100.

[139] Mannheim den 10ten dez: 1777


Mon trés cher Pére!


Hier ist es dermalen nichts mit dln Cuhrihrotln1. ich war vorgestern in der academie bey hof, um eine mntwsrt2 zu bekommen. Der grmi omvfsef3 wich mir ordentlich aus; ich gieng aber auf ihn zu: als er mich sahe, schupfte er die achseln. was, sagte ich, noch keine antwort? – – bitte um vergebung, sagte er, aber leider [139] nichts. – – eh bien, sagte ich, das hätte mir der Churf: eher sagen können. Ja, sagte er, er hätte sich noch nicht resolvirt, wenn ich ihm nicht dazu getrieben, und vorgestellet hätte, daß sie schon so lange hier sizen, und im wirthshaus ihr Geld verzehren. Das verdrüffet mich auch am meisten, versezte ich. das ist gar nicht schön; übrigens bin ich ihnen, herr graf, (denn man heist ihn nicht Eccellenz), sehr verbunden, daß sie sich so eifrig für mich angenommen haben, und bitte, sich im nammen meiner beym Cuhrihrotln4 zu bedancken für die zwar spätte, doch gnädige nachricht, und ich versicherte ihn, daß es ihn gewiß niemalen gereuet hätte, wenn er mich genommen hätte. – o, sagte er, von diesen bin ich mehr versichert als sie es glauben. ich sagte hernach die resolution dem h: wendling, welcher völlig roth wurde, und ganz hizig sagte: Da müssen wir mittel finden; sie müssen hier bleiben; die 2 Monathe aufs wenigste, bis wir hernach miteinander nach Paris gehen. morgen kommt so derCannabich von der Jagd zurück, da werden wir das mehrere reden. ich gieng izt gleich von der academie weg, und gerade zur Madme Cannabich. dem h: schatzmeister, der mit mir weg-gegangen, und der ein recht brafer Mann, und mein guter freund ist, habe ich es im hingehen erzehlt. sie können sich nicht vorstellen, wie sich der mensch darüber erzörnet hat. als wir ins zimmer traten, nahm er gleich das wort und sagte: Nu, da ist einer, der das gewöhnliche schöne schicksal von usi5 hat. was, sagte die Madame, ist es also nichts? – – ich erzehlte dann alles. sie erzählten mir dann auch allerhand dergleichen stückchen, die hier so passirt sind. als die Madselle Rose (welche 3 Zimmer weit entfernt war, und iust mit der wäsch umgieng) fertig war, kamm sie herein, und sagte zu mir. ist es ihnen izt gefällig? – Denn es war zeit zur lection. ich bin zu befehl sagte ich. aber, sagte sie, heut wollen wir recht gescheut lernen. Das glaub ich, versezte ich, denn es dauert so nicht mehr lang. wie so? – wie so? – – warum? – sie gieng zu ihrer Mama, und die sagte es ihr. was? – sagte sie, ist es gewis – – ich glaube es nicht. ja, ja, gewis, sagte ich. sie spiellte darauf ganz serieuse meine sonate; hören [140] sie, ich konnte mich des weinens nicht enthalten. endlich kammen auch der muter, tochter, und dem h: schatzmeister die thränen in die augen. denn sie spiellte just die sonata, und das ist das favorit vom ganzen haus. hören sie, sagte der schatzmeister, wen der h: kappellmeister (mañ nennt mich hier nie anderst) weg gehet, so macht er uns alle weinen. Ich muß sagen daß ich hier sehr gute freund habe, denn in solchen umständen lernt man sie kennen; denn sie sind es nicht allein in worten, sondern in der that.

hören sie nur folgendes. Den andern tag kamm ich wie sonst zum wendling zum speisen; da sagte er mir. unser Indianer (das ist ein holländer6, der von seinen eigenen mitteln lebt, ein liebhaber von allen wissenschaften, und ein grosser freund und vlrlurlr7 von mir) ist halt doch ein rarer Mann. er giebt ihnen 200fl, wenn sie ihm 3 kleine, leichte, und kurze Concertln und ein Paar quattro auf die flöttn machen. Durch den Cannabich bekommen sie auf das wenigste 2 scolaren die gut bezahlen; sie machen hierDuetti auf das Clavier und ein violin, per suscription und lassen sie stechen. tafel haben sie so wohl mittags als abends bey uns. quartier für sich haben sie bey den h: Hofkammer-rath8; das kostet sie alles nichts. für die fr. Mutter wollen wir die 2 Monathe bis sie dieses alles nach haus geschrieben haben, ein wohlfeiles quartierl ausfündig machen; und alsdann reist die Mama nach haus, und wir gehen nach Paris. Die mama ist damit zufrieden, izt kommt es nur auf ihre einwilligung an, der ich schon so gewis bin, daß wenn es izt schon zur Reise zeit wäre, ich ohne eine antwort abzuwarten, nach Paris gienge; denn von einem so vernünftigen und für das wohl seiner kinder bisher so besorgten Vatter kann man nichts anders erwarten. Der h: wendling, welcher sich ihnen empfehlt, ist ein herzensfreund mit unsern herzens-freund grimm. er hat ihm, als er hier war, viell von mir gesprochen. das war, wie er aus salzbourg von uns herkam. ich werde, so bald ich von ihnen antwort auf diesen brief habe, an ihn schreiben; denn er ist izt, wie mir ein fremder hier bey tisch gesagt hat, in Paris. ich würde sie auch bitten, daß sie mir wenn es möglich wäre, indemme[141] wir vor den 6ten März nicht gehen werden, durch h: Messmer in wienn, oder durch etwa jemand, zuwegen brächten, daß ich einen brief an die königin von franckreich bekommen könnte: – wenn es leicht möglich ist! – denn sonst hat es auch weiter nicht viell zu bedeuten; besser ist es, das ist richtig. das ist auch ein Rath den mir h: wendling gegeben hat. ich stelle mir vor, daß ihnen die sachen die ich ihnen schreibe wunderlich vorkommen, weil sie izt in einer stadt sind, wo man gewohnt ist, dumme feind, einfältige und schwache freund zu haben, die, weil ihnen das trauerigeomezbshrglr9 brod unentberlich ist, immer den fuchsschwanz streichen, folglich von heut bis morgen sind. sehen sie, das ist eben die ursach, warum daß ich ihnen immer kindereyen und spass und wenig gescheutes geschrieben habe, weil ich die sache hier habe abwarten wollen, um ihnen den verdruß zu ersparren, und meine gute freunde zu verschonen, den sie izt etwa unschuldigerweise die schuld geben, als hätten sie unter der hand entgegen gearbeitet, welches aber gewis nicht ist. ich weis schon wer die ursache ist! ich bin aber durch ihre briefe gezwungen worden, ihnen die ganze geschichte zu erzählen. ich bitte sie aber um alles in der welt, kräncken sie sich nicht wegen diesem, gott hat es so haben wollen. bedencken sie nur diese gar zu gewisse wahrheit, daß sich nicht alles thun läst, was man im sinn hat. mann glaubt oft, dieses würde recht gut seyn, und jeñes würde recht übel und schlecht seyn, und wenn es geschehe, so würde man oft das gegentheil erfahren. Nun mus ich schlaffe gehen. ich werde die 2 Monath durch genung zu schreiben haben. 3 Concert, 2 quartette. 4 oder: 6Duetti aufs Clavier, und dann habe ich auch im sinn, eine Neue grosse Messe zu machen, und dln Cuhrihrotln10 zu präsentiren. addieu. ich bitte mir gleich antwort zu geben auf alles. ich küsse ihnen 100000 mahl die hände und meine schwester umarme ich von ganzen herzen und bin dero gehorsamster sohn

Wolfgang Amadé Mozart


Der Baron dürnitz11 war ja nicht zu München, wie ich da war. ich werde künftigen Postag an fürst Zlfe12 schreiben, um die sache [142] in München zu bltrlfbln13. wenn sie ihm auch schreiben wollten, wäre es mir sehr lieb. kurz und gut aber. Nur nicht krflculn14, denn das kan ich nicht leiden. Das ist gewis: wenn er will, so kann er es glwfo amculn15, denn das hat mir ganz ahnculn16 gesagt.17

Fußnoten

1 Auflösung der Chiffren: den Churfürsten.


2 antwort.


3 graf savioli.


4 Auflösung der Chiffren: Churfürsten.


5 hof


6 De Jean (Dechamp).


7 Verehrer.


8 Serrarius.


9 Auflösung der Chiffren: salzbourger.


10 den Churfürsten


11 S. den Brief des Vaters vom 1. Dezember.


12 Zeil


13 Auflösung der Chiffren: betreiben


14 kriechen


15 gewis machen.


16 münchen


17 Folgt ein Brief der Mutter (11. Dezember). – Antwort des Vaters: 18. Dezember.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 143.
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