199.

[119] Salzburg den 23 Nov: 1778


Mon cher fils!


Ich wünsche daß Dich dieser Brief nicht mehr in Mannheim antrift, und da Du meine antwort vom 19ten wirst erhalten haben, so hoffe, daß, wenn Du noch in Manheim Bist, mit dem ersten Postwagen abreisen wirst, und das ist die ursache, warum ich dieses zweyte schreiben an Dich erlasse. Ich bin Deiner projecten müde, durch welche Du mir die besten Plane, die ich oft hatte zu nichts gemacht; welches Du nicht einsiehest, weil Du nichts mit kaltem Blut und ohne vorurtheile überlegen kannst – oder willst, – freilich oft nicht kannst weil Du Dich, durch das feuer Deiner Jugend, und durch die schmeichelhaften vorschläge, die Dir bald dieser bald jener macht, in einem augenblicke hingerissen wirst, und alles für gold ansiehest, das doch am Ende nichts als falsches Rauschgold ist. Du vergissest dadurch, daß Dein vatter Dein einziger bester wahrer freund ist, der so wohl aus vätterlicher schuldigkeit nach dem gesätz gottes, als aus Liebe zu seinem Kind am aller gewissesten und untrüglichsten dein [119] Bestes besorgen muß – wird, und kann. Ich konnte auch nicht allzeit die kette und den Zusammenhang meines Plans schreiben, da dieses und jenes von veränderung der umstände abhängt, darüber ich aber auch schon 2 und 3 andre wege im Kopf hatte. zwey Sachen sind, die Dir den Kopf voll machen und Dich an aller vernünftigen überlegung hindern. Die erste und Haupt ursache ist die Liebe zur Mdßle Weber. Der ich ganz und gar nicht entgegen bin; ich wars damahls nicht als ihr vatter arm war, warum sollte ichs nun itzt seyn, da sie Dein glück – und nicht Du ihr glück machen kannst? – und ich muß vermuthen, daß ihr vatter diese Liebe weis, da es alle Manheimer wissen, – da es h: Fiala von ihnen gehört, – da es h: Bullinger, der beym graf Lodron als Instrucktor ist, hier erzehlte, da er mit den Manheimer musicis auf dem Postwagen von Ellwangen (wo er in der Vacanz war), fuhre, und diese von nichts anderem mit ihm sprachen, als von Deiner geschicklichkeit,Composition und Liebe mit Mßle Weber. – Nun hab ich Dir auch schon längst meine Meinung geschrieben, daß Du durch die Antrettung der hiesigen Dienste gelegenheit bekommst näher bey München zu seyn, wo Du in 18 Stunden seyn kannst – von woher wir alles, auch das mindeste erfahren können, wohin wir, so gut als auf Seon, eine spazierreise machen können, und wo uns h: Weber und seine Mßle Tochter hier besuchen und bey uns wohnen kann, ja ich wollte – und will dies nun schreiben, daß Du h: Canabich, h: Wendling, h: Rahm h: Ritter einladen sollst uns zu besuchen – im frühejahre und Sommer haben diese herrn nicht viel zu thun und wird ihnen zum vergnügen dienen eine so kurze nicht kostbare spazierreise zu machen. Sonderheitlich wird die Antrettung der hiesigen Dienste (ob es gleich itzt die 2te ursache ist, die Dir den Kopf voll macht) die einzige sichere gelegenheit seyn, wiederum nach Italien zu kommen, welches mir mehr im Kopf steckt als alles das übrige. und diese Antrettung ist ohnabänderlich nothwendig, wenn du anderst nicht den allerverdammlichsten und boshafteste n gedanken hast, Deinen für Dich so besorgten vatter in schand und Spott zu setzen; Deinen vatter, der seinen Kindern alle Stunden seines Lebens aufgeopfert, um Credit und Ehre zu [120] bringen, da ich nicht im Stande bin eine schuld, die sich in allem auf 1000 fl belauffet, zu bezahlen, wenn Du nicht durch die hier richtige Einnahme Deines gehalt die abzahlung erleichterst, wo ich dann sicher alle Jahre über 400 fl abzahlen, und noch dabey mit euch beyden herrlich leben kann. Derjenige Sohn, der sich statt seines vatters ins gefängniß werffen ließ, ja der für ihn gar sterben wollte würde es wohl ganz angenehm gefunden haben seinem vatter zu liebe jährlich mit ein bischen Beschwerniß und auch damit vermischtem vielem vergnügen einige hundert gulden einzunehmen, anstatt wegen 25 Louisd'or einen ganzen Winter zu einem Concert hinzusitzen und seinen vatter schmachten zu lassen. allein was nützt alle vorstellung die Dir mein redliches vatterherz macht, wenn Du, da Du den Brief mit flichtigen Augen durchliesest, ohne Reflexion – scharfes Nachdenken über die vorfälle Deiner ganzen Reise und meiner vorstellungen zu machen, solche weglegst und deinen flichtigen Lieblingsgedanken und Projekten überlässt, die wie eine Seifenblase in der Luft zerplatzen. Du bist auf dieser Reise schon so oft hinter das Liecht geführt worden, Du hast so vielmahl erfahren, daß ieder der Dir gefälligkeiten erweist, oder doch die allermeisten solches aus Intereße und aus absicht thaten: und wie viele haben dir goldene Berge versprochen – und nicht gehalten? – Liebster Sohn! – Du kennst die Welt noch zu wenig. – wenn Du aber einmahl wieder zu Hause seyn wirst, und dann mit mehr Ruhe und mit kaltem Blute allen den Begebenheiten, allen den falschen verheissungen und verschiedenen umständen, die Dir itzt durch die zu vielle Zerstreuung entwichen, die Dein flüchtiger geist nicht beobachtet, wenn Du allen diesen Sachen nachdenken wirst; dann wirst Du auch Dich meiner Briefe und aller meiner Prophezeiungen und voraussehung des menschlichen undanks erinnern und eine nützliche Lehre für die zukunft daraus ziehen. Herr Fiala war gestern Beym Erzbischof, und da er ihn um alles wegen den Mannheimern fragte, sonderheitlich wegen den Compositionen, so sagte ihm h: Fiala, daß die beste Musik die die Manheimer hätten vom Mozart wäre: daß gleich in der ersten accademie, dern alle Montage eine im Kaysers Saale ist, ausser der [121] Synfonie vom Cannabich, alles übrige vom Mozart war; daß gleich nach der Synf: Mdßle Weber eine Arie vom Mozart, dergleichen er in seinem Leben nicht gehört hätte, gesungen habe. – Dann mußte er dem Erzbischof alles sagen, – er fragte ihn über ieden besonders, der von Dir ein Concert gemacht, und zeigte sein grosses vergnügen darüber, dann muste er ihm auch umständlich das Singen, alter x: der Weberin beschreiben x: – mein Lieber Wolfgang, ich denke immer h: Weber ist ein Mann, der, wie die meisten derley Leute sind, die sich in der armuth schmucken, und dann in glücksumständen nicht mehr kennen. Es schmeichelte Dir, da er Dich nötig hatte – vielleicht gestehet er es itzt nicht einmahl daß Du ihr etwas gezeigt oder gelernt hast. gemeiniglich sind diejenigen, die arm waren, recht stolz, wenn sie in gute umstände kommen. – gestern Sontags am Fest Ceciliae hat Deine schwester den Ceccarelli, denFiala und seine Frau zum speisen eingeladen, damit sie mich ermuntern, da ich seit dem 19ten, wo Deinen Brief aus Manheim erhalten, sehr krank war, weil ich ganze Nächte nicht schlafen konnte und immer an Dich dachte und den 21 der Hochzeittag war, wo wir, wann Deine ehrliche seel: Mutter lebte, 31 Jahre verheyratet wären. Nachdem Essen kamen h: Bullinger, h: zahlmeister, der Hautboist Feiner, und die Cath: Gilowsky zum Pölzlschüssen, dann wurdeCoffé getrunken; um 4 uhr gieng alles in die Comoedie, und um 7 uhr nach Hof, Fiala bließ ein Concert, und die erste Synf: war eine Finalmusik Synfonie von Dir, andante und Trio mit Hautb: solo. Brunetti hat alle vom Stadler verlangt und nach Hof schreiben lassen; Sie habens recht gut produciert. was ich dieser Täge für eine Noth hatte! Da die Coffre und Bagage des Fiala auf der Wag abgewogen und zu mir gebracht wurde, so glaubte h: kolb – andretter: und alle Welt es wäre Deine Bagage, und Du wärest, tags darauf mit dem Postwagen angekommen: das war ein geläuffe! umsonst! Ich habe einen bequemen Legkasten in Dein zimmer machen lassen, wo man die kleider auf Stellen ganz Bequem hineinlegen kann, ohne schubladen, mit zwey thürn, recht bequem und dasClavicordin stehet schon längst unter dem schreibtische. Der graf [122] Sigerl Lodron war vorgestern zum sterben. Man hat 2 neue schnitt im Leib machen müssen, und seit einigen Tagen ward so ein unerträglicher gestank und faule materie, daß die Leute dabey krank geworden; heute gehet es etwas Besser, dann die materie fliesst itzt wieder frisch, und ist nicht mehr schwarz. – halte Dich nicht mehr auf, wenn Du noch da bist, wenn Du willst, daß ich glauben soll, daß Du mich liebst und noch beym Leben erhalten willst, ich Küsse Dich millionmahl und bin Dein redlicher vatter Mzt

Deine schwester umarmt Dich von ganzem Herzen. Ceccarelli kann den augenblick nicht erwarten Dich zu sehen. h: Bullinger, Fiala, seine Frau, h: Feiner, gilowsky ruescherl, alle Robinischen, Andretterischen, Mölkischen, Hagenauerischen, Kolbisch: empfehlen sich. ich hab den Fiala zum Hagenauer ins quartier über 3 Stiegen zum wohnen gebracht, wo Du und Deine schwester gebohren sind. Ich hoffe Du wirst also gleich abreisen, sonst schreib ich an Mdme Cannabich – ich will, wenn gott will, noch ein paar jahre Leben, meine schulden zahlen, – und dann magst Du, wenn Du lust hast, mit dem Kopf an die Mauer lauffen: – – doch, Nein! Du hast ein zu gutes Herz! Du hast keine Bosheit. – Du bist nur flüchtig! Es wird schon kommen!

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 119-123.
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