I.
(1797–1813.)

Die Familie der Schubert's, aus welcher der Tondichter Franz Schubert hervorgegangen ist, stammt aus der Gegend von Zukmantel in Oesterreich-Schlesien1. Franz Schubert's Vater war der Sohn eines Bauers und Ortsrichters in Mährisch-Neudorf. Der Studien halber von dort nach Wien gekommen, trat er im Jahr 1784 bei seinem Bruder Carl – Lehrer in der Vorstadt Leopoldstadt – als Gehülfe ein, und wurde zwei Jahre darauf als Schullehrer bei der Pfarre zu den heil. 14 Nothhelfern in der Vorstadt Lichtenthal angestellt2. Er galt als ein tüchtiger[1] Schulmann, und unter den Trivialschulen des Pfarrbezirkes war die von ihm geleitete eine der besuchtesten. Seine erste Ehe schloß er in einem Alter von neunzehn Jahren mit der um drei Jahre älteren Elisabeth Fitz, einer Schlesierin, welche damals in Wien als Köchin in Diensten stand. Diese Ehe war mit vierzehn Kindern gesegnet, von denen sich nur fünf, nämlich: Ignaz, Ferdinand, Carl, Franz und Therese am Leben erhielten. Nach dem, im Jahre 1812 erfolgten Tod seiner Gattin verheirathete sich Vater Franz ein Jahr darauf mit Anna Klayenbök, einer Fabrikantenstochter aus Gumpendorf in Wien, und es wurden ihm in dieser Ehe noch fünf Kinder geboren, die sich – bis auf eines – alle am Leben erhielten.

Von den Kindern aus der ersten Ehe lebt derzeit nur noch Therese, Witwe des Mathias Schneider, Oberlehrers in der Vorstadt St. Ulrich in Wien, von jenen aus der zweiten Ehe: Andreas, k.k. Rechnungs-Official, und Anton (mit dem geistlichen Namen Hermann), Capitular im Stift Schotten in Wien3.

[2] Franz Peter Schubert, der jüngste der erwähnten vier Söhne aus erster Ehe, wurde am 31. Jänner 1797 zu Wien in der Vorstadt Himmelpfortgrund, Pfarre Lichtenthal geboren4. Die Kinder- und Knabenzeit bis zu seinem eilften Jahre verlebte er im väterlichen Hause. Unter den Augen seiner Eltern, im Kreise seiner Geschwister5, wuchs er in jenen[3] mehr oder weniger beschränkten Verhältnissen heran, welche die Existenz eines mit zahlreicher Familie gesegneten Schullehrers zu kennzeichnen pflegen. Seine Neigung zur Musik machte sich in frühester Zeit und bei den geringsten Anlässen bemerkbar. Einer Mittheilung seiner Schwester Therese zufolge schloß sich der Knabe besonders gerne einem Tischlergesellen an, der – ebenfalls ein Schubert und Verwandter des Franz – diesen zu öfteren Malen in eine Clavierwerkstätte mit sich nahm. Auf den daselbst befindlichen Instrumenten und dem abgenützten Clavier im elterlichen Hause hat Franz ohne alle Anleitung seine ersten Exercitien durchgemacht, und als er später – ein siebenjähriger Knabe – eigentlichen Musikunterricht erhielt, stellte sich bald heraus, daß er das, was der Lehrer ihm beibringen wollte, schon vorweg sich angeeignet hatte.

In den Aufzeichnungen seines Vaters findet sich darüber folgende Stelle: »In seinem fünften Jahr bereitete ich ihn zum Elementar-Unterricht vor, und in seinem sechsten Jahre ließ ich ihn die Schule besuchen, wo er sich immer als der erste seiner Mitschüler auszeichnete. Schon in seiner frühesten Jugend liebte er die Gesellschaft, und niemals war er fröhlicher,[4] als wenn er seine freien Stunden in dem Kreise munterer Kameraden zubringen konnte. In seinem achten Jahre brachte ich ihm die nöthigen Vorkenntnisse zum Violinspiel bei, und übte ihn soweit, bis er im Stande war, leichte Duetten ziemlich gut zu spielen; nun schickte ich ihn zur Singstunde des Herrn Michael Holzer, Chorregenten im Lichtenthal.« Dieser versicherte mehrmals mit Thränen in den Augen, einen solchen Schüler noch niemals gehabt zu haben. »Wenn ich ihm was neues beibringen wollte,« sagte er, »hat er es schon gewußt. Folglich habe ich ihm eigentlich keinen Unterricht gegeben, sondern mich mit ihm bloß unterhalten, und ihn stillschweigend angestaunt.«

Als Holzer ihn einmal ein gegebenes Thema durchführen hörte, kannte seine Freude keine Grenzen, und entzückt rief er aus: »Dieser hat doch die Harmonie im kleinen Finger!« Holzer unterrichtete ihn auch im Clavier- und Orgelspiel und im Generalbaß.

Sein ältester Bruder Ignaz ließ es sich ebenfalls angelegen sein, ihm die Anfangsgründe des Clavierspielens beizubringen. »Ich war sehr erstaunt – erzählt dieser – als er kaum nach einigen Monaten mir ankündigte, daß er nun meines ferneren Unterrichtes nicht mehr bedürfe, und er sich schon selber forthelfen wolle. Und in der That brachte er es in kurzer Zeit so weit, daß ich ihn selbst als einen, mich weit übertreffenden und nicht mehr einzuholenden Meister anerkennen mußte.«

So war denn Franz Schubert eine jener begnadeten Naturen, welchen der Genius der Kunst bei ihrem Eintritt in das Leben den Weihekuß auf die Stirne gedrückt hat, und wenn man von Wolfgang Mozart absieht, der – ein echtes[5] Wunderkind – in seinem sechsten Lebensjahre ein Clavierconcert zu Papier brachte, oder vielmehr darauf hinkleckste, und in seinem achten eine Sinfonie für Orchester schrieb6, so ist vielleicht bei keinem der großen Tondichter der Schaffenstrieb so frühzeitig erwacht und mit so unwiderstehlicher Gewalt zum Durchbruch gekommen, als bei Franz Schubert.

Sein Bruder Ferdinand bezeichnet7 zwar die, im Jahre 1810 entstandene vierhändige Fantasie als dessen erste Claviercomposition, und den im Jahre 1811 componirten »Klagegesang der Hagar« als sein erstes Lied; es ist aber außer allem Zweifel, daß Franz schon vor dieser Zeit Lieder, Clavierstücke und selbst Streichquartette geschrieben hat, wie denn auch unter seinen Gesangscompositionen einige, deren Entstehungszeit nicht angegeben ist, durch ihre Unbedeutendheit auf jene früheste Periode des Schaffens hinweisen.

Eilf Jahre alt und im Besitze einer hübschen Sopranstimme, ließ sich Schubert auf dem Chor der Lichtenthaler Pfarrkirche als Solist im Gesang und als Violinspieler verwenden und[6] trug nach den Versicherungen noch lebender Ohrenzeugen mit schönem und richtigem Ausdruck vor.

Den Bemühungen des Vaters gelang es, den Knaben nunmehr in die kaiserliche Hofcapelle zu bringen und ihm dadurch einen Platz als Zögling in dem Stadtconvicte zu verschaffen. Es war im October 1808, daß Franz den damaligen beiden Hofcapellmeistern Salieri und Eybler8 und dem Gesangsmeister Korner zur Ablegung der Probe vorgestellt wurde. Als die zu gleichem Zweck erschienenen Knaben des kleinen Schubert gewahr wurden, der, nach damaliger Sitte mit einem hechtgrauen fast weißlichten Rocke angethan, daher kam, meinten sie, das wäre gewiß eines Müllers Sohn, dem könne es nicht fehlen.

Wie nicht anders zu erwarten, erregte Schubert's Probesingen die Verwunderung der prüfenden Herren; er löste die ihm vorgelegte Aufgabe so trefflich, daß seine Aufnahme als Sängerknabe in die Hofcapelle und als Zögling in das Convict ohne weiters erfolgte. Die Uniform, mit der goldenen Borte daran, für deren Glanz auch Schubert nicht unempfänglich war, mußte über den schweren Abschied hinaushelfen, den der Knabe von allen jenen, die ihm bisher im Leben nahe gestanden, für längere Zeit hinaus zu nehmen hatte.

Er war nun Sängerknabe der kais. Hofcapelle; da er übrigens auch die Violine mit ziemlicher Fertigkeit zu spielen verstand, wurde er dem sogenannten kleinen Convictisten-Orchester zugetheilt, dessen Aufgabe es war, größere Tonwerke,[7] namentlich die Sinfonien von Haydn und Mozart, dann die damals noch mit verwundertem Blicke angesehenen Werke Beethoven's in fast täglichen Uebungen einzustudiren und zur Aufführung zu bringen.

Von diesen Orchesterstücken waren es namentlich einige Adagio's aus Haydn'schen Sinfonien und dieG-Moll-Sinfonie9 von Mozart, welche auf den mehr ernsten, gegen seine Umgebung nicht besonders freundlichen Knaben tiefen Eindruck machten, der sich aber beim Anhören der Sinfonien von Beethoven sofort zum Entzücken steigerte. Seine Vorliebe für diesen letzteren trat schon damals entschieden hervor; war es doch ihm, wie keinem sonst beschieden, dem großen Meister, zu welchem er als zu seinem Ideale fortan hinausblickte, unter Wahrung vollster Selbstständigkeit, in immer stolzerem Fluge nachzustreben.

Die Sinfonien von Krommer10, die ihres heiteren Charakters wegen damals gerne gehört wurden, fanden in[8] seinen Augen wenig Gnade, wogegen er jene des Kozeluch11, wenn ihr etwas veralteter Styl von den Musikern bespöttelt wurde, den Krommer'schen gegenüber, mit Wärme zu vertheidigen pflegte. Die Ouverture zur »Zauberflöte«, zu »Figaro's Hochzeit« und die Mehul'schen zählte er zu seinen Lieblingen.

Es konnte nicht fehlen, daß Schubert, der in dem kleinen Orchester alsbald zur ersten Violine vorgerückt war, vermöge seines eminenten Musiktalentes und des Ernstes, womit er die Kunst betrieb, auf dasselbe einen nicht unerheblichen Einfluß gewann, in Folge dessen ihm auch für den Fall der Abwesenheit des Dirigenten Ruczizka die Leitung des Orchesters an der ersten Violine übertragen wurde.

Gleichzeitig war aber auch in dem dreizehnjährigen Knaben der Schaffenstrieb mit unwiderstehlicher Gewalt erwacht; schon vertraute er den Kameraden unter dem Siegel der Verschwiegenheit an, daß er öfter seine eigenen Gedanken zu Papier bringe.[9]

Diese strömten ihm bereits in Hülle und Fülle zu, und es fehlte nur zu oft an Notenpapier, um sie darauf festzuhalten. Da Schubert nicht in der Lage war, sich solches um Geld anzuschaffen, sorgte eine gütige Freundeshand12 dafür, und der Verbrauch davon wurde nun ein ganz außerordentlicher.

Sonaten, Messen, Lieder, Opern, ja selbst Sinfonien lagen, nach dem Zeugnisse von Gewährsmännern, zu jener Zeit bereits fertig vor, wovon er jedoch den größten Theil, als bloße Vorübung, vertilgte.

Wie bereits erwähnt, schrieb Franz im Jahre 1810 (April) eine große vierhändige Fantasie (die sogenannte »Leichenfantasie«), welcher im Jahre 1811 und 1813 noch zwei Fantasien von kleinerem Umfang folgten. Das ersterwähnte Clavierstück dehnt sich über 32 enggeschriebene Seiten aus, und enthält ein Dutzend in verschiedenem Charakter gehaltener Tonstücke, deren jedes in einer anderen, als der ursprünglichen Tonart endet. Claviervariationen, die er seinem Vater als erstes Product seines Tonsatzes vorspielte, trugen schon das ihm eigene Gepräge13.

In das Jahr 1811 fällt die Composition der Lieder: »Hagar's Klage«, »der Vatermörder«, mehrerer Instrumentalstücke14 und der eben erwähnten zweiten Clavierfantasie.

»Hagar's Klage«15 ist darum beachtenswerth, weil es das erste bedeutendere Gesangsstück ist, welches Schubert[10] componirt hat. Er schrieb es als vierzehnjähriger Knabe am 30. März im Convict nieder und erregte damit Salieri's Aufmerksamkeit in so hohem Grad, daß dieser die weitere Pflege des seltenen Talentes durch Unterricht im Generalbaß sofort veranlaßte. Die Composition des umfangreichen Klaggesanges dehnt sich über 28 geschriebene Seiten aus und zerfällt in mehrere, durch Tonart und Rhythmus geschiedene Theile, worunter auch ein Paar kurze Recitativstellen. Dieselbe leidet allerdings noch an einer gewissen Zerrissenheit; die Stimmführung ist zuweilen gesucht, die Accordenfolge hart und die Clavierbegleitung hie und da an Zumsteg und Mozart erinnernd. Demungeachtet ist die Composition im Ganzen genommen von Bedeutung und verfehlte niemals ihres Eindruckes, wenn sie von Sängern gut vorgetragen wurde. Einige Stellen darin athmen unverkennbar Schubert'schen Geist, und wenn auch noch leise, vernimmt man doch schon den Flügelschlag des Genius. Das Lied ist nicht im Stich erschienen16.

Die zweite Gesangscomposition heißt »Der Vatermörder«, eine Parabel17 (Autor nicht genannt). Sie trägt[11] das Datum 26. Dec. 1811. Auch von dieser gilt im Allgemeinen das über »Hagar's Klage« Bemerkte; doch ist das letztere Lied umfangreicher und an sich werthvoller.

Sonderbarer Weise findet sich unter den Liedern, deren Entstehungszeit angegeben ist, ein einziges mit der Jahreszahl 1812. Es ist dies: »Klagelied«18 von Rochlitz, eine kleine unbedeutende Composition. Um so reicher ist die Kirchen- und Instrumentalmusik19 vertreten.

Ueberschaut man die Thätigkeit des in das fünfzehnte Lebensjahr eingetretenen Knaben, so liegt die Vermuthung nahe, daß er sich in und außer den Schulstunden mehr mit dem Beschreiben von Notenpapier, als mit den Vorträgen der Professoren und Ausarbeiten der Pensa beschäftigt haben mag. Dem war auch so. Er componirte heimlich in der Schule und schrieb für die Donnerstags-Concerte der Zöglinge Ouverturen und Sinfonien für Orchester, die gelegentlich daselbst gespielt wurden. Dieser seiner Verwendung[12] wurde auch in den von der Convictsvorstehung an die Oberbehörde erstatteten Berichten nach beiden Seiten hin Erwähnung gethan, und während seine musikalischen Leistungen darin auf das beste hervorgehoben erscheinen, ist dies bezüglich seiner Fortschritte in den eigentlichen Fachgegenständen nur in beschränktem Maß der Fall gewesen20.

Hier möge vorerst einiger, zum Theil noch am Leben befindlicher Männer gedacht werden, die, obgleich an Jahren verschieden, sich mit Schubert zu gleicher Zeit im Convict befanden, und von welchen mehrere auch in der Folgezeit ihre innigen Beziehungen zu dem mittlerweile berühmt gewordenen[13] Tondichter fortsetzten. Diese Convicts-, wenn auch nicht Classengenossen, waren: Josef Spaun, Josef Kenner21, Leopold Ebner22, Josef Kleindl23, Max Weiße24, Franz Müllner, Carl Rueskäfer25, der Dichter Johann Senn, Benedict Randhartinger26, Joh. Baptist Wisgrill27, Anton Holzapfel und Albert Stadler. Von den eben Genannten sind Spaun, Stabler, Senn und Holzapfel als seine intimeren Freunde zu bezeichnen.

Josef Spaun (derzeit Frh. v. Spaun, k.k. jubilirter Hofrath in Wien), damals schon und auch in späterer Zeit einer der wahrsten, uneigennützigsten Freunde Schuberts, versorgte den (um neun Jahre jüngeren) Convictszögling mit Notenpapier und unterstützte ihn auf mannigfache Weise28. In Folge seiner Beamtenlaufbahn zu wiederholten Malen[14] räumlich von ihm geschieden, stand er mit dem wunderbar fortschreitenden Tondichter fortan in lebhaftem Verkehr und bewahrte ihm seine aufrichtige Neigung und Verehrung bis an dessen Lebensende. Schubert war diesem Mann – und es liegen viele Beweise dafür vor – auf das herzlichste zugethan29.

Albert Stadler30 (geb. 1794 in Steyr, derzeit k.k. Statthaltereirath in Pension in Wien) trat im Jahre 1812 aus dem Stifte Kremsmünster in das Stadtconvict über, wo er bis 1815 blieb, und absolvirte 1817 die juridischen Studien. Er hatte Neigung zur Musik und Dichtkunst31, spielte Clavier, componirte auch, und war Zeuge des Entstehens und Vortrages fast aller in der damaligen Zeit von Schubert aufgeschriebenen Compositionen, die er sich auch so schnell als möglich in Abschrift anzueignen wußte. Nach vollendeten Studien prakticirte Stadler bei dem Kreisamt in Steyr und kam um Ostern 1821 als Beamter zu der Landesregierung in Linz. Als Schubert in den Jahren 1819 und 1825 Oberösterreich besuchte, fanden sich die beiden Jugendfreunde in Steyr und Steyeregg zusammen, wo sie, insbesondere in dem Koller'schen und Paumgartner'schen Hause sowie auf dem gräflich Weißenwolf'schen Schloß in Steyeregg (bei Linz) genußreiche Stunden verlebten.

Anton Holzapfel befand sich bereits im Convict, als Stadler in dasselbe eintrat, und absolvirte mit letzterem zugleich[15] die juridischen Studien. Er hatte, sowie auch Schubert, ursprünglich einen Stiftplatz im Stadtconvict aus der sogenannten Ferdinandeischen Sängerknaben-Stiftung »am Hof.« Holzapfel durfte sich rühmen, der älteste Jugendfreund Schuberts zu sein, und er war es, der sich schon der Erstlinge von dessen Liedern, als diese über die Schwelle des Convicts noch nicht hinausgedrungen waren, mit jugendlicher Begeisterung bemächtigte. Er galt als ein durchgebildeter Musiker, war im Besitz einer hübschen Tenorstimme, spielte auch das Cello und blieb Schubert fortan in treuester Anhänglichkeit ergeben32.

Johann Michael Senn (geb. am 1. April 1795 zu Pfunds in Tirol), befand sich gleich anderen Söhnen von Tiroler Führern des Jahres 1809 gleichzeitig mit Schubert im Convict. Er war ein begabter feuriger Jüngling33, verlor aber um das Jahr 1814 oder 1815 seinen Stiftplatz, weil er an einer Emeute der Zöglinge, welche aus Anlaß einer über einen Kameraden verhängten Carcerstrafe ausbrach, in hervorragender Weise theilgenommen hatte. Ueberzeugt von der Ungerechtigkeit der Strafe, und unbeugsamen Sinnes, zog er es vor, aus der Anstalt entlassen zu werden, als wegen seines Vergehens Abbitte zu leisten. Senn widmete sich um das Jahr 1823 dem Wehrstand und wurde Offizier bei dem[16] Regiment »Tiroler Kaiserjäger«. Sein Leben gestaltete sich in späteren Jahren zu einem düsteren Nachtstück. Im Kampf mit den Verhältnissen, seiner Umgebung und der Censur, verbittert und menschenscheu geworden, ohne Freunde und Stütze, ergab er sich zuletzt dem Trunk und starb 1857 einsam und verlassen im Militär-Spital zu Innsbruck. Von seinen Gedichten (die im Jahre 1838 daselbst bei Wagner erschienen) componirte Schubert das »Schwanenlied«. Senn widmete dem Freunde das Gedicht: »An S., den Tondichter«, und dem Dichter J. Mayerhofer, dessen Verhältniß zu Schubert noch zur Sprache kommen wird, zwei Sonette mit der Ueberschrift: »Andenken an M., den Dichter«. Es scheint übrigens, daß Senn nicht schon im Convict, sondern erst später bei Spaun oder Schober Schuberts nähere Bekanntschaft gemacht hat.

Das musikalische Treiben im Convict gestaltete sich damals zu einem ungewöhnlich belebten.

Dr. Josef Hauer (Fabriksarzt »in der Oed«), der im Jahre 1816 in dasselbe eintrat, spricht sich darüber folgendermaßen aus:34

»Mir war Schubert, mit dem ich aber erst um das Jahr 1825 persönlich bekannt wurde, sehr zugethan. Ich weiß nicht, ob diese Geneigtheit meiner musikalischen Befähigung oder vielmehr dem Umstande zuzuschreiben war, daß ich auch im Stadtconvict als Sängerknabe meine Bildung erhielt. Denn hier war die praktische Schule für Schubert. Tagtäglich wurden da des Abends Sinfonien, Quartette und Gesangsstücke aufgeführt. Dazu kam noch die Mitwirkung in der classischen Kirchenmusik. Ich erinnere mich, daß ich daselbst[17] noch Ouverturen und Sinfonieen von Schubert vorfand, die wir aufzuführen versuchten, wobei mir einzelne Stimmen als Schuberts Handschrift vorgewiesen wurden. Ich selbst schrieb mir einen Band seiner Lieder ab, unter denen einige waren, die ich in späteren Jahren weder gestochen noch geschrieben wieder vorfand. Leider ist dieß alles verloren.«

In einem Aufsatz Kenners35 findet sich ebenfalls eine darauf Bezug habende Stelle. Da heißt es: »In dem Clavierzimmer übten sich nach dem Mittagessen in freier Zeit Albert Stadler, selbst Componist, und Anton Holzapfel, sein Classengenosse, im Vortrag Beethoven'scher und Zumstegscher Compositionen, wobei ich das ganze Publicum vorstellte, denn das Locale war nicht geheizt und daher schauerlich kalt. Dann und wann kam auch Spaun, und nach seinem Austritt aus dem Convict auch Schubert dazu. Stadler schlug das Clavier, Holzapfel sang, hie und da setzte sich Schubert an den Flügel. Leopold Ebner lernte den Componisten erst kennen, nachdem dieser das Convict schon verlassen hatte; denn Schubert kam noch ein Paar Jahre hindurch von Zeit zu Zeit in die Anstalt, um seine Freunde zu besuchen und mit ihnen neue Lieder. Clavierstücke u.s.w. durchzumachen.« – Holzapfel und Stadler wirkten auch häufig in Vater Schuberts »Hausmusiken« mit. Im Convictsorchester spielte Holzapfel das Cello, Kleindl und Spaun die Violine; Senn blies das Horn und Randhartinger bearbeitete die Pauke.

Daß Franz während der Convictszeit, wenigstens was die materiellen Bedürfnisse anbelangt, nicht auf Rosen gebettet war, ergibt sich aus dem folgenden, vom 24. November[18] 1812 datirten, an einen seinen Brüder (wahrscheinlich an Ferdinand) gerichteten Schreiben36, welches durch seinen gemüthlich derben Inhalt zur Charakteristik des damals in das 16. Lebensjahr eingetretenen Jünglings immerhin Einiges beiträgt. Die Herzensergießung des armen Convictszöglings läuft in die folgende Bitte aus:

»Gleich heraus damit, was mir am Herzen liegt, und so komme ich eher zu meinem Zwecke, und Du wirst nicht durch liebe Umschweife lang aufgehalten. Schon lange habe ich über meine Lage nachgedacht und gefunden, daß sie im Ganzen genommen zwar gut sei, aber noch hie und da verbessert werden könnte; Du weißt aus Erfahrung, daß man doch manchmal eine Semmel und ein Paar Aepfel essen möchte, umsomehr, wenn man nach einem mittelmäßigen Mittagsmahle nach 81/2 Stunden erst ein armseliges Nachtmahl erwarten darf. Dieser schon oft sich aufgedrungene Wunsch stellt sich nun immer mehr ein, und ich mußte nolens volens endlich eine Abänderung treffen. Die paar Groschen, die ich vom Herrn Vater bekomme, sind in den ersten Tagen beim T–, was soll ich dann die übrige Zeit thun?

Die auf dich hoffen, werden nicht zu Schanden werden. Matthäus Cap. 2, V. 4.« So dachte auch ich. – Was wär's denn auch, wenn Du mir monatlich ein paar Kreuzer zukommen ließest. Du würdest es nicht einmal spüren, indem ich mich in meiner Klause für glücklich hielte und zufrieden sein würde. Wie gesagt, ich stütze mich auf die Worte Apostels Matthäus, der da spricht: »Wer zwei Röcke hat, der gebe[19] einen den Armen. Indessen wünsche ich, daß Du der Stimme Gehör geben mögest, die Dir unaufhörlich zuruft,


Deines

Dich liebenden, armen hoffenden,

und nochmals armen Bruders Franz

zu erinnern.«


Mit dem väterlichen Hause blieb er während der Zeit seines Aufenthaltes im Convicte dadurch in Berührung, daß an Ferialtagen die von ihm componirten Streichquartette, oft unmittelbar nach ihrem Entstehen, in den dort üblichen Quartett-Uebungen37 der Reihe nach aufgeführt wurden. Der alte Schubert pflegte dabei das Cello, Ferdinand die erste, Ignaz die zweite Violine und Franz die Viola zu spielen. Da war nun der Jüngste unter Allen der Empfindlichste. Fiel wo immer ein Fehler vor, und war er noch so klein, so sah er dem Fehlenden ernsthaft, zuweilen auch lächelnd ins Gesicht; fehlte der Vater, so ging er beim ersten Mal darüber hinaus; wiederholte sich aber der Fehler, so sagte er ganz schüchtern und lächelnd: »Herr Vater, da muß etwas gefehlt sein,« welche Belehrung dann ohne Widerrede hingenommen wurde. Den Mitspielenden gewährten diese Uebungen große Genüsse, dem Componisten aber den Vortheil, sich von der Wirkung, die seine Compositionen auf die Ausübenden und Zuhörenden hervorbrachten, sogleich zu überzeugen.

In der Ferienzeit pflegte Franz auch das Theater zu besuchen. Von den damals gegebenen Opern interessirte ihn ganz besonders Weigl's »Schweizerfamilie«, die erste Oper,[20] die er überhaupt hörte, und in welcher Vogl und die Milder38 sangen; dann Cherubini's »Medea«, Boildieu's »Johann von Paris«, »Aschenbrödl« von Isouard, ganz besonders aber Gluck's »Iphigenia auf Tauris«, in welcher die oben genannten Künstler ebenfalls Vorzügliches leisteten. Diese letztere Oper versetzte ihn jedesmal in Entzücken und er zog sie, ihrer edlen Einfachheit und Erhabenheit wegen schließlich allen übrigen Opern vor39.

Dieser Theaterbesuch erklärt auch einigermaßen die Thatsache, daß der geniale Jüngling sich alsbald mit staunenswerther[21] Sicherheit in dramatisch-musikalischen Arbeiten versuchte, wie denn bereits im Jahre 1813 von ihm die Composition der Zauberoper von Kotzebue: »Des Teufels Lustschloß« in Angriff genommen und im Jahre 1814 vollendet wurde, im Jahre 1815 aber mehrere Opern und Singspiele entstanden, von welchen an geeigneter Stelle die Rede sein wird.

Unter jenen Männern, welche auf Schubert's musikalische Bildung von Einfluß waren (wenn überhaupt bei Schubert von einem andern als etwa Beethoven'schen Einfluß die Rede sein kann), muß der damalige k.k. Hofcapellmeister Anton Salieri in erster Reihe genannt werden, da er es war, der das seltene Talent des Convictszöglings zuerst erkannte und ihm mehrere Jahre hindurch in der Composition Unterricht ertheilte. Aufmerksam gemacht durch das Lied: »Hagar's Klage« und einige Streichquartette, übergab er den jungen Componisten dem Musikdirector Rucziczka zur Unterweisung im Generalbaß. Als aber die Lectionen begannen, wiederholte sich das schon früher vorgekommene Schauspiel: Der Lehrer erklärte nämlich, daß sein Schüler schon Alles wisse. »Der,« sagte er, »hat's vom lieben Gott gelernt.« Die Folge davon war, daß sich Salieri seiner noch wärmer annahm und bald darauf die weitere Ausbildung dieses ungewöhnlichen Talentes selbst zu leiten begann. Da Salieri in Schubert's Lehrjahren die hervorragendste Rolle spielt, so möge ein kurzer Lebensabriß desselben hier seine Stelle finden und sein Verhältniß zu Schubert näher beleuchtet werden.

Salieri (Antonio), im J. 1750 in der venetianischen Stadt und Festung Legnago geboren, war der Sohn eines wohlhabenden Kaufmannes, der ihn frühzeitig die lateinischen[22] Schulen besuchen und durch den ältesten Sohn Franz in der Musik unterrichten ließ40. Im sechszehnten Jahre traf ihn das traurige Schicksal, eine vater- und mutterlose Waise zu werden. Ein Freund seiner Familie, Giovanni Mocenigo, nahm ihn zu sich nach Venedig, wo er die begonnenen Studien mit neuem Eifer fortsetzte. So fand ihn der k.k. Hof- und Kammercapellmeister Florian Gaßmann41, der nach Venedig gekommen war, um für die Fenice eine neue Oper zu componiren. Er nahm ihn gleichsam an Kindesstatt an und wurde für die ganze Dauer seines Lebens sein Freund und Wohlthäter. An Gaßmann's Seite fuhr Salieri am 15. Juni 1766 in Wien's Mauern ein, die beinahe sechs Decennien später ihm die letzte Ruhestätte gewähren sollten.[23] Da ging es nun an ein eifriges Lernen. Gaßmann nahm mit ihm die contrapunctischen Studien nach Joh. Jos. Fux's42 »gradus ad Parnassum« vor; ein anderer Lehrmeister unterrichtete ihn – allerdings mit kläglichem Erfolg – im Deutschen und Französischen; lateinische und italienische Poesie, Declamation, Rhythmik und Prosodie bildeten die übrigen Lerngegenstände. So ausgerüstet wurde er Kaiser Josef II. vorgestellt, wirkte sofort in der kaiserlichen Kammermusik mit und beschäftigte sich alsbald mit der Composition von Gesangs- und Instrumentalstücken, so wie von Kirchenmusik jeder Gattung. Im J. 1770 componirte er seine erste Oper : »Le donne letterate«, die sich großen Beifalls erfreute. Dieser folgten in den nächsten sechs Jahren ein Dutzend anderer Opern und Operetten. Im J. 1778 ging er auf einige Zeit nach Italien, wo er für die Theater in Venedig, Mailand und Rom abermals fünf Opern von Stapel ließ. Im J. 1781 schrieb er im Auftrag des Kaisers die deutsche Oper: »Der Rauchfangkehrer«, welche glänzenden Erfolg hatte. Auf Gluck's Empfehlung componirte er nun auch für Paris mehrere Dramen, die er daselbst persönlich zur Aufführung brachte. Unter diesen gilt »Tarare,« später als »Axur König von Ormus,« für die italienische Bühne umgearbeitet und gar bald eine Zierde aller deutschen Theater, für sein Meisterstück. Es war dies eben jene Oper, welche auch Schubert's Beifall hatte.[24]

Nach dem Tode des Hofcapellmeisters Bono43 rückte Salieri auf dessen Posten vor, dem er nun bis an sein Lebensende mit größtem Eifer vorstand. Im J. 1789 dispensirte ihn Kaiser Leopold II. von der Operndirection, die sofort dem Capellmeister Weigl übertragen wurde. Mit erneuertem Eifer warf er sich wieder auf die Composition von Opern, Cantaten, Gesangstücken, Kirchenmusik, Sinfonien, Concertstücken u.s.w. Am 16. Juni 1816 feierte er sein 50jähriges Dienstjubiläum, an welchem auch Franz Schubert Antheil nahm und wovon noch ausführlich die Rede sein wird.

Von nun an trat er nicht mehr als schaffender Meister öffentlich auf, da er wohl fühlte, wie weit der Zeitgeschmack von jenem abzuweichen begann, den er für den einzig richtigen gehalten hatte. In seiner Eigenschaft als Vicepräses des Institutes der Tonkünstler44 (dessen Präses im J. 1818 Graf Kuefstein, später Graf Moriz Dietrichstein war), dann als Oberleiter der Singschule, womit von der Gesellschaft der Musikfreunde der Grund zur Errichtung des vaterländischen Conservatoriums gelegt wurde, hatte er noch immer ein reiches Feld der Thätigkeit vor sich, und es war ihm in der That eine Art Befriedigung, mehrere Male in der Woche in den Vormittagsstunden jungen Talenten beiderlei Geschlechtes unentgeltlichen Unterricht im Gesang, Generalbaß und in der Composition zu ertheilen.[25]

Seit seinem Eintritt in das siebenzigste Lebensjahr kränklich, bat er im Jahre 1824 um seine Pensionirung und starb am 7. Mai 1825 in Wien, wo er auch begraben liegt.

Salieri galt bei seinen Zeitgenossen nicht nur als ein fleißiger45, melodienreicher, warm fühlender und tiefdenkender Meister, sondern auch als ein höchst liebenswürdiger Mensch. Freundlich, gefällig, wohlwollend, lebensfroh, witzig, unerschöpflich in Anecdoten und Citaten, ein seines, niedlich gebautes Männchen, mit feurig blitzenden Augen, gebräunter Hautfarbe, immer nett und reinlich, lebhaften Temperamentes, leicht aufbrausend, aber ebenso leicht auch zu versöhnen, – so schildert ihn Hofrath Friedrich v. Rochlitz46, der im Jahre 1822 mit ihm in Wien zusammenkam. Die deutsche Sprache erlernte er nie; im Feuer der Rede warf er französische und italienische Wörter dazwischen und pflegte sich damit zu entschuldigen, daß er erst seit 50 Jahren sich in Deutschland aufhalte.

Salieri wohnte im Innern der Stadt. Seilergasse im eigenen Hause. Dahin wanderte nun (in den Jahren 1813 bis 1817) der junge Schubert, die Notenhefte unter dem Arm, um dem Maestro seine Ausarbeitungen vorzulegen und von diesem die Instructionen zu empfangen, wie er es zu machen[26] habe, wenn er ein guter Componist werden wolle47. Salieri war mit Schuberts Compositionsweise und namentlich mit den dichterischen Vorwürfen, die dieser sich wählte, um sie in Musik zu setzen, nicht ganz einverstanden; er verlangte, daß Franz von seinen Versuchen, Göthe'sche und Schiller'sche Verse zu componiren, ablasse, mit seinen Melodien haushalte, bis er reifer sein werde, und sich dafür an italienischen Stanzen übe48; er anerkannte aber das außerordentliche Talent seines Schülers, und als ihn dieser wieder einmal mit verschiedenen Compositionen überrascht hatte49, rief er aus: »Der kann doch alles; er ist ein Genie! Er componirt Lieder, Messen, Opern, Streichquartette, kurz Alles, was man will.« Welch freudigen Stolz er über Schubert's erste Messe (in F) empfunden, wird zur Stelle erwähnt werden.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß Schubert aus Salieri's Unterricht jenen Nutzen gezogen hat, welchen jeder hochbegabte Schüler aus den praktischen Andeutungen eines in der musikalischen Kunst seit einem halben Jahrhundert[27] herangebildeten und selbstschaffenden Meisters immerdar schöpfen wird. Aber die Geistes- und Geschmacksrichtung des durch und durch an den Traditionen der alt-italienischen Schule festhaltenden Lehrers und jene seines Schülers, der, von dem Schwung seiner Phantasie hingerissen, bereits anfing, das beflügelte Rößlein im Land der Romantik zu tummeln, war eine so total verschiedene, daß an ein längeres Zusammengehen Beider nicht zu denken war. Schubert vertraute schon der eigenen Kraft; ihm lag der Weg klar vor Augen, den er zu wandeln hatte, um seine Mission zu erfüllen, und von Salieri hatte er eben so wenig mehr zu lernen, als vor ihm Beethoven, der ja auch einige Zeit dahin in die Schule gegangen war, um dramatische Musik zu studiren50. Es ist daher ganz gleichgültig, aus welchem der verschiedenen Anlässe, die von Zeitgenossen angegeben werden, Schubert sich von dem alten Maestro plötzlich losgesagt hat51; der Bruch war unvermeidlich und die ganz natürliche Folge von Schubert's in den riesigsten Sätzen fortstürmender musikalischer[28] Entwicklung. Des Schülers dankbares Gemüth hielt übrigens das Andenken des Lehrers bis an sein Lebensende hoch in Ehren, was auch einige Aufzeichnungen in dem Tagebuch und das zu Ehren der Jubelfeier, von Schubert selbst verfaßte Festgedicht bezeugen.

Was Schubert's musikalische Thätigkeit anbelangt, so fallen in das Jahr 1813 die Anfänge einer Oper, eine Sinfonie, eine Cantate, wenige Lieder und eine unverhältnißmäßig große Anzahl mehrstimmiger canonartiger Gesänge.

Die Sinfonie in D, die erste der von Schubert ganz oder zum Theil vollendeten acht Sinfonien52, sollte die Namens- oder Geburtstagsfeier des Convicts-Directors Innocenz Lang verherrlichen, und wurde von Zöglingen der Anstalt aufgeführt. Sie besteht aus vier Sätzen53 und ist noch unverkennbar im Stil der älteren Meister gehalten. – Die Cantate enthält nur ein Terzett (für 2 Tenore und 1 Baß) »Zur Namensfeier des Vaters, die Worte gedichtet und mit Guitarrebegleitung componirt von F. Schubert am 27. September 1813«. Das Terzett, ein einfach melodiöser Gesang, beginnt mit einem kurzen Andante (A-dur 12/8) und schließt bewegter mit einem Allegretto (6/8), das den eigentlichen[29] Glückswunsch des Sohnes enthält54. – Die Canons, zumeist auf Gedichtfragmente von Schiller componirt, sind als Studien in dieser Form, vielleicht auch für die Kameraden im Convict geschrieben55. Sie sind fast durchweg dreistimmig und von Männerstimmen vorzutragen. Ein schöner Gesang ist das (nicht canonartige) Terzett: »Todtengräberlied« von Hölty[30] (für 2 Sop. und 1 Baß). Auch Streichquartette, drei Kyrie, drei Menuette mit Trio's für Orchester, die dritte »Clavierfantasie,« eine Fuge für Clavier56 und ein Octett57 für Blasinstrumente gehören dieser Zeit an.

Und hier endet bereits die erste Periode von Schubert's eben so kurzer als fruchtbarer Künstlerlaufbahn. Es ist dies eine Zeit rastlosen, fast unbewußten Schaffens, in welcher der kaum noch an das Jünglingsalter herangereifte Knabe, einerseits dem reichen Spiel seiner Fantasie sich überlassend, anderseits immerhin noch an den Formen der vorausgegangenen Meisterwerke festhaltend, in seinen Instrumentalcompositionen vorwiegend Zwittergebilde zu Tage förderte, die allerdings auf eine ungewöhnliche Begabung schließen lassen, während in einigen seiner Lieder die Eigenthümlichkeit seines Genius schon prägnanter zu Tage tritt.

Die nächstfolgenden Jahre dürfen insoferne mit dem Namen »Schuberts Lernjahre« bezeichnet werden, als er bei Salieri sistematischen Unterricht in der Compositionslehre nahm, und sich nebenbei mit gewohnter Rührigkeit in den verschiedensten Musikgattungen als schaffender Künstler versuchte. Diese Lernzeit läßt sich allerdings nicht mit der strengen Zucht vergleichen, unter welcher andere große Meister – wie beispielsweise Mozart und Mendelssohn – gestanden und[31] durch eine Reihe von Jahren in stetem methodischem Fortschreiten ihre Geisteskraft harmonisch entwickelt haben; Schubert's wunderbar rasche Entfaltung erinnert vielmehr an das Voranstürmen ihm verwandterer Geister, wie Beethoven und Schumann; – anderseits widerlegt aber die verbürgte Thatsache, daß Schubert damals schon, und nach seinem eigenen Zeugniß auch später in der Instrumentalmusik dem Studium anerkannter Meisterwerke mit allem Eifer obgelegen habe, den vielverbreiteten Glauben, daß er im Grund nie etwas Rechtes gelernt habe und nur als ein höchst genialer Naturalist anzusehen sei. Im Lied trat allerdings in frühester Zeit schon eine so vollendete Meisterschaft und Originalität zu Tage, daß Schubers künstlerische Erscheinung nach dieser Seite hin geradezu ohne Gleichen ist.

1

Die Angaben über Sch's. Familienverhältnisse beruhen zum Theil auf schriftlichen Notizen Ferdinand Sch's., zum Theil auf mündlichen Mittheilungen der Frau Therese Schneider (Franzens Schwester) und des Herrn Anton Schubert.

2

Die Schule befand sich in dem Haus Nr. 10 (derzeit Nr. 12) in der Säulengasse auf dem Himmelpfortgrund. Dasselbe gehörte Sch's. Vater, und ist derzeit Eigenthum der Milchhändler Georg und Therese Schreder. Die Gestalt und Anordnung der Zimmer weist auch jetzt noch auf ihre ehemalige Bestimmung hin. Vater Schubert hat daselbst bis zum Jahre 1817 oder 1818, um welche Zeit er die Pfarrschule in der Rossau übernahm, gewohnt und Schule gehalten. Uebrigens ist sowohl auf diesem Haus, als auf jenem Nr. 41 in der nahegelegenen »Krongasse« ober der Eingangsthür ein »Rössel« aufgemalt, was zu Verwechslungen der beiden Häuser, als ehemaligen Schulen, Veranlassung gegeben hat.

3

Der älteste der Brüder – Ignaz – Schullehrer in der Rossau, ist im Jahre 1844, Ferdinand, Director der Normalhauptschule zu St. Anna in Wien, im Jahre 1859, und Carl, Landschaftsmaler und Schreibmeister, im Jahre 1855 gestorben. Franz Sch's. Halbschwestern Marie (unverehlicht) und Josefa, verehlichte Bitthan (Oberlehrersgattin in Wien), sind, erstere im Jahre 1834, letztere im Jahre 1861, der Vater am 9. Juli 1830 und die Stiefmutter im Jänner 1860 mit Tod abgegangen. – Das Pädagogenthum spielt in der Schubert'schen Familie eine hervorragende Rolle, und selbst Franz ist demselben nicht entgangen. Mehrere seiner jüngeren Verwandten haben sich ebenfalls wieder dem Lehrfach zugewendet.

4

Ein von der fürsterzbischöflichen Pfarre zu den h. 14 Nothhelfern im Lichtenthal am 3. Jänner 1827 ausgestellter Taufschein bezeugt, »daß Franz Schubert ein ehelich erzeugter Sohn des Herrn Franz Schubert, Schullehrers, und dessen Ehegattin Elisabeth, geborne Fitz, beide kath. Religion, am Himmelpfortgrund Nr. 72 geboren und am 1. Februar 1797 von dem damaligen Cooperator Johann Wanzka im Beisein des Herrn Carl Schubert, Schullehrers, als Pathen, in hiesiger Pfarre nach christkatholischem Gebrauch getauft worden ist.« – Das Geburtshaus, »zum rothen Krebsen« benannt, in der, nach der Nußdorfer Linie führenden oberen Hauptstraße gelegen, trägt derzeit die Nr. 54 und ist Eigenthum der Frau Barbara Leithner. Ueber dem Eingangsthor befindet sich eine, aus grauem Ranna-Marmor angefertigte Gedenktafel mit der Inschrift: »Franz Schubert's Geburtshaus;« auf der rechten Seite ist eine Lyra, auf der linken ein Lorbeerkranz mit dem Datum der Geburt angebracht. Die feierliche Enthüllung dieses, von dem Wiener Männergesang-Verein gestifteten und durch den Steinmetzmeister Wasserburger ausgeführten Gedenkzeichens fand am 7. October 1858 statt. Eine Seitengasse der »Nußdorferstraße« (früher Brunngasse genannt) heißt jetzt Schubertgasse.

5

Unter den Geschwistern war es vorzugsweise Ferdinand, der in späterer Zeit dem, um 3 Jahre jüngeren Franz im Leben nahe stand, und dem daraus Scheidenden die Augen schloß. – Ferdinand Sch., 1794 geboren, wurde im Jahre 1809 Schulgehülfe im Waisenhaus in Wien, 1816 Lehrer daselbst, 1820 regens chori in Altlerchenfeld, 1824 Lehrer an der Normalhauptschule zu St. Anna in Wien, und 1851 Director daselbst. Er war musikalisch gebildet, und verfaßte auch mehrere Kirchencompositionen und theoretische Schriften über Musik. Der reiche musikalische Nachlaß des Franz befand sich längere Zeit hindurch in seinem Besitz, und was davon nach seinem im Jahre 1859 erfolgten Tode noch vorhanden war, ging schließlich auf seinen Neffen, Dr. Eduard Schneider in Wien, über.

6

Mozarts erste Sinfonie datirt aus dem Jahre 1764 (s.v. Köchel them. Catalog).

7

In den Aufsätzen »Aus Franz Sch's Leben«, enthalten in der »Neuen Zeitschrift für Musik« Nr. 33–36 Band 10, Jahrg. 1839. Das darin vorkommende Verzeichniß umfaßt alle jene Schubert'sche Compositionen, welche sich damals (1839) entweder im Besitz Ferdinand Sch's. oder der Verlagshandlung Diabelli befanden, ist daher nicht erschöpfend. Der Werth dieser Zusammenstellung besteht aber darin, daß in derselben Schubert'sche Compositionen, namentlich aus der frühesten Periode, aufgezeichnet erscheinen, welche, da sie in der Zwischenzeit verloren gegangen sind, ohne diese Zusammenstellung auch dem Namen nach nicht mehr gekannt sein würden.

8

Eybler Josef, geb. 1764 zu Schwechat bei Wien, ein Schüler Albrechtsbergers, wurde 1792 regens chori in der Karmeliterkirche in Wien, 1801 kais. Musiklehrer, 1804 Vice- und 1825 Hofkapellmeister. Er starb in Wien 1846.

9

Man höre die Engel darin singen, pflegte er zu sagen. (Aus JosefSpaun's Aufschreibungen.)

10

Krommer (Franz), geboren 1759 zu Kamenitz in Mähren, war ein noch zu Anfang dieses Jahrhunderts beliebter Componist. Sein Lehrer war seines Vaters Bruder, regens chori in Turas, der ihn zum Organisten erzog; alle weitere Musikbildung erwarb er sich durch eifriges Selbststudium. Bekannt als tüchtiger Violinspieler kam er in die Capelle des Grafen Agrum nach Simonthurn in Ungarn, wurde später Chordirector in Fünfkirchen, dann Capellmeister beim Regiment Karoly, ging endlich mit dem Fürsten Grassalkowitz als Musikdirector nach Wien, wo er nach dessen Tod privatisirte, und theils durch Unterricht theils durch den Ertrag seiner beliebt gewordenen Compositionen ein anständiges Auskommen fand. Nach Kozeluch's Ableben (1814) wurde er Kammercompositeur, und starb in Wien am 8. Jänner 1831, nachdem er schon geraume Zeit seinen Ruhm überlebt hatte. Er componirte sehr viel, und zwar in einem gemüthlich heiteren, nicht selten an das Hausbackene streifenden Styl.

11

Kozeluch (Leopold), geboren 1753 zu Wellwarn, starb in Wien 1814. Anfangs zur Jurisprudenz bestimmt, verließ er diese Bahn, um sich ausschließlich der Musik zu widmen. 1778 übersiedelte er nach Wien, wo er als Musiklehrer sehr geachtet, bei Hof und in den höchsten Adelskreisen Lectionen gab. 1792 wurde er als Mozart's Nachfolger zum kaiserlichen Kammercompositeur ernannt. Er schrieb eine große Anzahl von Musikstücken aller Art, die aber derzeit der Vergessenheit anheimgefallen sind. Seine Tochter Katharina, verehelichte Cibbini, Kammerfrau am kais. Hofe, war bekannt als gute Clavierspielerin.

12

Ohne Zweifel Josef Spaun.

13

Ferdinand Schubert: »Aus Franz Sch's. Leben«, 1839.

14

Nach Ferdinand Sch's Verzeichniß: Eine Quintett-Ouverture (für Ferdinand Sch. comp.) und ein Streichquartett.

15

»Hagars Klage« hat den Convictisten wahrscheinlich in einer der deutschen Chrestomathien, wie solche in den Gymnasien in Gebrauch waren und noch sind, vorgelegen. Der Gesang beginnt in Largo Es-Dur 3/4 auf die Worte:

Hier am Hügel heißen Sandes sitz' ich,

Und mir gegenüber liegt mein sterbend Kind u.s.w.

16

Hagar's Klage, und alle noch folgenden Lieder und mehrstimmigen Gesänge sind, mit fast verschwindender Ausnahme, in der Witteczek'schen Sammlung (derzeit im Besitz des Herrn Hofrathes Freiherr Josef von Spaun in Wien) in Abschrift, und größtentheils mit Angabe des Datums ihrer Entstehung enthalten.

17

Das Autograf besitzt Herr Spina in Wien.

18

Es ist in op. 131 enthalten. Ohne Zweifel hat Sch. auch in diesem Jahre noch mehrere Lieder componirt, worüber die Originalien Aufschluß geben würden, da er auf allen seinen Compositionen das Jahr, – auch den Monat und Tag, an dem er sie niedergeschrieben, bei größeren Werken auch den Zeitpunkt des Beginnes und der Beendigung anzumerken pflegte.

19

In dem erwähnten Verzeichniß Ferd. Schubert's finden sich aufgeführt:

Ein Salve regina und Kyrie (im Stich erschienen), eine Sonate für Clavier, Violine und Cello, zwei Streichquartette (in B und C), eine Quartett-Ouverture (in B), Andante und Variationen (in Es), eine Ouverture für Orchester (in D) und 30 für seinen Bruder Ignaz componirte Menuette mit Trios, welch letztere die Bewunderung des Dr. Anton Schmidt, eines Freundes Mozart's und trefflichen Violinspielers, in so hohem Grad erregten, daß er sagte: »Wenn diese Stücke ein halbes Kind geschrieben hat, so wird aus diesem noch ein Meister hervorgehen, wie es wenige gegeben.« Diese Menuette gingen schon damals durch Wegleihen verloren, und Schubert kam ungeachtet wiederholter Aufforderung nicht mehr dazu, sie aus dem Gedächtniß wieder aufzuschreiben.

20

Nur im ersten Jahrgange soll sich Sch. durchaus guter Zeugnisse erfreut haben; in den folgenden Jahrgängen wurden Nachprüfungen nothwendig. – Curator der Anstalt war um jene Zeit Josef Carl Graf Dietrichstein. Den Unterricht ertheilten regulirte Priester des Piaristen-Ordens. Director war der Piarist Innocenz Lang, Doctor der freien Künste, und Rector der akademischen Kirche. Das Vicedirectorat bekleidete (von 1811 an) Franz Schönberger; akademische Prediger waren Markus Haas, Andreas Platzer (1812) und Georg Kugelmann; (1813) Katechet Egid Weber und Josef Tranz (von 1811 an). In den zwei unteren Classen lehrten Pius Strauch und Mathias Rebel; in den oberen Alois Vorsix; die übrigen Professoren waren: Vincenz Kritsch und Benedikt Lamb (Poetik), Amadäus Brizzi und Josef Walch (Mathematik), Benedict Rittmannsberger (Geografie und Geschichte), Josef Lehr (Kalligrafie), Leopold Baille und Carl Bernard (französische Sprache), Carl von Molira (italienisch), Johann Votter und Böttner (Zeichnen). Als Inspector fungirte Gottfried Kerschbaumer.

21

Kenner absolvirte 1816 im Convict, wurde später Magistratsrath in Linz und 1854 Bezirks-Vorsteher in Ischl, wo er gegenwärtig in Pension lebt. Er war auch Belletrist, und Schubert componirte mehrere seiner Lieder.

22

Ebner lebt als jubil. Cameralrath in Innsbruck.

23

Kleindl, Rath des obersten Gerichtshofes in Wien.

24

Weiße, der nachherige Professor und Advocat.

25

Rueskäfer, k.k. Unterstaats-Secretär; derzeit Reichsrath in Wien.

26

Randhartinger, geb. 1802 zu Ruprechtshofen, ebenfalls ein Schüler Salieri's, trat 1832 als Tenorist in die Hofcapelle, wurde 1844 Vice-Hofcapellmeister und nach Aßmayer's Tod 1862 Hofcapellmeister in Wien.

27

Wisgrill, der nachherige Dr. Med. und Professor, gest. 1851.

28

Wie es in Spaun's Aufzeichnungen heißt: »Der damals arme Schubert war durch Wochen und Monate der Gast eines Freundes im Wirthshause, und dieser theilte oft Zimmer und Schlafstätte mit ihm, so ist damit wohl Niemand anderer, als eben Spaun gemeint.«

29

Er dedicirte ihm die Sonate op. 78 und mehrere Lieder.

30

Ich verdanke ihm die hier folgenden Mittheilungen.

31

Von Stadler's Gedichten componirte Schubert das Singspiel »Fernando« (1815), das Lied: »Lieb Minna« (1816), ein zweites Lied für Josefine Koller (1820) und eine Cantate zu Ehren Vogl's (1819).

32

Nach absolvirten Studien begann er seine ämtliche Laufbahn bei den Landrechten in Wien (seiner Vaterstadt), wurde später Magistratsrath und lebt nun seit vielen Jahren als Pensionist in dem, nahe bei Wels gelegenen Schloß Aistersheim.

33

Die von L. Kupelwieser entworfene Porträtzeichnung Senn's zeigt einen schönen interessanten Kopf mit seinen Gesichtszügen. – Senn war einige Zeit hindurch Lehrer des Eduard von Sonnleithner, und auch Instructor im Dr. Gredler'schen Hause in Wien.

34

In einem an mich gerichteten Schreiben.

35

Wurde mir von Herrn Stadler mitgetheilt.

36

Abgedruckt in Ferdinand Schubert's Aufsätzen: »Reliquien«. (Neue Zeitschrift für Musik Jahrg. 1839.)

37

Diese fanden gewöhnlich an den Sonntagen Nachmittags statt.

38

Anna Milder wurde am 31. December 1785 in Constantinopel geboren, wo ihr Vater (Felix), ein geborner Salzburger, bei dem österr. Gesandten Baron Herbert als Conditor in Diensten stand. Um 1790 verließ die Familie Constantinopel, und begab sich zunächst nach Bukarest, dann aber, nach Ausbruch des Krieges zwischen Oesterreich und der Pforte, nach Pest und endlich nach Wien. Daselbst erhielt Anna von dem Dorfschulmeister Tull in Hütteldorf die erste Anleitung im Gesang; später übernahm S. Neukomm (aus Salzburg) ihre weitere Ausbildung, und machte sie auch mit seinem Lehrer J. Haydn bekannt. Durch Schikaneder zum Auftreten auf der Bühne bestimmt, sang sie 1803 zuerst die Rolle der Juno in Süßmayer's »Spiegel von Arkadien« mit großem Beifall. Cherubini componirte für sie die »Faniska«, Beethoven den »Fidelio«, Weigl das »Waisenhaus« und »die Schweizerfamilie«. Im Jahre 1810 verheirathete sie sich mit dem Juwelier Hauptmann in München; 1812 unternahm sie ihre erste Kunstreise und 1816 trat sie in ein festes Engagement in Berlin, welches bis 1829 währte. Von dieser Zeit an sang sie nur noch in Concerten in verschiedenen großen Städten; so in Wien noch im Jahre 1836, wo sie Schubert's Lied »Hermann und Thusnelda« vortrug. Während ihres Aufenthaltes in Berlin stand sie mit Schubert in brieflichem Verkehr, dessen noch erwähnt werden wird. »Suleikas (zweiter) Gesang« ist ihr gewidmet, und das Lied »Der Hirt auf dem Felsen« über ihre Bestellung von Schubert componirt. Milder starb im Jahre 1838 in Berlin.

39

Aus J. Spaun's Aufzeichnungen.

40

Ignaz Mosel: »Leben Salieris«.

41

Gaßmann (Florian Leopold), geb. 1729 zu Brüx in Böhmen, zeichnete sich als zwölfjähriger Knabe durch Gesang und Harfenspiel aus. Um dem Krämerstand zu entgehen, wozu ihn sein Vater bestimmt hatte, entfloh er in seinem dreizehnten Jahre aus dem väterlichen Hause, ging nach Carlsbad, wo er sich als Musikant in kurzer Zeit viel Geld verdiente, von da nach Venedig, um bei Pater Martini Musikunterricht zu nehmen. Nach zwei Jahren wurde er Organist in einem Nonnenkloster, und bald bemühten sich Kirchen und Theater um seine Compositionen. 1763 folgte er einem Rufe nach Wien als Balletcomponist. 1766 kehrte er mit Bewilligung des Kaisers, der ihn zum Hof- und Kammerorganisten ernannt hatte, nach Venedig zurück, um daselbst – und auch in Mailand – seine Opern aufzuführen. Von Venedig nahm er den jungen Salieri mit sich nach Wien. Im Jahre 1771 wurde er (nach Reuter's Tod) Hofcapellmeister, und 1772 stiftete er in Wien die (noch bestehende) Witwencasse für inländische Tonkünstler. G. starb in Folge eines Sturzes vom Wagen 1772 in Italien. Von seinen Kirchencompositionen pflegte auch Mozart mit Achtung zu sprechen.

42

Fux, geb. 1660 in Ober-Steiermark, wurde 1715 Hofcapellmeister. Er schrieb Kirchen-, Kammer- und dramatische Musik, und ist Verfasser des gradus ad Parnassum. Er starb zu Wien 1741.

43

Bono, Hofcapellmeister, geboren 1710 zu Wien, gestorben daselbst 1788.

44

Secretär des Institutes war im Jahre 1824 der Vice-Hofcapellmeister Eybler, der nach Salieri's Pensionirung Hofcapellmeister wurde.

45

Er schrieb an 40 Opern, 12 Oratorien, Cantaten, Messen, ein Requiem, 4 Concerte für verschiedene Instrumente, eine Sinfonie (1776), Ouverturen, Serenaden, Ballet-Musik, endlich dramatische Musik in tragischem, tragikomischem, heroischem, heroisch-komischem und »akademischem« Styl.

46

In dem Buch: »Für Freunde der Tonkunst«, Leipzig 1832, IV. Bd. – Mozart gegenüber, dessen Ueberlegenheit S. instinctartig fühlte, war er übrigens schlau und intriguant genug, um sein Emporkommen im Stillen zu hindern. (O. Jahn »Mozart« III. Bd., S. 61 u.s.f.)

47

Damals schon konnte man, wenn Salieri's Unterricht vor abgelaufener Stunde beendet war, den genialen einen »guten Tropfen« liebenden Schüler in eine, der Behausung des Hofcapellmeisters ganz nahe gelegene Weinhandlung hineinschlüpfen sehen, wo er in Gesellschaft eines ehemaligen Gespielen Franz Doppler (der mir dies mittheilte) manch Stündchen vertrank und verplauderte.

48

Die Composition einer solchen Stanze besitzt A. Stadler in Wien. Sie trägt das Datum 1813.

49

Als Curiosum dieser Art theilte mir Herr Josef Hüttenbrenner mit, daß Schubert, nachdem ihm Salieri gesagt hatte, er könne nun schon eine Oper schreiben, von dem Unterricht mehrere Wochen weggeblieben sei, und sodann dem überraschten Meister die fertige Partitur von »des Teufels Lustschloß« (1813–1814) zur Durchsicht vorgelegt habe.

50

Bekanntlich sagten Albrechtsberger, bei welchem Beethoven Generalbaß, und Salieri, bei dem er das Opernfach studirt hatte, von ihrem Zögling, er werde zu seinem Schaden später lernen, was er sich geweigert, auf ihr Wort zu glauben.

51

So führt z.B. Herr Doppler (Geschäftsführer der Musikalien-Verlags-Handlung Spina) als Hauptmotiv von Schubert's Bruch mit Salieri das Factum an, daß letzterer in der Schubert'schen B-Messe alle Stellen durchstrich und corrigirte, die an Haydn oder Mozart erinnerten. Schubert sei mit der corrigirten Messe zu ihm (Doppler) gekommen, habe sie zornig auf den Tisch geworfen und erklärt, er wolle nun von Salieri nichts mehr wissen. – Andere meinen wieder, die Anforderung an Sch, italienische Stanzen zu componiren, habe diesen aus S's. Nähe vertrieben.

52

Ferdinand Schubert erwähnt auch der Skizze einer neunten, die er 1846 an Mendelssohn übergeben haben will.

53

Einleitung (Adagio) und Allegro vivace 4/4, Andante G-Dur 6/8 Menuett und Trio (Allegro D-Dur), Finale (Allegro vivace D-Dur 4/4). – Das Manuscript mit dem Datum 28. Oct. 1813 besitzt Dr. Schneider in Wien. Am Schluß der Partitur stehen die Worte:Finis et fine.

54

Das Schubertsche Gedicht lautet:

(Andante) Ertöne Leyer

Zur Festesfeier.

Apollo steig hernieder,

Begeistre unsere Lieder.

(Allegretto) Lange lebe unser Vater Franz,

Lange währe seiner Tage Chor

Und in ewig schönem Flor

Blühe seines Lebens Kranz.

Wonnelachend umschwebe die Freude

Seines zürnenden Glückes Lauf,

Immer getrennt vom trauerndem Leide

Nehm' ihn Elisiums Schatten auf.

Endlos wiedertöne holde Leyer –

Bringt des Jahres Raum die Zeit zurück –

Sanft und schön an dieses Tages Feier

Ewig währe Vater Franzen's Glück.

Das Autograf des Terzettes mit der Aufschrift: »Auf die Namensfeier meines Vaters, 27. Sept. 1813«, besitzt Dr. Schneider, deßgleichen ein zweites: »Namensfeyer« betitelt (27. Sept. 1815), bestehend aus einem Gesangsstück: »Du Erhabener« u.s.w. (Adagio Es-Dur).

55

Die große Anzahl dieser nacheinander entstandenen Canons erinnert an Mozart, der an Einem Tag (2. Sept. 1788) deren zehn niederschrieb. (O. Jahn »Mozart« III. Bd.) – Das Gedicht von Schiller: »Elisium« ist für diese Canons hauptsächlich ausgebeutet, und zwar die 1., 2., 4. und letzte Strophe.

56

Das Autograf derselben besitzt Herr Josef Hüttenbrenner in Wien.

57

Das Octett mit dem Datum 19. Sept. ist für Clarinette, Fagott, Trompete und Horn geschrieben, und in Ferd. Schubert's Verzeichniß als »Franz Schubert's Leichenfeier« eingetragen. Vielleicht hatte es einen Bezug zu dem Leichenbegängniß von Schubert's Mutter. Diese Composition ist mir nie zu Gesicht gekommen.

Quelle:
Kreissle von Hellborn, Heinrich: Franz Schubert. Wien: Carl Gerold's Sohn, 1865.
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