59. Wasserburg 23. Sept. 1777
59. Mozarteum.

[43] Wasserburg 23. Sept. 1777.

Mon très cher Père.

Wir sind Gott Lob und Dank glücklich zu Waging, Stain, Ferbertshaim und Wasserburg angekommen. Nun eine kleine Reisebeschreibung. Gleich als wir zum Thor kamen, mußten wir fast eine Viertelstunde warten, bis uns das Thor ganz aufgemacht wurde; denn man war im Arbeiten. Vor Schinn begegneten wir einer Anzahl Kühe, worunter eine merkwürdig war, – denn sie war einseitig, welches wir noch niemals gesehen haben. Zu Schinn endlich sahen wir einen Wagen, welcher still stund, und Ecce – unser Postillon rief also gleich: Da müssen wir wechseln. – Meintwegen, sprach ich. Meine Mama und ich parlirten, als ein dicker Herr an den Wagen[43] kam, dessen Sinfonie mir sogleich bekannt war, – es war ein Kaufmann von Memmingen. Er betrachtete mich eine gute Weile; endlich sagt er: »Sie sind ja der Hr. Mozart?« – »Zu dienen, ich kenne Sie auch, aber Ihren Namen nicht; ich habe Sie vor einem Jahr in Mirabell [Schloßgarten bei Salzburg] bei der Musique gesehen.« – Darauf entdeckte er mir seinen Namen, den ich aber Gott Lob und Danck vergessen habe. Doch behielt ich aber einen vielleicht wichtigern. Er hatte damals, als ich ihn in Salzburg gesehen, einen jungen Menschen bei sich, und nun einen Bruder dieses jungen Menschen, welcher von Memmingen ist und sich Hr. von Unhold schreibt; dieser junge Herr bat mich recht, ich möchte doch wenns möglich ist, nach Memmingen kommen. Wir gaben diesen Herrn 100000 Complimente an Papa und meine Schwester die Canaglie auf. Sie versprachen uns auch, daß sie selbe gewiß ausrichten werden. Dieß Postwechseln war mir sehr ungelegen, denn ich hätte dem Postillon gern von Waging aus einen Brief mitgegeben. Nun hatten wir die Ehre (nachdem wir zu Waging ein wenig gegessen hatten) von den nämlichen Pferden bis Stain fortgezogen zu werden, mit welchen wir schon anderthalb Stunden gefahren sind. Zu Waging war ich allein auf einen Augenblick bei dem Hrn. Pfarrer. Er machte grosse Augen; er wußte von unsrer ganzen Historie nichts. Von Stain fuhren wir mit einem Postillon, der ein ganz erschrecklicher Phlegmaticus war, NB. im fahren. Wir glaubten nicht mehr auf die Post zu kommen. Endlich kamen wir doch an (meine Mama schläft schon halb) NB. weil ich dieses schreibe. Von Ferbertshaim bis Wasserburg ging alles gut. Viviamo come i Principe, uns geht nichts ab als der Papa. Je nun, Gott wills so haben. Es wird noch alles gut gehen. Ich hoffe der Papa wird wohl auf seyn und so vergnügt wie ich. Ich gebe mich ganz gut drein. Ich bin der andere Papa, ich geb auf alles acht.17 Ich habe mir auch gleich ausgebeten die Postillone auszuzahlen, denn ich[44] kann doch mit den Kerls besser sprechen als die Mama. Zu Wasserburg beim Stern ist man unvergleichlich bedient. Ich sitze da wie ein Prinz. Vor einer halben Stunde (meine Mama war just auf den H ....l) klopfte der Hausknecht an und fragte sich um allerlei Sachen an, und ich antwortete ihm mit aller meiner Ernsthaftigkeit, wie ich im Portrait bin. Ich muß schließen. Meine Mama ist schon völlig ausgezogen. Wir bitten alle zwey, der Papa möchte Achtung geben auf seine Gesundheit, nicht zu früh ausgehen, sich nicht selbst Verdruß machen18, brav lachen und lustig sein und allzeit mit Freuden, wie wir gedenken daß der Mufti H.C. [der Erzbischof Hieronymus Colloredo] ein Schwanz, Gott aber mitleidig, barmherzig und liebreich sey. Ich küsse dem Papa zu 1000 mal die Hände, und umarme meine Schwester Canaglie so oft, als ich heut schon – Taback genommen habe. Ich glaube ich habe zu Haus meine Decreter [der Anstellung bei Hofe] vergessen? ich bitte mir selbe in Bälde zu schicken. – – Die Feder ist grob und ich bin nicht höflich.

17

Der Vater hatte sich viele Sorge gemacht, den unerfahrenen Jüngling, dessen arglose Gutmüthigkeit ihn doppelten Gefahren aussetzte, allein reisen zu lassen; denn auch die Mutter war im Reisen ohne viel Geschick.

18

Der Vater neigte stark zur Hypochondrie.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 43-45.
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