243. Nissen.

[437] Wien 4. April 1787.

Mon très cher père!

Diesen Augenblick höre ich eine Nachricht, die mich sehr niederschlägt – um so mehr, als ich aus Ihrem letzten Briefe vermuthen konnte, daß Sie sich, Gott Lob, recht wohl befänden. – Nun höre aber, daß Sie wirklich krank seien! Wie sehnlich ich einer tröstenden Nachricht von Ihnen selbst entgegen sehe, brauche ich Ihnen doch wohl nicht zu sagen, und ich hoffe es auch gewiß, – obwohl ich es mir zur Gewohnheit gemacht habe, mir immer in allen Dingen das Schlimmste vorzustellen. Da der Tod (genau zu nehmen) der wahre Endzweck unseres Lebens ist, so habe ich mich seit ein paar Jahren mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen so bekannt gemacht, daß sein Bild nicht allein nichts Schreckendes mehr für mich hat, sondern sehr viel Beruhigendes und Tröstendes! Und ich danke meinem Gott, daß er mir das Glück gegönnt hat, mir die Gelegenheit (Sie verstehen mich) zu verschaffen, ihn als den Schlüssel zu unserer wahren Glückseligkeit kennen zu lernen. Ich lege mich nie zu Bette,[437] ohne zu bedenken, daß ich vielleicht (so jung als ich bin) den andern Tag nicht mehr sein werde; und es wird doch kein Mensch von Allen, die mich kennen, sagen können, daß ich im Umgange mürrisch oder traurig wäre; und für diese Glückseligkeit danke ich alle Tage meinem Schöpfer, und wünsche sie vom Herzen Jedem meiner Mitmenschen. Ich habe in dem Briefe, so die Storace eingepackt hat [aber nachher nicht hatte finden können], schon über diesen Punkt bei Gelegenheit des traurigen Todfalles meines liebsten besten Freundes Grafen von Hatzfeld meine Denkungsart erklärt – er war eben 31 Jahr alt wie ich – ich bedaure ihn nicht – aber wohl herzlich mich und alle die, welche ihn so genau kannten wie ich. – Ich hoffe und wünsche, daß Sie sich während ich dieses schreibe, besser befinden werden; sollten Sie aber wider alles Vermuthen nicht besser sein, so bitte ich Sie bei ..... mir es nicht zu verhehlen, sondern mir die reine Wahrheit zu schreiben oder schreiben zu lassen, damit ich so geschwind als es menschenmöglich ist, in Ihren Armen sein kann: ich beschwöre Sie bei Allem, was – uns heilig ist. Doch hoffe ich bald einen trostreichen Brief von Ihnen zu erhalten, und in dieser angenehmen Hoffnung küsse ich Ihnen sammt meinem Weibe und dem Carl 1000 Mal die Hände, und bin ewig

Ihr gehorsamer Sohn.98[438]

Der Vater schien sich zwar wieder zu erholen, allein am 28. Mai 1787 endigte ein rascher Tod das Leben dieses thätigen Mannes. Mozart meldete die Trauerbotschaft sogleich seinem Freunde Gottfried von Jacquin: »Ich benachrichtige Sie daß ich heute, als ich nach Haus kam, die traurige Nachricht von dem Tode meines besten Vaters bekam. – Sie können sich meine Lage vorstellen.« – Und an die Schwester schreibt er am 16. Juni 1787:

98

Jahn III, 302, Anm. 59 führt noch Folgendes unter diesem Datum an: »Wenn der Oboist Fischer [der einer großen Berühmtheit genoß und damals nach Wien gekommen war] zu der Zeit als wir ihn in Holland hörten [1766] nicht besser geblasen hat als er jetzt bläst, so verdient er gewiß das Renommée nicht, welches er hat. Jedoch unter uns gesagt! Ich war damals in den Jahren, wo ich nicht im Stande war ein Urtheil zu fällen – ich weiß mich nur zu erinnern, daß er mir außerordentlich gefiel sowie der ganzen Welt. Man wird es freilich natürlich finden, wenn man annimmt, daß sich der Geschmack außerordentlich geändert hat; er wird nach der alten Schule spielen – aber nein! Er spielt mit einem Wort wie ein elender Scolar; der junge André, der beim Fiala [Münchner Oboist] lernte, spielt tausendmal besser. Und dann seine Concerte! – von seiner eigenen Composition! Jedes Ritornell dauert eine Viertelstunde – dann erscheint der Held – hebt einen bleiernen Fuß nach dem andern auf – und pumpft dann wechselweise damit zur Erde. Sein Ton ist ganz aus der Nase und seine tenuta ein Tremulant auf der Orgel. Hätten Sie sich dieses Bild vorgestellt? Und doch ists nichts als Wahrheit, aber Wahrheit die ich nur Ihnen sage.« – Auch dieser Brief war im Besitz der Frau Baroni-Cavalcabo. Vgl. oben Nr. 230, Anm.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 437-439.
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