23.

Ein Frühstück.

[260] Von dem Landgute der Baronesse von Waldstetten zurückgekehrt, hatte sich Mozart sogleich an das Studium des Textes zu seiner neuen Oper gemacht. Sein unendlich lebhafter Geist ließ ihm keine Ruhe. Nicht nur das Buch wollte er sofort kennen lernen, – nein! in derselben Nacht noch mußte schon – wenn auch nur in den weitesten Umrissen – der musikalische Bau des Werkes in seinen Gedanken erstehen. Ohne dies wäre es ihm unmöglich gewesen, weiter zu leben: ..... an Schlafen gar nicht zu denken!

Ach! diese ewige, nie zu bewältigende Unruhe, dieses leidenschaftliche Wesen, dieser fast fieberhafte. Andere oft beunruhigende Drang unaufhörlich zu schaffen ..... das waren ja die Dämonen, die ihn schon damals, Unheil verkündend, umkreisten.[260]

Alles ging rasch bei ihm! Er dachte rasch; rasch waren seine Gefühle angeregt und zitterten dann lange und mächtig nach; – rasch flog das Blut durch seine Adern, so daß sein Herz schon bei der leisesten geistigen Aufregung laut pochte! – rasch war er beim Essen, rasch bei dem Trinken, rasch im Sprechen und rasch im Rauchen. Rasch wie der Blitz kleidete er sich an. Selbst wenn er sich in der Frühe die Hände wusch, ging er dabei im Zimmer auf und ab, blieb nie ruhig stehen, schlug dabei eine Ferse an die andere und componirte im Kopfe. Seine Hände und seine Füße waren beständig in Bewegung, er spielte immer mit etwas, z.B. mit seinem Hute, in seiner Tasche, mit seinem Uhrbande, mit Tischen und Stühlen gleichsam Clavier.83 Aber rasch – ungeheuer rasch war er auch im Arbeiten und Schaffen. Die Gedanken flossen, die Feder flog, und so steigerte sich diese Leidenschaft im Arbeiten oft bis zu einer Art Arbeitswuth. Sobald ein Gedanke in ihm aufblitzte, erfaßte er ihn sogleich in allen seinen Folgerungen und in seinem ganzen harmonischen Geleite. Der Gesang, der Baß, die Mittelstimmen, Alles ertönte in seinem Kopfe, zuerst verwirrt, dann mit zunehmender Genauigkeit, jemehr die Seele Ohr wurde. Alles entstand zu gleicher Zeit, combinirte und entwickelte sich ohne Verwirrung, ordnete sich nach den Regeln der Modulation und des Contrapunktes, und theilte sich zwischen den Gesangs- und Orchesterstimmen, wie vermöge einer ästhetischen Nothwendigkeit, eines außerordentlichen Instinktes, der sich aber nie über das Schöne täuschte.84

Welch' ein Genuß dann, wenn das im Geiste – wie in einer Ahnung – geschaute Werk zum erstenmale in Gedanken vor ihm stand! .... Aber auch .... welches Fibriren der Nerven, welches Arbeiten der Gedanken, welche rasche Consumation der stofflichen Theile! Mußte da nicht jedesmal auf die Exaltation des Schaffens eine Abspannung folgen, die Zerstreuung und physischen Genuß zu einem gebieterischen Bedürfnisse machte, und lag es nicht nahe, daß bei so gereizten Nerven eine Exaltation zu der anderen führte?


»Er wendete die Blüthen höchsten Strebens,

Das Leben selbst, an dieses Bild des Lebens.«
[261]

Aber noch war Spannkraft genug vorhanden, um die tödtlichen Folgen dieses geistigen Vampyrismus – der sich das eigene Herzblut aussaugt – zu überwinden, und außerdem .... wer kann sich anders machen, als er ist? Nur so war Mozart .... Mozart; – anders, wäre er eben ein Anderer gewesen.

Nur unter den gegebenen Verhältnissen, konnte diese großartige Erscheinung, das Großartige hervorrufen, was sie schuf.

»Ich schrieb mit dem Blute meines Herzens und dem Safte meiner Nerven!« ist das Epitaphium aller großen Männer.

Die Kerzen waren vollständig herabgebrannt und der Morgen schaute mit fahlem Antlitz durch die Fenster, als Wolfgang Amadeus mit der Durchsicht des Textes der »Entführung aus dem Serail« fertig war.

Vieles hatte ihm darin gefallen, .... sehr gut gefallen .... Anderes auch nicht. Der Hauptgedanke electrisirte ihn sogar – zumal er eine Aehnlichkeit zwischen seinem Liebesverhältniß und dem Belmonte's und Constanzens in der Oper fand. Aber immerhin sah er voraus, daß Vieles geändert werden müsse. Hie und da war er auch zwischen dem Lesen aufgesprungen und an das Clavier geeilt und hatte Accorde gegriffen, oder gleich eine Melodie gespielt, die bei dem Lesen sein Gehirn wie ein Blitz durchzuckte. Jetzt schlug er das Buch zu und rief: »Bei Gott! da soll etwas Kostbares daraus werden; aber ich muß sogleich Bretzner und Stephani sprechen, damit die mir auf der Stelle Einiges ändern!«

Aber das »sogleich« ging doch wohl nicht; denn als Mozart auf die Uhr sah, war es vier Uhr Morgens.

»Es ist noch zu frühe!« – sagte er daher, blies die bis in die Leuchter gebrannten Lichter aus und warf sich in den Kleidern auf sein Bett. Er war übrigens zu erschöpft, um nicht bald einschlafen zu sollen; aber der Schlaf war nicht erquickend: Notenköpfe in unzähliger Menge tanzten vor seiner Seele, – Melodien rauschten und durch dies Alles zog das Bild seiner angebeteten Constanze; aber es hatte heute nichts Beruhigendes, nichts Beschwichtigendes, .... immer war Osmins komisch-zorniges Antlitz gleich hinter ihr.

[262] Amadeus war daher froh, als er bald wieder erwachte. Die zwei Stunden Schlaf waren ihm genug. Angezogen war er noch, also sprang er gleich vom Bette auf, eilte an den Tisch und schrieb an Bretzner folgende Zeilen:


»Mon chèr ami!«


»Ich habe gestern vom Kaiser Ihr Textbuch: ›Die Entführung aus dem Serail‹ erhalten; das wo und wie thut nichts zur Sache, heute Nacht las ich es und bin entzückt davon – obgleich mich der Teufel holen soll, wenn Sie das Libretto nicht auf mich und meine liebe Constanze geschrieben haben. Ich gestehe Ihnen auch, daß ich vor Begierde zittere, die Composition zu beginnen und dabei sollen mir Ihr Kniff und Schalk-Amor die beste Hülfe leisten. Aber geändert muß doch manches werden – auf Erden! – Darum ersuche ich Sie, theilen Sie die Zeilen Stephani mit, – bitt! –, und kommen Beide gegen zehn Uhr in's ›Würstl‹ – Fürstl! Ich werde dort ein ganz feines Frühstück – welch' Glück!! – auf meine Rechnung bestellen – nach der Ellen! – und dann wollen wir bei Champagnerwein – wie fein! ändern und – kreuzfidel sein!«

Ihr Wolfgang Amadeus.


Wolfgang, der häufig ganze Briefe in dieser Art schrieb,85 wenn er bei heiterer Laune war, siegelte das Blatt und gab es dann seinem Laufburschen zur Besorgung. Auch die Frühstücksbestellung an den Wirth zum »Würstl« wurde beigefügt. Er aber hatte selbst zuvor noch einen anderen wichtigen Gang zu machen und das war ..... zu seiner Constanze.

In Wien trugen um jene Zeit fast alle Häuser noch besondere Namen; so hieß denn das Haus, in welchem Constanze mit ihrer Familie wohnte »zum Auge Gottes.« Hierhin also richtete Amadeus jetzt seine Schritte.

Da es noch früh und er in sehr guter Laune war, hoffte er die Geliebte in Negligé zu überraschen, um sie dann wacker necken zu können; aber er hatte sich getäuscht. Constanze, immer flink und die Seele der Haushaltung, eilte ihm, – von seinem frühen Besuche freudig berührt – im Hauskleide entgegen. Aber wie reizend und nett stand ihr dies einfache,[263] nach damaliger Mode knappanliegende Kleid. Wie schön ließ es die entzückenden Formen dieses in der vollsten Frische der Jugend aufblühenden Mädchenkörpers ahnen. Und doch wie sittsam verhüllte wieder das feine Busentuch mit der leichten Batistkrause Brust und Hals. Um das schöne Köpfchen aber mit den so freundlich und treu blickenden Augen, den rosigen Wangen, der feinen Nase und dem kussigen Munde, wallte das reiche Haar kunstlos und doch zierlich in zahllosen natürlichen Locken.86 Constanze war wirklich das Bild der holdesten Jungfräulichkeit, – das Bild einer im Aufbrechen begriffenen Rosenknospe.

Beide begrüßten sich herzlich; Constanze aber frug in ihrer kindlichen Weise:

»Und woher so früh? Hast mich wohl prüfen wollen, ob ich früh aufstehe?«

»So etwas!« – sagte Mozart.

»Nun denn, so bekenne beschämt, daß ich eine gute Haushälterin und zeitig bei der Hand bin.«

»Wie gerne gestehe ich dir dies zu!« – rief Amadeus, sie an sich ziehend und einen Kuß auf ihre Stirne drückend. – »Und will ich dich erst für diese Tugend belohnen, wenn du mein liebes Weibchen bist.«

»Ach!« – seufzte hier das Mädchen – »wer weiß, ob es je dazu kömmt, die Mutter .....«

»Nun?«

»Ist wieder entschiedener gegen unsere Heirath denn je!«

»Und warum denn?«

»Weil böse Menschen ihr wieder Schlimmes von dir erzählt haben.«

»Mein Gott! was soll ich denn wieder vollbracht haben?«

»Ich weiß es nicht, aber so viel ist gewiß, daß du viele Feinde hier hast.«

»Wer, der etwas ist und etwas leisten kann, hat die nicht?«

»Aber, du bist zum Theil selbst daran Schuld, Wolfgang

Mozart sah hier seine Constanze erstaunt an. Dann sagte er, fast in schmerzlichem Tone:

»Wäre es möglich, daß auch du den Verleumdungen Glauben schenkst? – daß auch du mich für einen leichtsinnigen Verschwender hältst, weil ich hie und da, nach großen Anspannungen, einmal fröhlich mit Fröhlichen bin?«[264]

»Wie kannst du das glauben?« – entgegnete die Geliebte, eine Thräne im Auge. – »Kenne ich meinen Wolfgang nicht besser? Ich weiß, daß ein so genialer und schöpferischer Mensch, wie du, seine eigenen Wege gehen muß, und nicht wie die Philister leben kann. Ich weiß ferner, wie groß und edel mein Wolfgang denkt, und wie ihn bei aller Laune, bei allem Schmerz, bei aller Heiterkeit ein ihm angeborenes, tief in seinem Innern ruhendes edles Wesen über alles Unschöne und Unfeine hinaushebt. Aber es ist etwas anderes, was ihm fehlt?«

»Und das wäre?«

»Eine gewisse Weltklugheit.«

Mozart lächelte; dann rief er heiter: »Mit eurer Klugheit, ihr klugen Leute! Ist es so unrecht, daß ich mich gebe, wie ich bin. Ich glaube, darin liegt der beste Beweis, daß ich eben nichts Böses thue; denn nur wer Unrecht thut, hat nöthig, sich zu verstellen.«

»Du verstehst mich immer noch nicht!« – sagte hier kopfschüttelnd Constanze, und winkte ihm, sich zu ihr zu setzen. – »Gott soll mich bewahren, dein ehrliches, offenes und gerades Wesen zu tadeln, lieber Wolfgang; diese Tugenden schätze ich ja gerade so hoch an dir. Nein! wenn ich von Weltklugheit sprach, so meinte ich, du solltest in deinem Urtheil, in deiner Kritik über andere Künstler, namentlich über die vielen italienischen Sänger und Componisten hier etwas vorsichtiger sein.«

»Und war ich denn unvorsichtig?«

»Ja! du meinst es nicht schlimm, aber von dem künstlerischen Höhepunkte aus, auf dem du stehst, und vermöge deines musikalischen Scharfblickes und feinen Gefühles, vermagst du, bei deiner Offenheit, über Schlechtes oder Untergeordnetes nicht zu schweigen, und dadurch, mein Lieber, hast du dir in Wien schon ungemein viele Feinde gemacht.«

»Ei, ei!« – rief Amadeus lachend – »meine kleine charmante, zukünftige Frau, das klingt ja fast wie eine erste Gardinenpredigt.«

»Nicht doch!« – sagte die Liebliche erröthend. – »Es ist nur eine Warnung aus treuem Herzen.«

»Dem aber Jemand anderes soufflirt hat.«

»Ich gestehe es, ja! Wie sollte ich auch, die ich fast nicht aus dem Haus komme, etwas von solchen Dingen wissen.«[265]

»Kannst Du auch besser aufgehoben sein, als im Auge Gottes?« – rief Mozart scherzend, indem er liebevoll seinen Arm um die neben ihm Sitzende schlang. – »Aber wer hat denn soufflirt?«

»Wer anders« – entgegnete das Mädchen – »als dein väterlicher Freund Duscheck. Er ist Künstler, wie du, kennt also das Getriebe am Theater und in der Künstlerwelt, – er liebt und schätzt Dich – – und weiß, wie es in Wien geht!«

»Alles wahr; aber – er ist zu ängstlich!«

»Vorzüglich warnt er dich vor Salieri

»Warum nicht gar, das ist mein bester Freund.«

»Duscheck glaubt es nicht. Er sagt: du möchtest nicht vergessen, daß er Italiener sei.«

»Als ob alle Italiener Schurken wären.«

»Das nicht; aber sie fürchten dich, deine Compositionen und die nationale Richtung, die du nimmst.«

»Die wird freilich ihrem Geklingel ein Ende machen.«

»Und sie damit um Brod und Stellung bringen! Glaubst du wohl, daß sie das ruhig ansehen werden.«

»Und was wollen sie machen? Alle tüchtigen Musiker hier sind meine Freunde, ja meine glühenden Verehrer: Gluck, Haydn, Duscheck, Kucharz, Praupner, Kozeluch, die beiden Loschek, Maschek, Rösler, Witassek, Tomaschek und wie sie alle heißen. Frage diese und sie werden dir alle zugestehen, – daß ich – wenn ich das Schlechte tadle – gewiß auch das Gute, wo ich es finde, freudig anerkenne, lobe und schätze.«

»Das weiß ich ja!« – fuhr Constanze eifrig fort. – »Die Tüchtigen hast du auch weniger zu fürchten, als die Untüchtigen. Dem sei aber, wie ihm will; du frugst eben: wie dir diese Menschen schaden können? Ei, siehst du es denn nicht?«

»Und wie?«

»Sie können dir allerdings weder als Componist noch als Clavierspieler beikommen, da überstrahlst du sie himmelweit und das Wiener Publikum ist weder blind, noch taub. Aber sie fangen es weit hinterlistiger an: sie untergraben deinen Ruf als Mensch, – sie verleumden dich und nennen dich einen Verschwender, einen leichtsinnigen Menschen! O, lieber Wolfgang, mißverstehe mich nicht! Ich habe dir schon gesagt, daß ich dich zu beurtheilen verstehe, und dich[266] liebe und schätze, so wie du bist. Aber meiner guten Mutter haben sie schon so viel in den Kopf gesetzt, daß sie erst gestern wieder heilig gelobte, ihre Einwilligung zu unserer Heirath nicht zu geben. Und wenn sie nun auch noch bis zum Kaiser durchdringen ....«

»Dann, mein Engel!« – rief Amadeus freudestrahlend – »werden sie durchfallen!«

»Und bist du dessen so gewiß!«

»So gewiß, als du in ganz kurzer Zeit mein liebes, herziges Weibchen bist.«

»Dann steht deine Hoffnung auf schwachen Füßen!«

»Meinst du?« – rief jetzt Mozart geheimnißvoll lächelnd – »wenn ich dir nun sage, daß mir der Kaiser gestern erst in hocheigener Person den schlagendsten Beweis seiner Gunst und seines Vertrauens gegeben hat?!«

»Wäre es möglich!« – rief Constanze freudig überrascht – »und wie und wo?«

»Das wie und wo, Herzchen, ist Geheimniß; aber die Thatsache besteht darin: daß er eine deutsche Oper gründen und mich ihr vorsetzen will.«

»Alte Geschichte! Kaiser Joseph will gar Viel des Guten, aber .....«

»Nur nicht meinen guten Kaiser geschmäht! Diesmal ist es Ernst. Die deutschen Sänger und Sängerinnen sind bereits engagirt und einem gewissen Wolfgang Amadeus Mozart – einem Blitzkerl von Jungen – hat der Kaiser gestern den Auftrag ertheilt: eine deutsche Oper – – hörst du, Schätzchen, – – eine deutsche Oper für das neue zu gründende deutsche Theater zu schreiben.«

»Amadeus!« – rief jetzt Constanze entzückt. – »Ist dem wirklich so?«

»Der Beweis liegt vor!« – entgegnete dieser freudig, indem er das Textbuch aus der Tasche nahm und es der Geliebten reichte: »Die Entführung aus dem Serail.« »Und weißt du, was das schönste dabei ist, wir beide spielen mit!«

»Wie so?« – frug Constanze überrascht.

»Nun, schau nur hinein. Steht da nicht Belmonte? – das bin ich – und hier: Constanze, seine Geliebte? – das bist du. Und ganz unsere Situation: die Constanze der Oper eingeschlossen im Serail – mein süßes Constanzchen[267] eingeschlossen im ›Auge Gottes,‹ – dort ein Pascha, der sie zurückhält und hier eine, zwar gute, aber in Vorurtheilen befangene Mutter, sammt einem dito Vater. Und nun lies den Text dieser Arie des Belmonte: ›Klopft mein liebevolles Herz!‹ ....«

Und Mozart seine Constanze zärtlich an sich drückend, sang die Arie – sie entstand mit diesem Momente – so göttlich schön, daß er selbst begeistert aufsprang, ein Stückchen Notenpapier aus der Tasche zog und den musikalischen Gedanken schnell hinwarf.

Ist die Musik die Sprache der Seele, athmete Mozarts Innerstes in diesem Augenblicke die reinste, innigste, zärtlichste Liebe. Beide waren überglücklich.

»Und nun,« – rief Amadeus endlich – »hoffe ich auch, werden Mutter und Vater nachgeben. Ich fühle es, daß diese Oper etwas Treffliches wird. Die Liebe soll sie mir dictiren und ihre süßen Melodien sollen die Herzen der Eltern erschließen. Außerdem werde ich sicher Capellmeister der deutschen Oper, die ich ja dem Kaiser errichten helfen soll, und dann ist unsere Existenz gesichert und du bist mein, – mein – Constanze, auf ewig!«

Und Amadeus umarmte die Geliebte auf's Neue, die sich jetzt ebenfalls den schönsten Hoffnungen hingab; denn was ihr Wolfgang eben mitgetheilt, konnte ihrem gegenseitigen Schicksale allerdings die gewünschte Richtung geben.

Die Mutter zu sprechen, war Wolfgang übrigens jetzt nicht aufgelegt. Erst sollten Thatsachen für ihn auftreten, und dann war er bereit, den Sturm auf ihr Herz noch einmal zu wagen. Auch zog es ihn im Augenblick zu sehr zu Bretzner und Stephani. Er verabschiedete sich daher von der Geliebten und eilte dann dem »Würstl« zu.

Dort angekommen, fand er dreierlei: einmal die Freunde Bretzner und Stephani, die nie bei ähnlichen Gelegenheiten auf sich warten ließen; – dann einen wundervoll gedeckten Tisch mit drei Couverts und eben so viel Flaschen Champagner und endlich das allerliebste Kellnermädchen, mit dem er sich immer zu necken pflegte, und zwar um so mehr, als der Wirth zum »Würstl,« ein alter garstiger Bursche, mit dickem, schwammigen Bauch und blau-rother Nase vor Eifersucht umkam, wenn Jemand der kleinen »Traudel« den[268] Hof machte. »Traudel« aber konnte den lustigen, oft ausgelassenen Herrn Mozart – der häufig in das »Würstl« kam, sehr gut leiden. Der Wirth würde daher Herrn Mozart schon lange die Thüre gewiesen haben, wenn derselbe nicht ein so guter Kunde gewesen und namentlich durch seine Freigebigkeit, seine Herzensgüte und Heiterkeit immer eine große Gesellschaft angezogen hätte.

Mozart war also von dem, was er sah, sehr freudig überrascht. Flugs warf er den Hut von sich, und die hübsche Kellnerin umschlingend, rief er:

»Traudel, mein liebes Braut'l, wie hast du alles schön gemacht!« und dabei gab er ihr einen derben Kuß auf die glühenden Wangen.


»Doch! .... mit des Geschickes Mächten

Ist kein ewiger Bund zu flechten,

Und das Unglück schreitet schnell!«


Leider war die Küche dicht an dem Zimmer, in welchem sich Mozart mit den Freunden befand, und da sich der Ton, welchen der Kuß auf Traudels Wangen erzeugt nach den Gesetzen des Schalles fortpflanzte, so traf er auch die Ohren des Herrn »Würstlmayer,« wie die Gäste den Inhaber der Wirtschaft zum »Würstl« scherzweise nannten, obwohl er eigentlich Melzscheck hieß.

Würstlmayer war aber, wie schon erwähnt, ein zweiter Othello an Eifersucht, und so stürzte er denn in das Zimmer, ehe sich Traudel von Herrn Mozart losgemacht, was ihr übrigens auch gar nicht zu pressiren schien.

Aber nun hätte man des alten, rothnasigen, schwammbauchigen Würstlmayers Wuth sehen sollen. Sein Gesicht glühte vor Zorn, seine Augen funkelten, und zwar um so ärger, je mehr die drei Gäste über sein köstliches Toben lachten.

»Alle Donner und alle Wetter!« – schrie er, dabei mit der Faust auf den Tisch schlagend, daß Gläser, Flaschen und Teller klirrten – »kann man denn gar kein ordentliches Mädchen mehr bei Euch Herren Leichtfüßen in der Wirthschaft halten? So ein verfluchter Musikus, wie der Monsieur Mozart, hat den wahren Teufel im Leib. O, wenn ich nur könnte, wie ich wollte: gesotten, gebraten, gehängt und gestochen sollte er werden!!«

[269] Mozart und die Freunde wollten vor Lachen ersticken: »Bravo! bravo!« – rief dabei der erstere – »Bretzner paßt auf, ein göttlicher Osmin

»Was!« – rief Würstlmayer jetzt noch wüthender – »was ist das wieder für ein Spitzname? An den Galgen mit Euch Allen! Melzscheck heiß ich und nicht Würstlmayer und nicht Osmin

»Himmlisch!« – rief Mozart – »jetzt will er uns auch noch, für den Champagner, den wir bei ihm trinken, und für die schlechten Pasteten, mit denen er uns abfüttert, an den Galgen bringen. Seht nur, seht, welch' blutdürstige Blicke er nach uns schießt. Mensch! wir sind doch keine Kapaunen, die man so abschlachtet .....«

»Ja, eben darum!« – rief der Wirth mit einem zornfunkelnden Blick auf Traudel, die die Schürze vor das Gesicht drückte, als ob sie weine, hinter derselben aber weidlich lachte, – »eben darum möchte ich Euch Allen den Hals abschneiden.«

»Immer besser!« – sagte jetzt Stephani, indem er sich die Seiten hielt. – »Er träumt von Nichts als von Pfahl und Galgen, Köpfen und Erwürgen.«

»Natürlich!« – rief Mozart. – »Würstlmayer ist die Hinrichtungen von den Hühnern, Tauben, Gänsen und Enten gewöhnt, die der Barbar täglich würgt, schmort und bratet. Er liebt die Hinrichtungen, wie wir die Musik, und als Kenner ist er in diesen Genüssen schwer zu befriedigen. Eine einzige Execution ist ihm zu elend! Er wünscht, daß seine Gäste mit mehr Umständen und Rücksichten behandelt würden!«

»Ja! das wünsche ich!« – rief Würstlmayer und schlug wiederholt auf den Tisch, während ihm die Augen fast aus dem Kopfe traten: »Zuerst gespießt, dann erwürgt, dann gehängt, dann geköpft, verbrannt und zu guter Letzt in die Donau!«

»Hollah, ho!« – jauchzte Mozart – »Stephani, Bretzner Papier und Bleistift, schreibt, schreibt, ich bitt' Euch, das giebt eine tactvolle Arie für unseren Osmin. Schreibt: ›Erst geköpft und dann gehangen, dann gespießt auf heißen Stangen, dann verbrannt und dann gebunden und zuletzt getaucht, geschunden.‹«

Und Mozart – sprang auf, stellte Würstlmayer mit vorgebogenem Leibe gegenüber, wie eine Hyäne, die auf[270] ihre Beute schießen will, riß die Augen weit auf, wie sein Gegenmann, bewegte die Augen, als ob er ihm in der vollsten Wuth den Hals zuschnüren wollte und sang mit wundervoller Wahrheit komischen Zornes:

»Erst geköpft und dann gehangen, dann gespießt auf heißen Stangen, dann verbrannt und dann gebunden, und zuletzt getaucht, geschunden, geschunden, geschunden!«

Bretzner und Stephani jauchzten und riefen begeistert: »Bravo, bravo!«

Traudel stand erschrocken, denn sie glaubte, Herr Mozart wolle jetzt auch Ernst machen. Der Wirth aber, der als Böhme ein großer Musikfreund war und darum Mozart – trotz seiner Eifersucht – doch im Ganzen gern hatte, auch durch Wolfgangs vortreffliche Nachahmung einer Wuth, zu der Einsicht gekommen war, daß er sich lächerlich mache – ergriff den klügsten Theil, schnitt eine fürchterliche Grimasse und lachte mit.

Das Auffliegen eines Champagnerpfropfens und vier volle, schäumende Gläser besiegelten den Frieden, den Würstlmayer um so leichter mit Mozart schloß, als dieser ihm jetzt erklärte, daß jener Kuß ja nur ein Scherz gewesen und er selbst Bräutigam sei. Würstlmayer mußte mit frühstücken, Traudel bedienen und so kam man bald in eine unübertreffliche Laune. Man ging dabei den Text durch, änderte hier, strich da, und als die vierte Flasche Champagner zur Neige ging, riß Mozart dem Freunde Stephani das Textbuch aus der Hand und rief:

»Donnerwetter, jetzt bin ich in der Laune, das Sauf-Duett zu componiren. Der sauertöpfische Osmin und der schlaue Pedrillo, jetzt Freunde, sitzen nach türkischer Art am Boden. Sie schlürfen den Wohlgeruch des Göttertrankes – der Alte zögert, ob Allah es sehen dürfe, – aber jetzt stürzt er den Wein hinunter – hollah, das schmeckt – noch eins – noch eins – und ... und ....«

Und Mozart sang, sein Champagnerglas hoch schwingend: »Vivat Bacchus, Bacchus lebe, Bacchus war ein braver Mann!«

Aber freilich nur in seinen Ohren tönte dabei die Janitscharen-Musik so lustig, hinreißend und betäubend, wie sie dies Duett charakterisirt.

Quelle:
Heribert Rau: Mozart. Ein Künstlerleben. Berlin 4[o.J.], S. 260-271.
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