198.[115] 1

Salzburg den 19 Novb: 1778


Mon trés cher Fils!


Ich weis in der That nicht, was ich schreiben muß – ich werde noch von Sinnen kommen, oder an einer abzehrung sterben. Es ist ohnmöglich mich aller Deiner projecten, die Du seit Deiner abreise von Salzb: im kopf hattest und auch mir überschriebst zu erinnern, ohne meinen gesunden Menschenverstand darüber zu verlieren. alles lief auf vorschläge, leere Worte, und am Ende auf gar nichts hinaus. Nun, da ich seit dem 26t Sept: mir mit dem grössten vergnügen – zu meiner gemüthsberuhigung Hofnung machte Dich auf Deinen Nahmenstag in Salzb: zu sehen, muste ich die erste Todesangst ausstehen, da Du von Nancy vom 3t schriebst: morgen den 4t gehen wir nach Strasburg, und den 9t schrieben die gebrüder Frank, daß Du noch nicht angelangt bist. Endlich schriebst Du mir erst den 14t von Strasburg. Bey dem Aufenthalt in

[115] Nancy war also das geld zum fenster hinaus geworfen, da anstatt das geld da ohnnötig zu verzehren Du eine eigene gelegenheit nach Strasburg hättest nehmen und das geld dazu verwenden können geschwinder in Strasburg einzutreffen. Dann fassest Du in Strasburg bis die Wassergüsse ausbrachen, obwohl ich Dir zum voraus dahin geschrieben, daß Du, wenn nichts zu machen ist, alsogleich abreisen und nicht das geld ohnnötig verzehren sollst, und obwohl Du mir selbst geschrieben daß es pauvre zu gehe, daß Du den 17t ein klein Concert geben, und dann gleich abreisen werdest: allein, man lobte Dich, – und das ist für Dich schon genug! Du bliebst sitzen – ohne mir ein Wort zu schreiben, mich in die zweyte Todesangst zu setzen, da wir die gewässer und Regen auch hier hatten, und wir alle aus der Herzensangst erst den 10ten Novemb: durch den Brief vom 2t Nov: gerissen wurden. wärst Du nach dem Concert vom 17toctob: den 19t und 20t abgereiset, so würdest Du vor dem grossen Regengewässer in augsp: gewesen und wir ausser aller angst gewesen seyn, und das in Strasb: unnütz verzehrte geld wäre im Sack geblieben. Nun hieß es den 5t reiset er ab, so schrieb h: scherz. Ich hoffte nun Post-täglich von augsp: Nachricht daß Du angekomm: allein immer hieß es er ist noch nicht da – und ein Brief vom 13t Nov: behauptete so gar, daß Du gar nicht mehr kommen wirst; also – da ich bis heute den 19t kein schreiben von Dir sahe, so war ich ganz natürlich in der 3ten Beängstigung, da mir der närrische Einfall ohnmöglich hätte beykommen können, daß Du Dich in Manheim, wo der Hof nicht ist, aufhalten würdest, folglich schon den 10 langstens in augspurg glauben konnte, ja, ich glaubte dieses um so gewisser, als ich dachte Du würdest keine zeit verlieren bald nach München zu kommen, wohin Du, wie ich vermuthete schon damals als Du von Nancy abgereiset nun auf ein Caroli fest antrag machen würdest. Hast Du also 8 Louisd'or in Strasburg nur desswegen aus fürsorge herausgenommen um in Manheim herzusitzen? Du hoffest in Manheim angestellt zu werden? angestellt? – – was heist das? – – Du sollst weder in Manheimm noch an keinem Ort in der Welt itzt angestellt werden –, ich will das Wort [116] angestellt nicht hören. Wenn der Churf: heute stirbt; so können ein Bataillion Tonkünstler die in München und Manheim sind in die Weite welt wandern und Brod suchen, da der Herzog von Zweybrücken selbst ein orchestre von 36 Personen hat, und die dermahlige Churbayr manheimische Musik jährlich 80000 kostet.

Die Herrn Manheimmer sind närrisch, wenn sie sich einbilden der Churfürst werde München verlassen; sie schmeicheln sich mit der Hofnung, weil sie es wünschen. Ich hab bessere und sichere Nachrichten – Es kann gar aus Politischen Staatsursachen nicht seyn: allein was nützt alles dieses geschwätz. Die Hauptsache ist, daß Du itzt nach Salzb: kommst. Ich will nichts von den vielleicht zu verdienenden 40 Louisd'or wissen. Deine ganze absicht gehet dahin mich zu grunde zu richten, nur um Deine in Luft stehende Plane auszuführen. Du hattest über 15 Louisd'or im Sack, da Du von Paris abgereiset. das sind – –

165 fl


Nach Deinen Worten, wenig gerechnet

nahmst Du in Strasb:


7 Louisd'or ein –77 fl

vom h: scherz 8 Louisd'or –88 fl

330 fl


Der Wagen von Paris war bezahlt. Das ist nun also ein schönes geld für eine einzige Person – wo man mit der Dilligence geringe unkosten hat, à proportion verstehet sich.

Kurz! ich will absolute wegen Deiner nicht mit Schande, und in schulden stecken; und noch weniger Deine arme schwester im Elend hinterlassen; – Du weist so wenig als ich wie lange Dich gott leben lässt. Wenn ich der Mdme Cannabich schreibe, daß ich


wegen Deiner abreise aufgenommen –300 f

daß ich Dir in Manheim – angeschafft –200 f

daß ich in Paris vom gschwendner empfangene geld bezahlte110 f

daß ich an B: Grimm zu zahlen habe – 15 Ld165 f

daß Du in Strasb: empf: 8 Louisd: – –88 f

daß Du also in 14 Monaten mich in

schulden gesetzt mit –863 fl


wenn ich ihr sage, daß sie allen denen, die Dir rathen in Manheim [117] zu bleiben diese Nachricht geben, und ihnen sagen solle, daß ich Dich nach Salzb: auf ein paar Jahre in Diensten verlange, weil ich dadurch diese schulden zu bezahlen aussehe, so werden sie alle Dich mit keinem Worte mehr zurückhalten, sondern ganz andre gesichter machen. Kurz! – bisher waren meine Briefe nicht nur als vatter, sondern auch als freund geschrieben; ich hoffe Du wirst nach Empfang dieses schreibens, Deine Reise alsogleich beschleinigen, und so verfahren, daß ich Dich mit freuden empfangen, und Dir nicht mit vorwürfen entgegen gehen darf: ja ich hoffe, daß Du, nachdem Deine Mutter mal à propos in Paris hat sterben müssen, Du Dir nicht auch die Beförderung des Todes Deines vatters über Dein gewissen ziehen willst. Ich hab – gott Lob, – noch meinen verstand nicht verlohren – mir liegt es ob für das Beste, für das zeitl: und ewige Wohl meiner Kinder zu sorgen – ich muß dafür Gott Red und Antwort und die strengste Rechenschaft geben – ich muß auf meine und meiner Kinder Ehre sorgfältig acht haben. Die 863 fl müssen bezahlt seyn. Ich verstehe das Plan machen besser als Du, der einer ieden Schmeicheley glaubt. ich weis, daß ichs in 2 Jahren bezahlen kann. Ich alleine kanns aber nicht bezahlen. und Du bist itzt nicht im Stande etwas mit kaltem Bluthe zu überleg: und bekümmerst Dich wenig um die reputation Deines vatters, der seit fast 2 Monaten heute das erste mahl weis wohin er Dir zuschreiben muß. Kurz! meine schulden müssen bezahlt seyn, bey dem Empf: dieses wirst Du abreisen. Ich will nicht das gelächter der Statt seyn, die Dich zu sehen wünschet, und den schmeichelhaften gedanken hatte, da Du mir so lange nicht geschrieben, Du werdest an meinem Nahmenstage mich überfallen. Ey ja, das wäre zu viel zärtlichkeit! wie hätte ich so was verdient! – h: Fiala hat die Münch: Dienste niedergelegt, obwohl er keinen Kreuzer gehalt verlohren, weil er die Verwirrung nach des Churf: Todt voraussiehet. seine Baggage liegt bey mir im Saal. Ein Violoncello, 2 Violinen, eine Viola, ein Küstl mit Musik und einCoffre. heute abends wird er mit der Dilligence sammt seiner Frau eintreffen. nächstens hoffe einen Brief von Dir, daß Du abgereiset [118] bist. gott gebe Dir eine glückl: Reise ich Kisse Dich millionmahl und bin

Dein Dich erwartender vatter

Mzt


Deine schwester umarmt dich – und hoffet dich bald zu umarmen. Sgr Ceccarelli empfehlt sich und kann den augenblick kaum erwarten Dich zu sehen. Hätte ich zeit, so könnte ich die Strafe des ungehorsams eines Sohnes gegen seine Eltern und die ganze geschichte beschreiben. graf Sigerl Lodron hat mit 3 langen schnitten aus der Seite bis auf die Rippen hinein müssen operiert werden, er liegt zwischen Todt und Leben; elendig! schmerzhaft! Die geschichte wäre zu lange. Es war eine erstaunlicheoperation! Es waren alle Chyrurgi und Medici auch der Doctor quella aus Passau dazuberufen.

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Briefe vom 15., 26. Oktober (2. Nov.) und 12. November.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 119.
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