X.
(1822.)

Dem Wanderer, der, von der Stadt St. Pölten aus die südliche Richtung längs dem Wasser der »Traisen« einschlagend, den steiermärkischen Gebirgen zustrebt, zeigt sich auf halbem Wege zwischen St. Pölten und dem drei Stunden davon entfernten alterthümlichen Wilhelmsburg zur linken Hand das Dorf Ochsenburg mit einem Lustschloß gleichen Namens, in anmuthiger Landschaft gelegen. Das Schloß, der Staatsherrschaft St. Pölten angehörend, war damals eine Besitzung des dortigen Bischofs Hofrath von Dankesreithner1, eines Verwandten der Schober'schen Familie. In dieser Gegend, und zwar abwechselnd zwischen Stadt und Land, verlebten die beiden Freunde Franz von Schober und Schubert die Herbstmonate des Jahres 1821, als deren musikalische Frucht die ersten zwei Acte einer von Schober gedichteten und von Schubert in Musik gesetzten Oper zu voller Reise gediehen2.[227]

»Alfonso und Estrella«, das rasch geförderte Werk treuverbundener Freundeskraft, ist die erste der beiden großen Opern, welche Schubert vollendet hat. Das Textbuch wurde, wie Schober selbst sich jetzt darüber ausspricht3, in sehr glücklicher Jugendschwärmerei, aber auch in sehr großer Unschuld des Geistes und Herzens geschaffen. Schubert machte sich seinerseits mit gewohnter Energie an die Arbeit, und die geniale Hast, mit welcher der von Melodien überströmende Tonsetzer diese, bevor noch die ganze Dichtung vollendet war, über die fertig gewordenen Theile derselben ausgoß, mag für den Dichter wohl eine Augenweide der seltensten Art gewesen sein.

Ein Brief Schober's, datirt von Wien 2. November 1821, und an den in Linz weilenden Freund Josef Spaun gerichtet, enthält einige Andeutungen über sein und Schubert's Treiben in St. Pölten und auf Schloß Ochsenburg. Schubert erwähnt in einer auf demselben Briefblatt folgenden Nachschrift der Oper nur mit wenigen Worten. Beide Schreiben4, in welchen auch Wiener Verhältnisse berührt sind, werden hier unverkürzt wiedergegeben. Der Brief Schober's lautet:


»Theurer Freund!


Schubert und ich sind nun von unserm halb Land-halb Stadt-Aufenthalt wieder zurückgekehrt und bringen die Erinnerung an ein schönes Monat mit. In Ochsenburg hatten[228] wir mit den wirklich schönen Gegenden, in St. Pölten mit Bällen und Concerten sehr viel zu thun; dem ohngeachtet waren wir fleißig, besonders Schubert, er hat fast zwei Acte, ich bin am letzten. Ich hätte nur gewunschen, Du wärest da gewesen und hättest die herrlichen Melodien entstehen sehen, es ist wunderbar, wie reich und blühend er wieder Gedanken hingegossen hat. Unser Zimmer in St. Pölten war besonders lieb, die zwei Ehebetten, ein Sopha neben dem warmen Ofen, ein Fortepiano nahmen sich ungemein häuslich und heimisch aus. Abends referirten wir immer einander, was des Tages geschehen, wir ließen uns dann Bier holen, rauchten unsere Pfeife und lasen dazu, oder Sofie und Nettel kamen herüber und es wurde gesungen. Schubertiaden waren ein paar beim Bischof und eine bei dem Baron Mink, der mir recht lieb ist, wobei eine Fürstin, zwei Gräfinnen und drei Baroninnen zugegen, die alle auf's nobelste entzückt waren. Jetzt sind wir mit der Mutter hergekommen, in Heiligen-Eich wurde uns eine Tafel gegeben und der Himmel gab uns den ersten der herrlichen Tage zum Reisegeschenk, die uns bis heute, d.h. durch acht Tage beglückt haben. Nun ist der Bischof auch nachgekommen und St. Pölten ist so nach Wien versetzt. Es geht ihm und der Mutter gut. Sie sind ungewöhnlich heiter und lassen Dich sehr grüßen. Daß wir Kuppeln5, der nachzukommen versprochen hatte und nicht kam, sehr hart entbehrten, kannst Du Dir denken, – wie Dich; denn Euch zwei hätten wir besonders gern zu Richtern über unsere Arbeit gemacht. Ueberhaupt ist mir's wie einem, der in die Sonne[229] gesehen hat und nun überall den fatalen schwarzen Fleck sieht, so störend ist mir überall Dein Abgang. Die Krone6 fanden wir ganz verwüstet. Derffel ist nun ganz vom Whistteufel besoffen, er hat zwei stabile Whisttage bei sich, spielt wie sonst bei Hugelmann7, Dornfeld, im Kaffeehause, folglich immer; auch Waldl ist von demselben Teufel besessen wie Huber8, und beide werden noch durch ihre Vorstadtmenagen entfernt. Gahy hat Alles mit Dir verloren, ich habe ihn eigentlich traurig gefunden, er weiß nicht, was er thun soll und sieht in der Verzweiflung Spielen zu, ich werde suchen, ihm wieder etwas zu sein. Kuppel ist immer in Belvedere und copirt die Jo, und kommt daher fast gar nie, sondern schläft bei Schnorr, der noch weiter in der Heugasse wohnt. Sein ›Faust‹ ist gekauft um 2500 fl. C.M. Gestern sind die Freischützen von Weber gegeben worden, haben aber nicht recht gefallen9. Sehr freut mich's, daß Max so wohl ist. Goetz und seine Frau nehmen sich allerliebst aus und sind ganz selig, neulich sind sie in trunkner Vergessenheit durch die Vorstadt, Linie etc. immer gerade fortgegangen, bis sie sich endlich, als der Hunger sich spät genug meldete, in einer Gegend fanden, wo sie mit Mühe Brod auftrieben. Ich empfehle mich allen. Glaube nicht, es werde immer wie[230] jetzt gehen. Da ich an der Oper arbeite, glaube ich nichts anderes schreiben zu können. Wenn Ottenwald das Gedicht noch hat, das ich ihm einst mit einem unsern Basrelief gab, so sei so gut und schreibe mir's ab, aber ich bitte Dich bald, Max soll schreiben. Der Principal des Hosp hat fallirt. Hosp ist also frei und muß nun zum Theater.

Dein Schober


Diesen Zeilen fügt Schubert bei:


»Lieber Freund!


Dein Schreiben hat mich sehr erfreut und ich wünsche Dir, daß Du fortwährend Behagen findest. – Nun aber muß ich Dir berichten, daß meine Dedicationen ihre Schuldigkeit gethan haben, nämlich der Patriarch10 hat 12 und der Frieß11 durch Verwenden des Vogl 20 Ducaten springen lassen, welches mir sehr wohl thut.

Du mußt also so gut sein, Deine Correspondenz mit dem Patriarchen durch eine ihm und mir angemessene Danksagung zu beschließen. – Schober's Oper ist schon bis zum dritten Act gediehen und ich wünschte sehr, daß Du bei ihrem Entstehen mitsein könntest. Wir versprechen uns sehr viel davon. – Das Kärnthnerthor- und Wiedner-Theater sind wirklich dem Barbaja verpachtet, und er übernimmt selbe am[231] December. Nun lebe recht wohl. Grüße mir alle Bekannte, insonders Deine Schwester und Deine Brüder.


Dein Freund

Franz Schubert.


Schreibe recht bald an den Vater und an uns.


NB. Schicke mir Ottenwald's Wiegenlied12


Der Schober'sche Operntext »in Unschuld des Herzens und Geistes geschaffen«, leidet an einem in die Augen springenden Gebrechen, dessen später noch erwähnt werden wird; die Anlage des Drama aber und die im Ganzen wohlgeformten Verse unterscheiden sich immerhin vortheilhaft von den übrigen Textbüchern, die Schubert für seine Opern benützt hat, und lassen das Dichtertalent, wie dieses sich später entfaltete, nicht verkennen. Die Oper hat keinen gesprochenen Dialog, sondern an dessen Stelle durchweg Recitative.

Die Ouverture, welche übrigens, wie auf der Partitur zu lesen, erst im December 1823 componirt wurde, ist eines der besten orchestralen Werke Schubert's, und erfreute sich in Wien großen Beifalles13.

Die Handlung des Stückes faßt sich in Folgendem zusammen: Troila, König von Leon, von Mauregato des[232] Thrones beraubt, hat sich mit seinem Sohn Alfonso in ein stilles Thal des Nachbarreiches zurückgezogen, wo er von der Bevölkerung seiner Weisheit und seines wohlthätigen Wirkens wegen hoch verehrt wird. – Estrella, Mauregato's Tochter, schickt sich mit ihren Gespielinnen zur Jagd an; da tritt Adolfo, der Feldherr ihres Vaters, eben siegreich aus der Schlacht zurückkehrend, vor sie hin, und von Liebe zu ihr entbrannt fleht er um Erhörung, die ihm aber nicht gewährt wird. Erzürnt darüber droht Adolfo, sich an der spröden Königstochter zu rächen. Mauregato erscheint; die Siegestrophäen werden ihm übergeben, und er fordert den Feldherrn auf, sich eine Gnade zu erbitten. Adolfo wirbt um die Hand der Tochter. Estrella beschwört ihren Vater, sie diesem Manne, den sie nicht lieben könne, nicht zu überantworten, und Mauregato, nach einem Mittel suchend, wie er die Tochter retten könne, erklärt, daß nach einem heiligen Spruch nur derjenige seine Tochter zum Traualtar führen dürfe, der die verloren gegangene Kette Eurichs wieder bringen werde. Adolfo, in seinen Hoffnungen abermals betrogen, gelobt sich, den König für diesen Treubruch dem Untergang zu weihen. Schluß des ersten Actes.

Im zweiten Act sehen wir Estrella auf der Jagd von den Genossen getrennt und einen Ausweg suchend, in das Thal niedersteigen, wo Troila und Alfonso wohnen. Alfonso gewahrt Estrella's Gestalt, die ihn an ein Traumbild erinnert, das er in der letzten Nacht gehabt, und von dem er seinem Vater (in einer Erzählung zu Anfang dieses Actes) Kunde gegeben. Berauscht von ihrem Anblick tritt er an sie heran, und nach wechselseitigem Austausch ihrer Gefühle finden sich beider Herzen in glühender Liebe vereinigt. Als[233] Estrella zum Abschied drängt, überreicht ihr Alfonso als Erinnerungszeichen eine Kette, die ihm Troila als Pfand dafür, daß er ihn aus der düstern Einsamkeit noch befreien werde, gegeben hat.

Mittlerweile versammelt Adolfo die mit ihm Verschwornen um sich und nimmt ihnen das Gelöbniß ab, unter seiner Führung Maurogato's Reich zu stürzen. Dieser sendet Boten auf Boten, die sein verloren gegangenes Kind aufsuchen und zurückführen sollen; doch vergebens. Endlich erscheint Estrella zur Freude ihres Vaters und der in dem Palaste versammelten Hofleute. Mauregato entdeckt an ihrer Brust das Geschmeide, das er sogleich als Eurich's Kette erkennt. Von Gewissensbissen gefoltert, dringt er in Estrella, daß sie ihm bekennen möge, auf welche Weise sie in den Besitz des Kleinods gelangt sei. Estrella erzählt ihm das eben im Thal erlebte Abenteuer und gesteht ihre Liebe zu dem Jüngling, dessen Namen ihr aber unbekannt geblieben sei. Da stürzt der Anführer der Leibwache in den Saal herein mit der Schreckensnachricht, daß in den Straßen Oviedos der Aufruhr tobe und Adolfo an der Spitze der Empörer gegen den Palast heranstürme. Schon hört man von außen den Racheruf der Verschwornen; Mauregato aber ist entschlossen, den Kampf mit ihnen aufzunehmen; Estrella wird ihm zur Seite stehen. In Mitte allgemeinen Getümmels schließt der zweite Act.

Die Schrecken des nunmehr entbrannten Krieges dringen bis an die Grenzen des stillen Thales, Troila's und Alfonso's Aufenthalt. Adolfo hat im Kampfgewühl Estrella von der Seite ihres Vaters gerissen und schleppt sie mit sich. Abermals versucht er es, ihre Liebe zu gewinnen, doch nicht[234] mit besserem Erfolg als vorher. Wuthentbrannt zieht er seinen Dolch und heißt sie nun wählen zwischen Leben und Tod. Auf ihr Hülferufen erscheint Alfonso mit einigen Jagdgefährten und nimmt Adolfo gefangen. Estrella dankt ihrem Erretter, ringt aber sofort die Hände nach ihrem Vater, dessen Schicksal ihr unbekannt, und der vielleicht schon im Kampfe gefallen ist. Alfonso erfährt nun von ihr, daß sie die Tochter des Königs von Leon sei, und beschließt, diesem mit seinen Schaaren beizustehen. Auf seinen dreimaligen Hornruf erscheinen die anderen Genossen, an deren Spitze er sich nun stellt, um den Feind entgegenzutreten. Aufgeschreckt durch den Waffenlärm kommt Troila herbei und Alfonso gibt die Königstochter bis zu dem Ausgang des Kampfes in seinen Schutz. Der von Mauregato einstens vertriebene Herrscher gebietet seinen Gefühlen Schweigen und segnet den in den Kampf gegen die Empörer eilenden Sohn.

Mauregato, auf der Flucht dahereilend, sieht plötzlich den entthronten Troila vor sich, und seine Gestalt für die eines Geistes haltend, fleht er ihn um Erbarmen an. Troila tritt ihm freundlich entgegen, und indem er ihm für sein Verbrechen Verzeihung bietet, führt er ihm die Tochter zu.

In der Ferne ertönt ein kriegerischer Marsch. Alfonso kehrt mit den Seinen als Sieger zurück und legt sein Schwert zu Mauregato's Füßen; dieser weist auf Troila, als den rechtmäßigen König hin. Adolfo erkennt denjenigen wieder, dem er einstens gedient und für dessen Herrschaft er den Kampf gegen den Usurpator aufgenommen hat. Troila tritt dem Sohn Alfonso das Reich ab und Mauregato übergibt ihm seine Tochter. Die Landleute drängen in den alten König, er möge[235] sie nicht verlassen, und er gewährt ihnen die Bitte. Ein allgemeiner Jubelchor bildet den Schluß der Oper.

Der erste Act derselben14 beginnt mit einer Introduction: Chor der Landleute, einem lyrisch-melodischen Gesang, aus welchem sich Solostellen des Tenors (der Jüngling) und des Alt (ein Mädchen) herausheben. Diesem folgt eine hübsche liedartig gehaltene Baß-Arie des Troila (Allegro Es-Moll 4/4), sodann Recitative, und auf diese abermals ein Chor der Landleute (G-Dur 3/4) von Sologesängen (Troila und Jüngling) durchwoben. Der Chorgesang bewegt sich durchaus im Rhythmus und Charakter eines Ländlers, wie deren in der Schubert'schen Tanzmusik vorkommen, und nimmt sich in der Oper wunderlich genug aus. Ein Duett zwischen Troila und Alfonso (Andante D-Moll 4/4) trägt den Charakter eines Liedes an sich und ist musikalisch unbedeutend; dagegen ragt die darauf folgende Tenorarie des Alfonso – mit Clarinettsolo – (Larghetto B-Dur 3/4) durch schönen (allerdings vorwiegend lyrischen)[236] Ausdruck über die vorhergegangenen Musikstücke hervor. Ein Duett zwischen Alfonso und Troila, im Beginn bedeutend, verliert sich in seinem weiteren Verlaufe in banalen Phrasen. Der Jagdchor der Frauen (Allegro G-Dur 6/8) ist in üblicher Weise frisch gehalten, gewinnt aber erst durch die mit ihm in Verbindung tretende schöne Arie Estrella's an Reiz und Bedeutung. Die darauf folgende Baßarie des Adolfo (Allegro Es-Moll 4/4) imponirt anfänglich durch heroischen Anstrich, verfällt aber später in das Liedartige, von dem sie sich nicht mehr loszuringen vermag. Das Duett zwischen Estrella und Adolfo (Andantino C-Dur 3/4) ist melodiös, und der sich anschließende, Allegro-Satz inC-Moll bringt durch seinen leidenschaftlichen Charakter eine wohlthuende Abwechslung in die lyrische Einförmigkeit. Das Finale wird durch einen (musikalisch gewöhnlichen) Chor (der Krieger) eingeleitet, der dann in einen Chorgesang gemischter Stimmen (das Volk) hinüberleitet. Es folgen kurze Recitative und Arien des Mauregato, Adolfo's und Estrella's; die musikalische Action erweitert sich zu einem lebhaften Ensemble mit Chor, an welches sich ein interessantes Orchester-Zwischenspiel anreiht. Die Musik gewinnt hier entschieden an dramatischem Ausdruck, der namentlich auch in den bald vereint, bald abwechselnd wirkenden Chormassen der Krieger, die zur Schlacht, und der Frauen, die zur Jagd rufen, in prägnanter Weise zu Tage tritt.

Den zweiten Act leiten Recitative Troila's und Alfonso's ein, von Harfe und Flöte begleitet. Die Romanze Troila's (Erzählung von dem Wolkenmädchen) erfüllt die Erwartungen nicht, welche man gerade an dieses Musikstück zu knüpfen geneigt wäre, denn sie erhebt sich kaum über das[237] Niveau einer sentimentalen, in gewöhnlichen Phrasen sich bewegenden Cantilene; dagegen weht aus dem darauf folgenden Duett Alfonso's und Estrella's (in G-Moll) echt Schubert'sche Romantik. Man fühlt sich plötzlich wie von Blüthenduft und Waldesrauschen umfangen, und aus Melodie und Begleitung blickt uns wieder das lang vermißte, bedeutsame Antlitz des Meisters entgegen.

Recitativstellen Alfonso's und Estrella's, eine Arie des Ersteren und eine Arie der Letzteren (Andantino A-Moll 4/4), von welchen keine von hervorragendem Interesse, sodann ein in trivialen Formen sich abwickelndes Duett Beider, das erst gegen den Schluß zu Schubert'sche Klänge bringt, bilden die weiteren Musikstücke. Der nun folgende Doppelchor der Verschwornen, in welchen eine Arie Adolfo's hineinverflochten ist (Allegro agitato H-Moll 4/4), erfreut durch stimmungsvolle Charakteristik in Gesang und instrumentaler Begleitung und zählt jedenfalls zu den (dünne gesäeten) dramatisch gestalteten und Schubert's würdigen Musikstücken der Oper. Eine Arie des Mauregato mit Chor (Allegro D-Moll 4/4), ein Duett zwischen diesem und Estrella (A-Moll 4/4) und eine Arie der Estrella (Andantino A-Dur 4/4) bewegen sich wieder in gewöhnlichem Geleise und bieten keinerlei hervorragende Momente. Das Finale (Allegro A-Moll 4/4) gestaltet sich auch hier zu einem großen Ensemble, an welchem Mauregato, Estrella, der Anführer der Leibwache, der Männer- und Weiberchor und von diesen abgesondert der außerhalb der Bühne befindliche Chor der Verschwornen theilnimmt, deren wiederholter Ruf: »Rache« sich wirksam contrastirend in das Klagegeschrei der Weiber und den Kampfruf der Männer mischt und der ganzen Scene, in welcher dem Componisten endlich[238] wieder Gelegenheit zu dramatischer Entfaltung gegeben ist, einen lebhaften Charakter verleiht.

Der dritte Act beginnt mit einer ziemlich umfangreichen15, musikalisch schön und bedeutsam gestalteten Orchester-Introduction (Allegro D-Moll alla breve), deren leidenschaftlich unruhiger Charakter auf die Schrecknisse des in dem ruhigen Thal entbrannten Kampfes hinweist. Auf diese Einleitung folgt ein in recitativer Form gehaltener Wechselgesang des Jünglings und des Mädchens (Allegro G-Moll 4/4), in welchem diese, von Bangen erfüllt, sich gegenseitig mittheilen, was sie von dem Fluchtgetümmel geschaut haben. Der Ruf vorübereilender Weiber: »Weh uns – fliehet!« schließt dieses Musikstück, welches durch Innigkeit und schönen, echt dramatischen Ausdruck eine hervorragende Stelle einnimmt. Auch das Duett (Nr. 3) zwischen Adolfo und Estrella (Allegro assai F-Moll 3/4) ist in großem Styl gehalten und dürfte auf der Bühne von bedeutender Wirkung sein. Das darauf folgende Ensemble, ein Terzett zwischen Adolfo, Alfonso und Estrella (Allegro D-Dur 4/4), welchem sich später vier Jäger beigesellen, erregt im Beginn schöne Erwartungen, bewegt sich aber gegen den Schluß zu in gewöhnlichen, an den damaligen italienischen Styl gemahnenden Formen. Nun folgt eine Reihe durchweg schöner, bedeutender Recitative Alfonso's und Estrella's, und auf diese ein kräftig gehaltenes Duett beider (Allegro molto C-Dur 4/4), das durch die gesungenen Textworte einen heroischen Charakter erhält, von der Stelle an aber, wo die Stimmen sich zum Zwiegesang vereinigen, ebenfalls wieder dem unverkennbaren Zug der italienischen[239] Cantilene verfällt. Ein Duett der eben Genannten (Allegro assai A-Moll 4/4), in welches der Chor der fliehenden Krieger eingreift, ist gut gearbeitet und von lebhaftem anregendem Ausdruck. Der darauf folgende Doppelchor16 (Allegro Es-Dur 6/8) von Hornsignalen, die aus zwei Orchestern abwechselnd ertönen, eingeleitet und unterbrochen, bewegt sich in leicht rhythmisirten, melodisch geradezu an's Triviale streifenden Formen, und vermag auch später nicht, wo der allgemeine Chor der Krieger und Jäger dem Ganzen eine breitere Gestaltung gibt, musikalische Bedeutung zu gewinnen. Um so erfreulicher wirken wieder die Recitative Troila's, Alfonso's und Estrella's (Allegro Es-Dur 4/4). Auch das sich anreihende Ensemble (die Vorigen, Krieger und Jäger Moderato F-Dur 4/4) ist dramatisch effectvoll gearbeitet, wird aber überragt von der unmittelbar darauf folgenden Scene, in welcher der fliehende Mauregato plötzlich des Troila ansichtig wird, und diesen für den Geist des durch ihn von dem Thron verstoßenen Königs hält. Die vorhergehende Arie des wild und verzweifelnd sich geberdenden Mauregato (Allegro agitato G-Moll 4/4) und die nun folgende Begegnung mit Troila sind in großartig dramatischem Styl gehalten und würden bei der Darstellung auf der Bühne zweifellos einen ergreifenden Eindruck hervorbringen. Auch das Duett zwischen Troila und Mauregato gestaltet sich durch Adel, Schönheit und Originalität der Behandlung zu einem der hervorragendsten Musikstücke der Oper. Die melodische Führung der beiden Stimmen, da[240] wo sie am Schluß zusammengehen, läßt freilich wieder italienischen Einfluß durchblicken. Letzteres gilt auch von dem übrigens ganz hübschen und theatralisch wirksamen Terzett (B-Dur 4/4) zwischen Troila, Mauregato und Estrella.

Das Finale wird durch einen Marsch (für Harmoniemusik) eingeleitet, welchem sich ein frischer, aber nicht bedeutender Chor der Jäger und Krieger (B-Dur 4/4) anschließt. Folgen nun Recitative Alfonso's und Mauregato's, sodann ein Ensemble (Allegro B-Dur 4/4), an welchem alle Hauptpersonen des Stückes, und nebst dem Chor der Krieger auch jener der Landleute theilnehmen, deren charakteristischer Gesang an Troila die Bitte enthält, daß er nun fortan bei ihnen verweilen möge. Einzelne Stellen in dem eben erwähnten Ensemble, insbesondere das Andante (A-Dur 4/4), in welchem Mauregato und Troila sich dem Liebespaar (Estrella und Alfonso) zuwenden, seinen Bund segnend und demselben das Reich überlassend, zeichnen sich durch Schönheit und Adel der Empfindung aus. Der allgemeine Chor, der im Allegro 4/4-Tact und der hellenE-Dur-Tonart geräuschvoll die ganze Oper schließt, erhebt sich nicht über das Niveau eines gewöhnlichen Theaterfinale.

Die über den Werth und Charakter der einzelnen Theile der Oper hier gegebenen Andeutungen lassen zur Genüge erkennen, daß es in diesem ersten größeren Bühenwerk Schuber'ts keineswegs an Musikstücken fehlt, die, als des Meisters würdig, mit Freude begrüßt werden dürfen. Einzelne Arien, Duette und Chöre, das Finale des ersten Actes, die sämmtlichen Recitativstellen und die Orchestersätze zeichnen sich durch Schönheit, charakteristischen Ausdruck und dramatisches Leben[241] aus, und die Thatsache, daß der letzte Act im Ganzen genommen der musikalisch bedeutendste ist, kann dem Totaleffect der Oper nur bestens zu Statten kommen. Andererseits leidet aber das Werk an bedenklichen Gebrechen, welche, abgesehen von musikalisch unbedeutenden Gesangsstücken, ganz hauptsächlich in der das Gedicht durchziehenden und fast fortan festgehaltenen lyrischen Stimmung und der zum Theil dadurch herbeigeführten Reihenfolge der einzelnen Musikstücke gelegen sind. Dem Schober'schen Operntext fehlt der große dramatische Zug, woran übrigens weniger der Inhalt der Handlung als die dichterische Verarbeitung derselben Schuld trägt. Der lyrischen Ergüsse ist da kein Ende, und es darf nicht Wunder nehmen, wenn der, beiläufig bemerkt, von der Opernmusik Rossini's unverkennbar beeinflußte Tondichter, wo ihn die Situation im Stück nicht zu energischem, dramatischem Ausdruck auffordert, sich damit begnügt, das Füllhorn seiner Melodien über die breiten lyrischen Flächen des Textes auszuschütten und dem leichten Spiel seiner Muse mit einer gewissen Behaglichkeit vollen Spielraum zu gewähren. Die Gelegenheit zu dramatisch bedeutender Gestaltung ließ er sich, sobald sie ihm von dem Dichter geboten war, nicht entgehen, und wenn auch »Alfonso und Estrella« den heutigen Anforderungen an theatralische Darstellungen kaum entsprechen dürfte, darüber kann kein Zweifel sein, daß Schubert in einigen Scenen eben dieser Oper ein überraschendes Geschick auch in Bewältigung der großen Formen des musikalischen Drama an den Tag legte.

»Alfonso und Estrella« wurde, wie noch mitgetheilt werden wird, nur einmal (im Jahre 1854) auf der Bühne dargestellt, und es scheinen bei diesem Anlaß die eben berührten[242] Mängel über das Schicksal der Oper entschieden zu haben. Dreißig Jahre früher, als Schubert und seine Freunde bemüht waren, der Oper auf irgend einer größeren Bühne Eingang zu verschaffen, möchte es ihr bei der damals herrschenden Geschmacksrichtung an Lebensfähigkeit für längere Zeit nicht gefehlt haben.

Abgesehen von seinem musikalischen Gehalt bietet dieses Werk noch ein allerdings mehr äußerliches Interesse dadurch, daß es (nach einer Mittheilung A. Schindler's)17 den Componisten desselben mit einem anderen großen Meister in eine, im Beginn allerdings nicht erfreuliche Berührung brachte und die Veranlassung zu einer Discussion zwischen beiden wurde, welche charakteristisch genug ist, um hier nicht mit Stillschweigen übergangen zu werden.

Carl Maria von Weber war im October 1823 nach Wien gekommen, um die Aufführung seiner für das Hofoperntheater daselbst geschriebenen Oper »Euryanthe« persönlich zu leiten. Diese wurde am 25. October zum ersten. Mal gegeben, hatte aber aus Gründen, die hier keiner weiteren Erörterung bedürfen, bei weitem nicht jenen anhaltenden Erfolg, welcher dem »Freischütz« zu Theil geworden war18.[243]

Schubert hatte der Aufführung ebenfalls beigewohnt und sein Urtheil über das neue Werk wurde für viele Musikfreunde maßgebend. Er äußerte vor Zeugen, daß Weber's Euryanthe zwar viele harmonische Schönheiten, aber keine einzige originelle Melodie enthalte, dieser überhaupt entbehre, was er Webern in der Partitur nachzuweisen bereit sei19.[244] Da man ihm hierauf entgegnete, Weber habe theilweise seinen Styl verändern müssen, weil die musikalische Kunst neue Bahnen einzuschlagen beginne und von nun an durch schwere Massen gewirkt werden müsse, meinte Schubert: »Wozu denn schwere Massen! Der Freischütz war so zart und innig, er bezauberte durch Lieblichkeit; in der Euryanthe aber ist wenig Gemüthlichkeit zu finden20«. Als dieses Urtheil dem Componisten zu Ohren kam, soll er gesagt haben: »Der Lasse soll früher etwas lernen, bevor er mich beurtheilt.«

Dieser vorlaute Ausspruch machte die Runde in Wiener Musikkreisen, und Schubert, der damals, obgleich erst 27 Jahre alt, nahezu ein Dutzend Opern, mehrere Sinfonien und ein Paar hundert Lieder geschrieben hatte, nahm, verletzt durch obige Worte, die Partitur von »Alfonso und Estrella« unter den Arm und begab sich damit zu Weber, um diesem zu zeigen, daß er mit gleichen Waffen gegen ihn kämpfen wolle.

Nachdem Carl Maria die Partitur durchgegangen, kam er auf Schubert's Urtheil über seine (Webers) Oper zu sprechen, und da dieser bei seiner Meinung verblieb, entgegnete[245] ihm der etwas gereizte Componist: »Ich aber sage Ihnen, daß man die ersten Hunde und die ersten Opern ertränkt«; eine Sentenz, welche darauf hindeutet, daß Weber der Meinung gewesen ist, »Alfonso und Estrella« sei Schuberts Erstlingswerk dieser Gattung.

Ungeachtet dieses Conflictes trennten sich die beiden wackeren Männer nicht als Feinde, und Weber hat sein hartes Urtheil stillschweigend damit zurückgenommen, daß er später die von Salieri und Hofrath Mosel sehr günstig beurtheilte Schubert'sche Oper auf des Letzteren Empfehlung im Hoftheater in Dresden zur Aufführung bringen wollte und seine persönliche Theilnahme an dem Werk in einem Briefe freundlich zu erkennen gab21.

Einer mündlichen Mittheilung J. Hüttenbrenner's zufolge ist das Textbuch durch Wilhelmine Schröder an C.M. v. Weber in Dresden übersendet worden; die Partitur (wohl nur eine Abschrift des Originals) schickte Schubert der Sängerin Anna Milder zu, welche die Oper in Berlin zur Aufführung bringen wollte, von diesem Vorhaben aber wieder abstand. Der hier folgende, wörtlich aufgenommene Brief der Milder (adressirt an Hrn. Franz Sch. in der Rossau[246] im Schulhaus) gibt darüber näheren Aufschluß22. Derselbe lautet:


Berlin, den 8. März 1825.


»Mein verehrtester Herr Schubert!


Ich eile Ihnen zu melden, daß ich Ihre Oper Alfonso und Estrella sowie auch den zweiten Gesang der Zulaika (sic) mit unendlichem Vergnügen erhalten habe. Herzlich danke ich Ihnen für ihre Bereitwilligkeit. Zulaika's zweiter Gesang ist himmlisch und bringt mich jedesmal zu Thränen. Es ist unbeschreiblich; allen möglichen Zauber und Sehnsucht haben Sie da hineingebracht, sowie im ersten Gesang der Zu. und im Geheimniß. Zu bedauern dabei ist nur, daß man alle diese unendlichen Schönheiten nicht dem Publicum vorsingen kann, indem die Menge leider nur Ohrenschmaus haben will. Sollte vielleicht der Nachtschmetterling nicht passend sein, eine für die Singstimme brillantere Musik zu machen, so würde ich bitten, daß Sie statt dem ein anderes Gedicht wählen möchten, und wo möglich von Goethe, welches sich in verschiedenen Zeitmaßen singen ließe, damit man mehrere Empfindungen darstellen kann. Wie zum Beispiel in Goethe's Gedichten zu finden. Verschiedene Empfindungen an einem Platz23 oder ein ähnliches, welches ich Ihnen überlasse, damit das Ende davon brillant sein könne.

So viele Lieder, die Sie mir dediciren wollen, kann mir nur höchst erfreulich und schmeichelhaft sein. Den 1. Juni reife ich von hier ab, könnte ich dann für meine Reisen und[247] Concerte ein solches gewünschtes Lied von Ihnen erhalten, so würde es mich unbeschreiblich glücklich machen, nämlich daß Sie einige passende Passagen und Verzierungen anbringen.

Was ›Alfonso und Estrella‹ Ihre Oper anbelangt, so ist es mir unendlich leid, bemerken zu müssen, daß das Buch hievon dem hiesigen Geschmack nicht entspricht, man ist hier die große hochtragische Oper gewöhnt oder die französisch-komische Oper. Nach diesem Ihnen hier beschriebenen Geschmack werden Sie selbst einsehen, daß Alfonso und Estrella durchaus kein Glück hier machen würde.

Sollte ich die Freude haben, in einer Ihrer Opern darstellen zu können, so müßte es wohl für meine Individualität berechnet sein, z.B. die Rolle einer Königin, Mutter oder Bäuerin. Ich würde daher rathen, etwas Neues zu machen und wo möglich in einem Act, und zwar ein orientalisches Sujet, wo der Sopran die Hauptperson; dies müßte Ihnen ganz vorzüglich gerathen, so wie ich aus Goethe's Divan ersehe. Auf drei Personen und Chor könnten Sie für hier der guten Aufführung gewiß sein, nämlich ein Sopran, ein Tenor, ein Baß. Sollten Sie ein solches Sujet finden, so ersuche ich, es mir mitzutheilen, um uns näher zu verständigen. Alsdann würde ich alles anwenden, daß wir die Sache in die Scene bringen. Lassen Sie mich gefälligst wissen, was mit Ihrer Oper Alfonso geschehen soll.

An meinen Freund und Lehrer Vogl bitte ich alle herzlichen Grüße zu entrichten; es thut mir unendlich leid, daß er so leidend ist; mir geht es nicht viel besser. Sagen Sie ihm, daß ich dieses Jahr nach Wiesbaden muß. Es würde mich unendlich glücklich machen, einige Zeilen von ihm zu erhalten.[248]

An Fr. v. Lascny24 bitte ich meine innigen Grüße zu bestellen. Dieser liebenswürdigen und kunstverständigen Frau wünschte ich wohl Ihre Lieder zu singen.


Ihrem geneigten Wohlwollen empfiehlt sich bestens

Ihre

ergebenste

Anna Milder.«


Im September 1827 begab sich Schubert – wie später erwähnt werden wird – auf ein Paar Wochen nach Gratz, wo er sein Absteigquartier in dem Hause des Advocaten Dr. Carl Pachler nahm. Nach Wien zurückgekehrt, schickte er im October an diesen das Textbuch der Oper »Alfonso« ein, welch' letztere nunmehr bis zu Anfang des Jahres 1843 bei Dr. Pachler in Aufbewahrung blieb. Schubert ließ die Partitur ohne Zweifel zum Zweck der Aufführung in Gratz zurück, und es fehlte in der That nicht an Versuchen, das Werk auf der Bühne darzustellen. Bei den Proben erklärte aber der damalige Orchesterdirector Hysel, es sei technisch unmöglich zu spielen, was Schubert verlange. Die Schwierigkeiten der Partitur erschienen dem damaligen Gratzer Orchester geradezu unüberwindlich. Auch mit »Fierrabras« (comp. 1823) soll ein Versuch gemacht worden sein, der aber aus demselben Grund erfolglos blieb25.[249]

Im Jahre 1842 scheint einige Aussicht für die Darstellung der Oper »Alfonso« in Wien vorhanden gewesen zu sein. Darauf läßt wenigstens der folgende Brief Ferdinand Schubert's schließen, wenn man nicht etwa dem Gedanken Raum geben will, daß der Schreiber desselben die Hoffnung einer bevorstehenden Aufführung als Motiv der Zurückforderung der Partitur vorschützte26.

Das Schreiben, datirt vom 26. Juni 1842 und anDr. Pachler in Gratz adressirt, lautet:

»Ich habe durch meine Wiener Freunde mit großer Freude in Erfahrung gebracht, daß das Original der Oper ›Alfonso und Estrella‹, eine Composition meines seligen Bruders Franz, sich, sorgfältig verwahrt, in ihren Händen befinde. Ich bin deshalb so frei, Euer Hochwohlgeboren freundlichst zu ersuchen, mir diese Partitur gefälligst einsenden zu wollen, da ich Hoffnung habe, diese Oper nächsten Winter im k.k. Hofoperntheater zur Aufführung zu bringen.«

Im Jänner 1843 gelangte die Oper wieder in den Besitz Ferd. Schubert's27. Eine Aufführung derselben in[250] Wien hat nicht stattgefunden. Als aber im Jahr 1847 Dr. Franz Liszt seinen Aufenthalt in Weimar nahm, sprach er gegen den Verfasser des Textes Franz v. Schober (damals Legationsrath daselbst) den Wunsch aus, eine Oper Schuberts auf dem dortigen Hoftheater zur Aufführung zu bringen. Schober bezeichnete ihm »Alfonso und Estrella« als die einzige ganz fertige, noch nirgends aufgeführte28, und machte sich anheischig, sogleich an Ferdinand Schubert zu schreiben, damit dieser die Partitur der Hofopernintendanz übersende.

Nach Verlauf von zwei Monaten erhielt er von diesem den folgenden, vom 3. März 1848 datirten Brief29:


»Hochgeehrter, Edler Herr Legationsrath!


Es freut mich ungemein, daß Herr Hofcapellmeister Dr. Liszt auch der Opern meines seligen Bruders gedenkt, und dies um so mehr, als ich weiß, daß Dr. Liszt nur aus Begeisterung für diese Compositionen deren Vorführung beim Publicum zu erzielen sucht.

Nun ist es mir höchst unlieb, diesmal Ihrem Wunsche nicht augenblicklich willfahren zu können, da ich wegen der Opern des Verblichenen sowie wegen einiger anderer Werke[251] desselben bereits mit Breitkopf und Härtel in Unterhandlungen stehe. Daß die Oper ›Alfonso und Estrella‹ so lange gelegen, ohne auf eine Bühne gekommen zu sein und deshalb geeignet sei, das Unternehmen mißtrauisch auf den geistigen Werth dieses Werkes zu machen, dürfte wohl nicht zu besorgen sein, da daran größtentheils der Umstand Schuld ist, daß ein Verehrer Schubert's in Gratz nach dem Tode des Compositeurs diese Oper aus Gewissenhaftigkeit so sorgfältig in einer Cassetruhe aufbewahrte, daß er sie erst nach 14 Jahren wiederfand30.

Uebrigens ist es auch nicht mehr möglich, dieselbe während Dr. Liszt's Aufenthalt in Weimar dort noch einzustudiren, da sie noch nicht herausgeschrieben ist und die kurze Zeit es nicht mehr gestattet. Sobald ich jedoch mit Leipzig in Ordnung bin, werde ich Euer Edlen davon ungesäumt in Kenntniß setzen, damit Sie die weiteren Verfügungen treffen können.

Es freut uns alle außerordentlich, daß Euer Edlen noch immer ein wahrer Freund unsers Bruders Franz sind, und noch eifrig mitzuwirken bemüht sind, dem Verblichenen im Tod noch eine Ehrensäule errichten zu wollen. Nehmen Sie die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung und haben Sie die Güte, dem Herrn Capellmeister Dr. Liszt[252] meinen tiefsten Respect zu vermelden, und insbesondere meinen Dank zu überbringen für die edle Begeisterung, welche derselbe so rührig zur Verewigung mein es seligen Bruders Franz zum Opfer bringt.


Euer Edlen ergebenster Diener

Ferdinand Schubert


Auf diesen Brief erging von Seite des Herrn v. Schober unter dem 18. März 1848 ein dringlicher gehaltenes Schreiben31 an den Besitzer der Partitur ab, und einige Tage darauf langte diese, an Dr. Liszt adressirt, in Weimar an32. Die Aufführung verzögerte sich aber bis zum Jahre 1854, in welchem die Oper und zwar am 24. Juni als Festvorstellung und zugleich als Schluß der Theatersaison zur Geburtstagsfeier des Großherzogs33 unter Liszt's Direction in Weimar zum ersten Mal gegeben wurde. Das Werk war gut einstudirt und unter den Mitwirkenden34 erfreuten sich besonders die Darsteller des Troila und der Estrella[253] anerkennenden Beifalls; auch das Orchester und der Chor thaten ihre Schuldigkeit, dennoch war der Erfolg der Oper kein durchgreifender35 Weitere Versuche von Aufführungen[254] haben in der Folgezeit weder dort noch anderswo stattgefunden.

Von größeren Compositionen gehören diesem Jahr noch an:

Eine Sinfonie für Orchester in H-Moll, welche Schubert zum Dank für das ihm von dem Gratzer Musikverein ausgestellte Diplom eines Ehrenmitgliedes desselben dem Vorstand der Gesellschaft, Anselm Hüttenbrenner, in dem Zustand, in welchem sie sich eben befand, nämlich halbvollendet, übergab. Nach einer Mittheilung Herrn Josef Hüttenbrenner's ist nämlich der erste und zweite Satz vollständig componirt und der dritte (Scherzo) zum Theil. Das Fragment, im Besitz des Herrn Anselm Hüttenbrenner in Gratz, soll – namentlich der erste Satz – von hoher Schönheit sein. Ist dies der Fall, so dürfte sich wohl der intime Freund Schubert's demnächst entschließen, das noch ganz unbekannte Werk des von ihm hochverehrten Meisters, von Schloß und[255] Riegel zu befreien, um die Freunde der Schubert'schen Muse damit bekannt zu machen36.

Die Messe in As, eine der bedeutendsten Kirchencompositionen unsers Meisters; die Cantaten: »Volkslied«37 von Deinhartstein, »des Tages Weihe« (op. 146), das Frauenquartett: »Gott in der Natur38« und das Männerquartett: »Geist der Liebe« (op. 133 und 11). Die Lieder, welche diesem Zeitraum angehören, sind fast durchweg im Stich erschienen und weit verbreitet39.

Als Schuber's Werke in die Oeffentlichkeit gelangten, war Beethoven bereits mit den beiden Riesenschöpfungen: der neunten Sinfonie und derD-Messe beschäftigt.[256]

Die Oper »Fidelio«, im Jahre 1805 componirt und aufgeführt, seit dem Jahre 1806 aber dem Staub der Theaterbibliothek überantwortet, war im Jahre 1814 dem Repertoir des Operntheaters wieder einverleibt worden und wurde von dieser Zeit an bis zum Jahre 1823 von einem Verein von Künstlern (Milder-Hauptmann, später Campi, Hönig und Frl. Schröder, Michael Vogl, Weinmüller und Radichi) in trefflicher Weise dargestellt.

Außer den gewaltigen Orchesterwerken hatte Beethoven eine bedeutende Anzahl unvergleichlicher Meisterstücke, namentlich im Gebiet der Clavier- und Kammermusik, geschaffen.

Vielfach noch unverstanden, wurde er von allen jenen bewundert, welche die Größe seines Geistes ahnen konnten.

Neben den Werken der ihm vorangegangenen großen Meister herrschten die seinen in allen musikalischen Kreisen oder brachen sich daselbst die Bahn; es fehlte nicht an glänzenden Anerbietungen von auswärts, und hatte er auch mit den Verlegern daheim hie und da seine liebe Noth, so befand er sich doch ihnen gegenüber lange Zeit hindurch in der glücklichen Lage, den Preis, um welchen er seine Compositionen überlassen wollte, zu bestimmen und bei allfälligen Mäkeleien seinen souveränen Willen in entschiedener Weise zur Geltung zu bringen.

Anders war es in dieser Beziehung mit Schubert bestellt. Er schuf rastlos fort, ohne Hoffnung, auch nur den halben Theil dessen, was er schrieb, an Mann zu bringen und seine Thätigkeit nach Gebühr belohnt zu sehen. Als er starb, waren hundert und einige Lieder veröffentlicht, etwa der fünfte Theil seiner sämmtlichen Gesangscompositionen. Diese Lieder waren es hauptsächlich, von deren Ertrag er[257] sein Leben fristen mußte; denn seine übrigen Werke fanden in Folge der Concurrenz, welche sie mit den Compositionen der älteren Meister zu bestehen hatten, hauptsächlich aber der erdrückenden Machtstellung, welche Beethoven einnahm, mit geringen Ausnahmen wenig Beachtung; und selbst den angestrengtesten Bemühungen um ihn besorgter Freunde ist es nicht gelungen, einigen seiner größeren Werke, ja nicht einmal den Liedern in Wien oder im Ausland raschen Eingang und Absatz zu verschaffen. Auch diesen letzteren gegenüber beobachteten nämlich die Verleger mitunter eine reservirte Haltung oder stellten Anforderungen an ihn, die er im Interesse der von ihm vertretenen Kunst entschieden zurückwies40.

Dreißig Jahre hindurch athmeten zwei unsterbliche Meister der Tonkunst die Luft derselben Stadt ein; während eines Zeitraumes von sieben Jahren wandelte der nun auch schon gefeierte Schubert neben dem um 27 Jahre älteren Beethoven, ohne daß die Beiden zu einander in engere Berührung getreten wären.

Für diesen hegte Franz schon in jungen Jahren die höchste Ehrfurcht, und zu wiederholten Malen ließ er sich im Convicte von einer Production erzählen, zu welcher, ein Paar Monate vor seinem Eintritt in das selbe, das Orchester nach Schönbrunn beordert worden war, und wobei Beethoven und Teyber41, die Musikmeister des Erzherzogs Rudolf, gegenwärtig waren.[258]

Als er, ein Knabe noch, nach dem Vortrage einiger kleiner, von ihm über Gedichte von Klopstock componirter Lieder einen Freund, der sie eben angehört hatte, fragte, ob er wohl glaube, daß jemals etwas aus ihm werden könne, und dieser ihm erwiderte, er sei jetzt schon etwas Tüchtiges, meinte Schubert: »Zuweilen glaube ich es wohl selbst im Stillen. Wer vermag aber nach Beethoven noch etwas zu machen?«

Der feingebildete Pinterics42, der dem großen Meister in dessen filologischen und politischen Discussionen zur Seite, oder nach Umständen als Kämpe gegenüber stand und überhaupt viel mit ihm verkehrte, war wohl auch mit Schubert bekannt und soll (nach Schindler) sogar einigen Einfluß auf diesen ausgeübt haben; es scheint aber nicht, daß er zwischen den beiden Geistesverwandten irgend eine Vermittlung jemals beabsichtigt habe.[259]

Beethoven war schwer zugänglich und hat wahrscheinlich bis zu dem Tag, an welchem die vierhändigen Variationen von Schubert (op. 10) mit dessen Dedication auf dem Titelblatt in seine Hände gelangten, von dem Componisten des »Erlkönig« wenig Notiz genommen.

Beider Wesen war auch grundverschieden, und wenn Schuberts Behäbigkeit, sein kindlich naiver Sinn, seine Unbeholfenheit im praktischen Leben, seine Freude an fröhlicher Gesellschaft und einem guten Glas Wein, seine Aufrichtigkeit und eine tüchtige Dosis specifischer Wiener Gemüthlichkeit an den Charakter Mozart's erinnern, so unterschied er sich durch diese Eigenschaften ebensosehr von dem einerseits launenhaften, mißtrauischen, sarkastischen und empfindlich stolzen, andererseits aber auch durch Seelengröße, Geistestiefe, durch classische und allgemeine Weltbildung ihn und Mozart überragenden Beethoven.

Was die oben erwähnten Variationen anbelangt, so schildert Anton Schindler deren Ueberreichung in folgender Weise43:

»Im Jahre 1822 machte sich Franz Schubert auf, um seine vierhändigen, Beethoven gewidmeten Variationen über ein französisches Lied, op. 10, dem von ihm hochverehrten Meister zu überreichen. Ungeachtet Diabelli's Begleitung und Verdolmetschung seiner Gefühle für diesen spielte er doch bei der Vorstellung eine ihm selber mißfällige Rolle. Die bis an's Haus festbewahrte Courage verließ ihn ganz beim Anblick der Künstler-Majestät. Und als Beethoven den Wunsch geäußert, Schubert möge die Beantwortungen seiner[260] Fragen niederschreiben, war die Hand wie gefesselt. Beethoven durchlief das überreichte Exemplar und stieß auf eine harmonische Unrichtigkeit. Mit sanften Worten machte er den jungen Mann darauf aufmerksam, beifügend, das sei keine Todsünde; indessen ist Schubert vielleicht gerade in Folge dieser begütigenden Bemerkung vollends außer alle Fassung gekommen. Erst außer dem Hause raffte er sich wieder zusammen und schalt sich selber derbe aus. Das war seine erste und letzte Begegnung mit Beethoven, denn er hatte niemals wieder den Muth, sich ihm vorzustellen

Die Richtigkeit dieser Episode mit den nicht sehr wahrscheinlichen, und für Schubert geradezu demüthigenden Details, wie sie eben angegeben wurden, hat der nunmehr heimgegangene Biograf Beethoven's zu verantworten; constatirt muß aber werden, daß eine in Wien noch lebende, mit Schubert wohlbekannte und vertraute Person (Hr. Josef Hüttenbrenner) kurz nach Ueberreichung des Musikstückes aus Schubert's Mund gehört haben will, daß er allerdings sich zu Beethoven begeben, diesen aber nicht zu Hause getroffen und sofort die Variationen der Magd oder dem Diener übergeben habe, demnach Beethoven damals weder gesehen und noch weniger gesprochen habe. Hüttenbrenner bemerkt weiter, Schubert habe später mit Freude vernommen, daß Beethoven an den Variationen Gefallen finde und sie oft und gerne mit seinem Neffen Carl durchspiele.

Im Sommer 1822 kam Hofrath Friedrich von Rochlitz von Leipzig nach Wien, um Beethoven aufzusuchen und mit ihm einiges Musikalische, namentlich die Composition des Goethe'schen »Faust«, zu besprechen.[261]

In dem zweiten Briefe, den er über seine Begegnung mit dem Meister an Christian Härtel in Leipzig schrieb, kommt folgende Stelle vor, welche hier darum angeführt wird, weil sie auf eine persönliche Berührung Schubert's mit Beethoven ausdrücklich hindeutet. Dieselbe lautet:

»Eben 14 Tage darauf (nach dem ersten Zusammentreffen mit Beethoven) will ich (Rochlitz) zu Tisch gehen, da begegnet mir der junge Compositeur Franz Schubert, ein enthusiastischer Verehrer Beethoven's. Dieser hatte zu ihm von mir gesprochen. Wenn Sie ihn unbefangener und fröhlich sehen wollen, sagte Schubert, so dürften Sie nur eben jetzt in dem Gasthause44 speisen, wohin er alleweile in derselben Absicht gegangen ist. Er brachte mich hin. Die Plätze waren meist besetzt; Beethoven saß umgeben von mehreren seiner Bekannten, die mir fremd waren, u.s.w.« Von Schubert ist in dem Brief weiter nicht die Rede.

So innig dieser mit den Werken Beethoven's, namentlich seinen Sinfonien vertraut war, die er in den Concerten hörte und gerne auf dem Clavier (zu vier Händen) durchspielte, so wenig hatte sich der Letztere um Schubert's Leistungen gekümmert, eine Außerachtlassung, welche einem Beethoven wohl verziehen werden darf.

Versenkt in das Schaffen tiefster Geisteswerke, meist im Gebiete der Orchester- und Kammermusik, hatte dieser weder Zeit noch Anlaß, den Schubert'schen Liedern, die eben erst an das Tageslicht zu dringen begannen, seine Aufmerksamkeit zu schenken.[262]

Erst in der letzten Zeit seines Lebens lernte er die Compositionen desjenigen, der zu ihm, als zu seinem Ideal hinaufsah, näher kennen, und so wie Jean Paul, der sich durch Schubert's Genius in hohem Grade angezogen fühlte, nach der in seinen letzten Lebensjahren eingetretenen Erblindung in Schubert's Liedern Trost fand, und noch einige Stunden vor seinem Tode den »Erlkönig« zu hören verlangte, so beschäftigte sich auch Beethoven in den letzten Lebenstagen mit Schubert'schen Liedern, die ihm bis dahin fast gänzlich unbekannt geblieben waren.

Schindler theilt darüber Folgendes mit:45

»Da die Krankheit, der Beethoven nach viermonatlichem Leiden endlich doch erlag, ihm vom Anbeginne derselben die gewohnte Geistesthätigkeit unmöglich machte, so mußte man an eine Zerstreuung für ihn denken, die seinem Geiste und seiner Neigung entsprach. So kam es auch, daß ich ihm eine Sammlung von Schubert'schen Liedern und Gesängen, ungefähr 60 an der Zahl, und darunter viele damals noch im Manuscripte, vorlegte. Dies geschah nicht allein in der Absicht, ihm eine angenehme Unterhaltung zu verschaffen, sondern ihm auch Gelegenheit zu geben, Schubert in seiner Wesenheit kennen zu lernen, um eine günstigere Meinung von seinem Talente zu bekommen, welches ihm von jenen Exaltirten, die es wohl auch mit anderen Zeitgenossen so hielten, verdächtig gemacht wurde. Der große Meister, der früher nicht fünf Lieder von Schubert kannte, staunte über die Zahl derselben und wollte gar nicht glauben, daß Schubert bis zu jener Zeit (Februar 1827) deren bereits über[263] 500 geschrieben hatte. Aber staunte er schon über die Zahl, so gerieth er in die höchste Verwunderung, als er ihren Inhalt kennen lernte. Mehrere Tage hindurch konnte er sich gar nicht davon trennen, und stundenlang verweilte er täglich bei ›Iphigenie‹, ›Grenzen der Menschheit‹, ›Allmacht‹, ›Junge Nonne‹, ›Viola‹, den ›Müller-Liedern‹ und andern mehr.« Mit freudiger Begeisterung rief er wiederholt aus: »Wahrlich, in dem Schubert wohnt ein göttlicher Funke.« – »Hätte ich dies Gedicht gehabt, ich hätte es auch in Musik gesetzt!« So bei den meisten Gedichten, deren Stoff, Inhalt und originelle Bearbeitung von Seite Schubert's er nicht genug loben konnte. Eben so konnte er nicht begreifen, wie Schubert Muße hatte, »sich über so viele Dichtungen zu machen, wovon manche zehn andere enthält,« wie er sich ausdrückte; und solcher Gesänge im großen Styl hat Schubert allein an hundert geliefert, die keineswegs bloß lyrischen Charakters sind, sondern die weitausgesponnensten Balladen und dialogisirte Scenen enthalten, die, indem sie dramatisch bearbeitet sind, in der Oper selbst am Platze wären und ihre Wirkung auch dort nicht verfehlen würden. Was hätte wohl der große Meister gesagt, wenn er z.B. die »Ossianischen Gesänge«, die »Bürgschaft«, »Elysium«, den »Taucher« und andere große, die nun kürzlich erst erschienen sind, zu Gesicht bekommen hätte? – Kurz, die Achtung, die Beethoven für Schubert's Talent bekam, war so groß, daß er nun auch seine Opern und Clavierwerke sehen wollte; allein seine Krankheit nahm bereits in dem Grade zu, daß er diesen Wunsch nicht mehr befriedigen konnte. Doch sprach er noch oft von Schubert und prophezeite: »daß dieser noch viel[264] Aufsehen in der Welt machen werde,« so wie er auch bedauerte, ihn nicht früher schon kennen gelernt zu haben.

Bekanntlich war es Anselm Hüttenbrenner, der auf die Nachricht von Beethoven's schwerer Erkrankung von Gratz herbeigeeilt, sich bei diesem in der letzten Stunde seines Lebens ganz allein befand und dem Sterbenden die Augen zudrückte.

Einige Zeit vor46 dieser Katastrofe hatten sich Schubert, Josef Hüttenbrenner (der Gewährsmann dieser Episode) und der Maler Teltscher (letzterer in der Absicht, die Züge des Meisters unbeobachtet in sein Skizzenbuch aufzunehmen) in Beethoven's Wohnung begeben und umstanden da eine Weile lang das Krankenlager des seinem Ende entgegensehenden Mannes. Beethoven, welchen man vorher benachrichtiget hatte wer die Eingetretenen seien, fixirte sie unbeweglichen Auges und machte mit der Hand einige diesen unverständliche Zeichen. Schubert, auf das tiefste erschüttert, verließ sodann mit seinen Begleitern das Zimmer, und dieser Besuch ist, sowie er der letzte war, so auch wahrscheinlich der erste gewesen, welchen er Beethoven abgestattet hat, da sich mehrere noch lebende und mit Schubert sehr vertraut gewesene Personen eines mehr als zufälligen Zusammentreffens Beider in keiner Weise erinnern können47.[265]

Dem Begräbnisse Beethoven's folgte Schubert in Begleitung Franz Lachner's und Josef Randhartinger's48 Auf dem Rückweg von demselben kehrte er (wie mir Letzterer mittheilte) mit den beiden Begleitern in einer Weinstube »auf der Mehlgrube« ein. Da ließ er die Gläser mit Wein füllen und leerte das erste auf das Andenken des eben zu Grabe Getragenen, das zweite aber auf das Andenken dessen, welcher unter den Dreien ihm der erste nachfolgen würde, nicht ahnend, daß schon im darauf folgenden Jahr dieser erste er selbst sein werde. Sein oft ausgesprochener Wunsch, an der Seite Beethoven's den ewigen Schlaf zu schlafen, wurde ihm erfüllt. – –

Wie bereits erwähnt, zeigten nach der begeisterten Aufnahme des »Erlkönig« Seitens des großen Publicums die Musikverleger in Wien großes Interesse für Schubert'sche Compositionen.

Nebst Cappi49 und Diabelli erklärten sich auch Leidesdorf, Eder, Czerny, Thaddäus Weigl, Pennauer und Artaria[266] zu deren Verlag bereit, und es erschienen auch mehrere seiner Werke in diesen musikalischen Verlagshandlungen50. Mit Leidesdorf pactirte Schubert auf die Lieferung von Liedern für zwei Jahre; doch scheint es davon wieder abgekommen zu sein; auch mit Peters in Leipzig wurden durch Vermittlung Josef Hüttenbrenners Unterhandlungen angeknüpft, deren sogleich erwähnt werden wird.

Die bei Cappi und Diabelli in Commission herausgegebenen zwölf Werke hatten über 2000 Gulden eingetragen, und von dem »Erlkönig« allein waren in den ersten drei Vierteln des Jahres 1821 um 800 fl. Exemplare abgesetzt worden, von deren Erlös Diabelli 50 Procente erhalten haben soll.

Schubert hatte es damals in seiner Macht, für seine materielle Existenz einen soliden dauernden Grund zu legen und von seinen massenhaft erscheinenden Werken großen Vortheil[267] zu ziehen. Aber dem in den Erwerbsgeschäften des Lebens unerfahrenen, nur für den Augenblick sorgenden und gegenüber dem Eigennutz gewinnsüchtiger (später durch ihn reich gewordener) Verleger wehrlos dastehenden Manne war es nicht gegeben, diese günstigen Verhältnisse in seinem Interesse auszubeuten51.

In einer schwachen Stunde, wahrscheinlich geldbedürftig, ließ er sich von Diabelli bereden, demselben die Platten sammt Eigenthumsrecht der ersten zwölf Hefte um den Preis von 800 fl. CM. abzutreten. Diabelli honorirte ihn zwar für seine weiteren Arbeiten, Schubert verlor aber durch diesen Schritt seine Unabhängigkeit und brachte sich um den Vortheil, der ihm daraus erwachsen sein würde, wenn er Eigenthümer seiner Werke geblieben wäre52. Die um ihn besorgten Freunde, ohne deren Wissen dies geschehen, bedauerten[268] den Vorfall, ohne deswegen aufzuhören, sich seiner mit gleicher Sorgfalt wie bisher anzunehmen53.

Als diejenigen Personen, welche bedacht waren, einigen Schubert'schen Werken, und namentlich seinen Opern nicht blos in Wien, sondern auch anderwärts Verbreitung und vortheilhafteren Absatz zu verschaffen, müssen unter Anderen auch Franz v. Schober und Josef Hüttenbrenner bezeichnet werden. Der Erstere bemühte sich, acht Jahre hindurch, doch vergeblich, die Oper »Alfonso und Estrella« auf einem der Theater in Wien, Dresden, Prag, Gratz, Berlin oder Pest zur Aufführung zu bringen. Ein Brief54, welchen Schober am 24. December 1824 von Breslau aus an Schubert richtete, bezeugt, wie ihm auch in der Fremde das Wohl seines Freundes am Herzen lag. Die betreffende Stelle lautet:

»Nun auf Deine Sachen. Was machen denn Deine Opern? Ist die Castelli'sche schon gegeben, und die Kupelwieser'sche55? Verlautet denn gar nichts von C.M. Weber56?[269] Schreib' ihm doch und wenn er Dir nicht genügend antwortet, begehre sie zurück. Ich habe Mittel, an Spontini zu kommen; willst Du, daß ich einen Versuch mache, ob man ihn zur Aufführung bewegen könnte, denn es soll schwer bei ihm halten! Ich glaube, es hängt nur davon ab, daß etwas ganz gegeben wird, um den Enthusiasmus für Dich auf's neue im Volke zu beleben, aber gut wäre es wohl, wenn es bald geschähe. Also mit Leidesdorf geht es schlecht? Das ist mir doch sehr leid, und auch Deine Müllerlieder haben kein Aufsehen gemacht? Die Hunde haben kein eigenes Gefühl und keinen eigenen Gedanken und überlassen sich blind dem Lärm und fremder Meinung; wenn Du Dir nur ein paar Lärmtrommeln von Recensenten verschaffen könntest, die immerfort ohne Ende in allen Blättern von Dir sprächen, es würde schon gehen; ich weiß ganz unbedeutende Leute, die auf diese Weise berühmt und beliebt geworden sind, warum sollte es denn der nicht benützen, der es im höchsten Maße verdient. Castelli schreibt in ein paar auswärtige Blätter, du hast eine Oper von ihm gesetzt; er soll's Maul aufmachen. Moritz57 hat uns die Müllerlieder geschickt, schicke Du mir doch, was sonst erschienen ist. Wie freue ich mich, daß Du wieder ganz gesund bist58, ich werde es auch bald sein. Für das Gedicht danke ich Dir mehrmals, es ist so wahr und empfunden und hat auf mich großen Eindruck gemacht. Ja wohl! Im siechen Alter schleicht das Volk umher! Lebe wohl und liebe mich, wir werden gewiß[270] wieder vereiniget werden. In Moritzens Brief wirst Du


Ewig Dein

Schober.«


Hüttenbrenner suchte die Oper »Des Teufels Lustschloß« (in ihrer zweiten Bearbeitung) auf die Bühne zu bringen, und wendete sich zu diesem Ende an die Direction des Josefstädter Theaters, an Graf Gallenberg in Wien, an Capellmeister Winter in München und an Director Holbein in Prag. Keine dieser Bemühungen war aber von Erfolg gekrönt und Schubert hatte überhaupt seit dem Jahr 1820 nicht mehr die Genugthuung, eine seiner Opern auf dem Theater dargestellt zu sehen. Die Direction des Josefstädter Theaters ließ es bei dem Versprechen, die erwähnte Oper aufzuführen, bewenden; Graf Gallenberg erklärte, er werde sie im Hoftheater geben lassen, wenn ihm für die Unkosten und den allfälligen Nichterfolg 10.000 fl. garantirt würden; in München war ebenso wenig zu erreichen, und nur Director Holbein erklärte sich unter gewissen Vorbehalten bereit, die Oper zur Darstellung zu bringen. Er schrieb nämlich unter dem 22. October 1822 an Josef Hüttenbrenner59:


»Es macht mir ein besonderes Vergnügen, jungen Talenten die gewöhnlich rauhe Bahn der Kunst zu ebnen. Belieben Sie mir Buch und Musik von ›Teufels Lustschloß‹ zu senden. Entspricht es ihrer Aeußerung, so soll der Aufführung nichts im Wege stehen. Bedaure, daß ich während meines Aufenthaltes in Wien vom 20. September bis 19. October[271] nicht das Vergnügen hatte, Ihre und Ihres talentreichen Freundes persönliche Bekanntschaft zu machen.«


Die Correspondenz hatte weiter kein Resultat, und die genannte Oper ist bis zum heutigen Tag überhaupt nirgends noch zur Aufführung gekommen.

Ein Beweis, wie zurückhaltend sich damals auch die ausländischen Verleger selbst Schubert's Liedern gegenüber benahmen, ist das nachstehende von Peters ebenfalls an Jos. Hüttenbrenner gerichtete Schreiben:


Leipzig, 14. November 1822.


»Zeitherig gehäufte Geschäfte mögen mich wegen etwas verspäteter Beantwortung Ihres Geehrten vom 18. October entschuldigen.

Sehr dankbar bin ich Ihnen für Ihre Mittheilung in Betreff des H. Schubert. Mehrere Gesangscompositionen desselben sind mir vortheilhaft bekannt und erwecken Vertrauen zu dem, was Sie mir von diesem Künstler Vortheilhaftes sagen. Recht gerne will ich zu einer weiteren Verbreitung der Werke dieses Componisten beitragen, als solches die Wiener Handlungen können, allein ehe ich mich deßhalb auf etwas einlasse, erlauben Sie mir, Ihnen eine kleine Darstellung meiner Handelsverhältnisse zu machen.

In dem Augenblick, als ich in meine jetzige Handlung eintrat, faßte ich den Plan, mich als Verleger vortheilhaft auszuzeichnen, nie etwas Schlechtes, sondern vielmehr so viel wie möglich nur das Beste zu drucken. Ganz diesen Plan auszuführen, ist nicht möglich, denn von den vorzüglichsten Künstlern allein so viel Manuscripte zu erhalten, als ich brauche, ist unmöglich, und zweitens sind wir Verleger auch oft durch Convenienzen gezwungen, Manches zu drucken, was[272] außerdem wenigstens ich nicht drucken würde; ja wir müssen sogar manches Oberflächliche verlegen und dadurch für jedes Publikum sorgen, denn mit bloß classischen Werken würden wir einen sehr beschränkten Geschäftskreis haben, weil bekanntlich die Zahl der Kenner nicht die Mehrzahl ist; dessenungeachtet habe ich mich aber durch Gewinnsucht nicht zu dem einträglicheren aber gehaltlosen Modetand verführen lassen, sondern darauf gesehen, daß auch die Werke für den größeren Haufen nie schlecht waren, übrigens immer auf meinen Lieblingszweck hingearbeitet und die Herausgabe vorzüglicher Werke mein Hauptbestreben sein lassen, und in der Folge wird das Bestreben immer sichtbarer werden, indem ich mit jedem Jahre nur gute Verbindungen anknüpfe, auch meine zunehmenden ökonomischen Kräfte mir erlauben werden, solche Verbindungen zu erhalten.

Aus diesem nun ergeben sich aber zwei Dinge, die mich gar oft gefesselt halten; das erste ist die Zeit, von der ich fast immer in Zaum gehalten werde; um möglichst viele gute Werke zu erhalten, muß ich Verbindungen mit guten Künstlern suchen und solche dadurch befestigen, daß ich nicht nur solche zufrieden zu stellen suche, sondern mich auch zu ihrem stets bereitwilligen Verleger anbot, was für beide Theile gut und angenehm ist. Meine Verbindung mit den mehrsten meiner mir werthen Autoren, wie Spohr, Romberg, Hummel etc. ist zum freundschaftlichsten Verhältniß geworden; aus doppelter Hinsicht bin ich nunmehr verpflichtet, alles zu übernehmen, was mir solche Freunde und gute Künstler senden, wenn auch, wie oft der Fall vorkommt, manches darunter ist, woran ich voraussehe, daß kein Gewinn dabei ist. Durch diese Verpflichtung nun wird meine Zeit sehr beschränkt;[273] denn nicht allein, daß jene Künstler mich fortwährend beschäftigen, sondern ich muß auch noch einige Zeit in Vorrath behalten für Werke, die mir von solchen unerwartet zukommen, wie es jetzt bei einigen der Fall ist; meine übrige Zeit reicht dann selten hin, um noch andere nöthige Sachen herauszugeben, so daß ich also fast immer gehindert bin, neue Componisten-Verbindungen anzuknüpfen, weil zu deren Werken keine Zeit ist.

Der zweite Punkt, welcher eine neue Verbindung erschwert und aus dem früher Gesagten hervorgeht, ist die Neuheit und der in meinem neuen Wirkungskreise noch unbekannte Name eines angehenden Componisten. Gar oft trifft mich der Vorwurf, daß ich zur Bekanntmachung der Werke neuer Componisten nicht beitragen wolle und er nicht bekannt werden könne, wenn sich der Verleger mit der Ausgabe seiner Werke nicht befasse; allein dieser Vorwurf trifft mich ganz unwahr, alles kann ich nicht machen, sondern einem Plane muß man folgen, wenn etwas Ordentliches herauskommen soll; ich trachte nach den Werken der schon anerkannten Künstler, manches drucke ich zwar außerdem, allein kann ich von diesen genug erhalten, so muß ich die Einführung neuer Componisten anderen Verlegern überlassen. Diese können auch etwas thun, und viele derselben thun jenes gern, weil sie die Honorare der schon älteren und theueren Künstler scheuen. Ist aber der neue Componist namhaft geworden und werden seine Werke als gut erkannt, dann bin ich sein Mann, denn dann schlägt die Herausgabe seiner Werke in meinen, mehr auf Ehre als auf Gewinn gegründeten Plan, und lieber will ich seine Werke theurer honoriren als anfänglich wohlfeil beziehen.[274]

Sie sehen also, daß es mir schwer fällt, in Ihren Vorschlag wegen Hrn. Schubert sogleich einzugehen, wobei namentlich meine sehr beschränkte Zeit ein Hauptgrund ist; indeß nach dem, wie ich von demselben schließe, möchte ich den Wunsch des jungen Künstlers doch auch nicht gern abschlagen. Als Mittelding würde ich daher vorschlagen, daß mir Hr. Schubert einige seiner zum Druck bestimmten Werke zur Ansicht übersende, denn ungesehen drucke ich nichts von einem noch wenig bekannten jungen Componisten. Macht ein großer bekannter Künstler etwas Schlechtes, so fällt der Tadel auf ihn, denn mir war sein Name Bürge, bringe ich aber etwas von einem neuen Künstler, was nicht gefällt, so trifft mich die Schuld, denn wer heißt mich etwas drucken, wenn ich nicht die eigene Ueberzeugung von dessen Güte habe? Hier gewährt mir der Name des Componisten keinen Schutz. Daß Hr. Schubert bei mir seine Werke in treue Hände niederlegt, ist keine Frage, er ist bei mir vor jedem Mißbrauch gesichert. Finde ich dieselben nach Wunsch, so will ich davon behalten was ich kann, dagegen darf mir Hr. Schubert auch nicht übel nehmen, wenn mir etwas nicht gefällt, ich werde ganz offen sein, denn solche Offenheit führt am sichersten zu einem guten Vernehmen.

Ferner muß ich bitten, daß er mir bloß die gelungensten Werke sende; zwar wird er nichts herausgeben, was er nicht für gelungen hält, indeß dem sei, wie ihm wolle, ein Werk fällt besser aus wie das andere, und ich muß das Beste haben, ich sage, ich muß das Beste haben, wenn ich einen Componisten bei einem Publico, das sehr ausgedehnt ist, einführen will, nicht um dabei eines Gewinnes sicher zu sein, sondern meines Credits wegen.[275]

Ich habe mir es sauer werden lassen, meinen Verlag möglichst zu vervollkommnen, allein es wird mir auch schon auf vielen Seiten der Lohn dafür, daß meine Handlung ein vorzügliches Zutrauen genießt; man ist gewohnt, daß ich viele gute Werke herausgebe, und wenn ich bisweilen mit einem neuen Autor reussire, so schenkt man ihm schon deßhalb mehr Vertrauen, weil man glaubt, daß er gut sein müsse, weil ich mich damit befasse. Freilich sind schon einige Mal Täuschungen dabei vorgefallen, allein nun werde ich immer vorsichtiger, um meinen sauer erworbenen Credit zu erhalten und immer mehr zu befestigen. Aus diesem Grunde verlange ich von einem neuen Autor, daß er mir das Gelungenste liefere, damit ich ihn gleich gehörig empfehlen kann und meine Empfehlung gerechtfertigt werde. Auch wird durch den ersten Eindruck oft die Bahn für die ganze Folge gebrochen, daher angehenden Componisten nicht genug die gute Lehre wiederholt werden kann, daß sie mit der Herausgabe ihrer Werke so behutsam wie möglich zu Werke gehen. Sie können viel wagen, aber nur wenig drucken lassen, bis erst ihr Ruf gegründet ist.

Spohr hat erst 58, Andreas Romberg 66, Bernhard Romberg 38 Werke herausgegeben, während jetzt viele andere Künstler, welche weit jünger sind, schon über 100 drucken ließen. Diese nun anerkannten Künstler haben auch weit mehr componirt, aber nicht herausgegeben, und will man dagegen einen fruchtbaren und dabei gediegenen Mozart, Haydn, Beethoven etc. aufstellen, so erkläre ich solche als seltene Erscheinungen, die man allerdings zu Vorbildern nehmen muß; allein die Erfahrung muß erst lehren, ob man[276] ihnen gleich ist, und welche Menge früherer Werke von Mozart etc. sind nicht gedruckt worden.

Haben Sie nun die Güte, sich wegen des hier Mitgetheilten mit Hrn. Schubert zu besprechen und weiters zu verfügen. Was die Bedingungen seinerseits betrifft, so bitte ich solche mir mitzutheilen, indem es für mich ein unangenehmes Gefühl ist, auf ein Geistesproduct ein Gebot zu thun. Uebrigens werden die Bedingungen keinen Anstand geben, denn die Beständigkeit, mit welcher meine Autoren bei mir bleiben, beweist schon, daß mit mir gut auskommen ist, und mir selbst kann ich das Lob ertheilen; übrigens werden ja die Bedingungen des jungen Künstlers nicht so hoch gestellt sein, daß solche nicht leicht annehmbar wären.

Daß von einem Werke des Hrn. Schubert in Wien allein 300 abgesetzt werden können, will ich glauben, sobald solches in Wien gedruckt, ich aber setze dort schwerlich 100 ab, ob ich gleich mit allen Handlungen in Verbindung stehe. Sie werden solches recht wohl begreifen, auch ich will mich nicht auf eine Auseinandersetzung der Ursachen einlassen, allein daß es so ist, dürfen Sie mir glauben; die Erfahrung bestätigt solches nur zu sehr, und nur selten geschieht darin eine Ausnahme. Ich empfehle mich Ihnen und bleibe mit aller Hochachtung


Hochwohlgeboren ergebenster Diener

B.V. Peters.«


»Wenn Hr. Schubert Gesangscompositionen einsendet, so sind mir Gesänge, die einen Namen haben, wie Beethoven's[277] Adelaide oder dergleichen lieber als bloße Lieder, denn es erscheinen so viele Lieder und Gesänge, daß man diesem Titel nicht genug Aufmerksamkeit schenkt.«

Auch diese Bemühungen Hüttenbrenner's sind resultatlos geblieben. Später ist Schubert mit Verlegern in Leipzig und Mainz in directe Unterhandlungen getreten, welche zum Theil auch Erfolg hatten.

Nach einer mir ebenfalls von Hrn. J. Hüttenbrenner gemachten Mittheilung war unserem Tondichter um diese Zeit Gelegenheit geboten, durch Annahme eines Amtes, dessen Besorgung ihn in dem freien Gebrauch seiner Zeit nur wenig beschränkt haben würde, sich eine gesicherte Stellung zu erringen, deren Innehabung ihm einige Jahre später wohl zu Statten kommen konnte. Der damalige Hofmusikgraf Moriz von Dietrichstein, dem Tondichter von jeher sehr gewogen, ließ ihm nämlich durch Vogl die Stelle eines Organisten der Hofkapelle antragen. Die Kunde davon überbrachte Hüttenbrenner dem Vater Schubert's, damals Schullehrer in der Rossau, der sie mit großer Freude annahm. Franz aber weigerte sich zum Leidwesen des Vaters, die Stelle anzunehmen, ohne Zweifel aus Scheu, in ein Verhältniß der Abhängigkeit zu gerathen, das ihn seiner vollen Freiheit berauben könnte. Einige Jahre darauf, als dasjenige noch immer nicht eingetroffen war, was er scherzweise vor Freunden als eine Forderung seiner Kunst aussprach, nämlich: »daß ihn der Staat erhalten sollte, damit er frei und sorglos componiren könne«60, bewarb er sich aus freien Stücken um eine Vice-Hofkapellmeisterstelle,[278] die aber (wie später noch erwähnt werden wird) einem Andern verliehen wurde.

Noch ist hier eines Dankschreibens zu erwähnen, welches er von dem Bischof Dankesreithner in St. Pölten für die Dedication der »Harfnerlieder« (op. 12) erhielt61. Dasselbe lautet:


»Wohlgeborner Herr!


Sie haben mir eine wahrlich unverdiente und ganz besondere Ehre dadurch erwiesen, daß Sie mir das zwölfte Werk Ihrer allgemein geschätzten und beliebten musikalischen Kunstproducte gewidmet. Empfangen Sie sowohl für diese Auszeichnung und Aufmerksamkeit, als für die mit Ihrem gütigen Zueignungsschreiben übersendeten Exemplare dieses vortrefflichen Werkes meinen sehr verbindlichen Dank und das Geständniß, daß ich mich als großen Schuldner von Ihnen erkenne. Ein Exemplar habe ich sogleich meinem Secretär Herrn Gießrigl, eines dem Herrn Prof. Kastl übergeben. Beide waren hocherfreut darüber.

Gott, von welchem jede gute Gabe kommt, hat Sie vorzugsweise mit einem so seltenen, so erhabenen Musiktalente ausgestattet, daß Sie durch die fernere Bearbeitung und Benutzung desselben Ihr Glück standhaft gründen können. Da ich Ihnen dieses Lebensglück recht herzlich wünsche, versichere ich Sie, daß ich mit ausgezeichneter Hochachtung und vieler Verbindlichkeit bin Ihr

ergebenster Diener

Johann Nep. m.p., Bischof.«
[279]

Schubert richtete um diese Zeit an die Gesellschaft der Musikfreunde das Ersuchen um Aufnahme als ausübendes Mitglied (für den Violapart), wurde aber abweislich beschieden, weil, wie es in der Motivirung hieß, statutengemäß nur Dilettanten, und nicht auch solche Personen zugelassen werden könnten, welche von der Musik leben62.

1

Ihm sind die »Harfnerlieder« (op. 12) gewidmet.

2

Laut Originalpartitur (im Besitz des Wiener Musikvereins) ist der erste Act am 20. September 1821, der zweite am 20. October desselben Jahres begonnen, und der dritte Act am 27. Februar 1822 beendet worden.

3

In einem an mich gerichteten Briefe.

4

Das Original der beiden Briefe besitzt Herr Heinrich Schubert in Wien, der die Gefälligkeit hatte, es mir zur Copirung mitzutheilen.

5

Der Maler Leopold Kupelwieser.

6

Das Gasthaus zur »Ungarischen Krone« in der Himmelpfortgasse, wo sich die Schubertianer zu versammeln pflegten.

7

Hugelmann, Hof-Rechnungs-Offizial in Wien.

8

Josef Huber ein Freund Mayrhofers, welch Letzterer unter »Waldl« gemeint ist. Dieser Huber scheint derselbe zu sein, welcher später Generalconsul in Egypten geworden ist. (Chezy »Erinnerungen« II. Band.)

9

Dürfte wohl ein Irrthum sein.

10

Dem Patriarchen Ladislaus Pyrker widmete Schubert das op. 4 seiner Lieder (»Wanderer«, »Wanderers Nachtlied«, »Morgenlied«).

11

Moriz Graf Frieß, dem op. 2 (»Gretchen am Spinnrad«) dedicirt ist.

12

Schubert hat dieses Gedicht später in Musik gesetzt.

13

Die Ouverture (als op. 69 im Clavierauszug erschienen) wurde im Jahre 1823 als Einleitung zu dem Drama »Rosamunde« von Helmina Chezy aufgeführt, und mußte, wie Herr J. Hüttenbrenner behauptet, zweimal wiederholt werden; im Operntheater fand sie in Folge vergriffener Tempi eine kühle Aufnahme. Ein Motiv darin erinnert an das Scherzo der Beethoven'schen D-Moll-Sinfonie, die aber damals noch nicht bekannt war.

14

Die Original-Partitur (im Besitz des Wiener Musikvereins) ist von Schubert metronomisirt; er ließ davon eine Copie anfertigen, für welche (nach Aufzeichnungen bei J. Hüttenbrenner) die Verlagshandlung Diabelli von dem Ertrag der ihr in Commission gegebenen Schubert'schen Compositionen 100 fl. in Abzug brachte. – Auf einem Zettel aus dem Jahre 1822 (in Händen J. Hüttenbrenners) finden sich von Schubert's Hand folgende Zeilen: »Lieber Freund! Seien Sie so gut, und bringen Sie mir von der Oper (Alfonso) einen Act nach dem andern heraus zum Corrigiren. Auch wünsche ich, daß Sie sich um die bisherige Rechnung bei Diabelli bekümmerten, da ich Geld brauche.« – Eine von Liszt stark zusammengestrichene Copie der Partitur besitzt Herr J. Herbeck in Wien, das Autograf der Ouverture die Verlagshandlung Spina.

15

Das Musikstück füllt in der Partitur 26 Seiten aus.

16

Der zweite Chor stürmt hülfebringend auf die Bühne, nachdem ihn die Krieger Alfonso's wiederholt gerufen.

17

Anton Schindler, der bekannte Freund Beethoven's, geb. zu Mädel in Mähren, gest. als Musikdirector zu Bokenheim bei Frankfurt a.M. im Jänner 1864.

18

Die Oper wurde die ersten drei Male (25., 27. u. 29. October) unter Weber's Leitung gegeben, der vierten Vorstellung, die Capellmeister Kreuzer dirigirte, wohnte der Componist in einem Logenwirkel bei. Der Erfolg der ersten Aufführungen war ein glänzender. Frl. Henriette Sonntag sang die Partie der Euryanthe, Frau Grünbaum jene der Eglantine; Forti gab den Lysiart, die beiden andern Hauptrollen waren durch Heitzinger und Seipelt besetzt. Weber wurde am ersten Abend stürmisch gerufen, fuhr nach der Vorstellung in die »Ludlamshöhle«, wo 27 Dichter und Künstler versammelt waren und seiner ein festlicher Empfang harrte. Tags darauf kam Mosel und andere Musikfreunde, um ihn zu beglückwünschen u.s.w. (s. Weber's Briefe an seine Frau). »Euryanthe« wurde damals beiläufig noch sechs Male gegeben, später unter Duports Administration (wo die Schröder-Devrient die Titelrolle sang) und unter jener des Grafen Gallenberg wieder aufgenommen. Der Enthusiasmus war aber bald erkaltet, und Helmine Chezy, die Verfasserin des Textes, erklärte selbst, daß der Erfolg den gespannten Erwartungen nicht entsprochen habe. Eine Fraction der »Ludlamshöhle« gab dem Text die Schuld; Castelli meinte, die Oper sei um 50 Jahre zu früh gekommen, andere schoben wieder alle Schuld auf die Besetzung u.s.w., kurz, der anfängliche Triumph verwandelte sich alsbald in eine Niederlage. Auf andern deutschen Bühnen (in Berlin, Weimar und Dresden) errang die Oper schon damals großen Erfolg, desgleichen in London im Jahre 1831, wo ebenfalls Mina Schröder und Heitzinger sangen. – Daß Weber sich mit der Partitur zu Beethoven begeben und diesen ersucht habe, Aenderungen darin nach Gutdünken vorzunehmen, wie A. Schindler behauptet, wird als mit Weber's Denkweise ganz unvereinbar und durch nichts beglaubigt, auf das entschiedenste in Abrede gestellt (s. »Neue Zeitschrift für Musik« Bd. 13, Nr. 48).

19

»Jetzt haben Sie nun«, schrieb Hofrath Friedrich v. Rochlitz am 4. October 1823 an Herrn Tobias Haslinger in Wien, »jetzt haben Sie nun meinen lieben Maria v. Weber mit seiner Euryanthe in Wien. Er hat einen großen Feind zu besiegen und das ist er selbst in seinem Freischütz. Doch zweifle ich nicht, es wird ihm auch diesmal glücken. Er verdient es wahrlich.« – Dann aber am 22. December 1823: »Das Schicksal, das unsers Weber's ›Euryanthe‹ und wahrscheinlich unverdient in Wien erfahren hat, gereicht Ihrem Publicum keineswegs zur Ehre, und da man diesem von Alters her, und ehedem mit vollem Grund ein so feinsinniges Urtheil in musikalischen Angelegenheiten zutraut, so thut jenes Schicksal dem Weber überall großen Schaden, was mich wahrhaft schmerzt um seiner selbst, um Weber's, um Ihret, la selbst um Ihres Publicums willen.«

20

Denkwürdigkeiten von Helmine Chézy, II. Bd., S. 259.

21

Dieser Brief war nach einer Mittheilung des Herrn Josef Hüttenbrenner an eben denselben gerichtet, und später in die Hände des Herrn v. Schober gelangt. Letzterer erklärte mir aber, daß er dieses Schreiben niemals besessen habe. Dasselbe soll umfangreich und zur Beurtheilung des Verhältnisses zwischen Weber und Schubert von großem Interesse sein. – Es steht zu erwarten, daß in der von Max v. Weber herausgegebenen Biografie seines Vaters Carl Maria v. Weber über dessen Verhältniß zu Schubert nähere Aufschlüsse gegeben werden.

22

Das Original des Briefes ist in meinem Besitz.

23

Ueberschrift eines Goethe'schen Gedichtes.

24

Lascny, geb. Buchwieser, welcher dasdivertissement hongrois dedicirt ist. – Herr Lascny war ungarischer Güterbesitzer, seine Frau eine ausgezeichnete Sängerin. Schubert und mehrere seiner Freunde waren daselbst öfter zu Besuch.

25

Dr. Faust Pachler, welchem ich obige Mittheilungen verdanke, bemerkt, daß sein Vater, als Alterego des Theaterdirectors Stöger, die Aufführung gewiß durchgesetzt hätte, wenn dies überhaupt möglich gewesen wäre. Er erinnert sich an eine oder zwei Orchesterproben im Gratzer Theater, vermuthet aber, daß die erste der durchprobirten Opern »Fierrabras« war.

26

Ich kann mich nicht entsinnen, daß je von einer Darstellung der Oper »Alfonso« in Wien die Rede gewesen wäre.

27

Hofrath v. Witteczek in Wien ermächtigte in einem Brief vom 14. Sept. 1842 den Professor Dr. Franz Schreiner in Graz, das Manuscript zu übernehmen, nachdem er Dr. Pachler's Bedenken über die Echtheit desselben behoben hatte. Unter dem 30. October bestätigte Schreiner die Uebernahme der Partitur und unter dem 19. Jänner 1843 Ferdinand Schubert den Empfang derselben. – Die Original-Partitur fand ich im Jahre 1861 im Besitz des Herrn Alexander Thayer (aus Boston) vor, der sie von der Familie des Ferdinand Schubert überkommen hatte. Dieselbe ist gegenwärtig Eigenthum des Wiener Musikvereins.

28

Darin irrte Herr v. Schober, da an ein halbes Dutzend Opern fertig und nicht aufgeführt war.

29

Eine Abschrift desselben theilte mir Herr v. Schober mit.

30

Das ist wohl eine Entstellung des wahren Sachverhaltes. Schubert hatte die Original-Partitur, von welcher eine Abschrift auch nach Berlin gesendet worden war, seinem Freund Dr. Pachler zur weitern Disposition überlassen, und dieser wollte sie auch in Gratz zur Aufführung bringen. Von einem Wiederfinden konnte da nicht die Rede sein.

31

Eine Abschrift dieses Briefes wurde mir von Herrn v. Schober mitgetheilt.

32

In der »Skizze« S. 133 Anmerkung findet sich folgende Bemerkung: »Die Partitur von ›Alfonso und Estrella‹ befindet sich im Besitze des Verfassers des Textbuches, Franz Schober, welcher trotz wiederholter Aufforderung des Ferdinand Schubert nicht zu bewegen war, sie letzterem wieder zurückzustellen.« Diese auf einer ganz irrigen Mittheilung beruhende Angabe wurde in den Leipziger »Signalen« (Nr. I. 1862) berichtigt.

33

Aus diesem Grunde wurde auch an Stelle der Schubert'schen Ouverture eine »Jubelouverture« von Rubinstein aufgeführt.

34

Die Darstellenden waren: Milde (Troila), Liebert (Alfonso), Mayrhofer (Adolfo), Höfer (Mauregato), Frau Milde (Estrella).

35

In der neuen Zeitschrift für Musik sprach sich der Recensent Gottwald über das Schubert'sche Opern-Drama in folgender Weise aus: »Der Aufführung dieser Oper unseres größten Liedercomponisten sah ich mit dem wärmsten Interesse entgegen, da vorzugsweise Er in seinen hochpoetischen Tondichtungen für jede Gemüthsstimmung, ebenso für jeden Grad der Leidenschaft den richtigen Ton, und zwar in einer Weise wiederzugeben vermochte, die uns heute noch mit magischer Kraft in den Zaubergeist seiner Fantasie zieht. Nach vielen seiner außerordentlichen, oft so dramatisch bearbeiteten Lieder war man berechtigt, von Schubert auf dem Gebiete der Oper das Bedeutendste zu erwarten. Leider aber vereinigte sich in dieser Oper der poetische, tiefinnerliche Liedercomponist mit einem vollkommen prosaischen Dichter: dies der Grund, wenn Schubert's Oper für die Folge keine Lebensfähigkeit haben kann. Der äußerst magere Stoff der Handlung, der jeden Interesses bar, weder spannende Situationen, noch wirklich dramatische Effecte erlaubt, muß auf den Zuhörer ebenso erlahmend und abschwächend einwirken, als die über alle Gebühr ausgedehnten und festgehaltenen subjectiven Stimmungen und lyrischen Ergüsse. Diese letztern bilden so eigentlich das Element dieser Oper (die man nicht mit Unrecht als Liederoper bezeichnen dürfte –), daher Schubert fast durchgehends zum Reinmelodischen, das oft über die einfachste Liedform mit musikalischen Phrasen von 2 zu 2, 4 zu 4 Tacten nicht hinauskommt, immer wieder gedrängt werden mußte. Die unausbleibliche Folge ist die im Drama sich wohl am meisten rächende Monotonie, die selbst Schubert mit seinem Melodienreichthum nicht zu bannen vermochte. Dies muß um so mehr beklagt werden, als der Componist, wo ihm nur irgend ein Anhaltspunct möglich gewesen, z.B. am Schluß des ersten Actes; beim ersten Zusammentreffen Estrella's mit Alfonso – mit nebenbei gesagt recht interessanter Instrumentation –; im Verschwörungschor, am Schluß des zweiten Actes; ferner im dritten Act in der Scene zwischen Estrella und Adolfo, im Siegesmarsch und in manchem Andern vollständig bewiesen hat, wie mächtig er auf dem Gebiete der Oper hätte werden können, wenn ihm anders der entsprechende Dichter hiezu die Hand gereicht hätte.« – Dieses Urtheil stimmt so ziemlich mit dem von mir ausgesprochenen überein, nur ist hier zu viel der Schuld auf den Dichter gewälzt. – Der Componist P. Cornelius, welcher der Aufführung in Weimar beigewohnt hat, theilte mir mit, daß die Oper einige sehr schöne Musikstücke enthalte, aber – im Ganzen angesehen – sich unter den jetzigen Theaterzuständen und Geschmacksrichtungen kaum längere Zeit auf der Bühne behaupten dürfte, wobei freilich der Gedanke nahe liegt, wie viel werthloses Machwerk in Handlung und Musik von jeher und auch in unsern Tagen auf verschiedenen Bühnen Triumfe feiert, während diese sich einem Schubert'schen Werk beharrlich verschließen.

36

Einen vierhändigen Clavierauszug der Sinfonie (welchen aber auch nur wenige »Geweihte« eingesehen haben), besitzt Herr Josef Hüttenbrenner.

37

Das »Volkslied« wurde auf Veranlassung des Dr. L. v. Sonnleithner componirt und am 11. Februar im Theresianum zur Geburtstagsfeier des Kaisers Franz unter Sonnleithner's Leitung aufgeführt. Im Jahre 1848 erschien es mit abgeändertem Text als »Constitutionslied« (op. 157) bei Diabelli im Stich. Die Composition ist im Geist des Haydn'schen Volksliedes gehalten.

38

Für Frl. Anna Fröhlich und die Schülerinnen des Conservatoriums geschrieben.

39

Das Lied: »Aus Heliopolis« (op. 65) heißt richtiger »Heliopolis« und das Lied »Heliopolis« (in L. 37) ist die Nr. 2 des Gedichtes: »An Franz« von Mayrhofer, und von dem Dichter »Im Hochgebirg« überschrieben. Den ganz unpassenden Namen »Heliopolis« scheinen die Verleger gewählt (?) zu haben.

40

So wurde ihm zugemuthet, die Clavierbegleitung der Lieder einfacher und leichter zu machen, da die Schwierigkeit des Accompagnirens ihrer größeren Verbreitung im Wege stehe. Schubert nahm darauf keine Rücksicht und schrieb so fort, wie er es für gut hielt.

41

Teyber (Anton) geb. 1754, in Wien gest. als Kammercompositeur 1822.

42

Carl Pinterics war Privatsecretär des Grafen Palffy in Wien, in dessen Hause auf dem Josefsplatz er sein Bureau hatte. Er war ein vielseitig gebildeter Mann, vortrefflicher Clavierspieler und besonders geschickt im Ausschneiden von Kunstgegenständen aus Kartenpapier. Seine Wohnung befand sich damals in der Nähe der Carlskirche im sogenannten Zuckerbäckerhaus. Dahin kamen nun häufig Vogl, Schubert, Schober, Gahy, v. Asten u.a.m., und wie sich von selbst versteht, wurde da fleißig musicirt. Pinterics war im Besitz der vollständigsten Sammlung Schubert'scher Lieder. Aber auch sein Verzeichniß, welches deren 505 enthielt, war kein erschöpfendes. Mit Beethoven kam er häufig in dem Gasthause »Zum Blumenstöckl« zusammen. Ein Officier der Deutschen Garde war der dritte im Bunde. Pinterics starb am 6. März 1831. – Auch er erlaubte sich (sowie Vogl), Abänderungen in Schubert'schen Liedern vorzunehmen, die er den Verlegern plausibel zu machen suchte.

43

Biografie Beethoven's II. Theil, S. 177.

44

Wahrscheinlich in jenem »Zum Stern« oder »Zur Eiche« auf der Brandstätte.

45

In der »Niederrheinischen Zeitung«.

46

A. Schindler bemerkt (Biografie von Beethoven 11. Theil, S. 143), daß Fremde in den letzten zwei Wochen vor Beethoven's Tod nicht mehr zugelassen wurden.

47

Ferdinand Schubert, um seines Bruders Verhältniß zu Beethoven gefragt, gab die etwas vage Antwort: »Sie sind selten zusammengekommen.« Bekanntlich war Beethoven häufig im Paternoster-Gäßchen in der »Fuchshöhle« des Hrn. Steiner anzutreffen, und ebenda ist auch Schubert öfter mit ihm zusammengekommen. – Wilhelm von Lenz bemerkt in seiner Biografie Beethoven's: »Franz Schubert, der Beethoven des Liedes, kannte Beethoven nur kurze Zeit. Man hatte ihm den edlen Geist verdächtigt, ihn absichtlich von Beethoven entfernt gehalten. Als er wenige Tage vor seinem Tode Schubert seinem Geiste nach erkannte«, sagte er: »Wahrlich, in dem Schubert glüht ein göttlicher Funke. Ganz Europa hat dieses Urtheil bestätigt. Auf einem englischen Flügel in Cadix fand ich die ›Winterreise‹« u.s.f.

48

In der Zeitschrift: »Sammler«, Jahrg. 1827, Nr. 45) ist Schubert als Einer der 38 Fackelträger bezeichnet, welche den Sarg Beethoven's bei dessen Leichenbegängniß umgaben. Lachner und Randhartinger sind da namentlich nicht aufgeführt.

49

Der Verlag Cappi löste sich im Jahre 1823 auf.

50

Diese Verlagshandlungen sind seither zum größten Theil auf andere Firmen übergegangen; so der reiche Verlag des Kunst- und Industrie-Comptoirs, dann jener von Eder und Tranquillo Mollo auf Steiner (jetzt Haslinger), jener von Leidesdorf, Czerny, Weigl und Pennauer auf Diabelli, jener von Cappi auf Witzendorf u.s.w. – Der Pact mit Leidesdorf soll auf 1200 fl. gelautet haben. Dem Kunstverleger Dominico Artaria wollte er, wie mir Herr Doppler mittheilte, keine seiner Compositionen überlassen, weil dieser einmal drei Streichquartette, die Sch. noch als Schüler Salieri's componirt, und mit der Aufschrift: »Herrn Anton Salieri von seinem Schüler F. Sch. gewidmet«, ihm überreicht hatte, mit den Worten zurückwies: »Schülerarbeit nehme ich nicht!« Doch überließ er ihm später mehrere Compositionen, darunter das Rondeau op. 70. – In dem Vertrag, in welchem Leidesdorf das Verlagsrecht Schubert'scher Compositionen auf Diabelli übertrug, ist auch ein Trio von Lachner und Schubert erwähnt.

51

»Wenn ich erwäge« – sagt J. Mayrhofer (in »Erinnerungen an F. Schubert«) – wie meinem armen Freunde Krankheiten und Geldverlegenheiten zusetzten, fällt mir immer bei, daß er vorzüglich in zwei Dingen gefehlt hat, die seine financielle Lage und äußere Selbstständigkeit hätten begründen können. Er veräußerte unbedachtsamer Weise gegen einen wohlwollend entworfenen und schon in der Ausführung begriffenen Plan das Eigenthumsrecht auf diese und nachfolgende Arbeiten, und vernachlässigte eine günstige Constellation zur Erlangung einer mit Gehalt verbundenen musikalischen Anstellung. Genußliebe, verstärkt durch frühere Entbehrungen und Unkenntniß der Welt dürften ihn zu solchen Mißgriffen verleitet haben. – In späterer Zeit (1827 und 1828) stellte er an die Verleger immerhin bescheidene Anforderungen, welche aber diesen überspannt erschienen.

52

Einer schriftlichen Mittheilung des Herrn Dr. L. v. Sonnleithner entnommen.

53

Die veräußerten Lieder und Compositionen waren folgende: »Erlkönig«, »Gretchen am Spinnrad«, »Schäfers Klagelied«, »Der Wanderer«, »Rastlose Liebe«, »Memnon«, »Antigone und Oedip«, »Am Grabe Anselmos«; Walzer (1–3), die vierhändigen Variationen (op. 10), eine vierhändige und drei zweihändige Sonaten (in H, D und E). – Das Lied »Der Wanderer« soll den Verlegern von der Zeit seines Erscheinens an bis zum Jahre 1861 in runder Summe 27000 fl. eingetragen haben.

54

Das Original besaß (und besitzt vielleicht noch) die Ferd. Schubert'sche Familie.

55

»Die Verschwornen« (Der häusliche Krieg) und »Fierrabras«.

56

Wegen »Alfonso und Estrella«.

57

Moriz Schwind.

58

Schubert hatte sich längere Zeit hindurch unwohl gefühlt.

59

Derselbe theilte mir das Original des Briefes mit.

60

Wer denkt nicht dabei an die in neuester Zeit creirten Künstlerstipendien?

61

Ob für diese Widmung ebenfalls ein Honorar ausgefallen, ist mir nicht bekannt geworden.

62

Einer bestimmt lautenden Mittheilung Herrn Nottebohm's entnommen.

Quelle:
Kreissle von Hellborn, Heinrich: Franz Schubert. Wien: Carl Gerold's Sohn, 1865, S. 226-280.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Wilbrandt, Adolf von

Gracchus der Volkstribun. Trauerspiel in fünf Aufzügen

Gracchus der Volkstribun. Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die Geschichte des Gaius Sempronius Gracchus, der 123 v. Chr. Volkstribun wurde.

62 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon