60. Mozarteum.

[45] München 26. Sept. 1777.

Wir sind den 24. abends um halb 5 Uhr glücklich in München angelangt. Was mir gleich das Neueste war, daß wir zur Mauth fahren mußten, begleitet mit einem Grenadier mit aufgepflanztem Bajonette. Die erste bekannte Person, die uns im Fahren begegnete, war Sign. Consoli, welcher mich gleich kannte und eine unbeschreibliche Freude hatte, mich zu sehen. Er war den andern Tag gleich bey mir. Die Freude von Hr. Albert [dem »gelehrten Wirth« zum schwarzen Adler in der Kaufinger Gasse; heute Hôtel Detzer] kann ich nicht genug ausdrücken, er ist in der That ein grundehrlicher Mann und unser sehr guter Freund. Nach meiner Ankunft war ich bis zur Essenszeit immer beim Clavier. Hr. Albert war noch nicht zu Hause. Hernach aber kam er und wir gingen mitsammen herab zum Tisch. Da traf ich den Mr. Sfeer und einen gewissen Secretär, seinen recht guten Freund an. Beide lassen sich empfehlen. Wir kamen spät ins Bett und waren[45] müd von der Reise. Wir stunden doch schon um 7 Uhr auf. Meine Haare waren aber in einer solcher Unordnung, daß ich vor 1/211 Uhr nicht zum Graf Seeau kam. Als ich hinkam, hieß es, er sey schon auf die Jagd gefahren. Geduld! – Ich wollte unterdessen zum Chorherrn Bernard gehen; er ist aber mit dem Baron Schmid auf die Güter gereiset. Herrn Bellval traf ich voll in Geschäften an. Er gab mir 1000 Complimente auf. Unter dem Mittagessen kam Rossi, um 2 Uhr kam Consoli und um 3 Uhr Becke [vortrefflicher Flötenbläser und Freund der Mozarts] und Hr. von Bellval. Ich machte meine Visite bey der Fr. von Durst [wo Nannerl logirt hatte], welche bei den Franziskanern logirt. Um 6 Uhr machte ich mit Hrn. Becke einen kleinen Spatziergang. Es gibt hier einen gewissen Professor Huber, vielleicht erinnern Sie sich besser als ich; er sagt er hat mich das letzte Mal zu Wien beim jungen Hrn. von Mesmer gesehen und gehört. Er ist nicht zu groß, nicht zu klein, bleich, weißgraue Haar und sieht in der Physiognomie dem Hr. Unterbereiter nicht ungleich. Dieser ist auch ein Viceintendant du Théatre; seine Arbeit ist, die Komödien, die man aufführen will, durch zu lesen, zu verbessern, zu verderben, hinzuzuthun, hinweg zu setzen. Er kömmt alle Abend zum Albert, er spricht sehr oft mit mir. – Heut als den 26. Freytag war ich um 1/29 Uhr beim Graf Seeau. Es war so: Ich ging ins Haus hinein und Mad. Nießer die Komödiantin ging just heraus und fragte mich: »Sie wollen gewiß zum Grafen?« – »Ja.« – »Er ist noch in seinem Garten, Gott weiß, wann er kömmt.« – Ich fragte sie, wo sein Garten sei. »Ja«, sagte sie, »ich habe auch mit ihm zu sprechen, wir wollen mitsammen gehen.« – Kaum kamen wir vors Thor hinaus, so kam uns der Graf entgegen und war etwa 12 Schritt von mir, so erkannte er mich und nannte mich beim Namen. Er war sehr höflich, er wußte schon, was mit mir vorgegangen ist. Wir gingen ganz allein und langsam die Treppe hinauf; ich entdeckte mich ihm ganz kurz. Er sagte, ich sollte nur schnurgerade bey S. Churf. Durchl. Audienz begehren; sollte ich aber im Fall nicht zukommen können, so sollte ich meine Sachen nur schriftlich vorbringen. Ich bat ihn sehr, dieses alles still zu halten, er[46] versprach es mir. Als ich ihm sagte, es ginge hier wircklich ein rechter Compositeur ab, so sagte er: »Das weiß ich wohl.« – Nach diesem ging ich zum Bischof in Chiemsee und war eine halbe Stunde bei ihm. Ich erzählte ihm alles, er versprach mir sein Möglichstes in dieser Sache zu thun. Er fuhr um 1 Uhr nach Nymphenburg und versprach mir mit S. Chr. Durchlaucht der Churfürstin gewiß zu sprechen. Sonntag abends kommt der Hof herein. Hr. Joannes Krönner ist Vice-Concertmeister deklarirt worden und das durch eine grobe Rede. Er hat zwei Sinfonien(Dio mene liberi) von seiner Composition producirt. Der Churfürst fragt ihn: »Hast Du das wirklich componirt?« – »Ja, Euer Churf. Durchl.« – »Von wem hast Du's gelernt?« – »Von einem Schulmeister in der Schweiz. Man macht so viel aus der Composition. – Dieser Schulmeister hat mir doch mehr gesagt, als alle unsre Compositeurs hier mir sagen könnten.« – – Heut ist der Graf Schönborn und seine Gemahlin, die Schwester des Erzbischofs [von Salzburg] angelangt. Ich war just in der Comödie. Hr. Albert sagte im Discurs, daß ich hier sey, und erzählte ihm, daß ich aus den Diensten bin. Er und sie haben sich verwundert, sie haben ihm absolument nicht glauben wollen, daß ich 12 Fl. 30 X. seeligen Angedenkens gehabt habe! Sie wechselten nur Post, sie hätten mich gern gesprochen, ich traf sie aber nicht mehr an. Jetzt aber bitt ich, daß ich nach Ihren Umständen und Ihrer Gesundheit mich erkundigen darf. Ich hoffe, wie auch meine Mama, daß sich beyde recht wohl befinden. Ich bin immer in meinem schönsten Humor; mir ist so federleicht ums Herz, seitdem ich von dieser Chicane weg bin! Ich bin auch schon fetter. –

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 45-47.
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