136.

[266] Mannheim le 12 novbre 1778


Mon trés cher Pére!


Ich bin hier den 6ten glücklich angelanget, und habe alle meine gute freünde auf eine angenehme art überaschet; – gott lob und Danck daß ich wieder in meinen lieben Mannheim bin! – ich versichere sie, wenn sie hier wären, so würden sie das nemliche sagen; ich wohne bey der Madme Cannabich – die, nebst ihrerfamille und allen guten freünd fast für freüde ausser sich kamm, als sie mich wieder sah; – wir haben uns noch nicht ausgeredet, denn sie erzehlt mir alle die historien und veränderungen die seit meiner abwesenheit vorbey-gegangen; – ich habe noch, so lange ich hier bin, nicht zu hause gespeist – denn, es ist recht das geriss um mich; mit einem wort; wie ich Mannheim liebe, so liebt auch Mannheim mich; – und ich weis nicht, ich glaube, ich werde doch noch hier angestellet werden! – hier, nicht in München; denn, der Churfürst wird, glaube ich, gmr glrnl wfldlr olfnlRlofdlnz fn Amnulfa1) machen, indemme er dfl grsbulftln von den ulrrn bmylrn2 ohnmöglich lange wfrd mhoumetln3 können! – sie wissen daß die Mannheimer truppe in [266] München ist? – Da haben sie schon die 2 ersten actricen Madme toscani und Madme urban ausgepfiffen, und war so ein lerm, daß sich dlr Cuhrihrot olebot4 über die Esgl5 neigte, und sch – – machte – nachdem sich aber kein Mensch irre machen ließ, hinab schickte, – und aber dlr grmi olmu6, nachdemme er einigen officiren sagte, sie sollten doch kein so lerm machen, dlr Cuhrihrot7 sehe es nicht gerne, zur antwort bekam; – sie olyln ha fur bmmr gled da und umdl funln klfn alnocu zh blilueln –8 doch, was ich für ein Narr bin! dieß werden sie schon längst durch unsern – –*** wissen; Nun kommt etwas; – ich kann hier vielleicht 40 louisd'or gewinnen! – freylich muß ich 6 wochen hier bleiben – oder längstens 2 Monath; – Die seilerische trupe ist hier – die ihnen schon per Renommè bekant seyn wird; – h: v: Dallberg ist Director davon; – Dieser läst mich nicht fort, bis ich ihm nicht ein Duodrama componirt habe, und in der that habe ich mich gar nicht lange besonnen; – denn, diese art Drama zu schreiben habe ich mir immer gewunschen; – ich weis nicht, habe ich ihnen, wie ich das erstemahl hier war, etwas von dieser art stücke geschrieben? – ich habe damals hier ein solch stück 2 mahl mit dem grösten vergnügen auführen gesehen! – in der that – mich hat noch niemal etwas so surprenirt! – Denn ich bildete mir immer ein so was würde keinen Effect machen! – sie wissen wohl, daß da nicht gesungen, sondern Declamirt wird – und die Musique wie ein obligirtes Recitativ ist – bisweilen wird auch unter der Musique gesprochen, welches alsdann die herrlichste wirckung thut; – was ich gesehen war Medea von Benda9; er hat noch eine gemacht, Ariadne auf Naxos, beyde wahrhaft – fürtreflich; sie wissen, das Benda unter den lutherischen kapellmeistern immer mein liebling war; ich liebe diese zwey wercke so, daß ich sie bey mir führe; Nun stellen sie sich meine freude für, daß ich das, was ich mir gewunschen zu machen habe10! – wissen [267] sie was meine Meynung wäre? – man solle die meisten Recitativ auf solche art in deropera tractiren – und nur bisweilen, wenn die wörter gut in der Musick auszudrücken sind, das Recitativ singen; – Mañ richtet hier auch eine accademie des amateurs auf, wie in Paris – wo h: fränzel das violin Dirigirt – und da schreibe ich just an einen concert für clavier und violin – meinen lieben freünd Raaff habe ich noch hier angetrofen – er ist aber den 8ten von hier weg; – er hat mich hier sehr gelobt, und sich um mich angenohmen – und ich hoffe er wird es in München auch thun; – wissen sie wohl, was dir vlrieheutl klre olmh11 hier gesagt hat? – Meine opera buffa zu München12 seye ausgepfiffen worden! – unglücklicher weise hat er es in einen ort gesagt, wo man mich gar zu sehr kennt! – mich ärgert aber nur die keckheit, indemme die leüte wenn sie nach München kommen, just das gegentheil erfahren können! – ein ganzes bayerisches Regiment ist hier – und da ist mit hier – die – freyllein de Pauli – wie sie mit ihren dermaligen Namen heist, weis ich nicht – ich war aber schon bey ihr – denn sie hat gleich zu mir geschickt – O! – was ist doch für ein unterschied zwischen die Pfälzer und bayern! – was das für eine sprache ist! – wie grob! – und die ganze lebens-art schon! – ich habe währlich sorge, wenn ich wieder das hoben und olles mit einonder hören werde; – und das gestrenge herr! – Nun leben sie recht wohl, und schreiben sie mir bald – nur die einfache addreße an mich – denn auf der Post wissen sie schon wo ich bin! – hören sie nur wie mein Namme hier bekandt ist – es ist gar nicht möglich daß hier ein brief für mich verloren geht – Mein bäasle hat mir geschrieben – und anstatt Pfälzischen hofe – franckischen Hof – Der wirth hat den brief gleich zum h: hofkammerrath serarius geschickt, wo ich das vorigemal logirt habe – mit dieser Post werde ich ihr schreiben, daß sie mir die briefe, die bey ihr auf mich warten, hieher schicken soll; –

was mich bey der ganzen Mannheimer und Münchner geschichte an meisten freüet ist, daß der weber seine sache so gut gemacht hat[268] – sie kommen nun auf 1600 fl: – denn die tochter hat allein 1000, und ihr vatter 400 und dann wieder 200 als souffleur – Der Cannabich hat das meiste dabey gethan – es war eine ganze historie; – wegen grmi olmh –13 wenn sie es noch nicht wissen, so will ich ihnen nächstens schreiben.

unterdessen leben sie recht wohl, mein liebster, bester vatter ich küsse ihnen 1000 mahl die hände, und meine liebe schwester umarme ich von ganzem herzen und bin Dero gehorsamster sohn

Wolfgang Amadè Mozart


Ich bitte sie, liebster vatter, machen sie sich diese sache zu Salzburg zu nutzen und reden sie so viell und starck, daß der Erzbischof glaubt ich werde vielleicht nicht kommen, und sich resolvirt mir bessern gehalt zu geben, denn, hören sie, ich kan nicht mit ruhigen gemüth darauf dencken; – der Erzbischof kan mich gar nicht genug bezahlen für die sclaverey insalzbourg! wie ich sage, ich empfinde alles vergnügen wenn ich gedencke ihnen eine visite zu machen – aber lauter verdruß und angst, wenn ich mich wieder in diesen bettl-hof sehe! – Der Erzbischof darf mit mir gar noch nicht den grossen, wie er es gewohnt war, zu spiellen anfangen – es ist gar nicht unmöglich daß ich ihm eine Nase drehe! – gar leicht; und ich weis gewis daß sie auch theil an meiner freüde nehmen werden; Adieu; – wissen sie, wenn sie mir 10 k: ersparen wollen, so adressiren sie ihre briefe nach Mannheim allzeit:

à

Monsieur

Monsieur Heckmann Registrateur

de la chambre des finances de S.A.S.

Elec: Palatine

à

Mannheim.

Adieu nun – leben sie recht wohl – geben sie achtung auf ihre mir so kostbare gesundheit;

[269] Meine Empfehlung an alle gute freund und freundinen besonders an unsern wahren freund Bullinger14.

Fußnoten

1 Auflösung der Chiffren: gar gerne wieder seine Residenz in Manheim.


2 die grobheiten .. herrn bayern.


3 wird aushalten.


4 Auflösung der Chiffren: der Churfürst selbst


5 Loge


6 der graf seau


7 der Churfürst


8 seyen um ihr baar geld .. hätte ihnen kein mensch zu befehlen


9 Georg Benda.


10 Das projektierte Duodrama Semiramis von Otto Frh. v. Gemmingen (s. den Brief vom 24. März).


11 Auflösung der Chiffren: der verfluchte kerl seau


12 »Finta giardiniera« vom Carneval 1775.


13 Auflösung der Chiffren: graf seau –


14 Antwort des Vaters: 19. November.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 270.
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