3. Nissen.

[7] Mailand 26. Januar 1770.

Mich freut es recht von ganzem Herzen, daß Du bei der Schlittenfahrt, von der Du mir schreibst, Dich so sehr ergötzt hast, und ich wünsche Dir tausend Gelegenheiten zur Ergötzung, damit Du recht lustig Dein Leben zubringen mögtest. Aber Eins verdrießt mich, daß Du den Herrn von Mölk [einen[7] der Courmacher des sehr schönen, jetzt achtzehnjährigen Mädchens] so unendlich seufzen und leiden hast lassen, und daß Du nicht mit ihm Schlitten gefahren bist, damit er Dich hätte umschmeißen können. Wie viele Schnupftücher wird er nicht denselbigen Tag wegen Deiner gebraucht haben vor Weinen. Er wird zwar vorher schon drey Loth Weinstein eingenommen haben, die ihm die grausame Unreinigkeit seines Leibes, die er besitzt, ausgetrieben haben wird. Neues weiß ich Nichts, als daß Herr Gellert, der Poet zu Leipzig5, gestorben ist und dann nach seinem Tode keine Poesien mehr gemacht hat. Just ehe ich diesen Brief angefangen habe, habe ich eine Arie aus dem Demetrio [von Metastasio] verfertigt, welche so anfängt: Misero tu non sei etc.

Die Oper zu Mantua ist hübsch gewesen. Sie haben den Demetrio gespielt. Die prima Donna singt gut, aber still; und wenn man sie nicht agiren sähe, sondern singen nur allein, so meynte man, sie sänge nicht, denn den Mund kann sie nicht öffnen, sondern winselt Alles her, welches uns aber Nichts Neues ist zu hören. Die seconda Donna macht ein Ansehen wie ein Grenadier, und hat auch eine starke Stimme; und singt wahrhaftig nicht übel, für das, daß sie das erste Mal agirt. Il primo uomo, il musico singt schön, aber hat eine ungleiche Stimme. Er nennt sich Caselli. Il secondo uomo ist schon alt, und mir gefällt er nicht. Der Tenor nennt sich Ottini: er singt nicht übel, aber halt schwer, wie alle italienischen Tenore; er ist unser sehr guter Freund. Wie der zweyte heißt, weiß ich nicht. Er ist noch jung, aber nicht viel Rares. Primo ballerino, gut; Prima ballerina, gut, und man sagt, sie sey gar kein Hund; ich aber habe sie nicht in der Nähe gesehen. Die Uebrigen sind wie alle Andern. Ein Grotesco ist da, der gut springt, aber nicht so schreibt wie ich: wie die Säue brumzen. Das Orchester ist nicht übel. Zu Cremona ist das Orchester gut, und der erste Violonist heißt Spagnoletta. Prima Donna nicht übel; schon alt,[8] glaube ich, wie ein Hund; singt nicht so gut, wie sie agirt, und ist die Frau eines Violonisten, der bei der Oper mit geigt, und sie nennt sich Masci. Die Oper hieß La clemenza di Tito. Seconda Donna, auf dem Theater kein Hund; jung, aber nichts Rares. Primo uomo, musico, Cicognani, eine hübsche Stimme und ein schönes Cantabile. Die andern zwey Castraten, jung und passabel. Der Tenor nennt sich: non lo so, hat ein angenehmes Wesen, sieht dem Le Roi zu Wien natürlich gleich.Ballerino primo, gut und ein sehr großer Hund. Eine Tänzerin war da, die nicht übel getanzt hat, und was das nicht für ein capo d'opera ist, außer dem Theater und in demselben kein Hund. Die Uebrigen wie Alle. Ein Grotesco ist auch dort, der bei jedem Sprunge einen hat – lassen. Von Milano kann ich dir wahrhaftig nicht viel schreiben: wir waren noch nicht in der Oper. Wir haben gehört, daß die Oper nicht gerathen hat. Primo uomo, Aprile, singt gut, hat eine schöne gleiche Stimme. Wir haben ihn in einer Kirche gehört, wo just ein großes Fest war. Madam Piccinelli von Paris, welche in unserm Concerte gesungen hat, agirt bey der Oper. Herr Pick, welcher zu Wien tanzte, tanzt jetzt hier. Die Oper nennt sich Didone abbandonata, und wird bald aufhören. Sign. Piccini, welcher die zukünftige Oper schreibt, ist hier. Ich habe gehört, daß seine Oper heißt: Cesare in Egitto.

Wolfgang de Mozart

Edler vom Hochenthal, Freund des Zahlhauses.

5

Seine Gedichte schätzte der alte Mozart so sehr, daß er sich sogar einmal schriftlich an ihn wandte, um ihm diese Verehrung auszusprechen. Gellerts Antwort ist bei Nissen S. 10 f. mitgetheilt.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 7-9.
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