193.[94] 1

Salzb: den 10ten Sept: [1778]


Mein lieber Sohn!


Meine angst die ich hatte ein ganzes Monat von Dir keinen Brief zu sehen, ist unbeschreiblich, den 11aug: erhielte Deine 2 Brief, und heut den 10 Sept: kommt dieser von St: germain. Du wirst also in Paris 4 Brief von mir gefunden haben. Nur eine Sache bitte ich Dich – überlese und überlege meine Briefe, und meinen Plan wohl, bedächtlich und ohne alle Nebenabsichten, so wirst Du finden, daß er Dich mehr zu Deinen absichten führt, als wenn Du mit gesundheits und – vielleicht Lebensgefahr in Paris hinsitzest und bey dem abscheulichen französischen gusto mit Herumlauffen, sich demütigen, Complimente machen in hundert sorgen und in schweis des angesichts müheseelig auf gerathe wohl leben und für ieden tag sorgen must; da Du im gegentheil hier in Ruhe zu tische gehen, Dich ruhig zu bette legen, und ruhig – sorgenlos aufstehen kannst, – wo man für Dich sorget, wo wir monatlich so viel geld sicher einnehmen, daß wir uns herrlich aufführen, und doch alle Jahre über 300 f beyseits legen und ersparen können. wo Du endlich Deinem vatter (der Dich ohnaussprechlich liebt – und den Du doch auch noch liebst) wo Du, Deinem betrübten vatter, durch Deine gegenwart, wieder das leben giebst. Bleibst Du in Paris? – so sind alle Deine Hofnungen nach München vergebens. Deine Hofnungen nach Italien sind vergebens – Du bist zu weit entfernt – Du wirst in Paris bekannter – aber in München und Italien [94] gar vergessen. man muß sich dort näher hinziehen, wo man seine Absicht hin hat. Ich hab Dir in den vorigen Briefen alles deutlich erkläret. und was mich in meinem Plan besterkt ist folgendeLista der nach München gehenden Manheimmer Musik.


Sängerinnen


Madme Wendling Sarselli

– Danzy

Straßer


Sänger


Sigr: giorgetti Sop:

Rafften:

Hartig – ten:

Zoncka Buffo

WeberBaß


Violini


Sg: Cannabich

Toeschi

Jean Toeschi

Fränzel

Wendling

Ritschel

Winter

Dannerjunior

Schönge

Sepp

Falgara

Eck

Hampel

Straßer


und es sind noch

3 Instrumentisten

ausgesucht.


Flauti


Wendling

Mezger


oboe


Ramm, Le Brun

und Hieber


violetti


Danzy und schwarz


Contrabaß:


Marconi und

Bohrer


Fargotti


Ritter und

Holzbauer


Corni


Lang, Eck, Dimler und

Langjunior


clarinetti


Hampel, Tausch

et Tausch junior


aber keine Capellmeister

so heist die mir vom

Becke überschriebene

Lista.


ich finde aber auch keinen Clavieristen und organisten, und also auch keinen Capellmeister! Du siehest also, daß Du bey Deiner Durchreise in München, wo der Hof den 25ten dieses anlangen [95] wird, vielles thun kannst, darüber ich Dir mit nächster Post oder längstens in 8 tagen, wo ich das Decret unterschrieben in Handen haben werde, das mehrere, und wie die Reise über Donaueschingen zum Fürsten von Fürstenberg (wo die Dilligence durchgehet) anzustellen, berichten und Dir anweisung in Strasburg geben werde. Ich muß itzt schlüssen, die ursache ist folgendes. Wir haben einen recht charmanten Hautboisten als zweyten Hautboisten aufgenommen. er blässt besser Concerte als Perwein, ein schöner grosser Höflicher Mensch, heist Ludwig Feiner. er ist schon decretiert; nun kommt heute der hl: Fiala, den ich verschrieben, von München mit dem Postwagen, und geht am Sontag wieder zurück, so daß in München niemand weis, daß er abgereiset: kann er mit dem Fürsten gleich werden, so kommt er als erster oboist hieher. gestern gab ich dem Erzb: Nachricht, daß er heute kommen wird, und heut bekamm ich den Befehl mit ihm also gleich nach Lauffen zu fahren, wo wir bis Samstag abends bleiben. Die Dilligence kommt um 4 uhr, und itzt ist es 2 uhr nachmittag, ich muß also veranstalten, daß um 4 uhr die Pferd im Hofstall bereitet sind, damit wir gleich fortfahren können. Ich muß mich auch noch anders anziehen. Du darfst übrigens gewiß seyn, daß der Erzb: nun seine ganze achtung gegen Dich zeiget, und Dir zeigen wird, dann vormals wars nur um zu hindern, daß man nichts verlangt, und er glaubte nicht, daß Du weggehen würdest; nun hat er aber die Probe erfahren. Er wünschet Dich zur direction beym Flügl zu sehen, und mir hat er bereits alles das übrige übergeben; folglich braucht er keine welschen Capellmeister mehr; er ist zu viel angeschmiert worden. Ceccarelli ist den ersten November hier, dann sollten wir etwas auf dem Theater aufzuführen aus denken. Den 16ten gehen die MünchnerCommoedianten nach Salzburg. Becke schreibt mir es sey ein Mädl (von recht gutem Herkommen) dabey als prima Donna in den operetten, sie habe eine sehr gute Stimme, aber wenig Musik, sie spiele ein wenig Clavier. er bittet mich um meine Protection, und daß sie mein Haus frequentieren därfste2. Er sagt sie seyen alle recht brave Leute. ich darf Dir [96] nichts mehr wiederhohlen, als daß ich mich vor freude kaum fasse, wenn ich denke, daß ich Dich bald umarmen werde Dein redlicher vatter

Mzt3


Daß die Mamma seel: 10 Louisd'or vom h: gschwendner empf: habt ihr mir kein Wort geschrieben, ja hl: gschwendner wurde in euern Briefen nicht einmahl genannt, so daß ich immer glaubte, Du hast ihn niemals gesprochen; Nun hatte ich die Ehre solches vor einigen tägen zu bezahlen, da mir die 2 Billets erst presentiert wurden. und wlr gmb afr dmo gled?4 der gute hl: Bullinger. dem wir nun 400 f ocuhedfg ofnd, dlr glrn wmrtlt, wlnn lr dfcu5 nur wieder siehet.

Die Sache kann so – auf gerathe wohl, – nicht mehr gehen – man muß ein sichern Rüggen haben, sonst kann eins dla mndlrn nfcu alur uleiiln6. so würde ich otlrbln und vlrdlrbln7. ich begreife wohl, daß ihr mir nichts davon geschrieben, weil ihr es selbst mit der zeit zu zahlen geglaubt. Mein Sohn! wenn man täglich sorgen muß, ist es zu schwer. – und wenn man erkranket? welches Elend! –

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 27. August.


2 S. Wolfgangs Brief vom 3. Dezember.


3 Hier folgt ein kurzer Brief von J. Kell.


4 Auflösung der Chiffren: wer gab mir das geld?


5 schuldig sind, der gern wartet, wenn er dich


6 dem andern nich mehr helffen.


7 sterben und verderben.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 97.
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