87.

[102] Monsieur mon très cher Pére.


wir haben geschrieben den tag vor unserer abreise von Augspurg;1 sie müssen halt den brief noch nicht empfangen haben. mir wäre leid [102] wenn er sollte verloren gegangen seyn; dann es ist viell geschrieben. es ist das ganze Concert darin beschrieben; es ist auch vom stein seiner Tochter etwas darin, wie auch die Dancksagung für die glückwünsche auf meinem Nammens-tag. Doch iezt hoffe ich werden sie ihn schon haben. Dieß ist der zweyte brief, den ich von Mannheim schreibe. ich bin alle tage bey Canabich. heut ist auch meine Mama mit mir hingegangen. Er ist ganz ein anderer Mann, als er vorher war; es sagt es auch das ganze orchestre. er ist sehr für mich eingenommen. er hat eine tochter2 die ganz artig Clavier spiellt, und damit ich ihn mir recht zum freunde mache, so arbeite ich iezt an einer sonata für seineMadelle tochter, welche schon bis auf das Rondeau fertig ist. ich habe wie ich das erste Allegro, und Andante geendiget hatte selbe hingebracht und gespiellt; der Papa kann sich nicht vorstellen was die sonata für einen beyfall hat. Es waren einige von der Musick just dort, der junge Danner3, ein Waldhornist lang4 und der Hautboist5, dessen Nammen ich nicht mehr weis, welcher aber recht gut bläst, und einen hübschen seinen Ton hat. ich habe ihm ein Präsent mit den Hautbois Concert gemacht. es wird im zimmer ben Canabich abgeschrieben. Der Mensch ist Närrisch für freude; ich hab ihm das Concert heut auf dem Piano forte beym Canabich vorgespiellt; und obwohl man wuste, das es von mir ist, so gefiele es doch sehr. kein mensch sagte daß es nicht gut gesezt seye; weil es die leute hier nicht verstehen – – sie sollen nur den Erzbischof fragen, der wird sie gleich auf den rechten weeg bringen. heute habe ich alle meine sechs sonaten beym Canabich gespiellt. h: kapellmeister Holzbauer6 hat mich heut selbst zum h: jntendant graf Savioli geführt. kanabich war just dort. h: Holzbauer sagte auf welsch zum grasen; das ich möchte die gnade haben mich bey S: Churf: Durchl: hören zu lassen. ich bin schon vor 15 jahren hier gewesen. ich war dort 7 jahr alt, aber nun bin ich älter und grösser geworden, und so auch in der Musick. ah, sagte der graf, [103] das ist der – – was weis ich, für wem er mich hielt, Da nahm aber gleich derCanabich das wort, ich stellte mich aber, als wenn ich es nicht hörte, liess mich mit andern in Discurs ein. ich merckte aber das er ihm mit einer ernsthaften Miñe von mir sprach. Der graf sagte dann zu mir, ich höre das sie so ganz Passable clavier spiellen? ich machte eine verbeugung. Nun Muß ich von der hiesigen Musick reden. ich war sammstag am allerheiligen tag in der kapelle in Hochammt. Das orchestre ist sehr gut und starck. auf jeder seite 10 bis 11 violin, 4 bratschn, 2 oboe, 2 flauti und 2 Clarinetti, 2 Corni, 4 violoncelle, 4 fagotti und 4 Contrabassi und trompetten und Paucken. es läst sich eine schöne Musick machen, aber ich getrauete mir keine Mess von mir hier zu produciren. warum? – – wegen der kürze? – Nein, hier muß auch alles kurz seyn – – wegen dem kirchenstyl? – nichts weniger. sondern weil man hier iezt bey dermaligen umständen hauptschlich für dieistromenti schreiben muß, weil man sich nichts schlechters gedencken kann, als die hiesig Vocal-stimmen. 6 soprani, 6 alti, 6 tenori, und 6 Bassi, zu 20 violin und 12 Bassi, verhält sich just wie 0 zu 1. nicht wahr h: Bullinger? – – Dieß kommt daher: Die wälschen sind hier iezt miserable angeschrieben. sie haben nur 2 Castraten hier, und die sind schon alt. man läst sie halt absterben. Der sopranist möchte schon auch lieber den alt singen. er kann nicht mehr hinaus. Die etliche buben die sie haben sind elendig. Die tenor und Bass wie bey uns die todtensinger. Der h: vice-kapellmeister Vogler der neulich das Ammt machte, ist ein eder Musickalischer spaß-macher. ein Mensch der sich recht viell einbildet und nicht viell kann. Das ganze orchestre mag ihn nicht. heut aber als Sonntag habe ich eine Messe vom Holzbauer gehört, die schon 26 jahr alt ist, und aber recht gut ist. er schreibt sehr gut. einen guten kirchen styl. einen guten saz der vokal-stimmen und instrumenten; und gute fugen. 2 organisten7 haben sie hier, wo es der mühe werth wäre eigenst nach Mannheim zu reisen. ich habe gelegenheit gehabt sie recht zu hören, denn hier ist es nicht üblig das man ein Benedictus macht, sondern der organist [104] muß dort allzeit spielten. Das erstemahl habe ich den Zweyten gehört, und das andertemahl den ersten. ich schätze aber nach meiner meynung den 2ten noch mehr als den ersten. Denn wie ich ihn gehört habe, so fragte ich, wer ist der, welcher die orgl schlägt? – unser 2ter organist. er schlägte miserable. wie ich den andern hörte, wer ist denn der? – – unser erster. Der schlagte noch miserabler. ich glaub wenn mañ sie zusammen stöste, so würde noch was schlechters herauskommen. es ist zum todlachen diesen herrn zuzusehen. Der zweyte ist bey der orgl wie das kind beym Dreck; man sieht ihm seine kunst schon im gesichte an. Der erste hat doch brüllen auf. ich bin zur orgl hingestanden, und habe ihm zugesehen in der absicht ihm etwas abzulernen; er hebt die hände bey einer jeden Note in alle höhe auf. was aber seine force ist, ist daß er 6 stimmig spiellt, meistentheils aber quint-stimmig undoctav-stimmig! er läst auch oft für spaß die rechte hand aus, und spiellt mit der lincken ganz alleint mit einem worte, er kann machen was er will, er ist völlig herr über seine orgl. Die Mama läst der Nannerl sagen, daß das futter zum Rock in grossen kasten, rechterhand, und völlig unten liegt; es werden allerhand fleck drauf liegen. schwarze, weisse, gelbe, braune, rothe, grüne, blaue Etc:

Die Mama empfehlet sich allerseits. sie kann ohnmöglich schreiben, denn sie muß noch ihr officium betten. wir sind gar spätt von der grossen opera-Prob nach haus gekommen. Das baumwoll-gaden ist keins in schleichen, sondern in kneil oder knai oder kneul, und in einen blauen Tüchel eingebunden. ja, so ist es und nicht anderst. Morgen muß ich nach dem Hochammt zu der gestrengen Frau Churfürstin, sie will mir absolutement filée stricken lehren; ich habe völlig sorg darauf, denn sowohl sie als auch der Edlveste h: Churfürst will daß ich schon künftigem Donnerstag abends in der großen galla schlacademie öfentlich stricken soll. Die jungf: Prinzessin hier, welche ein beschissens kind zur Churfürstin ist, strickt auch selbst recht hübsch; um 8 uhr Puncto. ist der zweenbrück und seine zwobrückin8 hier angelanget. appropos. Meine mama und ich bitten den Papa [105] recht schön, sie möchten doch die güte haben, und unserer lieben baase ein angedencken schicken. Denn wir haben alle zwey bedauret daß wir nichts bey uns haben, aber versprochen dem Papa zu schreiben das er ihr was schickt. aber zweyerley sachen. im namen der Mama ein so Doppel düchel wie die Mama eins hat, und im namen meiner eine galanterie. eine Dose, oder Zahnstockerbüchs etc: oder was es ist, wen es nur schön ist; denn sie verdient es. sie und ihr h: Vatter haben sich vielle Mühe gegeben, und vielle Zeit mit uns verloren. Der h: Vetter hat beym Concert das Geld eingenommen. addio. Baccio le mani di vostra Paternità, ed abbracccio con leggiettà la mia sorella, e faccendo i miei Complimenti da per tutto sono di tutto Cuore Wolfgango Mozart. Mannheim li 4di Nov:re 17779

Fußnoten

1 Die Abreise war am 26. Oktober erfolgt (s. die Briefe vom 24. und 25. Oktober).


2 Rosa Cannabich.


3 Christian Danner.


4 Franz oder Martin Lang.


5 Friedrich Ramm.


6 Ignatz Holzbauer (1711–1783), seit 1753 Kapellmeister der Mannheimer Hofoper, der Komponist des »Günther von Schwarzburg« (1 777).


7 N. Bayer und A. Marxfelder.


8 Der Herzog und die Herzogin von Zweibrücken.


9 Antwort des Vaters: 10. und 13. November.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 106.
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