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[64] Augsburg 17. Oct. 1777.
Wegen des Kriegssecretärs Hamm seiner Frl. Tochter kann ich nichts anders schreiben, als daß sie nothwendiger Weise Talent zur Musik haben muß, indem sie erst 3 Jahr lernt und doch viele Stücke recht gut spielt. Ich weiß mich aber nicht deutlich genug zu erklären, wenn ich sagen soll wie sie mir vorkömmt wenn sie spielt – –, so kurios gezwungen scheint sie mir; – sie steigt mit ihren langbeinigen Fingern so kurios auf dem Clavier herum. Freilich hat sie noch nie einen rechten Meister gehabt, und wenn sie zu München bleibt, wird sie das ihr Lebtage nicht werden, was ihr Vater will und verlangt. Denn er möchte gern, daß sie vortrefflich im Clavier wäre. – Wenn sie zum Papa nach Salzburg kommt, so ist es ihr doppelter Nutzen, in der Musique sowohl als in der Vernunft; denn die ist wahrlich nicht groß. Ich habe[64] schon viel wegen ihr gelacht. Sie würden für Ihre Bemühung gewiß genug Unterhaltung haben. Essen kann sie nicht viel, denn sie ist zu einfältig dazu. Ich hätte sie probieren sollen? – Ich habe ja nicht gekonnt vor Lachen; denn wenn ich ihr einigemal so mit der rechten Hand etwas vormachte, so sagte sie gleich bravissimo und das in der Stimme einer Maus.
Nun will ich meine angefangene Augsburger Historie in möglichster Kürze auserzählen. Hr. von Fingerle, dem ich vom Papa ein Compliment ausgerichtet habe, war auch beim Hrn. Director Graf. Die Leute waren alle sehr höflich und besprachen sich immer wegen meiner Academie. Sie sagten auch alle: »Das wird eine der brillantesten Academien werden, die wir in Augsburg gehabt haben. Sie haben viel voraus, da Sie die Bekanntschaft des Hr. Stadtpfleger Langenmantl haben; und dann der Name Mozart macht hier sehr viel.« Wir gingen ganz vergnügt aus einander. Nun muß der Papa wissen, daß der junge Hr. von Langenmantl beym Hrn. Stein dort gesagt hat, er wolle sich impegniren eine Academie auf der Stube21 (als etwas Rares das mir Ehre macht) ganz allein für die Hrn. Patricii zu veranstalten. Man kann nicht glauben mit was für einem Impegno er sprach und sich anzunehmen versprach. Wir redeten ab, ich sollte morgen zu ihm kommen und Antwort haben. Ich ging hin. Das war den 13. Er war sehr höflich, sagte aber, er könnte mir noch nichts Positives sagen. Ich spielte wieder so eine Stunde. Er lud mich auf morgen als den 14. zum Speisen ein. Des Vormittags schickte er her, ich möchte doch um 11 Uhr kommen und etwas mitnehmen, er hätte einige von der Musik bestellt, sie wollten etwas machen. Ich schickte gleich etwas, kam um 11 Uhr, da machte er mir eine menge Schwänz, sagte ganz gleichgültig: »Hören Sie, mit der Academie ists nichts; o ich habe mich schon so gezürnt gestern wegen Ihnen. Die Hr. Patricii sagten mir, ihre Cassa stehe sehr schlecht, und das sey kein Virtuos, dem man einen Souveraind'or geben könnte.« Ich schmuzte und sagte: »Ich glaube auch nicht.« NB. Er ist auf der Stube Intendant von der Musique[65] und der Alte ist Stadtpfleger! Ich machte mir nicht viel daraus. – Wir gingen zu Tisch; der Alte speiste auch heroben, er war sehr höflich, sagte aber kein Wort von der Academie. Nach dem Speisen spielte ich 2 Concerte, etwas aus dem Kopf, dann ein Trio vom Hafeneder auf der Violine. Ich hätte gern mehr gegeigt, aber ich wurde so schlecht accompagnirt, daß ich die Kolik bekam. Er sagte mir ganz freundlich: »Wir bleiben heute beisammen und fahren in die Comödie und dann soupiren Sie bei uns.« Wir waren sehr lustig. Als wir von der Comödie zurückkamen, spielte ich wieder bis zum Essen; dann gingen wir zum Souper. Er fragte mich schon vormittags wegen meinem Kreuz22; ich sagte ihm alles ganz klar, was und wie es sei. Er und sein Schwager sagten so öfters: »Wir wollen uns das Kreuz kommen lassen, damit wir mit dem Hrn. Mozart inconpont sind.« Ich achtete aber nicht darauf. Sie sagten auch so öfters: »Sie, Cavalier Hr. Sporn!« Ich sagte nichts. Unterm Souper wurde es aber zu arg. »Was wird es etwa kosten? 3 Ducaten? – Muß man die Erlaubniß haben, es zu tragen? – Kostet diese Erlaubniß auch etwas? Wir wollen uns das Kreuz doch kommen lassen.« Da war ein gewisser Offizier noch da, B. Bach, der sagte: »Ei pfui, schämen Sie sich, was thäten Sie mit dem Kreuz?« – Der junge Esel von Kurzen-Mantl winkte ihm mit den Augen, ich sah es, er merkte es. Darauf war es ein wenig stille; dann gab er mir einen Taback und sagte: »Da haben Sie einen Taback darauf.« Ich war stille. Endlich fing er wieder an ganz spöttisch: »Also morgen werde ich zu Ihnen schicken und da werden Sie die Güte haben und mir das Kreuz nur einen Augenblick zu leihen, ich werde es Ihnen gleich wieder schicken; nur damit ich mit dem Goldschmied reden kann. Ich bin versichert, daß wenn ich ihn frage (dann er ist gar ein curioser Mann) wie hoch es zu schätzen sei, so wird er mir sagen, etwa einen bairischen Thaler, es ist auch nicht mehr werth, denn es ist ja nicht von Gold, sondern von Kupfer. Hehe!« Ich sagte: »Gott behüte,[66] es ist von Blech. Hehe!« Mir war warm vor Wuth und Zorn. »Aber sagen Sie mir«, sagte er, »ich kann ja allenfalls den Sporn weglassen?« – »O ja«, sagte ich, »Sie brauchen keinen, Sie haben ihn schon im Kopf; ich habe zwar auch einen im Kopf, aber es ist halt ein Unterschied, ich möchte mit dem Ihrigen wahrhaftig nicht tauschen. Hier haben Sie einen Taback darauf.« Ich gab ihm Taback, er wurde ein wenig bleich. »Neulich«, fing er wieder an, »neulich stund der Orden recht gut, auf der reichen Weste«. Ich sagte nichts. Endlich rief er: »Hey« (zum Bedienten), »daß ihr auf die nächst mehr Respect vor uns habt, wenn wir Zwey, mein Schwager und ich, dem Hrn. Mozart sein Kreuz tragen. Hier haben Sie einen Taback darauf.« – »Das ist doch curios«, fing ich an, als wenn ich nicht gehört hätte, was er gesagt hat, »ich kann noch eher alle Orden, die Sie bekommen können, bekommen als Sie das werden, was ich bin, und wenn Sie 2 Mal sterben und wieder geboren werden. Hier haben Sie einen Taback darauf« – und stund auf. Alles stund auch auf und war in gröster Verlegenheit. Ich nahm Hut und Degen und sagte: »Ich werde schon morgen das Vergnügen haben, Sie zu sehen.« – »Ja, morgen bin ich nicht hier.« – »So komme ich halt übermorgen, wenn ich ja noch hier bin.« – »Ach, Sie werden ja doch« – – »Ich werde nichts; hier ist eine Bettel-Armee. Leben Sie unterdessen wohl« – und weg.
Den andern Tag erzählte ich alles dem Hrn. Stein, Hrn. Geniaux und Hrn. Direktor Graf, nicht wegen dem Kreuz, sondern daß ich im höchsten Grad disgustirt sei, indem man mir das Maul machte wegen einem Concert und nun alles nichts sei. »Das heist die Leute vor Narren gehabt, die Leute angesezt. Mich reuet es recht, daß ich hierher gereist bin. Ich hätte mein Lebtage nicht geglaubt, daß, da doch Augsburg die Vaterstadt meines Papa ist, man hier seinen Sohn so affrontiren würde.« Der Papa kann sich nicht einbilden wie die 3 Leute lamentirten und sich erzürnten. »Ach Sie müssen ein Concert hier geben, wir brauchen die Patricii nicht«. Ich blieb aber bei meiner Resolution und sagte: »Ja für meine wenigen guten Freunde da, welche Kenner sind, will[67] ich zum Abschied bei Hrn. Stein eine kleine Academie geben.« Der Director war ganz betrübt. »Das ist abscheulich«, rief er, »das ist eine Schande, – wer würde sich aber das vom Langenmantl einbilden! – Pardieu, wenn er gewollt hätte, so hätte es gehen müssen.« Wir gingen auseinander. Der Hr. Director gab mir in seinem Schlafrock das Geleit über die Stiegen und bis vor die Hausthüre. Hr. Stein und Geniaux gingen mit mir nach Haus. Sie drangen in uns, wir sollten uns entschließen noch hier zu bleiben. Wir blieben aber fest. Nun muß der Papa wissen, das neulich der junge Fex Langenmantl, als er mir die saubere Nachricht wegen dem Concert ganz indifferent herstammelte, mir sagte, die Hrn. Patricii laden mich zu ihrem Concert künftigen Donnerstag ein. Ich sagte: »Ich werde kommen um zuzuhören«. »Ach, Sie werden uns ja das Vergnügen machen und spielen?« – »Nu, wer weiß, warum nicht?« Weil aber den Abend hernach mir so viel Affront geschah, so entschloß ich mich, nicht mehr zu ihm zu gehen und mich von dem ganzen Patriciat – – zu lassen und weg zu reisen. Den 16. so unter dem Essen rief man mich hinaus; da war ein Mädl vom Langenmantl da, und er ließ sich erkundigen, ob ich gewiß kommen würde, mit ihm in die Academie zu gehen? – und ich möchte doch gleich nach dem Essen zu ihm kommen. Ich ließ mich gehorsamst empfehlen und ich gehe nicht in die Academie und zu ihm kann ich nicht kommen, weil ich schon engagirt bin, – wie es auch wahr war; ich würde aber morgen kommen um mich zu beurlauben, dann längstens Samstag werde ich abreisen. – Hr. Stein ist unterdessen zu den andern Hrn. Patricii von der evangelischen Seite gelaufen und hat halt ganz erschrecklich perorirt, so daß den Herrn völlig angst wurde. »Was«, sagten sie, »einen Mann der uns so viele Ehre macht, sollen wir weglassen, ohne ihn zu hören? Der Hr. von Langenmantl meint halt, weil er ihn schon gehört hat, so ists genug.« Enfin es war halt so ein Feuer, daß der gute junge Hr. von Kurzen-Mantl selbst den Hrn. Stein hat aufsuchen müssen, um ihn im Namen aller zu ersuchen, er möchte sein Möglichstes thun, um mich zu persuadiren, daß ich in die Academie ginge, auf etwas Großes[68] dürfte ich mich nicht gefaßt machen etc. Ich ging also nach vielem Weigern mit ihm hinauf. Da waren die Ersten von den Herrn ganz höflich; besonders ein gewisser Offizier Baron Belling, er ist auch so ein Director oder so ein Thier; der machte meine Musikalien selbst auf. Ich nahm auch eine Sinfonie mit, man machte sie, ich geigte mit. Hier ist aber ein Orchester zum Frais[Krämpfe]-kriegen. Der junge Lecker von Langen-Mantl war ganz höflich; doch hatte er noch immer sein spöttisches Gesicht. Er sagte zu mir: »Ich habe schon wirklich geglaubt, Sie werden uns so entwischen; ich habe – gar etwa geglaubt Sie möchten einen Verdruß haben, wegen dem neulichen Spaß.« »Ei beileibe«, sagte ich, »Sie sind halt noch jung. Aber nehmen Sie sich besser in Obacht, ich bin nicht gewohnt an solche Spässe. Und das Sujet, über das sie raillirten, macht Ihnen gar keine Ehre, und war auch von keinem Nutzen, den ich trage es doch. Hätten Sie lieber andern Spaß gemacht«. »Ich versichere Ihnen«, sagte er, »es war nur mein Schwager der – –« »Lassen wir es gut sein«, sagte ich. »Bald«, sagte er, »hätten wir das Vergnügen nicht gehabt, Sie zu sehen.« »Ja, wenn der Hr. Stein nicht gewesen wäre, wäre ich gewiß nicht gekommen. Um Ihnen die Wahrheit zu gestehen, bin ich nur gekommen, damit Sie meine Hrn. Augsburger nicht in anderen Ländern ausgelacht werden, wenn ich sagte, daß ich in der Stadt wo mein Vater geboren 8 Tage gewesen sei, ohne daß man sich bemüht hätte mich zu hören.« – Ich spielte ein Concert. Alles war gut bis auf das Accompagnement. Zuletzt spielte ich noch eine Sonate. Dann bedankte sich der Hr. Baron Belling im Namen der ganzen Gesellschaft auf das Höflichste und bat mich, ich möchte doch nur den Willen betrachten und gab mir 2 Ducaten.
Man läßt mir noch keinen Fried, ich solle bis Sonntag ein öffentliches Concert geben. – Vielleicht! – Ich bin aber schon so stuff, daß ich es nicht sagen kann. Ich bin recht froh, wenn ich wieder in einen Ort komme, wo ein Hof ist. Das kann ich sagen, wenn nicht ein so braver Hr. Vetter und Base und so ein liebs Bäsle da wäre, so reute es mich so viel als ich Haar auf dem Kopfe habe, daß ich nach Augsburg[69] bin. Nun muß ich von meiner lieben Jungfer Bäsle etwas schreiben, spare es mir aber auf morgen, dann man muß ganz aufgeheitert sein, wenn man sie recht loben will wie sie es verdienet.
Den 17. in der Frühe schreibe und betheuere ich, daß unser Bäsle schön, vernünftig, lieb, geschickt und lustig ist, und das macht weil sie brav unter die Leute gekommen ist; sie war auch einige Zeit zu München. Das ist wahr, wir zwey taugen recht zusammen; denn sie ist auch ein bischen schlimm. Wir foppen die Leute mit einander daß es lustig ist. [Die Familie Mozart war wegen ihrer etwas scharfen Zunge wohlbekannt und gefürchtet.] –
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