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Salzb: den 10 December 1778


Mon tres cher Fils!


Mit vergnügen erhielt nach langem warten Dein schreiben vom 3ten Decemb: – heut den 10ten, wo Dir sogleich antworte und gar nicht zweifle, daß Dich mein schreiben in Kaysersheimm antreffen wird, doch hoffe, daß Du Deinen Aufenthalt alda nicht zu lange hinausziehen wirst. Ich wusste vom guten Ruffe, daß der hl: Reichs Prelat ein rechtschaffener liebenswürdiger Mann und grosser Liebhaber der Musik ist, der selbst añ 2 oder 3 seiner ordensgeistlichen [123] geld verwendet hat und sie desswegen nach Manheim x: hat reisen lassen um etwas zu erfahren. desswegen rieth ich Dir ja auch zweymahl dahin zu gehen. vielleicht kannst Du eine Bekanntschaft machen, dfl dfr ltwmo ins zukünftige lftrmglt: dm dh funln kfrculn-omculn ocufckln kmnot,2 wenn man nur einmahl den da beliebten gusto weis. kurz! lfnlCsrrlopsndlnz dmufn3 würde nicht schaden. dh ahot dfl tfthemthr dlo ulrrln Prlemten aft dfr nluaen, hnd dloCusrfrlgletle,4 oder eines andern, der beym Prlemtln ltwmo zh omgln umt.5 Du willst wissen ob die Commoedianten gefahlen? – bisher war freylich nicht aufgelegt Dir von solchen kleinigkeiten zu schreiben. Die Compagnie überhaupts ist mittelmässig, 2 Personen aber hl: Heigl und seine frau sind vortrefflich. Msslle Kayser ist nicht hier, die verwittibte Herzog Clementin ließ sie nicht reisen, und gab ihr einen gehalt und verpflegung. Sie mussten also eine andre mit nehmen, die von gutem Herkommen und unter dem NahmenMsslle Ballon hier ist. Sie hat aber leider gar nichts als eine der trefflichsten stärksten Bruststimmen, die aber nicht gebildet ist. Da ich nun nicht weis, noch mir recht vorstellen kann, wie dann aigentlich so ein declamiertes Duodrama ist, und ich vermuthe, daß dabey mehr auf eine Declamation und action ankommt, als auf ein schönes Singen, oder aigentlich auf eine vortreffliche Stimme; – so würde es (wenns so wäre) hl: Heigl und seine Frau gewiß unverbesserlich machen, da beyde auch in den operetten singen, und wegen deraction auf ihre Stimme ganz vergessen wird. In solchem falle könnte es noch diesen fasching aufgeführt werden. wo nicht, so musst Du wissen, daß nach dem Fasching die ganze Compagnie auseinander geht, da h: Heigl und seine Frau als die Hauptpersonen die gesellschaft verlassen und zum Münchner-theater kom men. unterdessen hat ein gewisser nahmens Böhm6 2 Dänzer hieher geschickt [124] um subscription auf ostern zu machen. Dieser Böhm hat kürzlich noch eine grosse gesellschaft von schauspielern, Sängern und tänzern und war vom Mährischen adl in Brünn viele Jahre unterstützet. da er nun aber als ein guter violinspieler und sonderheitl: trefflicher Directeur des orchesters angerühmt wird, so wurde er zu diesemposto ins deutsche Theater zu den Singspielen nach Wienn beruffen. weil ihm aber mehr am Herzen liegt selbst ein Truppe zu führen und er geld und guardarobba hat, so sammelt er wieder eine gesellschaft und wird nach Salzb: kommen. Die beyden Tänzer sind abgereiset, einer derselben ist aber itzt wieder hiehergekommen, und wird hier bleiben, auch soll hl: Böhm auch hier eintreffen um alles in Ordnung zu bringen indem er abermahl eine grosse Compagnie sammeln will, es sollen auch, wie dieser Tänzer sagt, bereits einige 20 Personen enagagiert seyn. Der Tänzer heist hl: Vogt ist ein Deutscher hl: Ceccarelli kennet ihn sehr gut von Italien. basta! Da kann abermahl etwas gemacht werden. – Weiters! – hl: Feiner spielt auch das Engl: Horn, und vielleicht finden sich clarinetten? – – Was den Coffre anbelangt, ist solcher vor Deiner in Strasburg und bald darauf hier angelangt ich musste 35 f porto bezahlen. Es wäre, und wird mir niemals der gedanke kommen, die für die Mlle Weber geschriebene Arie iemand zu geben: Du weist, daß ich ohnehin nicht so freygebig bin wie Du. übrigens ist alles sehr gut eingepackt angekommen, – nur mangelten (von Kleinigkeiten nichts zu sagen) 2 Brüssler neue Haubenspitzen und ein Blond-spitz. Das kleine ammadistene Ringl, welches ihr ehmals die Mme d'Epinay gab. – und wo ist denn ihre goldne uhr? – – hat die uhr studiert? – –

Eben kommt Sgr: Ceccarelli, der sich Dir abermahl entgegen empfehlt, Dich bald zu sehen wünschet, sich zum Clavier setzt und das erste Concert vom Schröter ex F bey Deiner schwester lernet. hl:Bullinger empfehlt sich, war frohe daß einmahl wieder ein schreiben von Dir angelangt, daß Du Dich wieder, gottlob, in Bewegung gesetzet und seit dem 26 Sept: bis 9ten Decemb: so eine unglaublich geschwinde Reise gemacht hast.

[125] 7Ich habe wirkl: die Noten gravierung errichtet, einen Mann gefunden den ich unterwiesen und Du wirst die Variationen über Salieris arioso in 7 blaten graviert hier finden: ich wünschte Du hättest sie nicht zu bekannt gemacht, damit ich sie mehr verkauffen könnte. Sie sind so schön graviert, und deutlicher als Schröters Concert. So bald es seyn kann must Du etwas zum graviern machen. Heute eben wurden diese Deine Variationen fertig. Weist Du, daß die amour des oberbereiter mit der Barisani Antonia länger als ihre Ehe dauerte? heute wird sie zu grabe getragen. sie war 7 Monate schwanger, bekamm die frayß, gebahr zu frühe und Starb geschwind. am ostermontage hatte sie Hochzeit. Nun ist sie dahin!

Fußnoten

1 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 3. Dezember.


2 Auflösung der Chiffren: die dir etwas ins zukünftige eintraget: da du ihnen kirchen-sachen schicken kanst,


3 eine Correspondenz dahin


4 du must die titulatur des herren Prelaten mit dir nehmen, und des Choriregenten,


5 Prelaten etwas zu sagen hat.


6 Der Direktor der bekannten Theatertruppe.


7 Auf dem Briefumschlag.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 126.
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