257. Otto Jahn.

[458] Allerliebster Freund u. O.B.

Sie werden ohne Zweifel von Ihren Leuten vernommen haben, daß ich gestern bey Ihnen war, und (nach Ihrer Erlaubniß) uneingeladen bei Ihnen speisen wollte. – Sie wissen meine Umstände, kurz – ich bin, da ich keine wahren Freunde finde, gezwungen bey Wucherern Geld aufzunehmen; da es aber Zeit braucht, um unter dieser unchristlichen Classe Menschen doch noch die christlichsten aufzusuchen und zu finden, so bin dermalen so entblößt, daß ich Sie, liebster Freund, um Alles in der Welt bitten muß, mir mit Ihrem Entbehrlichsten beyzustehen. – Wenn ich wie ich hoffe in 8 oder 14 Tagen das Geld bekomme, so werde ich Ihnen gleich das mir jetzt gelehnte wieder zurückzahlen. – Mit dem, was ich Ihnen schon so lang ausständig bin, muß ich Sie leider noch bitten Geduld zu haben. – Wenn Sie wüßten was mir das alles für Kummer und Sorge macht – es hat mich die ganze Zeit her verhindert meine Quartetten zu endigen.108 – Ich habe nun sehr große Hoffnung bei Hof, denn ich weiß zuverlässig, daß der K ... meine Bittschrift, nicht wie die andern begünstigt oder verdammt herabgeschickt, sondern zurückbehalten hat. – Das ist ein gutes Zeichen. – Künftigen[458] Samstag bin ich Willens meine Quartetten bey mir zu machen, wozu ich Sie und Ihre Fr. Gemahlin schönstens einlade. Liebster, bester Freund und Br. – entziehen Sie mir meiner Zudringlichkeit wegen Ihre Freundschaft nicht und stehen Sie mir bei. Ich verlasse mich ganz auf Sie und bin ewig

Ihr dankbarster Mozart.

P.S. Nun habe ich 2 Scolaren, ich möchte es gerne auf 8 Scolaren bringen; suchen Sie es auszustreuen daß ich Lectionen annehme.109

Im Juli dieses Jahres bearbeitete Mozart für die van Swieten'schen Musikaufführungen im großen Saale der k.k. Hofbibliothek die Cäcilia und das Alexanderfest von Händel. Im September war der König von Neapel in Wien anwesend und Mozart hoffte bei den Festlichkeiten, die zu Ehren der Vermählung der Erzherzoge Franz und Ferdinand mit neapolitanischen Prinzessinnen stattfanden, ebenfalls bei Hofe Ruhm und Geld zu finden. Allein Leopold II. war ihm nicht hold, und während J. Haydn, Salieri und sogar Weigl, sodann die Cavalieri und die Gebrüder Stadler sich mit ihren Leistungen produciren durften, erhielt Mozart nicht einmal eine Aufforderung bei Hofe zu spielen. Umsomehr entschloß er sich wieder einmal auswärts die nöthigen Hülfsquellen aufzusuchen, und weil die Krönung des Kaisers in Frankfurt eine große Menschenmenge zusammenrief, entschloß er sich zunächst dorthin zu gehen. Als k.k. Kammercompositeur hatte er erwartet sich den Musikern des Hofes, die auf kaiserliche Kosten zu den Festlichkeiten gesandt wurden, anschließen zu dürfen. Allein auch dieses ward ihm nicht gestattet, und so versetzte er einen Theil seines Silbergeräthes, kaufte einen Wagen und reiste am 24. September ab. Seinen Schwager Hofer, der Violinspieler war und ebenfalls in keinen besondern Umständen lebte, nahm er nach gewohnter Gutherzigkeit mit sich, um ihn an den vermeintlichen Vortheilen dieser Kunstreise participiren zu lassen.

108

Im Mai und Juni 1790 schrieb er die beiden Quartetts in B-dur und F-dur

109

Puchberg hat hinzugeschrieben: »Den 17. May Fl. 150 gesandt.«

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 458-459.
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