94. Mozarteum.

[131] Mannheim 19. Febr. 1778.

Ich habe mir nie etwas Anderes vorgestellt, als daß Sie die Reise mit den Weberischen mißbilligen werden; denn ich habe es niemals, bei unsern dermaligen Umständen verstehts sich, im Sinn gehabt. Aber ich habe mein Ehrenwort gegeben, an Sie das zu schreiben. Hr. Weber weiß nicht wie wir stehen; ich sag es gewiß Niemand. Weil ich also gewünscht habe in solchen Umständen zu seyn, daß ich auf Niemand zu denken hätte, daß wir alle recht gut ständen, so vergaß ich in dieser Berauschung die gegenwärtige Unmöglichkeit der Sache, und mithin auch – Ihnen das zu melden was ich jetzt gethan habe. Die Ursachen, daß ich nicht nach Paris bin, werden Sie genugsam in den letzten zwei Briefen vernommen haben. Wenn nicht meine Mutter selbst davon angefangen hätte, so wäre ich gewiß mitgereist. Nachdem ich aber merkte daß sie es nicht gern sieht, so sah ich es auch nicht mehr gern. Denn sobald man mir nicht trauet, so traue ich mir selbst nicht mehr. Die Zeiten wo ich Ihnen auf dem Sessel stehend das oragna fiagata fà37 sang und Sie am Ende auf das Nasenspitzl küßte, sind freilich vorbei; aber hat dessentwegen meine Ehrfurcht, Liebe und Gehorsam gegen Sie abgenommen? – – Mehr sage ich nicht. Was Sie mir wegen der kleinen Sängerin in München [vgl. S. 52] vorwerfen, muß ich bekennen, daß ich ein Esel war so eine derbe Lüge an Sie zu schreiben. Sie weiß gar noch nicht was Singen heißt. Das ist wahr, daß für eine Person, die erst 3 Monat die Musik gelernt, sie ganz vortrefflich sang; und überdies hatte sie eine sehr angenehme reine Stimme. Die Ursache warum ich sie so lobte, mag wohl gewesen sein, weil ich von früh morgens bis nachts nichts hörte als: es gibt keine bessere Sängerin in ganz Europa; wer diese nicht gehört hat, der hat nichts gehört. – Ich getraute mir nicht recht zu widersprechen, theils weil ich mir gute Freunde machen wollte, theils weil ich schnurgerade von Salzburg herkam,[132] wo man einem das Widersprechen abgewöhnt. Sobald ich aber allein war, so mußte ich von Herzen lachen. Warum lachte ich doch auch nicht in Ihrem Brief? – Das begreif ich nicht.

Was Sie so beißend wegen meiner lustigen Unterhaltung mit Ihres Bruders Tochter schreiben, beleidigt mich sehr. Weil es nicht dem also ist, so habe ich nichts darauf zu antworten. Wegen Wallerstein weiß ich gar nicht was ich sagen soll; da bin ich beim Becke sehr zurückhaltend und serios gewesen, und auch an der Offiziertafel mit einer rechten Autorität dagesessen und hab mit keinem Menschen ein Wort geredet. Über das wollen wir alles hinausgehen; das haben Sie nur so in der Hitze geschrieben. [Vgl. S. 87.]

Was Sie wegen der Mademoiselle Weber schreiben, ist alles wahr. Und wie ich es geschrieben habe, so wußte ich so gut wie Sie, daß sie noch zu jung ist und daß sie Action braucht und vorher öfter auf dem Theater recitiren muß. Allein mit gewissen Leuten muß man öfters nach und nach weiter schreiten. Die gute Leute sind müde hier zu sein, wie – Sie wissen schon wer und wo [d.h. Mozart Vater und Sohn in Salzburg]. Mithin glauben sie es sei alles thunlich. Ich habe ihnen versprochen alles an meinen Vater zu schreiben. Unterdessen als der Brief nach Salzburg lief, sagte ich schon immer, sie soll doch noch ein wenig Geduld haben, sie sei noch ein bischen zu jung etc. Von mir nehmen sie auch alles an, denn sie halten viel auf mich. Jetzt hat auch der Vater auf mein Anrathen mit der Mad. Toscani (Komödiantin) geredet, damit sie seine Tochter in der Action instruirt. Es ist alles wahr was Sie von der Weberin geschrieben haben, ausgenommen Eins nicht, nämlich daß sie wie eine Gabrielli [vgl. S. 14 und 27] singt; denn das wäre mir gar nicht lieb, wenn sie so sänge. Wer die Gabrielli gehört hat, sagt und wird sagen, daß sie nichts als eine Passagen- und Rouladenmacherin war; weil sie aber auf eine so besondere Art ausdrückte, verdiente sie Bewunderung, welche aber nicht länger dauerte, als bis sie das 4. Mal sang. Denn sie konnte in die Länge nicht gefallen, der Passagen ist man bald müde; und sie hatte das Unglück daß sie nicht singen konnte. Sie war nicht im Stande eine ganze Note gehörig auszuhalten, sie hatte keine [133] messa di voce, sie wußte nicht zu souteniren, mit einem Wort, sie sang mit Kunst, aber mit keinem Verstand. Diese aber singt zum Herzen und singt am liebsten cantabile. Ich habe sie erst durch die große Arie an die Passagen gebracht, weil es nothwendig ist, wenn sie nach Italien kommt, daß sie Bravourarien singt. Das Cantabile vergißt sie gewiß nicht, denn das ist ihr natürlicher Hang. Der Raaff hat selbst (der gewiß nicht schmeichelt) gesagt, als er um seine aufrichtige Meinung gefragt wurde: »Sie hat nicht wie eine Scolarin, sondern wie eine Professora gesungen.«

Jetzt wissen Sie also alles. Ich recommandire sie Ihnen immer von ganzem Herzen; und wegen der Arien, Cadenzen etc. bitte nicht zu vergessen. Leben Sie wohl .... Ich kann nimmer schreiben vor lauter Hunger ....

Meine Mutter wird Ihnen unsere große Geldcasse eröffnen. Meine Schwester umarme ich von ganzem Herzen, und sie soll nicht gleich über jeden Dr.. weinen, sonst komme ich mein Lebtag nimmer zurück.

37

Italienisch klingende Worte ohne Sinn, zu denen er sich eine Melodie erfunden hatte, die Nissen S. 35 mittheilt.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 131-134.
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