194.

[97] Salzb: den 17ten Sept: 1778


Mein lieber Sohn!


Ich erwartete nun 2 Posttäge ein schreiben von dir, da ich vermuthen muste, daß Du nach Deinem schreiben vom 27 aug: aus St. germain nun endeaugusts oder die ersten täge des septembers in Paris längstens zurück seyn, den Inhalt meiner Briefe gelesen und meinen Plan überlegt haben wirst. Da ich nun abermahl dem h: gschwendner 110 f bezahlt habe, und zwar also gleich bezahlt habe um meinen Credit und Ehre zu erhalten, so siehest Du wohl, daß [97] ich dfcu gmñzefcu vlremooln ahotl,1 wenn es so fortgienge, und daß ich, wenn Du meinem Rath und vätterlichen Willen nicht folgen wolltest, durch Dich ein lelndlr vlrmcutltlr Amñ2 würde, da ich die dermahl so wlft ufnmhi glôtfglnln ocuhedln fcut blzmeln3 könnte. auf gerathe wohl in Paris zu bleiben, und mit gefahr der gesundheit durch scolaren sein Brod suchen, ist eine gefährliche Sache und wider Deingenie. und da sollte man noch darüber so viel verdienen, um so viele ocuhedln blzmueln zh4 können. bey so einem unvermeidlichen aufgang, wo man, wenn man einen tag krank ist schon nichts einnimmt und doch leben, ja andere Leute zur Hilfe und Bedienung haben, sie bezahlen, oder wie ein Hund daliegen und verderben muß. so viel geld zu verdienen ist keine sichere Hofnung, sonderheitl: Da itzt eine grosse opera zu schreiben keine Hofnung ist. kurz, oder Du must nach München kommen können, oder nach Salzburg unterdessen mit aller Ehre bey grösserem gehalt und mehrerm Ansehen und directions-gewalt zurückkehren, um von hier aus näher zu seyn in München durch wirkliche Diensterhaltung, oder durch opera schreiben, die Sache weiter zu treiben. Daß ich demP: Martini die Sache sehr empfohlen,5 kannst Du aus seiner Antwort schlüssen, die ich gestern erhalten. sie heist: – – Ho piacer grande x: x: – Ritornato a Manheim il Sgr Raff le ho scritto raccomandandole con tutta l'efficacia il di lei figlio, avendo ancora io grande premura che sia collocato decorosamente e vantagiosamente; ma perch eil Sgr. R aff non rispose a una mia di somma premura, repplico in quest' ordinario, e le racomando l'affare quanto mai so è poßo. sento poi con ramarico la perdita sua degna Consorte x: x: – s'assicuri che ho tutta la premura poßibile perche ella venga consolata, e spero in Dio che obtena il di lui contento x: Bologna 6 settembre. Du siehest also, daß ich alles anwende [98] (wenns möglich) Dich nach München zu bringen, daß übrige habe ich Dir so klar und wahrhaft in meinen vorigen Briefen erkläret und vor augen gestellt, daß du meinen Plan, mit gesunder vernunft, nicht anderst, als zh blzmuehng hnolrlr ocuhedln6 höchst nötig und zu aller Deiner ferneren Aussicht ohnentbehrlich finden wirst. was Dh afr vsn dln elhtln, ws dh wsunlot ocurlfblot,7 weis ich schon so ziemlich etwas, Du wirst es aus meinem schreiben vom 13 aug: bemerken, und dieses wird Dich wohl zum geschwinden Entschluß bringen Paris bald zu verlassen, und von der noch guten Jahrszeit gebrauch zu machen. Dmñ, wmñ fcu ma lndl medm dmo ksotgled zmueln ahlo, – wfl8 könntest Du länger in Paris bleiben? Dessentwegen schrieb ich Dir, Du sollst mir schreiben alsogleich, was, und wem Du schuldig bist; und noch hab keine antwort – ich schrieb Du sollst Deiner seel: Mutter Sachen gut zusamm packen und alles Dir überflüssige dazu thun und so bald es möglich fortschicken. – ich hoffe täglich darüber Antwort, und daß es geschehen. Du bist eben zur unzeit nach St: germain abgereiset, da alle diese Briefe für dich nach und nach in Paris angelangt sind. h: B. v grimm hat sich angetragen Dich nach Strasburg zu versorgen, wenn die Sache hier zu Stande kommen sollte, nur daß ich Dir eine Anweisung in Strasburg verschaffe. alles ist nun hier zu stande gekommen, wie ich Dirs schon berichtet habe. ich schlüsse Dir demnach hier ein kleines Billet ein, Dich bey h: Johann georg scherz in Strasburg zu melden, welcher mit der Post denaviso bekommt, Dich nach Augspurg mit dem Postwagen, oder ander nicht kostbarer sicherer gelegenheiten zu befördern, Dich mit geld bis nach augsp: allenfalls zu versehen, und dir in allem an die Hand zu gehen. In Augspurg weist Du wohl, daß Du schnurgerade zum heil: Kreutz ins Kloster gehen must. – NB wolltest Du Dich in Donaueschingen aufhalten, so müsstest Du alda so lange bleiben, bis wieder der Postwagen durchfahrt, und [99] dann würde die frage seyn, ob der Postwagen nicht schon besetzt wäre? – – Das kommt alles auf umstande und genaue information an. – vielleicht ist der Fürst da – vielleicht auch nicht? – Diesen kleinen hier beigeschlossenen aviso zettl must Du wohl verwahren, daß er nicht verloren gehet, es Könnte sonst ein anderer, der ihn findet gebrauch davon machen und uns in unglück bringen. Den Nahmen scherz must Du Dir besonders herausschreiben, oder merken, und solltest Du das unglück haben den zeitl zu verlieren, so müsstest Du diesen h: Joh: g: scherz schreiben, daß der zeitl verlohren und folglich (wenn er presentiert würde) ohngiltig seye, wo Du Dich dann bey Deiner Ankunft schon durch Dein Handschreiben legitimieren kannst, daß Du derjenige bist. – Ich ändere meine Meinung in betreff desjenigen, was Du in München thun sollst. nämlich Du sollst und must niemals sagen, daß Du in Salzb: Dienste tretten willst, sondern dmo dh, dm dlfn vmttlr faar hnbmooefcu,9 er dich gerne sehen möchte, dessentwegen nach Salzburg gehest. – Kurz! ich hoffe, bevor Du diesen Brief erhaltest, schon von Dir antwort auf meine vorige Briefe zu haben. Ich habe mit voriger Post selbst an Mr: Raff geschrieben und sicherheit halber den brief an Becke eingeschlossen um solchen bey Raffs ankunft zu behändigen; ich empfahl dem h: Raff die Sache nachdrücklichst und bath mir aufrichtig, und ohne alle umstände die Wahrheit zu schreiben, ob dermal eine anscheinende Hofnung seye oder nicht. weist Du daß der graf Seeau in Manheim beym Wendling logiert hat? vermuthlich wird einige mahl die Rede von Dir gewesen seyn. Mit einem Worte! man muß mehr in der Nähe seyn, wenn man etwas negocieren will, in Paris kannst Du nicht fortkommen, ausgenommen, Du hast für beständig Wohnung, und tafel frey, und die verpflegung umsonst. geht h: v grimm aus der Statt auf eine Reise, – so must Du aus der Wohnung, – geht es mit der gesundheit der Mdme D'Epinay schlechter, so kann er Dich nicht leicht mehr bey sich behalten. solltest Du für alles sorgen müssen, so würdest Du tag und Nacht besorgt seyn, und Dich zu tod lauffen müssen, und doch kaum leben viel weniger etwas ersparen [100] können, da Du leicht zu betrügen bist. – auf eine krankheit darf ich gar nicht – sonst sterbe ich vor Sorge. par Dieu! sollen wir mit 12 oder 1300 f das jahr, wir 3 Personen nicht besser stehen, als einer der in München mit seiner Familie, die zahlreicher ist, 2000 f hat? – ist nicht hier ganz erstaunlich wohlfeiler zu leben? – wir werden mit abzahlung unserer schulden bald fertig seyn, und h: Bullinger wartet auch gerne, wenn wir das geld zu einer Reise nach Italien nothwendig haben; und dir soll gewiß nichts abgehen, Du magst Dein geld (wenn Du willst) selbst in acht nehmen; es wird nicht wie vorhero seyn, wo wir ieden kreuzer zehenmahl umwenden und betrachten musten. gestern war ich daß erste mahl bey der grossen Musik bey Hofe als Commendant. Itzt hören die Musiken um viertl nach 8 uhr auf. gestern fiengs um 7 uhr an, und als ich herausgieng schlugs ein viertl nach 8 uhr, also 5 viertl stund. meistens werden nur 4 Stuck gemacht. eine Symphonie. eine arie. eine Symphonie oder Concert. Dann eine arie und hiemit addio! alles wünschet Dich hier zu sehen! der Obersthofmeister tragt dir seine Pferde an; auch der Dr: Prex sein schönes Bräundl; die Robini – Louis ihre Liebe; – – – ich meine gesundheit – langes Leben – und alles was Du Deinem vatter gutes gönnen kannst; Deine schwester ihre schwesterl: freundschaft, liebe und Bedienung; die trefel die Magd alle 13 Capaunen die sie für Dich gekauft hat; und der Pimperl viel 1000 Lecker. – kannst Du mehr verlangen? – in der That warten schon Capaunen auf Dich, die dessentwegen vorgekauft worden. Heut abends kommen die Comoedianten an. Sontags wird das erstemahl gespielt. Ich werde also morgen schon einen Besuch von der mirreccommandierten prima Donna der operetten haben. Der Tonnerl, des Kalkanten Thomas Sohn, der seines vatters Dienst hatte, ist im Johansspittal gestorben, nun hab für den ältern Bruder das Memmorial gemacht, welcher mehr a tempo aufziehen wird, weil er selbst die orgl spielt. besorge Deine Sachen gut! schicke das überflüssige mit der mama seel: Sachen weg. gieb auf Deine Sachen obacht. mach mit niemand auf der Reise freundschaft. verkauffe die abschriften, wo ich oder Du die [101] Spartituren haben. Nehme von den Musikhändlern addreßen mit, um mit ihnen zuCorrespondieren. Setze mich endlich einmahl aus meinen Sorgen die mir schlaflose Nächte machen, und mache das ich Dich mit der ohnaussprechlichsten freude bald umarmen kann

Dir liebender redlicher vatter Mzt


h: Bullinger und alle freunde und freundinen empfehlen sich. ich und die Nannerl Küssen Dich Millionmahl. Sorge für Deine gesundheit!

Fußnoten

1 Auflösung der Chiffren: dich gannzlich verlassen muste,


2 elender verachteter Mann


3 weit hinauf gestigenen schulden nicht bezalen


4 schulden bezahlen zu


5 s. den Brief vom 21. August.


6 Auflösung der Chiffren: zu bezahlung unserer schulden


7 Du mir von den leuten, wo du wohnest schreibest,


8 Dann, wenn ich am ende alda das kostgeld zahlen mues, – wie


9 Auflösung der Chiffren: das du, da dein vatter immr unbasslich,


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 102.
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