10. An Ignaz Moscheles.

[339] Leipzig, den 8. März 1836.


Hochverehrtester Herr und geliebter Meister,


Für Ihre vielfache Aufmerksamkeit möchte ich Ihnen wohl etwas Anderes bieten können, als einen Brief voll räthselhafter Buchstaben. Finden Sie indeß nur so viel heraus, daß ich mit großer Freude jener Octobertage4 gedenke, an denen ich Sie hören und sprechen durfte und daß ich in der Erinnerung daran eine neue Sonate geschrieben, der ich gern Ihren Namen vorsetzen möchte, wenn Sie mir es einmal gestatten, so wäre der Zweck dieser Zeilen wenigstens der Hauptsache nach erfüllt. Vielleicht daß Sie mich über das Letztere mit einem Wort beruhigen.

An Ihrem phantastischen Conzert erlabe ich mich täglich, eben so am Händel'schen Duo, das so schnell anklingt und noch länger nachhallt. Die Jungfrau-Ouverture hat etwas verschlossenes, wird aber von Stunde zu Stunde breiter und reizender. Mehres darüber finden Sie in der Folge der Zeitschrift; doch darf ich den Schreiber nicht verrathen. –[339] Dies bringt mich auf etwas nicht angenehmes. Der hiesige Commissionär von......, ......., (unleserlich) etc. will nämlich nichts mehr nach London beischließen, so daß ich fürchte, Sie haben seit Neujahr noch keine Nummer der Zeitschrift erhalten. Ging es vielleicht, daß ich Ihnen regelmäßig durch Hrn. Emden in Hamburg drei Exemplare, welche Sie nach Ihrem Gutdünken vertheilen möchten, zusenden könnte? Nach Edinburgh weiß ich gar keinen Weg; auch liegen für Hrn. Thomson noch zwei Operntexte bei mir, die er zu besitzen wünschte. Einen Wink von Ihnen, wie ich sie befördern könnte, würde ich mit großem Danke nützen.

Daß Sie in Hrn. Hogarth einen neuen Correspondenten für mein Institut gewonnen, nehme ich als besonderes Zeichen Ihres Wohlwollens. Der Artikel »London« fehlt seit drei Monaten gänzlich, so daß ich je eher je lieber einen Bericht zu Händen bekommen möchte. Bedarf es einer besonderen Einladung, so erfolgt diese im Augenblick. Ihre Nachsicht für mein vieles Fragen und Bitten. An Hrn. Thomson schrieb ich Ende Januar, bin aber bis jetzt ohne Antwort. Vielleicht traf ihn der Brief nicht mehr in London. Clara Wieck ist auf einer größeren Kunstreise, – meine Sonate (die erste) noch nicht im Stich; die Verleger wollen nichts von mir wissen; nicht hoffe ich auf Haslinger. – Mendelssohn grüßt Sie herzlich. Er hat sein Oratorium beendigt und dirigirt es selbst zum Düsseldorfer Musikfest. Vielleicht reise auch ich dahin, vielleicht auch Chopin, dem wir deshalb schreiben. Dürfen wir Sie bitten, nachzusinnen, ob nicht vom 20. Mai bis 1. Juni ein Rheindampfschiff von London abgeht, auf dem sich der Meister befinden könnte, den wir Alle so hoch verehren?


In innigster Hochachtung

Ihr

ergebener

R. Schumann.

4

J. Moscheles war im October des Jahres vorher in Leipzig gewesen.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 339-340.
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