sechs Personen zu demselben hinauf gezogen werden können. Am dritten May als am Feste der Kreuzerfindung wird diese Reliquie jährlich in einer großen Proceßion, bey welcher nebst der ganzen Clerisey auch der Generalgouverneur und die Vornehmsten der Stadt erscheinen, herum getragen, und solches geschieht auch bey außerordentlichen Landplagen, z. E. lang anhaltender Dürre, Pest und dergleichen Unfällen. Bey solchen Gelegenheiten trägt der Erzbischof besagten Nagel unter einem kostbaren Himmel. Wie man sagt, so hat der Kaiser Theodosius durch die Schen. kung solches Nagels an St. Ambrosium sich in Mayland ein immerwährendes Andenken stiften wollen. Andere haben andere Meynung davon.

Unter den übrigen Heiligthümern der Domkirche findet sich auch ein Stück von der Ruthe Aarons, welche man in der Kirche di S. Giovanni Lateranense ganz zu haben vermeynt. Rand links: Ruthe Aarons. Etliche Stücke davon zeiget man auch in der Schloßkirche zu Hannover unter denen Reliquien, welche Henrich der Löwe von seiner Reise nach dem gelobten Lande zurück gebracht hat, wobey auch ein Stück von dem Stabe Mosis nicht vergessen worden4.[266]

Aus der Kirche steigt man vermittelst einer marmornen Treppe, die umeinender Haupt pfeiler angeleget ist, hundert und acht und funfzig Stufen hoch auf den ersten äußern Um gang der Kirche. Rand rechts: Statuen auf der Kirche. Daselbst zeiget sich die marmorne Statue des Herzogs Joh. Galeati Visconti, welcher im Jahre 1386 den Grund zu diesem Gebäude geleget hat, mit einer Fahne auf der Spitze einer Pyramide. Dieses Bildniß ist in Lebensgröße verfertiget, scheint aber unten von dem Platze vor der Kirche wegen der Höhe kaum anderthalb Spannen in der Länge zu haben. Oben herum stehen ferner viele Statuen von Heiligen, Herzogen und andern großen Herren; es werden aber noch gar viele erfodert werden, um alle Pyramiden und Fußgesimse, wie man Willens ist, damit zu besetzen. Viele solcher Bildnisse sind von Riesengröße, unter denselben aber auch einige dergestalt wider die Ehrbarkeit und Schamhaftigkeit vorgestellt, daß man für nöthig erachtet, sie an einen so erhabenen Ort zu setzen und dem Gesichte der meisten Leute zu entziehen. Mit der Zeit wird dieganze Kirche mit Marmor bedecket seyn. Ein Theil davon ist schon fertig und werden die großen marmornen Quadersteine mit Stucco oder Gips genau zusammen verbunden, also, daß kein Regen durch die Fugen dringen kann. Obgleich dieses Dach ein wenig rund oder erhaben angeleget ist, so kann man doch bequem darauf herum gehen. Was bey solchen Umständen für eine unglaubliche Last auf den Pfeilern und Gewölbern der Kirche ruhe, ist leicht zu erachten. Auf der einen Seite dieses Umgangs stehen die marmornen Bildnisse der Baumeister, welche vom Anfange her die Aufsicht über den Bau der Kirche gehabt, beysammen. Der älteste darunter ist Bramantes, der auch den Bau der Karthause bey Pavia angefangen hat. Man bemerket hie und da die Ende der eisernen Stangen oder Balken, durch welche das Gewölbe des Chores befestiget ist. Solche sind viereckicht und haben die Dicke von einem halben Fuße.

Wenn man von hier ein und neunzig Stufen höher steigt, kömmt man auf einen Gang, der um das innerste hohe Gewölbe der Kirche führet, und eine treffliche Aussicht hat. Noch etliche und dreyßig Staffeln höher hängen drey große Glocken, deren die einevom heil. Carolo Borromæo geweihet ist. Man sieht hiebey durch eine Oeffnung in die Hauptcuppola des Doms, welche in viele gevierte Felder vertheilet und mit sechs und siebenzig Statuen gezieret ist. Rand rechts: Cuppola. Zum obersten Schlusse der Cuppola gelanget man durch vier Treppen, die mit vielen Statuen und anderer trefflichen Marmorarbeit versehen sind. Man muß gestehen, daß alle diese Werke überaus schön und prächtig in das Gesicht fallen, so lange sie neu sind, und die weiße Farbe ihres Marmors nicht verlieren; allein es ist zu befürchten, daß durch die Länge der Zeit wegen des Staubes und Rauches, welche in einer so großen Stadt nicht mangeln können, vieles von der itzigen Schönheit abgehen und auch die neuen Werke diejenige gelbbraune Farbe bekommen werden, welche man an den übrigen ältern bemerket.

Was die äußere Bekleidung dieser Kirche belanget, so ist erst der hintere Theil derselben, wo nämlich das Chor ist, fertig. Diejenigen Seiten, so am meisten ins Gesicht fallen, und absonderlich die Facciata gegen den großen Platz, bleiben vielleicht mit Fleiße in schlechtem Stande, damit milde Herzen desto kräftiger erwecket werden mögen, ihre Freygebigkeit zu erweisen und die angebothene Gelegenheit, wodurch sie sicheine Staffel nach dem Himmel bauen können, mit beyden Händen zu ergreifen. Rand rechts: Facciata. Man arbeitet nunmehr beynahe schon vierthalb hundert Jahre an dieser Kirche, an deren hintern Seite der ganze Platzmit Leuten, welche Marmor sägen, zu rechte hauen oder sonst verarbeiten, angefüllet ist; jährlich werden auch neue Statuen aufgerichtet: und indessen ist doch zu vermuthen, es werde das[267] Bauen niemals ein Ende nehmen, weil über achtzehn tausend Scudi jährliche Einkünfte gestiftet sind und wirklich gehoben werden, so lange als die Kirche noch nicht völlig ausgebauet seyn wird. Rand links: Reiche Stiftung zu diesem Baue. Petrus Carcanus ein reicher Kaufmann der Stadt Mayland, hat außer den ansehnlichen Einkünften, welche er zum großen Hospitale gestiftet, allein zur Aufführung des Frontispicii vom Dome zwey mal hundert und dreyßig tausend Ducaten vermacht, wie solches sowohl aus seiner Grabschrift in der erzbischöflichen Kirche, als auch aus dem Ritratto di Milano und andern Zeugnissen leicht zu beweisen ist; nichts destoweniger ist noch das wenigste an solchem Werke vollführet. Man hat eine gute Anzahl Statuen daran aufgesetzet und zwischen denselben den Anfang der biblischen Geschichte, deren jede auf einem bas-relief aus einem einzigen Stücke von weißem Marmor vorgestellet wird, gemacht; diese Werke sind überaus wohl gerathen und absonderlich die Statuen des Adams und der Eva über dem großen Portale, woselbst die Erschaffung unserer ersten Aeltern abgebildet ist, von solcher Schönheit, daß etliche Liebhaber und Kennersie für das kostbarste Werk der Bildhauerkunst, welches an diesem Gebäude angebracht worden, ausgeben, ja selbst der obgedachten Statue des heil. Bartholomäi vorziehen: allein alles dieses dienet nur zu einer Probe, was man thun könne, wenn man hinlängliches Geld anwenden wollte, keinesweges aber wird jemand sich dadurch überreden lassen, zu glauben, es sey die zum Frontispicio gestiftete Summe von zwey mal hundert und dreyßig tausend Ducaten (ohne zu gedenken, daß vermuthlich auch mehrere Stiftungen und Vermächtnisse in gleicher Absicht errichtet worden) schon wirklich dazu verbrauchet worden. Rand links: Anzahl der Statuen. Wie man vorgiebt, werden zur Facciata noch zwey tausend Statuen, und zu dem übrigen Gebäude derselben noch fünf tausend erfodert. Im Jahre 1714 wollte man schon vier tausend und vier hundert Statuen an der ganzen Kirche zählen: und etliche gehen so weit, daß sie behaupten, es befänden sich unter den itzt gegenwärtigen Stücken mehr als sechs hundert, deren jedes wenigstens tausend Thaler werth sey. Allein vermuthlich nimmt man in solcher Rechnung das Wort Statue in einem weitläuftigern Verstande, als man sonst zu thun pfleget. Dieses ist gewiß, daß, wenn einmal der ganze Bau vollführet seyn sollte, alsdann das Auge, wohin es sich auch wenden wollte, nichts als Marmor entdecken wird, welcher zwar an und vor sich selbst kein rarer Stein in hiesigen Gegenden ist, zu seiner Zubereitung und Polirung aber viel Mühe und Unkosten erfodert.

Nahe bey der Domkirche sieht man in dem Capitel die Zeichnungen von denen vornehmsten Bildhauerstücken, welche an der Kirche angebracht sind, und ist darunter auch A. dam und Eva, so über dem Hauptportale stehen, vom Cyrano. Rand links: Capitel. In diesem Gebäude versammeln sich diejenigen zwanzig Personen, so über den Kirchenbau die Aufsicht haben. Sie sind mehrentheils aus adelichen Häusern und verrichten diese ihre Bedienung, wie man sagt, umsonst.

Auf der andern Seite liegt der Kirche gegenüber der erzbischöfliche Pallast, welcher sehr weitläuftig ist und aus zween Höfen besteht. Rand links: Erzbischöflicher Pallast. Statua Ambrosii mit einer Ruthe. In dem einen derselben zeigen sich die Statuen St. Caroli Borromäi und St. Ambrosii. Dieser letzte hat eine eiserne Ruthe in der Hand, als ein Andenken seiner wider den Kaiser Theodosius in Mayland unternommenen Heldenthat, in welcher ihm die Clerisey, wenn sie die Gewalt in Händen hätte, gern nachahmen würde. Aus dem erzbischöflichen Pallaste geht ein unterirdischer Gang nach der Domkirche.

Nächst der erzbischöflichen Kirche ist die vom St. Alexander eine der schönsten in der ganzen Stadt, was sowohl die Bildhauerey in Marmor, als die Gemälde, Vergoldung und Stuckaturarbeit anlanget. Rand links: Kirche St. Alexandri. Vor allen ist die Kapelle der h. Magdalena in Augenschein[268] zu nehmen. Der Hauptaltar der Kirche, wie auch die Kanzel und zween Beichtstühle sind mit Jaspis, Lazuli, Achat und andern kostbaren Steinen gezieret. Der Lebenslauf des heil. Alexanders ist in verschiedenen großen Stücken auf Leinwand gemalet; die übrigen Gemälde aber sind meist à fresco. Rand rechts: Barnabiten. Die Barnabiten, denen diese Kirche zusteht, sind wie die Jesuiten gekleidet, ausgenommen daß jene weitere Aermel tragen. St. Carolus Borromäus hat ihre Disciplin und Verfassung aufgesetzet. Sie halten öffentliche Schulen, wie die Jesuiten, rühmen sich auch, daß sie in Ansehung der Einsetzung ihres Ordens, vier bis fünf Jahre älter als diese sind, können aber dessen ungeachtet weder an Einkünften noch Anzahl gegen sie aufkommen. Der Barnabiten sind kaum zwey tausend in der Welt, da sich hingegen die Menge der Jesuiten beynahe auf zwanzig tausend erstrecket.

Die Kirche St. Ambrosii, nicht weit von der Porta di Vercelly, gehöret halb den Bernhardinern, welche der Regulæ S. Augustini folgen, und auch Cistertienser genennet werden, und halb den Canonicis Regularibus. Rand rechts: Kirche St. Ambrosii. Das Chor ist gemeinschaftlich und soll allenthalben mit mosaischer Arbeit gezieret werden, wie mit der Cuppola der Anfang schon gemacht worden ist. Das Venerabile steht unter vier porphyrnen Seulen. Rechter Hand an der Kanzel wird noch ein altes Götzenbild aus Metalle gezeiget. Rand rechts: Metallene Schlange Mosis. Ferner ist in dieser Kirche eine metallene Schlange auf einer marmornen Seule zu sehen, und soll solche nach der Sage des hiesigen gemeinen Volkes diejenige Schlange seyn, welche Moses in der Wüste aufgerichtet hat. Andere begnügen sich zu glauben, daß sie nur aus den zerbrochenen Stücken der Schlange Mosis verfertiget worden. Noch andere behaupten, sie sey eine symbolische Vorstellung Aeskulaps. Dieses ist gewiß, daß man am Osterdienstage viele kranke Kinder zu dieser Seule bringet in der abergläubischen Hoffnung, der Kinder Gesundheit dadurch zu erlangen.

An der andern Seite der Kirche, und zwar an dem Orte, wo ehemals die Mönche ihr Capitel hielten, ist Bernhard, ein Enkel Karls des großen und König von Italien, der im Jahre 817, oder 818, wenige Tage nach seiner Blendung verschieden, mit folgender Inscription begraben: Rand rechts: Grab des Königs Bernhards;


Bernhardus civilitate mirabilis cæterisque piis virtutibus inclitus Rex hic requiescit regni anno IV. mense V. obiit XV. Kal. Maji, indictione X. filius piæ M. P. (d.i. filius Pipini piæ memoriæ.)


Nahe dabey liegt sein Vater Pipinus, König in Italien, der im Jahre 810 gestorben, in einem steinernen Sarge ohne Grabschrift. Rand rechts: des Königs Pipins; Bertha. Daß auch Bernhards Mutter Bertha, eine Tochter des Grafen Wilhelms von Toulouse allhier ihre Ruhestäte gesunden, deuten folgende nächst dabey an einer Treppe befindlichen Worte:


HIC BERTÆ REGINÆ OSSA.


Der Körper des heil. Ambrosii wird unter dem Hauptaltare verwahret. Rand rechts: Reliquien. Diese Kirche wird für die älteste in ganz Mayland gehalten: und weil man glaubt, daß ihr Grund und Boden mit Gebeinen der alten Heiligen ganz angefüllet sey, so haben die Päbste niemals zugeben wollen, daß man selbige durch vieles Bauen verunruhigen oder untereinander werfen dürfen. Dieses ist auch die Ursache, warum das Pflaster so alt und schlecht bleibt. Das Dach der Kirche ist von Bley. Die Kirchthüren von dem großen Portale sollen noch diejenigen seyn, welche St. Ambrosius dem Kaiser Theodosius gleichsam vor der Nase zugeschlossen, bis dieser wegen der scharfen Strafe, die er wider seine aufrührischen Unterthanen zu Thessalonich verhänget, äußerliche Buße gethan. Rand rechts: Verwägene That St. Ambrosii. Viele andächtige Pilgrime schneiden[269] kleine Splitter aus solchen Thüren, um solche mit sich zu nehmen. Was für Kraft diesen Heiligthümern zugeschrieben werde, ist mir unbekannt.

Das bey der Kirche St. Ambrosii gelegene Cistertienserkloster nimmt mit seinen Gebäuden und Gärten einen großen Bezirk ein, und halten sich beständig sechszig bis siebenzig Mönche darinnen auf. Rand links: Cistertienserkloster. Die Bibliothek ist schön und nimmt einen mit Bildhauerarbeit gezierten Saal ein. Rand links: St. Augustini Feigenbaum. In dem Garten zeiget man einen Feigenbaum, unter welchem der zweifelmüthige Augustinus, da er wegen seiner Bekehrung sich noch nicht entschließen können, endlich auf den rechten Weg gebracht worden, nachdem erdie Stimme gehöret: Tolle, Lege. Man kann leicht erachten, daß schon oft neue Stämme an die Stelle des ersten Baumes gesetzet worden, und itziger Zeit vertritt ein mittelmäßiger Busch vom Feigenbaume den Platz seiner Vorfahren. Indessen ist zum Andenken dieser Kirchengeschichte aucheine Kapellenur etliche Schritte davon aufgebauet worden.

Das Collegium Ambrosianum, so mitten in der Stadt liegt, ist eine zur Beförderung der Wissenschaften angelegte Stiftung, worinnen sechszehn Professores umsonst lehren. Rand links: Collegium Ambrosianum. Dieses schöne Werk hat man dem Kardinal Friderico Borromäo, einem Bruderssohne des heil. Caroli Borromäi zu danken. Das vornehmste, so man allhier zu besehen hat, ist die Bibliothek, welche der itzige Kardinalund Erzbischof Guibertus Borromäus um ein grosses vermehret hat, daher auch sein Portrait über dem Eingange dieses Büchersaales gesetzt worden. Rand links: Bibliothek. Man findet sie täglich (die Vacanzzeit ausgenommen) des Morgens von 10 bis 12 Uhr, und Nachmittags abermals zwo Stunden lang offen. Die Anzahl der Bücher besteht nun aus fünf und vierzig tausend gedruckten Bänden, deren Werth jedoch dem Schatze von Manuscripten, womit dieses Collegium pranget, bey weitem nicht gleich kömmt. Dem äußerlichen Ansehen nach ist zwar schwer zu glauben, daß diese letztgedachte Sammlung auf funfzehn tausend Stücke (wie man insgemein vorgiebt) sich belaufe; daß aber gar nützliche Sachen darunter zu finden seyn, zeiget unter andern das weitläuftige Werk der Scriptorum rerum Italicarum, welches der gelehrte MVRATORI besorget. Für das rareste Manuscript der ganzen Bibliothek wird des RVFINI Uebersetzung der Historiæ JudaicæFlaviiJOSEPHI in folio gehalten, sowohl weil man es über tausend und drey hundert oder wenigstens tausend und ein hundert Jahre alt zu seyn schätzet, als weil es auf Baumrinden geschrieben ist. Ferner zeiget man AMBROSIIopera auf Pergamen mit vieler und schöner Goldarbeit, welche die alten Mönche ihren Schriften zugeben pflegten; etliche Originalschriften und Werke Thomæ AQVINATIS; GREGORIINazianzeniOrationes Græcè, cum scholiis quorum nonnullaMAXIMI nomen præferunt, welches Manuscript im Jahre 1606 aus der Insel Chio hieher gebracht, und damals schon neun hundert Jahre alt geschätzet worden; Einen Pentateuchum auf Pergamen, welchem man ein Alter von fünf hundert Jahren giebt; die Biblia Curiensia, so ihren Namen haben von einem Bischofe von Chur, der sie im Jahre 1617 in die hiesige Bibliothek geschenket, und bey welchen dieses etwas besonders ist, daß sie nach dem Zeugnisse einer zu Anfange des Werkes befindlichen Nachricht ungefähr vor vier hundert Jahren von einer Klosterfrau geschrieben worden; VIRGILIIopera in folio mit FrancisciPETRARCHAE Anmerkungen; XII. Volumina Dispositionum, welche St. Carolus Borromäus zu den Predigten, die er sellbst gehalten, gemachet hat. Jede dieser Eintheilungen sieht nicht anders aus, als eine Seite von genealogischen Tabellen. Außer diesen Schriften sind noch viele merkwürdige Briefe vorhanden, so dasConcilium Tridentinum betreffen, und theils von Carolo Borromäo unterzeichnet, theils vom Anfange bis zum Ende eigenhändig von ihm geschrieben sind. Ein Foliante, so noch einmal so lang[270] als andere ist, enthält Originalbriefe des türkischen Kaisers Bajazeth an die Päbste Innocentium den achten und Alexandern den sechsten, mit beygefügter lateinischer Uebersetzung. Rand rechts: Correspondenz zwischer dem Pabste Alexander dem sechsten, und dem türkischen Kaiser Bajazeth In einem dieser Schreiben, welches Bajazeth im Jahre 1492 an Innocentium abgehen lassen, setzet er: – – N. veniens declaravit. qualiter cupitis & amatis, & ubique magni facitis res sacras & admirabiles divini & magni Prophetæ & Domini Jesu Christi. Wer weis, was für einen geringen Unterschied man dem Bajazeth zwischen der türkischen und christlichen Religion beyzubringen gesucht, weil er den Pabst seiner Freundschaft versichert, nachdem er von dem Gesandten benachrichtiget worden, wie Innocentius gleichfalls den großen Propheten und Herrn, Jesum Christum hoch achte. Das weltliche Interesse machet gar oft, daß man den Unterschied von Glaubenslehren heute anders als morgen ansieht, und damals hatten die Päbste und der Großsultan in ihren weltlichen Absichten einander nöthig. Aus einem andern Briefe, welcher an Alexandern den sechsten gerichtet ist, sieht man, wie dieser Schandflecken des menschlichen Geschlechtes die genaueste Freundschaft mit dem türkischen Monarchen aufrichtet, und gegen jährliche Erlegung von vierzig tausend Gulden den Bruder des Bajazeth, Zizimum oder Zemes, der seine Zuflucht zu den Christen genommen hatte, in beständigem Gefängnisse zu halten verspricht. Dieser Brief ist im Jahre 1493 ausgefertiget, und setzt Bajazeth unter andern, er habe des Pabstes Schreiben erhalten, worinnen dieser sich folgender Worte gebrauchet: Quoniam cum Prædecessore meo Papa erat vobiscum amitia, amor & concordia, erit & inter nos amor & concordia, ut custodiam bene fratrem tuum, nec eum tradam. – – – Et ut detis mihi singulis annis quadraginta millia florenorum etc. Dieses gethanen Versprechens ungeachtet, übergab der Pabst den gedachten unglücklichen und zur christlichen Religion übergetretenen türkischen Prinzen im Jahre 1495 dem Könige in Frankreich Karln dem achten, als dieser Alexandern dem sechsten zwanzig tausend Ducaten dafür both, und Zizimum nach sechs Monaten wieder zu überliefern verhieß5. Vermuthlich gedachte Karl der achte sich seiner gegen den Bajazeth zu bedienen: es starb aber Zizimus gleich darauf unterwegens, und zwar, wie viele dafür halten, am Gifte, welchen ihm der Pabst auf Bajazeths Verlangen beybringen lassen.

In einem Vorhofe der Bibliothek sind die Portraite vieler berühmten Maler aufgehängt. Rand rechts: Portraite und Statuen. Man findet daselbst auch acht Statuen aus weißer terra cotta, oder gebranntem Thone, welche die Theologiam, Philosophiam, Mathematicam, Astrologiam, Grammaticam, Rhetoricam, Artem metricam und Jurisprudentiam vorstellen. Nahe an dieser Galerie sind etliche Säle mit gemalten Bildnissen gelehrter Leute bekleidet, worunter auch die Venetianerinn Lucretia Cornara und Isabella de Rosales, welche letztere gegen der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts zu Neapolis mit großem Ruhme lebte, anzutreffen sind. Rand rechts: Portrait Lucretlæ Cornaræ Unter dem Portraite der ersten liest man folgende Schrift:


Helena Lucretia Cornelia Piscopia

Veneta

Septilingue Oraculum

Philosophiæ laurea

Publico Academiæ Patavinæ plausu donata,

Virgo,

Nobilitate, Sanctimonia, Eruditione,

Ad pompam muliebris sexus

Ornatissima
[271]

Unter dem Bildnisse der letzten stehen die Worte: Rand links: Isabellæ de Rosales.


ISABELLA DE ROSALES

Ordoniorum Principum soboles,

Scientiarum excellentia in Hispaniis florens,

Romæ defensa Jo. Scoti Doctrina

Admirantibus optimatibus & Cardinalibus

Ipsoque Paulo III. Pontifice

Triumphantem in Viraginis ingenio

Tanti Doctoris subtilitatem,

Conversis ad sidem Hæreticis & Judæis

Studio, Pietate, Munificentia,

De Religione ac literis bene merita

Effloruit Neapoli MDXLIII.


Wenn die Mayländer die Portraite gelehrter Damen vermehren wollen, so haben sie nicht nöthig, solche außer ihren Ringmauern zu suchen, sondern können sie von dreyen noch lebenden Schwestern täglich nehmen lassen. Rand links: Von drey itzt lebenden gelehrten Schwestern. Die berühmteste derselben ist die Comtesse Donna Clelia Grillo-Borromea, welche Lateinisch, Französisch, Englisch, Deutsch, Spanisch, Arabisch und überhaupt sieben Sprachen redet. Anbey hat sie auf die Theologiam, Philosophiam experimentalem, Historiam naturalem, Geographiam, Mathematicam und sowohl alte als neue Historie vielen Fleiß gewendet, auch in ihrem Pallaste zu Mayland eine Academiam Philosophiæ experimentalis oder Physices und Matheseos aufgerichtet, deren Einrichtung jedoch noch nicht völlig zu Stande gekommen ist, obgleich der berühmte paduanische Professor Anton Valisulcri, welcher Präsident davon hat werden sollen6, die Gesetze und völlige Verfassung dieses Werkes schon lange aufgesetzet hat. Sie sollte den Namen führen von Academia Clelia Vigilantium, und in ihren Zusammenkünsten insbesondere sich der Materien, so die pure Theologie, Poesie und Beredsamkeit betreffen, enthalten. Don Giacinto Gimma, ein Doctor Juris und Advocatus extraordinarius zu Neapolis, hat diesem Frauenzimmer im Jahre 1723 seine Idea della Storia dell Italia Letterata dediciret. Ihre Schwester, die Prinzeßinn Donna Theresia Grillo-Pamfili, so in der Akademie der Arkadier den Namen von Irena Pamisia führet, hat den Ruhm, daß sie nicht nur viele dem weiblichen Geschlechte ungewöhnliche Wissenschaften besitzt, sondern auch sowohl in Prosa, als in der Poesie sich sehr gut ausdrücket. Die dritte Schwester, Comtesse Donna Genevra versteht die Philosophie und schreibt zierliches Latein7.

In dem obgedachten Collegio Ambrosiano ist auch eine Akademie der Maler angerichtet, und stehen darinnen währender Sommermonate oftmals nackende Mannspersonen zu Schau, damit sowohl Maler als Bildhauer sich in der Zeichnungskunst üben mögen. Rand links: Akademie der Maler.

In etlichen Nebenzimmern werden verschiedene Merkwürdigkeiten der Kunst und Natur aufgehoben, worunter auch das Gerippe einer ehemals sehr schönen Frau von Mayland zu rechnen ist, welche befohlen, sie in ihrer itzigen Gestalt aufzubehalten. Rand links: Raritätenkammer. Man liest unter diesem Skelet die Worte:


Ut ægrotantium saluti mortuorum inspectione viventes prospicere possint hunc σκελετον P.
[272]

Ferner findet man allhier eine Copey von der mediceischen Venus, dergleichen von des Buonaroti Pietà, so in der Kirche St. Petri zu Rom steht, wie auch von eben dieses Meisters großem Crucifixe, welches im Escurial zu sehen ist; die Copien des Trunco und Laocoontis vom Vatican, des Herculis Farnesii und anderer solcher Werke; das Brustbild einer schönen Weibsperson, welches ihr Mann, der ein Maler und Bildhauer gewesen, verfertiget hat; ein Kunststück von Drechslerarbeit, da dreyzehn Kugeln ineinander gefasset sind; ein versteinertes Menschenherz; des heiligen Caroli Borromäi Sessel; eine Puppe, so durch ein verborgenes Uhrwerk regieret wird, und mit allerley Geberden in dem Zimmer herum geht; und etliche große Zeichnungen, die der berühmte Maler Raphael d'Urbino zu seiner Schola Atheniensi, die im Vatican bewundert wird, auf Papier entworfen hat. Rand rechts: Zeichnungen vom Raphael. Diese Desseins werden viele tausend Thaler hoch geschätzet.

In einem andern Saale zeigen sich verschiedene Gemälde von Lovino, Dürer, Guidoreno, Luca Olanda, Giorgione da Castelfranco, Cavaliere del Cairo, Leonardo da Vinci und Andrea Mantegna, welcher letztere sich zuerst der Kunst in Kupfer zu stechen, welche zu seiner Zeit erfunden worden, bedienet hat. Er war gebohren im Jahre 1451, und starb im Jahre 1517, nachdem er sich zu Rom und Mantua durch seine Arbeit vielen Ruhm erworben. Seine vornehmste Wissenschaft bestund in Portraiten und historischen Vorstellungen.

Ferner zeiget man verschiedene treffliche auf Kupferplatten gemalte Stücke von dem niederländischen Maler Johann Breughel, welcher im Jahre 1625 gestorben ist. Insbesondere kann man sich kaum genug sehen an sechs kleinen Mignaturen auf Elfenbein, welche Bluhmenwerk abbilden, und dieses Meisters letzte Arbeit gewesen sind, weil er darüber blind worden.

Paulus Moriggio, der eine mayländische Historie geschrieben hat, ist im Jahre 1596, im zwey und siebenzigsten Jahre seines Alters von einem Mägdchen von achtzehn Jahren trefflich abgemalet und allhier zu sehen. Die Meisterinn des Stückes wird in der Unterschrift Fides gallicia, Virgo pudicissima genennet.

Außer den Gemälden ist allhier noch zu besehen ein großer Globus; zwey zusammengesetzte Stücke von florentinischem Marmor, welche eine Stadt und in deren Mitte einen hohen Thurm mit seiner Spitze vorstellen, und das Messer oder Stilet, womit der Herzog Galeacius Maria im Jahre 1477 in der Kirche St. Stephani erstochen worden, von welcher Begebenheit noch die Gewohnheit herrühret, daß an dem Tage, woran solche That verrichtet worden, der Generalgouverneur sich zu Hause hält, und sogar in keine Kirche geht. Rand rechts: Beobachtung des Tages St. Stephani.

Unter verschiedenen künstlichen Handschriften, die hier aufbehalten werden, befindet sich auch das letzte Abendmahl des Heilandes auf einem großen Octavblatte, so zart mit der Feder gezeichnet, das in den Gesichtern und Haaren der zu Tische sitzenden Personen, wie auch in der Decke der Tafel geschrieben und enthalten sind das Leiden Christi nach der Erzählung Johannis, das Vater unser, der Glaube, Confiteor, Beatus Vir, Laudate pueri, Magnificat, 15 Psalmi graduales, die sieben Buß- und noch etliche andere Psalmen. Rand rechts: Künstliche Handschriften.

Der ganzen Sammlung geben zwölf große Volumina Manuscripta des LeonardidaVINCI eine sonderbare Zierde, und bestehen solche aus mathematischen und andern Zeichnungen, woraus man genug sehen kann, wie erfahren dieser Meister in der Anatomie, Optique, Geometrie, Architecture, Sculpture undMechanique gewesen sey, und daß er in der Theorie dieser Wissenschaften wenige seines gleichen jemals gehabt habe. Rand rechts: Kostbare Manuscripte des Leonardi da Vinci. Absonderlich macht man viel Wesens aus seinem mechanischen Werke, welches drey hundert und neun und neunzig[273] Blätter und in allen tausend sieben hundert und funfzig Originaldesseins in sich begreift. Die dabey befindlichen Anmerkungen sind klein, und von der rechten gegen die linke Hand geschrieben, also daß man einen erhabenen Vergrößerungsspiegel (der auch stets bereit liegt) dazu brauchen muß, wenn man sie ohne Anstoß lesen will. Für diesen einzigen Band soll der König von England Jacob der erste, durch den Mylord Arundel, dem damaligen Besitzer, Galeacio Arconato drey tausend Pistolen gebothen, dieser letztere aber solches Werk lieber dem Ambrosiano Collegio geschenket haben, damit dieser Theil mit den übrigen Werken des Vinci, welche allhier schon waren, vereiniget würde. Das Andenken dieser Freygebigkeit hat man un der Wand mit folgender Inscription zu verewigen gesucht:


LEONARDI VINCII

Manu & ingenio celeberrimi

Lucubrationum Volumina XII.

Habes ô Civis.

Galeacius Arconatus

Inter optimates tuos

Bonarum artium cultor optimas

Repudiatis regio animo

Quos Angliæ Rex pro uno tantum offerebat

Aureis ter mille Hispanicis

Ne tibi tanti Viri deesset ornamentum

Bibliothecæ Ambrosianæ consecravit

Ne tanti Largitoris deesset memoria,

Quem Sanguis, quem mores

MAGNOFEDERICOFundatori

Adstringunt

Bibliothecæ Conservatores

Posuere

Anno MDCXXXVII.


Leonard Vinci hat seinen Zunamen vom Schlosse Vinci, welches unterhalb Florenz nicht weit vom Flusse Arno liegt und sein Geburtsort war. Er starb zu Fontainebleau im Jahre 1520 in einem Alter von fünf und siebenzig Jahren, und zwar in den Atmen des Königes Francisci des ersten, der ihn in seiner Krankheit besuchte. Das Werk, so er von der Malerey geschrieben hat, ist aus dem Italienischen ins Französische übersetzet und nebst seinem Leben im Jahre 1724 zu Paris in Duodez herausgegeben worden.

Außer den Werken des Vinci sind in der ambrosianischen Bibliothek noch etliche Bände voll Zeichnungen von andern Meistern, z. E. dem Raphael, Michel Angelo, Andrea del Sarto, Corregio, Parmesano und dergleichen Künstlern, nebst verschiedenen Büchern, die gemalte Vögel und Bluhmen in sich begreifen. Bey Gelegenheit der ambrosianischen Stiftung ist nicht mit Stillschweigen vorbey zu gehen, daß die Mathematici eine besondere Akademie, nicht weit von der Kirche di S. Antonio des Fuoco haben, in deren Hauptsaale die Bildnisse der itztlebenden Mitglieder, unter welchen auch der Gouverneur des Castels, Marchese Visconti ist, aufgehänget sind. Rand links: Mathematische Akademie.

Das Collegium Nobilium, über welches die Jesuiten die Aufsicht führen, wie auch das Seminarium, sind ansehnliche Gebäude, werden aber noch übertroffen von dem Collegio Helvetico, welches St. Carolus Borromäus für eine gewisse Anzahl Schweizer gestiftet[274] hat, mit dem Bedinge, daß sie der Theologie obliegen, und als Priester wieder herausgehen. Rand links: Verschiedene Collegia. Geschieht dieses nicht, so müssen sie alle an sie gewandte Unkosten erstatten, und zu mehrerer Sicherheit gleich Anfangs desfalls Bürgschaft stellen. Dieses Collegium hat ein schönes Frontispicium und zween große Höfe, welche mit hohen und doppelten Galerien umgeben sind. St. Carolus hat auch das vorher erwähnte Seminarium aufgerichtet.

Die Kirche St. Angelo ist mit guten Statuen an derFacciata und innenher mit guten Gemälden und vieler Marmorarbeit gezieret. Rand rechts: St. Angelo. Die Franciscanermönche, denen sie gehöret, werden wegen ihrer großen Schuhe oder Pantoffeln allhier insgemein Zoccolanti genennet, wiewohl sie lieber Minori oderServanti heißen wollen.

In der Kirche di S. Antonio del Fuoco bemerket man schöne Gemälde (worunter eines vom Annibal Caracci ist), viele auf florentinische Art eingelegte Arbeit von auserlesenem Marmor, Perlenmutter und kostbaren Steinen, welche Bluhmen und Vögel vorstellen, und über dieses an einem Altare verschiedene ausgesuchte Marmora Florentina, so Ueberreste von Mauerwerke abbilden, an Größe aber demjenigen, davon ich aus Geneve berichtet habe, nicht beykommen. Rand rechts: St. Antonio.

Vor dem Haupteingange der Kirche St. Celso stehen die zwo großen Statuen Adams und der Eva aus weißem Marmor, und wird insbesondere die letzte für ein Meisterstück gehalten. Rand rechts: St. Celso. Ferner sind an der Facciata (welche Bramantes Lazari angegeben hat) vier schöne Statuen der Evangelisten gleichfalls aus weißem Marmor zu sehen, nebst vielen Seulen, deren Gesimse und andere Zierrathen von Metalle sind. Unter den marmornen Pyramiden, so den obersten Theil dieses Frontispicii zieren, ist eine ganz krumm gebogen, und schreibt man solches der Wirkung des schlimmen Wetters zu. In der Kirche zeiget man verschiedene schöne Gemälde und das Grabmaal des berühmten Bildhauers Annibal Fontana, mit folgendem Epitaphio:


ANNIBALI FONTANAE, Mediolanensi, sculptori summo, qui vel marmora stupente natura in homines mutavit, vel hominum simulacra in marmoribus spirare jussit, fabricæ Templi hujus præfecti, quod ille sculptilibus signis mirabiliter ornavit B. M. posuerunt. Vixit ann. XLVII, obiit anno MDCXXXVII.


In der Kirche St. Dionysii außerhalb der Stadt liegt der berühmte Antonius de Leva mit einer Grabschrift begraben. Eine andere an der Kirche befindliche Inscription deutet an, wie Ludwig der zwölfte, König in Frankreich, allhier im Jahre 1510 den 29 Junii zu Pferde gestiegen, als er seinen Einzug in die Stadt Mayland gehalten.

In dem Kloster der Dominicanermönche ist über einer hohen Thüre des Refectorii das vom Leonard Vinci gemalte letzte Abendmahl Christi in Augen schein zu nehmen, ob es gleich durch die Länge der Zeit gar vieles von seiner Schönheit verlohren hat. Rand rechts: Gemälde im Dominicanerkloster. Wie Vinci aus Misvergnügen gegen den damaligen Prior des Klosters, welcher ihn mit vieler Ungeduld antrieb, das Werk zu vollenden, unter dieses Mannes Bildniß den Verräther Judas gemalet habe, kann man mit mehrerm beym VASARI in den Lebensbeschreibungen der Maler, Part. III, Vol. I, p. 6 lesen. Rand rechts: St. Eustorgio. Die den Dominicanern gehörige Kirche St. Eustorgio wird auch St. Philostorgio genannt, und sieht man darinnen das wohlausgearbeitete Grabmaal Petri Martyris, eines gelehrten Dominicanermönchs, um welches acht Statuen der Tugenden aus weißem Marmor stehen. Rand rechts: Grab Petri Martyris. An dem Sarge, worinnen seine Gebeine liegen, ist sein Lebenslauf in marmornen bas-reliefs ausgedrücket. Der Kopf ist in Krystall eingefasset, und wird in einer andern Kapelle dieser Kirche aufbehalten.[275]

Die Grabstelle Georgii Merulä, eines mayländischen Geschichtschreibers, zeigen folgende in einen schlechten Marmorstein gehauene Worte: Rand links: Grab Georg Merulä.


Vixi aliis inter spinas mundique procellas

Nunc hospes cœli MERULA vivo mihi.

Lancinus Curtius F. Amicus posuit.


Auf der andern Seite der Kirche zeiget man das Grab, aus welchem die ums Jahr 330 von St. Philostorgio aus Orient hieher gebrachte Leiber der drey Weisen aus Morgenlande im Jahre 1163 durch einen Erzbischof von Cölln sollen entwendet worden seyn. Rand links: der h. drey Könige. St. Philostorgil Körper nimmt anitzo an ihrer Stelle den steinernen Sarg ein, sein Kopf aber wird in einem besondern kostbaren Tabernakel verwahret. In den finstern Zeiten des zehnten und der folgenden Jahrhunderte war die Verehrung der Heiligthümer so hoch gestiegen, daß man sich keine Schande, sondern vielmehr eine Ehre daraus machte, wenn man einander um die Reliquien betrügen konnte, und erzählet der Auctor Historiæ Translationis S. Epiphanii c. I, §. 3. 4. p. 378. Tom. II, Actor. SS. Mensis Januar. ad d. XXI. weitläuftig, wie der hildesheimische Bischof Othwin denen von Pavia den Leichnam des heil. Epiphanii weggestohlen habe. Rand links: Diebstal an Reliquien. Ein anderes Exempel von dergleichen Diebstahl findet man schon beymHIERONYMOin vitaHilarionisT. I, p. 252.

In einer Sacristey der Kirche St. Eustorgii zeiget man eine goldene Münze, welche unter andern Geschenken dem Heilande von den obgedachten Weisen soll dargebracht worden seyn. Rand links: Münze der Weisen aus Morgenland. Ich habe solche nicht gesehen, weil die Mönche sie nur mit der Bedingung weisen wollten, daß man sie mit einem Kusse verehren sollte; ich habe aber von einem andern, der dieses Alterthum in Augenschein genommen, erfahren, daß es ganz unkenntlich und am Gepräge fast nichts mehr zu unterscheiden sey. Rand links: Anzahl der Weisen. Die drey Leichname der Weisen sollen von der Kaiserinn Helena zuerst nach Persien gebracht, von dannen aber nach Mayland gekommen seyn. In ihrer Zahl ist das Alterthum gar ungewiß. Etliche behaupten, es seyn derselben zwölfe gewesen, andere reden von vierzehn, und Epiphanius von funfzehn. Aus den dreyerley Geschenken von Gold, Weihrauch und Myrrhen kann man nicht auf ihre gedritte Zahl schließen, weil sie sich nach den Dingen gerichtet, welche in ihrem Lande vor andern gefunden und auch von der einzelnen Königinn aus Saba dem Salomon überliefert worden. Die neuern päbstlichen Scribenten Pineda, Baronius und andere bleiben bey der Zahl von dreyen, und folgen darinnen dem Pabste Leo dem großen. Venerabilis Beda ist der erste, welcher die Namen Caspar, Melchior und Balthasar aufgebracht hat. Viele aberglaubische Leute bilden sich ein, es sey nichts besser wider die hinfallende Sucht, als wenn man folgende Verse auf einen Zettel schreibe und bey sich trage:


Caspar fert myrrham, thus Melchior, Balthasar aurum

Hæc tria qui secum portabit nomina Regum.


Der Verstand solcher Worte muß dadurch ergänzet werden, daß nämlich derjenige, so diese drey Namen bey sich trägt, bewährte Hülfe wider seine Krankheit erlange8

Ferner verdienet die Kirche St. Francesco und insbesondere vor dem Hauptaltare der bethlehemitische Kindermord à fresco, wie auch die Speisung der fünf tausend Mann besehen zu werden. Rand links: Kirche St. Francesco. Viele reiche Familien bemühen sich um die Wette, die Kapellen dieser neuen Kirche in den möglichsten Pracht zu setzen, weil sie ihnen zu Erbbegräbnissen dienen.[276]

Von diesem Eifer ziehen die Geistlichen doppelten Vortheil, weil sie nicht nur vieles Geld für solche Plätze bekommen, sondern auch, ohne daß es ihnen etwas kostet, die Schönheiten ihrer Kirchen täglich vermehren.

Die Kirche del Giesu gehörte ehedem den Humillatis, man gab ihnen aber fast eben so viele lüderliche Dinge als den Tempelherren schuld; deswegen rottete sie St. Borromäus allhier aus und gab die Kirche den Jesuiten. Rand rechts: del Giesü. Orden der Humiliatorum. Ein Altar von rothem veronischen Marmor mit vielen von kostbaren Steinen eingelegten Bluhmenkränzen giebt ihr eine ansehnliche Zierde. In dem zur Kirche gehörigen Collegio sind beständig siebenzig bis achtzig Jesuiten, und stehen itzt mit jungen und alten in allen siebenzehn hundert Studenten unter ihrer Aufsicht. Rand rechts: Jesuitercollegium. Dieses Collegium ist, wie viele andere kostbare Werke (welche man nicht ohne Verwunderung ansieht) vom Carolo Borromäo gestiftet und mit einer ansehnlichen Bibliothek versehen. Das Refectorium oder der Eßsaal ist schön, und findet man vor dem Eingange desselben auf jeder Seite ein wohlgearbeitetes Werk von schwarzem und rothem Marmor mit raetallenen Hähnen zur Bequemlichkeit derjenigen, die sich waschen wollen. Dergleichen Anstalt trifft man auch in vielen andern Klöstern an. Nahe bey der Kirche bauen die Jesuiten ein prächtiges Gymnasium, welches hohe und doppelt übereinander stehende Galerien von Marmorseulen haben wird.

Die Kirche di S. Girolamo ist neu und schön, amPlafond allenthalben à fresco gemalt, und auch sonst mit verschiedenen guten Gemälden versehen. Rand rechts: St. Girolamo. In einem Gewölbe, worein man fast nicht anders als kriechend kommen kann, ist das Grab Christi, wie es noch heut zu Tage bey Jerusalem seyn soll, vorgestellet. Rand rechts: Grab Christi. Die äußerste Thür, wodurch man in ein Vorgewölbe dieses Grabes geht, zeiget mit ihrer Höhe die wahre Länge an, welche der Heiland in den Tagen seines Fleisches, laut der dabey befindlichen Inscription, gehabt hat. Was dabey vorgegeben wird, als sey solches Maaß der Länge keinem einzigen Sterblichen gerecht, wird leicht aus der Erfahrung an vielen tausend Menschen, wenn sie nur ein wenig über die mittelmäßige Statur sind, widerleget werden können.

Die Kirche del Giardino ist wegen des mittlern Gewölbes merkwürdig, als welches zwey und funfzig gemeine Schritte in der Breite hat. Rand rechts: Kirche del Giardino. Gewölbe. Es kömmt solches aber an der Höhe dem Gewölbe in der Jesuiterkirche zu München bey weitem nicht gleich.

In der Kirche di S. Giovanni ist im Winter der größte Zulauf, weil sie das Recht hat, daß bis drey Uhr Nachmittags Messen darinnen gelesen werden dürfen, welches denen Damen, die spät aus den Betten kommen, sehr bequem fällt. Rand rechts: St. Giovanni.

In S. Giovanni in Conca, so den Karmeliten gehört, findet man folgende Grabschrift in schwarzem Marmor: Rand rechts: Grab Vincentii Serenii.


VINCENTIO SERENIO MEDIOLANENSI

Nobili Statuario atque egregio Architecto,

Templi maximi ædificationi præfecto,

Qui cum suam in publicis privatisque ædificiis architectaudis

Domi forisque probasset industriam,

In tota Gallia Cisalpina

Communi Architectorum consensu primas

consecutus est,

Romam ad fabricationem Basilicæ S. Petri prosequendam expeditus est,

Amplissimis præmiis invitatus,

Caritate Patriæ retentus

In exstruendo Jurisconsul. Collegio a se pulcherrime descripto[277]

Civibus suis, quam commodis, servire maluit.

Denique cum in bene merendo de Architectura deque Patria consenuisset,

Clarus benefactis & carus omnibus

Excessit e vita Prid. Idus Januar. Ann. Salut. MDXCIV.

Ætatis suæ LXXXV.

Vitruvius filius Architectus

Patris opt. M. posuit Ann. MDXCIX.


Linker Hand bey dem Eingange der Kirche ist Barnabas, Vice-Comes zu Mayland, welcher im Jahre 1385 gestorben, aus weißem Marmor zu Pferde zu sehen. Rand links: Statue Barnabæ Vice-Comicis. Ehemals stund er vor dem Chore und hatte das Gesicht gegen diejenigen, so in die Kirche traten, gerichtet; weil man aber endlich für unanständig hielt, daß er und sein Pferd dem Hauptaltare die posteriora zukehrten, so hat man die ganze Statue auf die Seite gebracht.

S. Giovanni di Casarotti ist eine zwar kleine aber sehr schöne und mit vielem Marmor gezierte Kapelle oder Kirche, welche der Confraternità de Cavalieri gehöret, und zur linken Hand einen Gang und Gewölbe hat, worinnen die Missethäter, so durch die Hände der Gerechtigkeit ihr Leben eingebüßet haben, begraben werden. Rand links: S. Giovanni di Casarotti. Sonderbare Confraternità Die Mitglieder der besagten geistlichen Gesellschaft tragen ein kleines Kreuz auf dem Mantel über der rechten Schulter. Es werden in Mayland nur Leute von den ältesten Familien darein aufgenommen, weil die Sache auf eine geistliche Demuth abgesehen ist. Des itzigen Generalgouverneurs einziger Sohn, Graf Ferdinand von Daun, kaiserlicher Kammerherr, ist wirklich ein Glied davon. Eines der vornehmsten ihrer guten Werke und Anstalten ist, daß, wenn ein Missethäter hingerichtet und z. E. gehenkt wird, etliche Glieder der Brüderschaft die Nacht vor seinem Ende ihn besuchen und zum Tode zu bereiten trachten, bey der Vollstreckung des Urtheils aber selbst einer der vornehmsten mit auf den Galgen steige, dem rückwärts hinauf steigenden armen Sünder das Crucifix vorhalte, und ihm endlich den Segen gebe, indessen daß die Kapuzinermönche, welche gewöhnlicher Weise allhier den Missethäter zum Tode begleiten, unten stehen bleiben. Bey solcher Gelegenheit werden zwo Leitern an dem Galgen gelegt; eine für den Henker und den armen Sünder, die andere aber für den Cavalier. Dieser hat eine Maske vor dem Gesichte, um unerkannt zu bleiben, und wenn der Gehenkte verschieden, schneidet er den Strick ab. Andere von der Brüderschaft helfen hiebey, nehmen den todten Körper und bringen ihn nach obgedachter Kapelle, um daselbst begraben zu werden. Die Stricke und Handschuhe, welche von den Cavalieren bey dieser Handlung gebrauchet worden, werden mit ins Grab geschmissen, und niemand hält dafür, daß das vorhergegangene ihrem Stande oder Adel einigen Nachtheil bringe. Es werden übrigens in Mayland wenige Leute mit Todesstrafen, bey welchen die Confraternità de Cavalieri ihre Pflichten beobachten könnte, beleget. Die Soldaten stehen nicht unter den Gerichten der Stadtobrigkeit, sondern werden nach ihren Kriegesrechten bestraft; außer diesem aber ist auch das Land so fruchtbar, und das Landvolk hat ein so reiches Auskommen, daß sich jedermann, sollte es auch nur mit Betteln seyn, leicht fortbringen kann, und niemand nöthig hat, auf verzweifelte Anschläge zu fallen. Die Freystäte oder Asyla der Kirchen und Klöster machen gleichfalls, daß manche Bösewichte der gerechten Strafe der Gesetze entgehen. Kömmt es aber dazu, daß nach der Schärfe verfahren wird, so sind besondere Plätze zu verschiedenen Todesstrafen angewiesen. Die von Adel, so das Leben verwirket haben, werden in der Mitte der breiten Straße vor der Porta Tosa geköpft, und die Sodomiter auf dem Platze bey der Kirche St. Stephani verbrannt etc.[278]

Ich füge hier noch bey folgende nicht übel gerathene Inscription, welche man über der Thüre des Stadtgefängnisses liest: Rand rechts: Inscription eines Gefängnisses


Philippo III. Hispaniarum Rege potentiss,

Fidei Catholicæ defensore imperante,

Petrus Enriquez Alzevedius Fontium Comes,

Externi belli victor & domestici exstinctor invictus

Dextera amabilis, sinistra formidabilis

Bene agentibus distributis præmiis

Improbis vero suppliciis

Carcerum fores Reglæ Curiæ objecit,

Ut Principis advigilantis oculus

Fidissima sit justitiæ custodia

MDCV.


Nahe vor der Porta Orientale liegt das große Lazareth, welches dem Spedale Maggiore gehört, und an etliche geringe Leute, so die Nutzung vom Gartenwerke und Weinwachse ziehen, verpachtet ist. Rand rechts: Lazareth. Außer diesen ist auf nichts darinnen Obacht zu halten, indem dessen dreyhundert und sechszig Kammern, welche im Vierecke gebauet sind, ganz ledig und offen stehen. Alles ist von Steinen, und hat jede Zelle ein Fenster gegen das Feld und eines gegen den in der Mitte des Lazareths gelegenen Garten; es ist auch in jeder Kammer ein besonderer Schornstein, wie auch ein heimliches Gemach. Längs diesen Zellen ist eine Galerie, so auf marmornen Seulen ruhet, angelegt. Zur Pestzeit, da man die Ausländer an den Gränzen abweist, werden die angesteckten Unterthanen aus dem Lande hieher gebracht, und alsdann die gedachten Galerien mit Palissaden besetzt, damit kein Kranker in den Garten laufen könne. Hingegen werden in dem Garten alle Bäume umgehauen, und weil die Thüren von allen Zellen auf solche Art angeleget sind, daß die Kranken aus ihren Betten nach dem Mittelpuncte des Gartens, in welchem eine offene nur auf Seulen ruhende achteckichte Kapelle steht, sehen können: so haben sie die Bequemlichkeit, daß sie täglich bey Haltung der Messe ihre Andacht und die Anbethung der Hostie aus dem Bette verrichten können. Jede Seite des Lazareths ist von sechshundert gemeinen Schritten, woraus man von der Größe des Platzes, welchen es einnimmt, urtheilen kann. Ein schneller Bach geht unter dem ganzen Vierecke herum, um alle Unreinigkeit abzuführen. In der Galerie, welche dem Eingange gegenüber ist, findet sich an einer marmornen Seule ein Loch, so eine offene Pestbeule im dicken Fleische vorstellet. Rand rechts: Pestbeule in einer marmornen Seule. Solche scheint innenher frisch und blutig, außenher aber gelb und eiterig zu seyn. St. Carolus Borromäus soll einsmals die Pest in diese Seule verbannet, und dadurch Gelegenheit zu besagtem Loche gegeben haben. Es giebt aber auch eine Art von carrarischem Marmor, welchem man durch leichte Mühe und Kunst dergleichen Ansehen geben kann. An dieser Muthmaßung wird niemand, der die vielen Seulen des Jesuitercollegii zu Genua in Augenschein genommen, zu zweifeln Ursache haben. Es mag aber das Zeichen der Pest in die Seule des mayländischen Lazareths gekommen seyn, wie es wolle: so drückt solches doch dasjenige, was es bedeuten soll, sehr wohl aus, und ist zu glauben, daß ein natürliches Pestgeschwür nicht anders aussehen könne.

In den protestantischen Ländern findet man, was die Hospitäler und Lazarethe anlanget, bey weitem solche Anstalten nicht, als die römischkatholischen Staaten aufzuweisen haben; Rand rechts: Vergleichung dieses Lazareths mit dem leidischen. es fehlet jenen aber auch an solchen Glaubenslehren, welche die Layen zum reichen Beytrage, wenn dergleichen Werke unternommen werden, nicht nur aufmuntern, sondern auch zwingen,[279] und worunter die Furcht vor dem Fegfeuer eine der vornehmsten ist. Indessen unterhält man dennoch auch zu Leiden ein Pesthaus, worinnen stets zweyhundert und funfzig gemachte Betten bereit stehen, und allenfalls neunhundert Kranke aufgenommen werden können. Die Reinlichkeit, so man in diesem Gebäude beobachtet, kann nicht größer seyn: es misfällt mir aber dieses, daß nicht jeder Kranke seine besondere Kammer hat, sondern zwanzig und mehrere Kranke beysammen in einem Saale liegen müssen; welches in dergleichen ansteckendem Uebel keine andere als schlimme Wirkung thun kann. Leiden ist durch Gottes Gnade seit dem 1667sten, und Mayland seit dem 1630sten Jahre von dieser schweren Landstrafe verschonet geblieben; es ist auch zu hoffen, daß die Pest in Europa inskünftige nicht mehr so sehr, wie in alten Zeiten, um sich greifen werde, nachdem man mit mehrerm Eifer auf alle Vorsorge bedacht ist, und die Leute in Essen und Trinken sich ein mehrers zu gute thun, sich reinlicher in Kleidung und weißem Zeuge halten, weitläuftiger wohnen, und die neuen Gebäude wie auch Straßen also angeleget werden, daß die Luft freyer durchstreichen kann.

Als die Pest das letzte mal in Mayland regierte, sollen etliche Bösewichte so weit gegangen seyn, daß sie durch giftige Salben, welche sie hin und wieder in der Stadt anschmiereten und ausstreueten, das Uebel vermehret haben. Rand links: Columna infamis. Nachdem aber die schändliche That an das Tageslicht gekommen, wurden zween Rädelsführer, Joh. Jac. Mora, ein Barbier, und Wilh. Platea, ein Gesundheitscommissarius, mit glüenden Zangen gezwicket, hernach da jedem die rechte Hand abgehauen worden, gerädert, aufs Rad geflochten, nach sechs Stunden erdrosselt, verbrennt und ihre Asche in den Fluß geworfen. Morä Haus wurde über dieses dem Erdboden gleich gemacht, und auf dem Platze eine Seule aufgerichtet, worandie Worte stehen:


COLUMNA INFAMIS.


An der einen Seite des Fußgesimses liest man:


Hic ubi hæc area patens est

Surgebat olim tonstrina

Jo. Jacobi MORÆ

Qui facta cum Gulielmo Platea publ. Sanit. Commissaio

Et cum aliis conspiratione

Dum pestis atrox sæviret

Lethiferis unguentis huc & illuc aspersis

Plures ad diram mortem compulit

Hos igitur ambos hostes patriæ judicatos

Excelso in plaustro

Candenti prius vellicatos forcipe

Et dextera mulctatos manu

Rota infringi

Rotæque intextos post horas sex jugulari,

Comburi deinde

Ac ne quid tam scelestorum hominum reliqui fit,[280]

Publicatis bonis

Cineres in flumen projici

Senatus jussit.

Cujus rei memoria æterna ut sit

Hanc Domum sceleris officinam

Solo æquari

Ac nunquam in posterum refici,

Et erigi Columnam,

Quæ vocatur Infamis

Idem Ordo mandavit.

Procul hinc, procul ergo

Boni Cives

Ne vos infelix, infame solum,

commacuict

M. DC. XXX. Kal. Augusti

Præside publ. fanitatis M. Antonio Montio Senatore

R. Justitiæ Cap. Jo. Baptista Vicecomite9.


Vor der Kirche S. Lorenzo findet man in demCurso della Porta Ticinesa sechszehn gestreifte korinthische Seulen von weißem Marmor, welche der Kaiser Fridericus Barbarossa, als er die Stadt Mayland zerstörete, hat stehen lassen, und etliche für einen Theil eines bedeckten Ganges nach den Bädern, die Maximianus angeleget hatte, ansehen. Rand rechts: Seulen aus dem Alterthüme. An der Seite gegen die Stadt findet sich folgende Schrift:


Imp. Cæsari

L. Aurelio Vero

Med. Parthico

Max. Trib. Pot. VII.

Imp. IIII. Cos. III. P. P.

Divi Antonini Fil.

Divi Hadriani Nepoti

Divi Trajani Parthici Pronepoti

Divi Nervæ Abnepoti

Dec. Dec.


In der Kirche der Madonna della Gratia sind das Chor, die eingelegte Marmorarbeit am Hauptaltare und etliche gute Gemälde zu bemerken. Rand rechts: Madonna della Gratia. Unter den letzten ist das Ecce Homo, oder die Darstellung des angeklagten Heilandes, welche Titiano Vecelli da Cador verfertiget hat, das vornehmste Stück; und hat davon Luigi Scaramuccii einen Kupferstich in foglio Imperiale herausgegeben. Nächst solchem Gemälde wird Pauli Bildniß, welches Gaudentio im Jahre 1543 gemalet hat, hochgeachtet und zweytausend Filippi werth geschätzt.[281] Paulus scheint in selbigem ein gedrucktes Buch in der Hand zu halten und daraus zu lesen. In dem Kloster, welches zu dieser Kirche gehöret, sind mehr als achtzig Dominicanermönche. Vor ihrem Eßsaale stehen die Worte:


Nomine Quintus adest, nulli pietate secundus,

Maximus Imperio, Relligione Pius.


In dem Speisesaale sieht man verschiedene gute Portraite der alten mayländischen Herzoge und Herzoginnen. Rand links: Schöne Gemälde. Unter andern findet sich auf einem großen Gemälde von der Kreuzigung Christi unter den Zuschauern an der einen Seite der schwarzbraune Ludovicus Morus, und an der andern seine Gemahlinn Beatrix in andächtiger Stellung. Beyde sind auch über der Kirchthüre zu sehen, und Beatrix ist in der Kirche begraben. Das besonderste im obgedachten Speisesaale ist das letzte Abendmahl Christi, von dem geschickten Pinsel des Leonard Vinci. Rand links: Kunst die Farben im Steine zu erneuern. Als die Farben daran fast gänzlich vergangen und verdorben waren, hat (wie man vorgiebt) vor einiger Zeit ein Maler, Belloti genannt, das Geheimniß erfunden, die Farben, so in den Stein oder Kalk eingedrungen waren, wieder in die Höhe und nach der äußern Fläche zu ziehen, wodurch dann dieses Stück vortrefflich hergestellet worden.

In itztgedachtem Kloster wird die Inquisition gehalten, welche insonderheit wider das Judenthum sehr scharf ist, und darf kein Jude in die Stadt kommen, wo er sich nicht vorher bey den Dominicanern und in diesem Kloster, so in der Vorstadt von der Porta Vercellina liegt, gemeldet hat. Rand links: Inquisition. Die mayländische Inquisition besteht außer der Geistlichkeit aus sechszig Edelleuten und hundert und funfzig reichen Kaufleuten. Derjenige, so das Unglück hat, in ihre Klauen zu gerathen, erfährt nicht, wer sein Ankläger sey, oder warum man ihn mit Gefängnisse beleget, sondern er muß sich selbst anklagen, wenn er nicht immer in beschwerlichen Löchern liegen und andere harte Dinge ausstehen will.

Vor drey Jahren wurde eine scharfe Strafe an einem Priester ausgeübet, welcher Messe gelesen, ehe er die Bulle seines Priesterthums erhalten hatte. Rand links: Exempel ihrer Schärfe. Es half ihm nicht, daß solche damals schon von Rom nach Mayland unter Wegs gewesen, und vermochten ihn auch seine Verwandte, die von nicht geringer Familie waren, keinesweges zu retten; sondern er mußte auf einem Gerüste, das vor der Kirche, worinnen er das Verbrechen begangen hatte, aufgerichtet war, aus einem Buche die Messe lesen, und sobald er mit einem Blatte fertig war, wurde solches aus dem Buche heraus und in Stücke zerrissen. Ferner riß man ihm seine geistliche Kleidung Stück vor Stück ab, und übergab ihn der weltlichen Obrigkeit, welche die drey ersten Finger seiner beyden Hände, womit er bey der Segnung der Messe die Hostie in die Höhe gehoben hatte, verbrennen, ihn selbst aber hernach aufhängen ließ. Die Ursache solcher Schärfe ist leicht zu errathen, wenn man betrachtet, was für ein herrliches Werk ihr Priesterthum sey, und wie viel dem Pabste daran gelegen, daß nicht jeder gleichsam mit ungewaschenen Händen sich in dasselbe mische. Rand links: Hohe Würde des Priesterthums NachHOSTIENSIS Ausspruche ist die priesterliche Würde siebentausend sechshundert und vier und vierzig mal vornehmer als die königliche, weil die Sonne so vielmal größer als der Mond ist10. Das Jus Canonicum hält die königliche Gewalt in Ansehung der bischöflichen viel geringer als das Bley gegen Gold11; und der Dominicanermönch ALANVSdeRUPE12 geht so weit, daß er die Gewalt eines Priesters über die Kraft des höchsten Gottes erhebet, weil dieser sieben Tage[282] mit der Schöpfung und Eintheilung der Welt zugebracht habe, da hingegen jeder Priester, so oft er Messe liest, nicht ein pures Geschöpf, sondern das höchste unerschaffene Wesen selbst, den Ursprung aller andern Dinge, nur mit einem einzigen Worte hervorbringe und mache. LE GENDRE meldet in seiner französischen Historie, wie Ludwig der eilfte gewünscht, so glücklich gewesen zu seyn, wie Maria, welche den Heiland im Mutterleibe getragen habe; da dann die Pfaffen den König beredet, der priesterliche Stand sey noch herrlicher, weil man darinnen täglich und so oft man wolle, Christum in der Hand haben könne.

Nahe bey der Dominicanerkirche, welche den Namen von S. Maria della Rosa führet, liest man über der Thüre einer Schule: Rand rechts: S. Maria della Rosa.


Pauperibus pueris primam capientibus artem

En pateo, argentum nolo, sed ingenium.

Administratores Quatuor Mariarum ex testamento Thomæ de Grassis


In dem Vorhofe der Kirche St. Martha ist die marmorne Statue des jungen Kriegshelden Gaston de Foix, welcher nach befochtenem Siege bey Ravenna im Jahre 1512 das Leben lassen mußte, zu sehen. Rand rechts: St. Martha. Grab des Gaston de Foix. Sein Körper wurde anfänglich von den Franzosen mit großem Gepränge unter ein prächtiges Trauergerüste in der Domkirche zu Mayland gebracht, bald darauf aber, als die Franzosen Mayland räumen mußten, ließ ihn der Kardinal von Sion, als einen im Kirchenbanne gestorbenen, heimlich bey den Nonnen von St. Martha begraben. Drey Jahre hernach war das Glück den französischen Waffen so günstig, daß sie abermals in Mayland triumphirten, und da wurde das Andenken des Gastonis mit einem kostbaren Grabmaale in der Kirche der besagten Nonnen beehret; welches jedoch auch wieder weggenommen worden, als einige Veränderungen an dem Baue der Kirche gemacht werden mußten. Die Statue, so auf dem Grabe gestanden und überaus wohl gerathen ist, hat man beybehalten und an die Mauer des obgedachten Platzes gesetzet. Unter derselben liest man folgende in schwarzen Marmor mit verguldeten Buchstaben eingehauene


Simulacrum Gastonis Foxii,

Gallicarum copiarum Ductoris,

Qui in Ravennat. prœlio cecidit anno MDXII.

Cum in æde S. Marthæ restituenda

Ejus tumulus dirutus sit

Hujusce cœnobii Virgines

Ad tanti Ducis immortalitatem

Hoc in loco collocandum curavere

Anno MDCLXXXIV.


In einem gewölbten Platze vor der Kirche di S. Nazaro sieht man oben herum acht steinerne Särge stehen, welche einem Theile der Familie von Trivulce zur Ruhestäte gedienet haben. Rand rechts: Begräbnisse der Trivultiorum. In dem mittelsten liegt nach Anleitung einer beygefügten Inscription:


Johannes Jacobus Magnus Trivultius,

Antonii Filius,

Qui nunquam quievit, quiescit. Tace.


S. Paolo, so den Bernhardinernonnen gehöret, hat ein schönes Frontispicium an welchem eine Statue der Madonna di Loreto, insonderheit aber die erste Gelegenheit zu Pauli Bekehrung durch das Gesicht, welches er auf dem Wege nach Damasko gehabt, zu bemerken ist. Rand rechts: St. Paolo. Diese Begebenheit wird durch ein bas-relief aus einem einzigen Stücke von weissem[283] Rand links: Fehler an der Vorstellung der Bekehrung St. Pauli. Marmor vorgestellet, und hat der Bildhauer die Gewalt, welche sich das Pferd, um sich wieder aufzurichten, anthut, überaus wohl auszudrücken gewußt. Ich begreife aber überhaupt nicht, woher es komme, daß fast alle dergleichen Gemälde den Paulum zu Pferde abbilden13. Das Wort πορεύεδαγ bringt solches nicht mit sich, sondern wird überhaupt von einer jeden Reise gesagt, auch vom Herrn Christo gebrauchet, wenn er seine Jünger ausschicket, um das Evangelium zu predigen, welches selten mit Reisen in Wagen oder zu Pferde geschehen seyn wird. Lucas schreibt Apostg. 9, es sey Paulus, als ihn das Licht vom Himmel umleuchtet, vor Schrecken auf die Erde gefallen; von einem Pferde aber, welches ihn bey diesen Umständen abgeworfen haben sollte, wird nicht das geringste erwähnet, sondern vielmehr auch von den Reisegefährten ausdrücklich gedacht, daß sie gestanden und erstarret. Hiezu kömmt, daß sie Paulum, nachdem er sich ein wenig wieder erholet hatte, bey der Hand genommen und nach Damasko geleitet, welches nicht geschehen seyn würde, wenn ein Pferd, worauf man ihn hätte setzen können, vorhanden gewesen wäre. In der Kirche St. Pauli ist dieses Apostels Lebensgeschichte in vielen schönen Gemälden von den vier Brüdern Campi aus Verona vorgestellet. Rand links: Gemälde. Unter den übrigen Gemälden ist die Enthauptung Johannis des Täufers, die Austheilung des heil. Abendmahls, und wie der Heiland Petro die Gewalt der Schlüssel und das Amt die Heerde Christi zu weiden, ertheilet, besonders in Obacht zu nehmen.

Die Kirche della Passione verdienet mit unter die schönsten geistlichen Gebäude dcr Stadt gerechnet zu werden, und pranget insbesondere ihre Facciata mit trefflichen Statuen und anderer Bildhauerarbeit. Rand links: Kirche della Passione. Sie gehöret ben Canonicis Regularibus, welche Lateranenses genennet werden und einen sehr ansehnlichen Pallast dabey haben. In ihrem Eßsaale ist das letzte Abendmahl Christi vortrefflich gemalet. Zum Meister dieses Stückes geben etliche Christophorum Cibo, andere aberGaudentium an. Rand links: Gemälde. Der zum Pallaste gehörige Garten ist groß, und haben sie darinnen außer den schönen gewölbten und mit Weinreben bedeckten Gängen auch eine artige Galerie angeleget, welche auf beyden Seiten mit Statuen aus weißem und schwarzem Marmor besetzet ist. Rand links: Garten. Zu Ende derselben sind die imadriatischen Meere gelegenen und hiesiger Congregation unterwürfigen Isole de Tremidi gemalet.

Lo Spedale Maggiore ist ein vortreffliches Gebäude, welches seine erste Stiftung dem Herzoge Francisco Sfortia zu danken hat. Rand links: Das große Hospital. Der große mittlere Hof, so auf jeder Seite einen bedeckten Gang von zwanzig Bogen von gemeinen marmornen Seulen ins Gevierte hat, ist ein ewiges Andenken der Freygebigkeit eines mayländischen Kaufmanns Peter Carcano, (dessen auch bey den Nachrichten von der Domkirche schon gedacht worden ist) welcher im Jahre 1624 auf zwanzig Jahre lang, jährlich sechs und dreyßig tausend Speciesthaler zu diesem Werke vermacht hat. Jede Seite des itztgedachten viereckichten Platzes hält zweyhundert und funfzig Fuß in der Länge, und stehen die Galerien dreyfach übereinander.

Außer dem großen Hofe sind noch acht andere kleinere, und in allen vier und zwanzig Säle für Kranke und Verwundete, welche nach den verschiedenen Theilen des Leibes, an welchen sie leiden, eingetheilet sind. Ein Saal ist für schwindsüchtige; ein anderer für diejenigen, so hitzige Fieber haben; noch einer für die, so an Blattern danieder liegen; ein anderer für die am Kopfe verwundete etc. und noch einer für lauter venerische Patienten.[284]

An kalten Fiebern lagen itziger Zeit über vierhundert Kranke danieder, und nahmen diest eine sehr lange und ins Kreuz gebauete Galerie ein, in deren Mitte ein Altar steht, nach welchen alle Patienten sehen können. Die nächsten Betten um diesen Altar sind mit Vorhängen versehen, die übrigen aber nicht. Obgleich dieser große Saal vor andern sehr hoch ist, und man eine freye durchstreichende Luft beyzubehalten suchet: so kann es doch wegen der Menge nicht anders seyn, als daß er unangenehm riecht. Der Prospect von etlichen hundert Fieberpatienten, der allenthalben ekelhaft seyn muß, wird es noch mehr durch die schwarzen Haare der Italiener, welche einem schwarzgelben Gesichte eine schlechte Zierde geben.

Bey der Annehmung der ausgesetzten Kinder, der Kranken und Verwundeten, machet man keinen Unterschied der Nationen oder der Religion. Rand rechts: Löbliche Einrichtung wegen der Protestanten. Die Protestanten liegen in eben denselben Sälen, wo die andern sind, allein in den äußersten Enden derselben, und kann ein Vorhang zwischen ihnen und den übrigen zugezogen werden, wenn das Venerabile vorbeygetragen wird. Auf solche Art nehmen die Römischkatholischen kein Aergerniß an der unterlassenen Anbethung der Hostie, und dem Gewissen der andern wird kein Zwang angethan. Diese Aufführung verdienet ihr Lob: und nöthiget man allhier auch in den Kirchen oder auf den Straßen, wenn das Venerabile einem entgegen kömmt, niemanden zum Niederknieen.

Die Verwundeten werden durch ein besonderes Thor, welches auch die Nacht über offen steht, ins Spital gebracht. Rand rechts: Gute Aufsicht über diese Anstalten. Die andern Kranken werden nur bey Tage an genommen.

Neunzehn der vornehmsten Edelleute haben beständige Aufsicht über diese Anstalten, und täglich muß einer von denselben gegenwärtig seyn, um zu untersuchen, ob alles in gehöriger Ordnung zugehe. Dieses Amt wechselt nach der Reihe ab, und besteht darinnen, daß ein solcher Aufseher des Morgens durch alle Säle geht und die Kranken fraget: ob ihnen am Essen und Trinken, oder an der Aufwartung etwas abgehe? Wo die Bedienten des Spitals in dergleichen Dingen das geringste mit Rechtezur Klage kommen lassen, werden sie abgeschafft. Er erkundiget sich ferner, ob etwas zu ändern sey, und was für Verwundete in der vergangenen Nacht angekommen, über deren Ankunft und Zustand auch alle Morgen ein Instrument durch einen Notarium aufgerichtet wird. Die Kapuzinermönche haben in geistlichen Sachen die Aufsicht über die Kranken und Sterbenden. Neun Medici besorgen und verschreiben die Arzeneyen, und gehen ihnen vier Chirurgi (welche letzte auch im Hospitale schlafen) an die Hand. Diese alle kommen täglich dreymal, um die Kranken zu besuchen und zu verbinden. Rand rechts: Apotheke. Die Apotheke nimmt einen großen Saal ein: und findet man des Nachmittags schon alle Arzeneyen, welche des folgenden Tages gebraucht werden sollen, verfertiget. Die Recepte werden in ordentliche und weitläuftige Tagebücher eingetragen. Damit auch bey einer so großen Menge von Arzeneyen keine Verwechselung oder Irrung vorgehen möge, so ist jede mit der Zahl des Bettes und mit dem Namen des Kranken bezeichnet. Das Laboratorium nimmt eine lange Galerie ein, in welcher man unterandern zween Distillirosen findet, deren jeder zu gleicher Zeit und mit unterschiedenen Graden; der Wärme achtzig Retorten treibet. Rand rechts: Laboratorium.

Die Pflaster werden in einem besondern Gewölbe gemacht und aufgestrichen. Rand rechts: Pflastergewölbe. Hiebey ist ein medicinischer Garten angeleget und wird wohl unterhalten.[285]

Ein schneller Canal fließt fast unter allen Gebäuden dieses Spitals, um den Unflat, der dahin zusammenläuft oder geworfen wird, abzuführen. Alle Handwerker, so zu den hiesigen Anstalten nöthig sind, wohnen in dem Bezirke des Spitals. Becker, Schlächter, Weber, Leute so nehen oder spinnen nebst vielen andern haben allhier ihre Arbeitshäuser, und kann dieses Werk als eine kleine Stadt oder Republik, welche mit Mayland gar keine Verbindung hat, angesehen werden. In den untern Gewölbern findet das Mastvieh, so in großer Menge geschlachtet wird, seine Ställe, und rechnet man, daß täglich fünf bis sechs Zentner Fleisch ohne die übrigen Eßwaaren verzehret werden. Allenthalben hat man auf Vortheile und Bequemlichkeit gesehen. Die kleinen Höfe haben Gelegenheit zu Eisgruben gegeben; das Wasser ist in die Küchen bis zu den großen eingemauerten Kesseln geleitet, in welche man vermittelst der Hähne an den kupfernen Röhren, so viel als man will, lassen kann. Der Keller ist hundert und funfzig Ellen, braccî, oder gemeine Schritte lang, und funfzehn Ellen breit. Die itztregierende Kaiserinn hat sich im Jahre 1713 die Mühe gegeben, das ganze Spital und sogar auch die Keller und Gewölber zu besehen, wie hievon ein marmornes und wohlgearbeitetes Denkmaal, welches nebst einer Inscription in der Sala de' Proveditori aufgerichtet ist, Zeugniß ableget.

Itziger Zeit waren über funfzehn hundert Kranke in dem Spitale, von welchen das weibliche Geschlecht in neun besondere Säle und Zimmer vertheilet war. Zur Wartung und Bedienung der sämmtlichen Patienten werden bey fünfhundert Personen erfodert. An einem andern Orte werden auf Unkosten des Hospitals über dreyhundert Narren oder tolle Leute unterhalten. Rand links: Versorgung der Findlinge. Ueber dieses ernähret dasselbe über fünftausend Findlinge theils auf dem Lande, woselbst für eines Kindes Säugung und Unterhalt monatlich fünf bis sechs Livres di Milano gezahlet werden, theils in der Stadt, da sie zu allerley Arbeit angeführet werden. Zu Säugammen werden keine andern, als ehrliche Frauenpersonen angenommen, und kommen derselben täglich etliche vom Lande, welche anfragen, ob man ihrer Dienste vonnöthen habe. Außer denen vielen Wärterinnen, die für die kranken Kinder sorgen müssen, werden im Hospitale stets funfzehn bis zwanzig Ammen in Bereitschaft gehalten. Täglich wird zwo Stunden nach der Sonnen Untergang bey dem Haupteingange des Hospitals ein Laden, der nur etliche Fuß hoch von der Erde ist, geöffnet, und Gelegenheit gegeben, zu einer kupfernen Maschine zu kommen, welche etwan fünf Vierthel Ellen im Diameter und drey Vierthel in der Höhe hat, dergestalt, daß auch ein Kind von sechs bis acht Jahren darinnen sitzen kann. Dieser kleine Thurm hat eine Oeffnung, so zur Nachtzeit gegen die Straße gedrehet wird, da denn manche Mütter ihre Kinder, welche sie entweder ganz kürzlich zur Welt gebracht, oder sonst Mühe zu ernähren haben, hinein legen, die Maschine umdrehen, anklopfen und davon laufen. In der Kammer, gegen welche alsdann die offene Seite des kleinen Thurms gewendet wird, schläft allezeit jemand, der das Kind aufnimmt und an eine Amme bringen läßt. Alle auf solche Art gefundene Kinder werden getauft, wo nicht eine besondere dabey liegende Nachricht meldet, daß solches schon geschehen, oder man dasselbe aus dem Alter der Kinder muthmaßen kann. Ehedem legten die unbarmherzigen oder nothleidenden Aeltern ihre Kinder vor das Thor, wodurch die Verwundeten bey Nachtzeit in das Hospital gebracht werden; es geschah aber öfters, daß die Hunde den armen Kindern Arme und Beine weggefressen hatten, ehe jemand sich ihrer annahm, und dadurch ist man auf die itztgedachte Erfindung gebracht worden. Bisweilen werden in einer Nacht vier bis fünf Kinder auf obgemeldte Weise in das Hospital gebracht, wenn man aber einen Tag in den andern rechnet, mag die Zahl täglich etwan auf drey zu setzen seyn.[286]

Sowohl die Armen, als alle andere weibliche Bedienten des Hospitals sind dergestalt eingeschlossen, daß keine Mannsperson zu ihnen kömmt, als in Gegenwart derjenigen, so die Aufsicht über sie haben oder die Fremden herumführen. In den Mauern ihrer Höfe sind auch nicht anders als in manchen Nonnenklöstern besondere Löcher und eiserne Drehkessel, wodurch man ihnen das Essen aus der Küche zubringt. Die Ammen haben, so lange sie wegen des kränklichen und schwachen Zustandes ihrer Säuglinge im Hospitale bleiben, besondere Kammern, in welchen sie mit den Kindern schlafen, eine andere Kammer, wo sie den Kindern Brey geben, eine andere, wo sie solche waschen etc. also daß alles sehr ordentlich und reinlich gehalten wird. Die Kinder männlichen Geschlechtes werden zu Handwerkern angeführet, die Mägdchen aber zum Nehen, Stricken und andern Diensten, so im Hospitale nöthig sind, angelehret. Bisweilen geschieht es, daß wohlhabende Leute, welche keine ehelichen oder andere nahe Erben haben, denen sie ihre Verlassenschaft gönnen, in das Hospital gehen, sich daselbst ein Kind aussuchen und solches an Kindes statt annehmen.

Die jährlichen und beständigen Einkünfte des Hospitals werden auf neunzig bis hundert tausend Thaler gerechnet. Rand rechts: Einkünfte des Hospitals In dem großen und hohen Saale, wo die Proveditori oder Aufseher ihre Zusammenkünste halten, sind die Bildnisse dererjenigen, welche große Geschenke oder Stiftungen zum Hospitale gemacht haben, meistentheils in Lebensgröße aufgehängt. Es ist leicht zu erachten, daß Carcano nicht vergessen worden. Ein anderer Wohlthäter, Namens Caraviglia, der ein Kohlenhändler gewesen, hat durch ein Vermächtniß von hundert und neuntausend Livres die Ehre verdienet, unter den Portraiten anderer vornehmern Leute zu erscheinen. Am St. Caroli Borromäi-Tage werden alle diese Gemälde in dem großen Hofe vor jedermanns Augen aufgestellet, und des Abends mit vielen Lichtern umgeben.

Italien hat in der Vorsorge für die Armen und Kranken gar vieles vor allen andern Ländern voraus, und wenn etwas noch daran mangelt, so ist es vielleicht die Geschicklichkeit der dabey dienenden Aerzte und Chirurgorum.

A la Charité und à l'hotel de Dieu zu Paris wird eine große Menge von Kranken aufgenommen: allein es fehlet viel, daß eine solche Ordnung und Reinlichkeit daselbst beobachtet werde, wie in Italien geschieht. Rand rechts: Vergleichung des mayländischen Hospitals mit den Parisern. Nur in den untersten Sälen des hotel de Dieu sind etliche Betten für einzelne Personen, und müssen solche insbesondere bezahlet werden. Die meisten andern Betten sind für zwo Personen, welche einander die Füße zukehren, eingerichtet. Ja in vielen liegen vier Personen beysammen, dergestalt, daß man an jedem Ende des Bettes zween Köpfe und vier Füße zählet. Bey solchen Umständen müssen sich manche gefallen lassen, viele Stunden mit einem andern Kameraden, der mit dem Tode ringet, in einem Bette zuzubringen. Oefters läßt man auch die Verstorbenen eine Stunde und länger bey den noch lebenden liegen, sonderlich wann sie nach zehn Uhr in der Nacht verscheiden.

Die Leichen des großen Hospitals zu Mayland wurden ehemals in einer besondern Kirche außer der Stadt begraben: weil aber die Menge der Todten einen fast unerträglichen Geruch verursachte, so ist seit wenigen Jahren durch die Freygebigkeit eines mayländischen Kaufmanns, Anoni, ein treffliches Werk, nämlich eine weitläuftige Galerie rund um die Kirche unternommen und meistentheils schon zu Stande gebracht worden. Rand rechts: Begräbnisse des Hospitals. Man nennt solches La Faubonne de l'Hôpital. Die äußerste Seite ist mit einer Mauer und Fenstern versehen, die innere aber ist frey und ruhen die hohen Gewölber auf marmornen Seulen. Der Fußboden ist mit marmornen Quadersteinen belegt, und kann unter jedem dritten Bogen ein[287] solcher Stein herausgenommen werden, um dadurch den Eingang in ein darunter angelegtes Gewölbe zu haben. In eine solche unterirdische Kammer werden funfzig bis sechszig Leichen zusammen gelegt, Kalk und dergleichen zehrende Materien darüber geschüttet, und endlich das Loch wieder wohl vermauert, damit kein übler Geruch heraus komme. Diese Gräber sind in solcher Anzahl angelegt, daß in den ersten die Leichen verfault seyn werden, ehe die Reihe herumkömmt. Rand links: Von andern italienischen Gräbern. In andern Kirchen werden zwey-bis dreyhundert in ein Loch geschmissen, welches nothwendig zwischen den vier Mauren des Gebäudes üble und ungesunde Ausdünstungen verursachen muß. Zur Winterszeit leeren die Becamorti oder Todtengräber die in der Kirche angefüllten Löcher aus, und alsdann werden die halbverfaulten Leichen, sie mögen in oder außer Särgen gewesen seyn, heraus genommen, und hinter den Kirchen in weitläuftigere Gruben zusammen geschmissen.

Außer dem Spedale Maggiore sind in der Stadt Mayland noch verschiedene andere Anstalten zum Vortheile der Armen und Kranken. Rand links: Armenhäuser. La Charité nahe bey Madonna della Gratia ist ein großes Gebäude, worinnen beständig zweyhundert Waisenkinder erzogen werden. S. Vincentii Hospital ist für tolle Leute angelegt, deren Anzahl sich oft auf vierhundert erstrecket. S. Celso giebt etlichen hundert Findlingen Unterhalt, und S. Ambrosio denen Leuten, so wegen ihres hohen Alters nicht mehr im Stande sind, ihr Brodt zu verdienen. S. Lazaro ist für die Aussätzigen: und das Hospital von Broglio für diejenigen, welche mit venerischen Krankheiten behaftet sind, von deren Wirkung man abscheuliche und fürchterliche Proben hie und da in Italien mehr als in andern Ländern zu sehen bekömmt.

Die Kirche St. Stephani ist auf demjenigen Platze gebauet, auf welchem die erste Schlacht wider die Arianer soll geliefert worden seyn: und erzählet man, daß, als der h. Ambrosius die Leichname der Gläubigen von den Ungläubigen nicht habe unterscheiden können, auf sein Gebeth die arianischen sich mit dem Gesichte gegen die Erde geleget, die andern aber ihre Angesichter gegen den Himmel gekehret hätten. Rand links: St. Stephani. Rand links: Wunder wider die Arianer. Anbey sey das Blut der Rechtgläubigen zusammengelaufen und haben sich in einen Klumpen als ein Rad herumgedrehet, bis es sich in einem holen Stein gesammlet, über welchem anitzo ein metallenes Gitter auf der Erde zu sehen ist. Demselben gegenüber wird an einem Pfeiler die Figur eines Rades und folgende Schrift gezeiget:


Quisquis

hanc suspicis

ROTAM

Monumentum habes cruentissimi prœlii

Catholicos inter & Arrianos

Divo Ambrosio

Ecclesiæ Mediolanensis Antistite,

Cujus precibus

Concurrens ante promiscuus

Cæsorum sanguis Catholicorum

Cum Hæreticorum sanguine

Repente in rotæ figuram concretus

Sacrum a profano discrevit

Cognomentumque fecit huic Basilicæ14

Quod in ejus pavimento[288]

Qui ex adverso rotæ jacet

CAVUS LAPIS

Prodigiose huc devolutum pium cruorem

Exsorbuit.

Tu memoriam venerare miraculi

Vestigium adora.


Etliche Schritte von der Kirche St. Stephani ist eine Kapelle, welche insgemein Morts de S. Bernardino genennet wird, und an statt der Tapeten mit vielen hundert Todtenköpfen und Gebeinen dererjenigen, welche in gedachter Schlacht geblieben, fast auf die Art, wie die Kapelle der eilftausend Jungfern zu Cölln, ausgezieret ist. Rand rechts: Kapelle voll Todtengebeine. Den Grund machen die Knochen aus, die Köpfe aber dienen um die dazwischen eingelegten Figuren von Kreuzen vorzustellen. Zu den Seiten des Altars sind zwo Pyramiden von Gebeinen aufgerichtet. Alle solche Zierrathen sind mit Gittern von Drathe verwahret, damit nichts heraus falle. Linker Hand beym Eingange ist eine alte deutsche Trummel und eine Fahne aufgehängt, von welchen das gemeine Volk glaubt, daß sie damals den Arianern abgenommen worden seyn.

Liebhaber der Malerey und Bildhauerkunst thun wohl, wenn sie auch die Kirchen al Pace, S. Caroli oder Theresiæ, S. Fedele, S. Maria della Rosa und S. Victor, nebst dem bey dieser letzten befindlichen Olivetaner- oder Bernhardinerkloster in Augenschein nehmen.

In Ansehung des mayländischen Kirchenstaats ist noch zu erinnern, daß man sich in den meisten Kirchen des Ritualis Ambrosiani bedienet, welches von dem römischen nur in Formeln von Gebethen und etlichen Ceremonien unterschieden ist. Rand rechts:Rituale Ambrosianum. Die regulirten Klösterfolgen den römischen Gebräuchen. Nach dem Ritu Ambrosiano währet das Karnaval unddie damit verbundenen Fleischtage drey Tage länger, nämlich bis Sonnabends nach der Aschermittwochen. Rand rechts: Vortheile desselben. Ehemals wurde der Sonntag auch dazu gerechnet: allein St. Carolus Borromäus brachte wegen der vielen Unordnungen, welche an solchem letzten Karnavalstage (wie an andern Orten) begangen wurden, besagte Gewohnheit ab; obgleichdie Stadt beym Pabste sich desfalls beschwerte, und um Schutz in ihren alten Gerechtigkeiten anhielt. Man erzählet, daß der Pabst nicht nur des heil. Caroli Aufführung gebilliget, sondern auch die Abgeordneten der Stadt Mayland spottweise die Ambassadeurs vom Karnaval genennet habe. Obgedachter maßen gewinnen zwar diejenigen, welche dem Ritui Ambrosiano folgen, drey Fleischtage; allein sie büßen solche auch wieder ein, indem sie die drey Dies Rogationum sich mit Fastenspeisen behelfen müssen, an statt daß die andern zu solcher Zeit Fleisch essen dürfen. In der That gewinnen gemeiniglich bey diesem Unterschiede der äußerlichen Kirchengesetze beyde Parteyen. Die vomRitu Romano besuchen ihre guten Freunde vom Ritu Ambrosiano in währenden dreyen Tagen nach der Aschermittwochen, um mit ihnen Fleischtage zu halten, und diese letztern statten in den diebus Rogationum ihren Besuch bey ihnen wieder ab. Auf diese Art wäscht eine Hand die andere, und per piam fraudem entgehenbeyde Theile etlichen beschwerlichen Fast- oder Fischtagen.

Unter den weltlichen Gebäuden sind die Palläste des Marchese del Modé und des Kardinals Cusani zu bemerken; Sie haben aber nebst vielen andern den Mangel; daß sie bey weitem noch nicht ausgebauet sind. Rand rechts: Weltliche Palläste. Diesämmtlichen Palläste, schönen Gärten und guten Prospecte des Herzogthums Mayland hat AntoniodalRE in sechs Folianten von Kupferstichen[289] herausgegeben, worunter aber viele ohne Nachtheil des Käufers hätten weggelassen werden können.

Am Ende der Strada Marina hat ein Marchese d'Este viele Aecker und Gärten zusammen gekauft, um daselbst weitläuftige Gebäude in der Form eines Amphitheaters nebst mancherley Wasserkünsten anzulegen; allein die Sache ist gleich Anfangs ins Stecken gerathen. Nahe bey dem Collegio Romano hat der Commte d'Archinto seine Wohnung und darinnen eine kostbare Sammlung sowohl von Gemälden als Statuen. Rand links: Sammlung von Gemälden beym Comte d'Archinto; beym Comte di Porta. Unter den letzten ist das unehrbare Bildniß einer Weibsperson Tosa genannt, von welcher das eine Thor der Stadt seinen Namen bekommen haben soll, befindlich.

Bey dem Comte di Porta finden sich gleichfalls schöne Gemälde, und unter denselben ein Stück vomPaolo Veronese, welches acht hundert und funfzigScudi Romani gekostet hat, und eine Frau vorstellet, die mit der Leyer einen alten Mann einschläfert. Im Garten ist an einer langen Wand die Geschichte des verlohrnen und zurückkommenden Sohnes in einer überaus künstlichen Perspective gemalet. Der Meister davon heißt Castellino de Monza, und ist eben derjenige, welcher die der Confraternità de'Cavalieri gehörige Kapelle Johannis des Täufers gemalet hat. Besondere Liebhaber der Malerey können in einem kleinen Büchlein, das zu Mayland gedruckt ist, eine Nachricht von den besten Gemälden, so in der Stadt zu sehen sind, finden.

Das berühmte Kabinet des Settala wird itziger Zeit niemanden gezeiget, weil dieses Mannes Anverwandte wegen der Erbschaft noch nicht eins sind. Rand links: Kabinet des Settala. Unter vielen andern Merkwürdigkeiten findet man darinnen eine Schüssel von Bernstein, die zween Schuhe im Diameter hat; einen Klumpen Erzt aus Peru, in welchem die Natur Gold, Silber, Smaragden und Diamanten hervorgebracht hat, desgleichen ein Stück Bergkrystall, worinnen zween bewegliche Tropfen Wassers eingeschlossen zu seyn scheinen.

An der einen Seite der neuerbaueten Börse ist ein Thier in Stein gehauen, welches einem wilden Esel gleicht, dabey aber mit vier haarigen Füßen und mit Borsten über den Rücken bis auf den Schwanz versehen ist. Rand links: Etymologie von Mayland. Das lebendige Thier, wovon dieses eine Copey ist, soll an den übrigen Theilen des Leibes mit Wolle bedeckt gewesen und ungefähr zum Vorscheine gekommen seyn, als man den Grund zur Stadt geleget. Aus dieser Geschichte wird von etlichen der Namen Mediolanum hergeleitet, oder eine abgeschmackte Etymologie dieses Wortes hat vielmehr Gelegenheit zur Fabel von besagtem Wunderthiere gegeben. Daß sie aber schon vor langen Zeiten auf die Bahn gebracht worden, zeigen SIDONII APOLLINA RIS Worte:


Et quæ lanigera de sue nomen habet.


Andere führen den Namen Mediolanum, Mittelland und Mayland her entweder von den zween Flüssen, der Adda und dem Ticino, zwischen welchen diese Gegend liegt, oder von dem fruchtbaren und stets als im Frühlinge oder May grünenden Boden.

Die vornehmsten Wirthshäuser der Stadt Mayland sind al Falcone und al Pozzo; man ist aber in beyden nicht gar wohl versorget, weil die ordentlichen Gerichte schlecht, und die besonders bestellte Mahlzeiten sehr theuer, sind. Rand links: Wirthshäuser. Rand links: Cervelatwürste. Eines von den gemeinsten Gerichten, welches man in dem obern Theile von Italien zu essen bekömmt, sind die mit gehacktem Fleische, Käse und kleinen Rosinen gefüllten Cervelatwürste; bey denen zu beobachten ist, daß ehe sie angeschnitten werden, man mit einer dünnen Gabel oder dicken Nadel die Haut öfters durchsteche, damit die viele eingeschlossene Luft und Brühe nach und nach herauskomme. Wer dieses unterläßt, wird die Wirkung davon gar bald im Gesichte und am Kleideverspüren.[290]

Die Einwohner dieser Gegenden lieben auch sehr die Mehlspeisen und Nudeln, welche nach ihren besondern Arten unter den Namen von Macaroni, Festncie, Vermicelli, Andarini etc. bekannt sind. Rand rechts: Macaroni. Man findet sie häufig in allen Straßen zu verkaufen, und hält man die weißesten für die frischesten. Die Vermicelli werden durch so zarte und kleine Löcher oder Spritzen getrieben, daß eine Art davon kaum dicker als ein Pferdehaar ist.

In den meisten Wirthshäusern der Stadt Mayland werden junge Fremde gefraget, ob sie un letto fornito verlangen: welches da hinaus läuft, daß eine Nymphe, so nicht eher als in der Kammer ihre Maske abnimmt, die Nacht über Gesellschaft leistet. Rand rechts:Letto fornito. Ohne des Gewissens, auf welches leider! wenige Leute Achtung haben, zu gedenken, so ist leicht zu erachten, was die Gesundheit für Gefahr dabey laufe, und wie alles auf die elende Wahl desCameriere oder Kellners ankomme.

Es ist kaum zu glauben, wie viele verwachsene Zwärge und Leute mit ungeheuren Kröpfen in Mayland angetroffen werden. Rand rechts: Kröpfichte Leute in Mayland. An einer alten Frau bemerkte ich dergleichen drey von solcher Größe, daß sie mit dem Kopfe nicht auf die Erde sehen konnte, und dieser der kleineste unter solchen vier Kugeln war. Etliche urtheilen, es komme dieses Uebel von dem Schneewasser, welches sich in den Gebirgen mit den andern Quellen oder Bächen vereiniget, und hernach nothwendig mit getrunken wird. Mit itztgedachter Muthmaßung aber scheint dieses zu streiten, daß man in der Schweiz sich des Schneewassers bedienet, um die Kröpfe zu vertreiben. Andere schreiben ihren Ursprung dem Tufsteine zu, welchen die Wasser in den Gebirgen häufig führen, und glaubet man, daß dessen kleine Theilchen sich in den engen Gängen des Halses stopfen, coaguliren und nach und nach dergleichen unanständige Wirkung hervor bringen, die sich auch öfters auf die Nachkommen fortpflanzet, wie man denn Erbkröpfe findet, und Kinder, die noch kein Wasser getrunken haben, aber von kröpfichten Aeltern kommen, damit behaftet sind.

Einige Verwandtschaft mit diesem Uebel findet sich in der Plica, welche insgemein der Wechsel- oder Judenzopf, in polnischer Sprache Morlocke, wie auch Gozdz, und in Litthauen Coltum genennet wird. Rand rechts: Plica der Polen. Daß die Eigenschaft verschiedener Wasser in Polen vieles dazu beytrage, ist genugsam zu spüren, es würde aber dieser Zufall viel seltener seyn, wenn das gemeine Volk in selbigem Lande mehr auf die Reinlichkeit sehen und in Ansehung solches Zopfes weniger abergläubisch seyn wollte. Denn wenn den Polen das geringste fehlet, meynen sie alsbald, die Plica wolle kommen, und wenn man solche verhindere, setze man sich in Gefahr, schwere Krankheiten auf sich zu laden; aus dieser Ursache kämmen sie sich wenig, und schmieren die Haare vielmehr mit Honig oder andern dergleichen klebrigen Dingen, welche vermögend sind, die Haare in einen verworrenen Zopf zu bringen, den sie hernach aus unzeitiger Furcht ein Unglück zu haben, niemals abschneiden wollen lassen15. Etliche leiten von denenjenigen Polen, so diese Beschwerlichkeit zu verbergen gesuchet haben, den Gebrauch des Haarpuders her, welcher in den neuern Zeiten in ganz Europa eingeschlichen ist.

Etliche italienische Meilen außerhalb der Stadt Mayland ist des Marchese Clerici Landhaus sowohl wegen der schönen Statuen im Garten, als wegen der raren Gemälde im Gebände, zu besehen. Rand rechts: Clerici Landhaus.

Des Marchese Simonetta Landhaus, welches zwo italienische Meilen von der Stadt[291] liegt, ist wegen eines unvergleichlichen Echo merkwürdig16. Solches findet sich auf der Seite des Gartens an den zween einander parallel gegenüber stehenden Flügeln des Gebäudes, welche acht und funfzig gemeine Schritte voneinander entfernet sind. Rand links: Außerordentliches Echo in des Simonetta gandhause. Anmerkungen darüber. Diese einander entgegen sehende Wände oder Mauern sind weder mit Fenstern noch Thüren durchbrochen, in denen sich der Schall zerstreuen oder verlieren könnte, und ist nur auf der einen Seite die Oeffnung eines Fensters, durch welches man die Proben machet, anzutreffen. Die Wiederholung des Schalles geschieht vornehmlich nur an der letzten Sylbe, welches hätte geändert werden können, wenn man die beyden Flügel etwas weiter von einander angeleget hätte; dabey aber wäre vielleicht zu befürchten gewesen, daß der Schall nicht so oft zurück geschicket worden. Die reverberationes oder Zurückprallungen der in Bewegung gebrachten Luft läßt sich am besten an zween Spiegeln, welche einander die Gestalt eines Bildes wechselsweise dabey aberauch immer kleiner wieder zuwerfen, einbilden. Ob aber die Zurückschlagung des Schalles in gerader Linie oder nach der Art eines bewegten Wassers und per undulationes geschehe, lasse ich voritzo dahin gestellet seyn. Wo gar kein Körper der bewegten Luft entgegen steht, wird auch kein Echo zurück gesandt; wo dieser Widerstand zu weit entfernet ist, so gelanget entweder die durch unsere Stimme bewegte Luft nicht bis an solchen Körper, oder der Stoß an denselben ist so schwach, daß das Echo nicht wieder bis zu uns reichet. Die allzugroße Nähe des Gegenstandes sendet den empfangenen Ton so geschwind wieder zurück, daß man davon keine deutliche Ausdrückung vernehmen kann. Ruft man gegen einen eckichten oder erhaben-runden Körper, so vertheilet sich der dagegen prallende Schall, und die repercussiones gehen in viele andere Linien, deren keine nach uns kömmt, zurück und auf die Seiten. Ein holrunder oder einwärtsgebogener Körper wirst zwar den Schall mit einem vermehrten Echo zurück auf einen Platz, nicht anders als ein holgeschliffener und dichter Brennspiegel die Stralen des Feuers und der Sonne in einen focum zurück wirst und vereiniget; allein davon höret derjenige nichts, welcher zuerst die Luft in Bewegung gebracht hat, sondern ein anderer, der gleichsam im foco, woselbst die radii des Schalles wieder zusammen laufen, sich befindet. In diesem Falle geschieht auch keine fernererepercussio sondern es bleibt bey einem einfachen Echo. Soll dieses aber vervielfältiget werden, so werden entweder mehrere und in ungleicher Weite entgegen stehende Körper erfodert, wie bey verschiedenen über einander liegenden Hügeln oder Gebäuden, deren das am meisten entfernete durch seine Höhe über die andere hervorreichet, geschehen kann; oder die Wand, an welcher man steht, muß mit einer andern entgegen stehenden zwey solche plana parallela machen, die einander den empfangenen Schall ohne viele Zerstreuung immer wieder zurück schicken. Diese letzte Bewandniß hat es nun mit den zween Flügeln des Simonettischen Lusthauses, welche mit dem Hauptgebäude oder Corps de Logis in angulis rectis verknüpft sind, und eine bewundernswürdige Wirkung hervorbringen, indem der Schall einer menschlichen Stimme etliche und vierzig mal, der Knall aber eines losgeschossenen Pistols über sechszigmal deutlich[292] wiederholet wird. Es geschieht dieses mit solcher Geschwindigkeit, daß man Mühehat so hurtig zu zählen, und man kaum bey jeder Verdoppelung mit der eiligsten Bemerkung eines Punctes auf Papier folgen kann. Frühe morgens und gegen Abend, desgleichen auch wenn die Luft entweder allzufeucht, oder allzutrocken ist, spüret man die Wirkung nicht so gut. Zu mehrerer Probe der obgedachten Grundsätze, habe ich aus dem vorerwähnten Fenster nicht geradezu gegen die parallele Wand des andern Flügels, sondern entweder gegen das Hauptgebäude oder nach dem Garten und in die umliegende Landschaft gerufen, da dann im ersten Falle eine viel geringere Wiederholung, in dem andern aber ein einfaches aus den Hügeln zurückkommendes Echo sich eräugete. Ich habe mich auch unten im Hofe an die Spitze des einen Flügels gestellet und gegen die Spitze des andern Flügels gerufen, da das Echo nichts antwortete. Hingegen je mehr ich mich dem Corps de Logis näherte, und einen Laut gegen den andern Flügel gab, je häufiger folgten die Antworten, und waren sie in der Mitte der einen Flügelseite in Ansehung der Menge und Deutlichkeit so gut, als aus dem obgedachten Fenster des andern Stockwerkes. Ich halte dafür, es würde nicht viele Kunst erfodern, dergleichen Echo nachzumachen, wobey man aber vorher noch zu untersuchen hätte, ob nicht die Luft, so in den Gebäuden der beyden Flügel, als in holen Körpern eingeschlossen ist, ob sie gleich zur Wiederholung des Tons nichts hilft, dennoch zu dessen deutlichern und stärkern Schalle vieles beytrage, und solchergestalt durch parallel-laufende Gebäude der gesuchte Endzweck besser erreichet werde, als wenn man nur bloße Mauern einander gegenüber setzen wollte. Auf dem Schlosse zu Brüsselwar ehemals auch ein Echo, welches sechsmal wiederholete, es ist aber wegen der vielen gemachten Veränderungen nichts mehr davon zu spüren. PLINIVS (lib. 36. c. 15) meldet als von einer wunderbaren Sache, daß man zu Olympia eine Galerie mit Fleiße solchergestalt angeleget, daß das Echo darinnen ein Wort siebenmal wiederholet, und sey daher dem besagten Platze der Name Heptaphonon gegeben worden.

Uebrigens wird das Simonettische Landhaus gar schlecht unterhalten, und verfällt ein Stück nach dem andern.

Etliche Stunden von Mayland liegt die kleine Stadt Monza, welche von PAVLO, Diacono, rer. Longob. lib. IV, c. 22. Modicia genannt wird. Rand rechts: Monza. Aus einer alten Inscription, die in St. Mauritii Kirche aufbehalten wird, wollen etliche Gelehrte schließen, daß diese Stadt vormals Moguntiacum geheißen und daraus Monza mit der Zeit gemacht worden, wie sich die Benennung der am Rhein gelegenen Stadt Moguntia in Mainz verwandelt hat. Das vornehmste, so allhier zu besehen, ist der Schatz der Kirche S. Johannis Baptistæ, welche von der Königinn Theodelinda gestiftet ist. Unter andern kostbaren Dingen verwahret man daselbst noch den gewöhnlichen Trinkbecher der besagten Königinn, der fast zwo Fäuste dick und aus einem einzigen Stücke Sapphirs ist. Rand rechts: Becher aus einem Sapphir.

Das merkwürdigste aber ist die so genannte eiserne Krone, womit in alten Zeiten die[293] italienischen Könige und nachmals auch die deutschen Kaiser, wenn sie ihre Rechte als Könige der Lombardey behaupteten, sich krönen ließen. Rand rechts: Eiserne Krone. Daß die dreyerley Kronen, welche die deutschen Kaiser empfingen, von dreyerley Metalle, nämlich die römische von Golde, die deutsche von Silber, und die longobardische von Eisen gewesen sey, ist eine elende Fabel, die keine Widerlegung verdienet. Die letztere Krone hat ihre Benennung von einem eisernen Zirkel, welchen man innenherum bemerket; übrigens besteht sie aus Golde und vielen Juwelen, ist aber dabey sehr klein, also daß kein erwachsener Mensch den Kopf hinein bringen kann. Ihre Höhe beträgt ungefähr drey Finger, und findet man daran weder Spitzen oder Stralen, noch andere Zierrathen. Rand links: Nagel vom Kreuze Christi. Der innere eiserne Zirkel soll nach dem Vorgeben der Einwohner zu Monza aus einem derer Nägel, womit unser Heiland ans Kreuz geheftet worden, verfertiget seyn, und aus solcher Ursache verehren sie diese Krone so sehr, daß sie im Jahre 1681 nicht nur eine besondere Kapelle für sie in der KircheS. Joh. Bapt. gebauet, sondern sie auch zur Andacht auf den Altar gesetzet und in Proceßionen herum getragen haben. Hiemit war die Clerisey der Domkirche in Mayland nicht zufrieden, weil sie glaubten, es gienge dem Ansehen desjenigen Nagels, welchen sie in ihrer erzbischöflichen Kirche als einen vom Kreuze Christi zeigen, etwas ab, wenn in ihrer Nachbarschaft eine andere gleiche Reliquie die Andacht der Gläubigen theilen und auch auf sich ziehen könnte. Die Sache kam endlich vor den päbstlichen Stuhl, und insbesondere vor das officium S. Congregationis rituum, welches allem Ansehen nach niemals einen richterlichen Ausspruch thun oder wenigstens die Anzahl der Heiligthümer eher vermehren als verringern wird. Zum Vortheile der Stadt Monza hat Justus FONTANINI die Feder ergriffen und im Jahre 1717 zu Rom eine Schrift do Corona Ferrea Longobardorum herausgegeben, welche zwey Jahre hernach in Leipzig wieder aufgeleget worden ist. Es erkennt aber FONTANINI selber wohl, daß seine Beweise gegen eine recht scharfe Untersuchung nicht wohl bestehen würden, und nimmt er daher seine Zuflucht zur guten Absicht, wodurch besagte Verehrung des Nagels gerechtfertiget werden könne, indem die Frommen ihre Andacht nicht sowohl auf das Eisen, als auf das Leiden Christi, dessen man sich dabey erinnere, richteten. Rand links: Anmerkung über dergleichen Nagel. Die Gelehrten sind noch nicht einig, mit wie vielen Nägeln der Heiland ans Kreuz geheftet worden. Einige behaupten, daß nur ein einziger Nagel durch beyde Füße gegangen, und solchergestalt nur drey zur Kreuzigung gebrauchet worden. Von solcher Meynung sindNONNVSin Johannem, NAZIANZENVSin Christo patiente, die heil. Brigitta in ihren Offenbarungen und andere17. GREGORIVSTuronensis hingegen de Gloria Martyr. lib. 1, c. 6. CYPRIANYSSerm. de Passione, INNOCENTIVS[294] PapaSerm. de uno Mart. CVRTIVSde clavis Dom. c. 4. etc. glauben, daß vier Nägel zur Kreuzigung erfodert worden, und jeder Fuß insbesondere angeheftet gewesen. Diese letztere Muthmaßung wird durch die Gewohnheit der Römer, von welcher PLAVTVSMost. Act. II, Sc. 1 nachgelesen werden kann, bestärket. Bey der Entdeckung des Kreuzes Christi, die GREGORIVSTuronensis beschreibt, soll Helena vier Nägel gefunden haben. Allein aus solcher fabelhaften Erzählung ist kein Beweis zu ziehen, und sind auch SIMEONMctaphrastes und CesarBARONIVS der Meynung, es habe die Mutter Christi die Nägel; womit ihr Sohn gekreuziget worden, zu sich genommen und mit vieler Sorgfalt aufgehoben, welche Meynung nicht wenig mit der Vergrabung derselben streitet. Die Werkzeuge oder Instrumenta womit man die Leute hingerichtet, wurden nur in solchem Falle mit vergraben wenn die Hingerichteten als Missethäter auf obrigkeitlichen Befehl verscharret wurden, und hat es mit dem Begräbnisse des Heilandes eine ganz andere Bewandniß.

Nach dem Berichte eines Buches, so den Titel führt: Ecclsia nascens Martyrum sanguine (pag. 205), hat die Kaiserinn Helena zween Nägel zu Pferdezäumen, welche sie ihrem Sohne Constantin dem großen verehrete, verarbeiten, den dritten in die kaiserliche Krone fügen lassen, und den vierten in die Tiefe einer wegen vieler Schiffbrüche berüchtigten Gegend des adriatischen Meeres geworfen, von welcher Zeit an bey diesem letztgedachten Orte sich nicht die geringste Gefahr mehr für die Schiffe eräuget. Andere behaupten, daß nur ein einziger Nagel zu einem Pferdezaume verbrauchet worden, worüber sich die Cölestinermönche von St. Eusebio zu Rom mit den Canonicis der bischöflichen Kirche zu Carpentras in der Grafschaft Venaissin vereinigen mögen, weil man an beyden Orten das Gebiß von dergleichen Pferdezaume Constantinis des großen unter den Heiligthümern verwahret. Die Heiden hielten viel auf Talismanen, Amulete und andere abergläubische Zeichen, welche man an Menschen und Thiere hängte18. Solcher Misbrauch schlich sich gar bald unter die Christen ein, als man anfing mehr auf äußerliche Dinge zu fallen, als auf das innere zu gedenken: und zu Constantins des großen Zeiten war das Christenthum schon weit von seiner ersten Reinigkeit abgefallen; indessen ist doch nicht glaublich, daß besagter Kaiser, wenn er auch wirklich einen Nagel vom Kreuze Christi gehabt hätte, denselben zu einer solchen geringen Sache sollte verbrauchet haben. Wenigstens würde man heut zu Tage dergleichen Verfahren als einen großen Fehler ansehen, und als einen Mangel der Hochachtung, welche einem solchen Nagel, wenn man ihn auch nur als ein Alterthum und Andenken eines berühmten Mannes betrachten wollte, schuldig wäre. Es zielet indessen auf diesen Gebrauch[295] des einen Nagels die Inscription, welche man zu Mayland in der Kirche della Passione, unter einem Gemälde von der Kreuzigung Christi, in folgenden Worten findet:


Clavus perforans

Clavis reserans

Factus est mihi,

Quid vides per foramen?

Clamat clavus,

Clamat vulnus

Quod Deus in Christo est

Mundum reconcilians sibi.

Aperit Clavis

Et claudit Clavus,

Dirigit, figit & coronat,

Frænavit equum,

Frænabit sensum,

Coronat Augustos.


Wenn aber höchstens nur vier Nägel gebraucht worden, um Christum an das Kreuz zu heften, so fragt sichs, wo denn derjenige hergekommen, aus welchem nachdem Zeugnisse etlicher römischkatholischen Geschichtschreiber der Kaiser Constantin der große den Knopf seines Schwertes hat machen lassen? Zeiget man nicht auch einen solchen Nagel in der Abtey zu St. Denys, den Constantin der siebente an Karln den großen, Karl der kahle aber an besagte Abtey soll geschenket haben? LVITPRANDVS meldet von etlichen dergleichen Nägeln, welche der Kaiser Otto der große gehabt habe, setzt auch deutlich hinzu, es seyn solche diejenigen gewesen, mit welchen Christi Hände angeheftet worden19. Einer von denselben ist noch an der heiligen Lanze in Nürnberg zu sehen, und hat solcher die päbstlichen Zeugnisse und Bullas Innocentii VI, Martini V, Nicolai V, und Pii I, vor sich. Einen andern schenkte Otto der dritte dem polnischen Könige Boleslao20, und wird solcher noch in der Domkirche zu Krakau verwahret. Die Clerisey der bischöflichen Kirche zu Bamberg beruft sich in Ansehung des heiligen Nagels, welcher daselbst verehret wird, auf dieBullam Bonifacii VIII. Die Geistlichkeit der Abtey St. Maximi zu Trier behauptet, daß sie denjenigen Nagel besitze, welcher durch den rechten Fuß gegangen. In der Kirche von St. Patritia zu Neapolis zeigen sie einen andern, der noch mit Blute gefärbet ist. Das große Hospital, welches zu Siena nicht weit von der Domkirche angeleget ist, rühmet sich nicht weniger eines solchen Heiligthums. Dergleichen thun die Mönche des Klosters Andech in Bayern, und die Clerisey der Domkirche zu Mayland. Ferner wird ein solcher Nagel zu Tull gezeiget, wie auch zu Acken und in der Kirche della Croce zu Rom. Von diesem letztern wird insbesondere vorgegeben, daß er die eine Hand des Heilandes durchstochen habe, welches keine andere als die linke gewesen seyn kann, wenn der Nagel, so in dem kaiserlichen Schatze zu Wien verwahret wird, nach dem daselbst beygelegten Zeugnisse durch die rechte Hand geschlagen gewesen. St. Viti Kirche auf dem Schlosse zu Prag besitzt ein Stück vom Nagel, womit Christi Füße befestiget waren. Ich zweifele nicht, man würde die Anzahl dieser Heiligthümer noch[296] um ein großes vermehren können, wenn man mehrere römischkatholische Länder durchwandern wollte. Es ist dabey nicht zu vergessen, daß bey diesen Nägeln eben dasjenige bemerket wird, was man bey den vielen Wasserkrügen von der Hochzeit zu Kana, deren doch nur sechse seyn sollten, beobachtet, nämlich daß keiner dem andern ähnlich sieht. Wie die Ehre der päbstlichen Zeugnisse, die sich bey vielen der obgedachten Nägel finden, gerettet werden könne, ist mir unbekannt; weil Irrthümer in solchen Dingen nicht nur in bloßen factis beruhen, sondern eine geistliche Verehrung nach sich ziehen. Was die Anzahl der Nägel betrifft, so kommen alle Katholiken darinnen überein, daß nicht mehr als vier seyn können, welche die Glieder Christi durchstochen haben, und rechnen einige die übrigen unter diejenigen, womit das Holz des Kreuzes vielleicht zusammen genagelt gewesen. CesarBARONIVS (Tom. III, Ann. 326, num. 54) erkläret sich noch auf billigere Art, indem er einräumet, daß vermuthlich einige Nägel, womit christliche Märtyrer an das Kreuz geschlagen worden, hernach aus Irrthume unter die Nägel vom Kreuze Christi gezählet worden.

Fußnoten

1 Vid. Auctarium Affligemense ad a. 1162, p. 217.PTOLOMAEVSLucensisin Annalib. ad ann. 1162,p. 957.


2 Vt quemque adfecti membri dolor presserat, sculpebat in ligno effigiem suspendebatque opitulaturo idolo, schreibt SCHATENIVSlib. V, Hist. Westfal. p. 303; da er Nachricht giebt, wie St. Gallus um das Jahr 527 einen heidnischen Tempel zu Cölln heimlich in Brand gestecket habe.


3 Apud BALVZ. Capit. reg. Franc. Tom. I, p. 151. Von dem Ursprunge dieser Gewohnheit aus dem Heidenthume handeln PolydVERGIL. de rer. invent. l. 5, c. 1. MEINDERSde statu relig. sub Carol. Magn. p. 212, 213; und am allerausführlichsten M. Io. Iac.FREYin diss. de more diis simulacra membrorum consecrandi, Altorf. 1746, 4. Wenn die Leser Luft haben, einen Eiferer zu hören, so will ich Meinders reden lassen: Damnatur a Carolo Magno superstitio gentilis in Papatu adhuc existens, & ex gentilismo ad christianam religionem traducta, qua suspenduntur in templis coram Divorum Divarumque imaginibus & simulacris certa quædam membra humana, vel etiam animalium brutorum ex ligno, cereo, vel etiam auro & argentofacta, pro religione & opibus cujusvis devoti eum in finem, ut in morbis & cruciatibus ea membra, quæ suspenduntur, ope & intercessione Divorum Divarumque liberentur, & pristinæ sanitati restituantur. Memini me vidisse in Papatu membra quædam pudenda humana in templis publice coram altaribus & Sanctorum ac Divæ virginis præsertim imaginibus suspensa v. g. mammas, brachia, dactylos humanos, pudenda muliebria, pedes, manus. Et quid non? Pudet me stolidissimæ superstitionis. Vtinam Carolus Magnus revivisceret, & ejusmodi abusus oculis suis cerneretl Sane nova lege & constitutione propudiosam & ridendam hanc superstitionem aboleret. Dolendum certe & sanguineis lacrimis deplorandum est, in tanta evangelii & christianismi luce ejusmodi aperta & manifesta propudia & sacrilegia foveri a clero & sacerdotibus quæstus caussa. Sed auri sacra fames, quo non mortalia pectora cogis? Et lucri apud clerum bonus odor ex re qualibet etiam membro virili & muliebri.


4 Ein richtiges Verzeichniß der hannöyerischen Heiligthümer liefert die Lipsanographia sive thesaurus reliquiarum electoralis Brunsuico-Lüneburgicus, Hannov. 1713, 4.


5 Vid. DiariumJoh. BVRCHARDI, Argentinensis,Capellæ Alexandri VI, Papæ, Clerici Ceremoniarum Magistri, edit. Leibnit. p. 25.


6 Er starb den 28 Jenner 1730.


7 Conf. Bibliotheque Italique, Tom. II, p. 43.


8 Es scheint dem Gedächtnisse des Verfassers entfallen zu seyn, daß der erste Urheber dieser wenig sinnreichen Gedanken den Verstand seiner Worte durch den dritten Vers selbst ergänzet habe: Solvitur a morbo Christi pietate caduco.


9 Ich kann nicht umhin, allhier folgende Poesie auf die Schandseule, welche im Jahre 1686 zu Cölln auf dem Platze, wo ehedem des Aufwieglers Nikolas Gülichs Haus gestanden, aufgerichtet worden, beyzufügen: Rand links: Poesie auf Nik. Gülich. Hic stetit illa domus, cujus fuit incola Gulich, Ille rebellantum ductor, origo, caput, Perfidus impostor, legum contemptor, honorisMancipium, intrusus Syndicus, ore canis.Incensor populi, concivida, TyrannusAlter Agrippinæ nota per acta Nero, Contemptor banni, tribuum seductor, in omniQui causa judex, testis & actor erat;Virga magistratus, belli tuba, Gesaris hostis,Sacrilegus, prædo, raptor iniquus opum, Ter Majestatis læsæ reus, urbica pestis, Fax populi, Gulich, corvus, hirundo, sorex.Quisquis ad infamem legis hæc malefacta columnamMinge recessurus, si lacrymare nequis.


10 HOSTIENSISad Tit. qui fil. sin. legit. ibi qualiter & a quo.


11 C. 10, Dist. 96, coll. in c. I, verba cœlestis Dist. 22.


12 In Tractatu de dignitate sive excellentiis sacerdotum.


13 Nicht nur die Maler, sondern auch selbst die meisten Ausleger der Schrift, und noch neulich der vortreffliche Lyttleton von der Bekehrung Pauli a. d. 101 S. haben eine unbedachtsame Schläfrigkeit verrathen, da sie Paulum und seine Gefährten zu Pferde gesetzet haben. Diesen kann man weniger, als jenen, zu gute halten. Pictoribus atque poëtisQuidlibet audendi semper fuit æqua potestas.


14 Weil diese Kirche auch alla Rota genennet wird.


15 Daß die Plica eine eigene und wahre Krankheit sey, der auch die reinlichsten Leute unterworfen, behauptet ERNDTELIVS im fünften Capitel seiner Varsaviæ physice illustratæ, welche im Jahre 1730 zu Dresden in 4to herausgekommen ist.


16 Ferdinand Gonzaga, ehemaliger Herzog von Guastalla und Gouverneur von Mayland ist der Erbauer dieses Lusthauses, von welchem uns Caspar Schott, in Magia universali naturæ & artis, Tom. II, p. 122 einen Abriß mitgetheilet hat, womit Athanasius Kircher, in Phonurgia nova, p. 78, zu vergleichen ist. Beyde können nicht genau bestimmen, wie vielmal das Echo die letzte Sylbe zu wiederholen pflege. Einige Reisende wollen eine siebenfache, andre aber eine zwanzig- bis dreyßigsache Wiederholung bemerket haben. Soll man die Wahrheit bekennen, so verdienet das syrakusanische Echo eine noch größere Aufmerksamkeit. Von demselben ertheilet Schott die glaubwürdigste Nachricht a. d. 82 S.: Sæpius inaudieram, si e regione portusminoris & urbis Syracusæ in campis tuba infletur, longo satis tractu totam cantionem distinctissime ab echo regeri. Igitur Syracusas quum pervenissem, ad locum destinatum me contuli, ibidemque forte fortuna tubicinem offendi, qui ejusdem rei ezperiundæ caussa tubam inflabat, nunc brevi, nunc longiori, nunc longissimo tractu & breves quidem clausulæ post intervallum aliquod temporis, longiores post minus intervallum, longissimæ statim nulla interposita mora repetebantur ab echo, quæ ultra urbem ex altera maris parte stabulari videbatur, ut nullus vel peritissimus tublcinum eas perfectius ac distinctius repetere potuisset. Ego certe nihil umquam in eo genere melius audivi.


17 Mit dem Nonnus hat es seine unstreitige Richtigkeit. Dieser griechische Dichter redet von drey Nägeln: extenderunt adstringentes viapertas utrimque ferreo quodam vinculomanus. Simul penetrabili trajectum unicoduplicem animum habentem uno transsixum impetupedibus connexis, rigidum vinculum exitii. Allein die Brigitta versichert gerade das Gegentheil revelat. l. I, v. 10: deinde dextrum pedem crucisixerunt & super hunc sinistrum duobus clavis. Selbst die verschiedene Leseart des CODIC. MS. FARNESIAN. bestätiget dieses: deinde dextrum pedem crucifixerunt, & insuper sinistrum duobus clavis. Am deutlichsten hat die Brigitta ihre Meynung von den vier Nägeln entdeckt revel. l. IV, v. 6,edit. Antwerp. 1611, p. 276: Pervento igitur ad locum crucifixionis, & ecce! malleus & quatuor clavi acuti in promtu sunt. Die römischen Alterthümer entscheiden hierinnen nichts gewisses, weil bey den Römern das Annageln zwar gemeiniglich mit vier, öfters aber auch nur mit drey Nageln geschah. Aus dem angeführten Lustspiele des Plautus Mostellaria, kann man die Art zu kreuzigen am wenigsten lernen. Der Komödiant sagt: er wolle jemand gern ein Talent geben, wenn er sich an siiner siatt mit acht Nageln wollte an das Kreuz schlagen lassen. Man kann leicht errathen, daß der Komödiant durch diese Rede die Zuschauer zum Lachen bewegen wollen. Wer wurde so thöricht seyn, durch ein halsbrechendes Experiment Geld zu verdienen? Hätte der Lustigmacher von zwölf Nageln geredet, so würden die Zuhörer noch mehr gelachet haben. Niemand aber wurde daraus beweisen können, daß die Kreuzigung ehemals zwölf Nagel erfodert hätte. Hier sind die Worte des Plautus: Ecquis homo est, qui facere argenti cupiat aliquantum lucri, Qui hodie sese excruciari meam vicem possit pati?Ego dabo ei talentum, primus qui in crucem excucurrerit, Sed ea lege, ut adfiganturbis pedes, bis brachia.


18 Auch den alten deutschen und nordischen Heiden waren die Amulete nicht unbekannt. Man erkennet solches sowohl aus dem Indic. superstit. Es pagan. als aus der Jomsvikinga Saga, wo sie mit dem Namen Hlutir beleget werden: quæ signatæ erant effigie humana ejusmodi vocabantur hlutir, quales possidere viri nobiles consueverant. Siehe des Herrn Predigers Roth Abhandlung de imagunc. German. magic. p. 23, sq.


19 Es kann davon auch der Monachus Schwarzachensis, dessen sich CONRADVSUrspergensis bedienet hat, gelesen werden. Die Bulle, welche der Pabst Innocentius der sechste, im Jahre 1354, dem Kaiser Karln dem vierten wegen der Heiligthümer, so sich unter den deutschen Reichskleinodien befinden, gegeben, redet gleichfalls von mehrern als einem dieser Nägel, die damals vorhanden waren.


20 Vid. DLVGOSSVSlib. II, ad ann. 1001, p. 143.CROMERVSlib. III, in Bolesl. I, p. 437. KRANZ.lib. II, Vandal. c. 37.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1. Hannover 1751, S. 297.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Kleist, Heinrich von

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Nach der Niederlage gegen Frankreich rückt Kleist seine 1808 entstandene Bearbeitung des Hermann-Mythos in den Zusammenhang der damals aktuellen politischen Lage. Seine Version der Varusschlacht, die durchaus als Aufforderung zum Widerstand gegen Frankreich verstanden werden konnte, erschien erst 1821, 10 Jahre nach Kleists Tod.

112 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon