71. Mozarteum.

[79] Mannheim 4. Nov. 1777.

Ich bin alle Tage bei Cannabich. Heut ist auch meine Mama mit mir hingegangen. Er ist ganz ein anderer Mann als er vorher war24; es sagt es auch das ganze Orchester.[79] Er ist sehr für mich eingenommen. Er hat eine Tochter die ganz artig Clavier spielt, und damit ich ihn mir recht zum Freunde mache, so arbeite ich jetzt an einer Sonate für seine Mademoiselle Tochter, welche schon bis auf das Rondo fertig ist. Ich habe, wie ich das erste Allegro und Andante geendigt hatte, selbe hingebracht und gespielt; der Papa kann sich nicht vorstellen was die Sonate für einen Beifall hat. Es waren einige von der Musik just dort, der junge Danner, ein Waldhornist Lang und der Hautboist, dessen Namen ich nicht mehr weiß, welcher aber recht gut bläst und einen hübschen feinen Ton hat [Ramm]. Ich habe ihm ein Präsent mit dem Hautbois-Concert gemacht; es wird im Zimmer bei Cannabich abgeschrieben. Der Mensch ist närrisch vor Freude; ich habe ihm das Concert heut auf dem Pianoforte beim Cannabich vorgespielt; und obwohl man wußte, daß es von mir ist, so gefiel es doch sehr. Kein Mensch sagte, daß es nicht gut gesetzt sei; weil es die Leute hier nicht verstehen – –; sie sollen nur den Erzbischof fragen, der wird sie gleich auf den rechten Weg bringen.25 Heute habe ich alle meine sechs Sonaten beim Cannabich gespielt. Hr. Kapellmeister Holzbauer hat mich heut selbst zum Hrn. Intendant Graf Savioli geführt. Cannabich war just dort. Hr. Holzbauer sagte auf Welsch zum Grafen, daß ich möchte die Gnade haben mich bei S. Churf. Durchl. hören zu lassen. »Ich bin schon vor 15 Jahren hier gewesen; ich war dort 7 Jahr alt, aber nun bin ich älter und grösser geworden, und so auch in der Musik.« – »Oh«, sagte der Graf, »das ist der – –«, was weiß ich für wen er mich hielt. Da nahm aber gleich der Cannabich das Wort, ich stellte mich aber, als wenn ich nicht hörte, ließ mich mit Andern in Discurs ein. Ich merkte aber, daß er ihm mit einer ernsthaften Miene von mir sprach. Der Graf sagte dann zu mir: »Ich höre daß Sie so ganz passable Clavier spielen?« Ich machte eine Verbeugung.

Nun muß ich von der hiesigen Musik reden. Ich war Samstag am Allerheiligen-Tag in der Kapelle im Hochamt.[80] Das Orchester ist sehr gut und stark, auf jeder Seite 10 bis 11 Violinen, 4 Bratschen, 2 Oboen, 2 Flauti und 2 Clarinetti, 2 Corni, 4 Violoncelli, 4 Fagotti und 4 Contrabassi und Trompeten und Paucken. Es läßt sich eine schöne Musik machen, aber ich getrauete mir keine Messe von mir hier zu produciren. Warum? – – Wegen der Kürze? – Nein, hier muß auch alles kurz sein – – Wegen dem Kirchenstyl? – Nichts weniger; sondern weil man hier jetzt bei dermaligen Umständen hauptsächlich für die Instrumente schreiben muß, weil man sich nichts Schlechteres denken kann, als die hiesige Vocalstimmen. 6 Soprani, 6 Alti, 6 Tenori und 6 Bassi, zu 20 Violinen und 12 Bassi verhält sich just wie 0 zu 1. Nicht wahr, Hr. Bullinger? – Dieß kommt daher: die Wälschen sind hier jetzt miserable angeschrieben; sie haben nur 2 Castraten hier, und die sind schon alt. Man läßt sie halt absterben. Der Sopranist möchte schon auch lieber den Alt singen; er kann nicht mehr hinauf. Die etliche Buben, die sie haben, sind elendig. Die Tenor und Baß wie bei uns die Todtensinger. Der Hr. Vice-Kapellmeister Vogler, der neulich das Amt machte, ist ein öder musikalischer Spaßmacher, ein Mensch der sich recht viel einbildet und nicht viel kann. Das ganze Orchester mag ihn nicht. Heut aber als Sonntag habe ich eine Messe vom Holzbauer gehört, die schon 26 Jahr alt ist und aber recht gut ist. Er schreibt sehr gut, einen guten Kirchenstyl, einen guten Satz der Vocalstimmen und Instrumente und gute Fugen. – Zwei Organisten haben sie hier, wo es der Mühe werth wäre eigens nach Mannheim zu reisen. Ich habe Gelegenheit gehabt sie recht zu hören, denn hier ist es nicht üblich, daß man ein Benedictus macht, sondern der Organist muß dort allzeit spielen. Das erstemal habe ich den zweiten gehört, und das anderemal den ersten. Ich schätze aber nach meiner Meinung den zweiten noch mehr als den ersten. Denn wie ich ihn gehört habe, so fragte ich: »Wer ist der, welcher die Orgel schlägt?« – »Unser zweiter Organist.« »Er schlägt miserabel.« Wie ich den andern hörte: »Wer ist denn der?« – – »Unser erster.« »Der schlägt noch miserabler.« Ich glaube, wenn man sie zusammen stöße, so würde noch was Schlechteres heraus kommen. Es ist zum[81] Todtlachen diesen Herren zuzusehen. Der zweite ist bei der Orgel wie das Kind beim Dreck; man sieht ihm seine Kunst schon im Gesichte an. Der erste hat doch Brillen auf. Ich bin zur Orgel hingestanden und habe ihm zugesehen in der Absicht ihm etwas abzulernen; er hebt die Hände bei einer jeden Note in alle Höhe auf. Was aber seine Force ist, ist daß er 6stimmig spielt, meistentheils aber quintstimmig und octavstimmig. Er läßt auch oft zum Spaß die rechte Hand aus und spielt mit der linken ganz allein, mit einem Worte er kann machen was er will, er ist völlig Herr über seine Orgel.

Die Mama empfiehlt sich allerseits; sie kann unmöglich schreiben, denn sie muß noch ihr Officium beten. Wir sind gar spät von der großen Opernprobe nach Haus gekommen. Morgen muß ich nach dem Hochamt zu der gestrengen Frau Churfürstin, sie will mir absolument Filée stricken lehren; ich habe völlig Sorge darauf, denn sowohl sie als auch der Edelfeste Hr. Churfürst will, daß ich schon künftigen Donnerstag abends in der grossen Galla-Academie öffentlich stricken soll. Die Jungf. Prinzessin hier, welche ein besch ....... Kind zur Churfürstin ist, strickt auch selbst recht hübsch. Um 8 Uhr puncto ist der Zweenbrück und seine Zwobrückin hier angelanget. – Apropos. Meine Mama und ich bitten den Papa recht schön, Sie möchten doch die Güte haben, und unserer lieben Baase ein Angedenken schicken. Denn wir haben alle zwei bedauert, daß wir nichts bei uns haben, aber versprochen dem Papa zu schreiben, daß er ihr was schickt. Aber zweierlei Sachen, im Namen der Mama ein so Doppeltüchel wie die Mama eins hat, und im Namen meiner eine Galanterie, eine Dose oder Zahnstockerbüchs etc. oder was es ist, wenn es nur schön ist; denn sie verdient es.26 Sie und ihr Hr. Vater haben sich viele Mühe gegeben, und viel Zeit mit uns verloren. Der Hr. Vetter hat beim Concert das Geld eingenommen. Addio.

24

Mozart war schon als Knabe mit seinem Vater bei ihm gewesen.

25

Der Erzbischof wollte keine der Compositionen, die Mozart für seine Concerte schrieb, gelten lassen, sondern hatte stets etwas daran zu tadeln.

26

Im Besitze des Vaters befand sich noch manches Stück der zahlreichen Juwelen und Bijouterien, die den Kindern auf ihren Kunstreisen geschenkt worden waren.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 79-82.
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