11. An Therese Schumann.

[340] Leipzig, den 1. April 1836.


Meine geliebte Therese


Auch ich habe in den vergangenen Wochen so viel und so heftig an Dich gedacht, daß ich Dich oft mit der Hand fassen zu können[340] glaubte. Keinen Gedanken, daß Du mich lieb hast, fühle ich auch so sicher, so geborgen, ich kann Dir nicht sagen, wie glücklich. Das macht, weil Du ein starkes Herz hast und tragen kannst und trösten und aufrichten. Wenn ich von hier fortginge, so geschäh' es nur, wenn ich die günstigsten Aussichten hätte. Eduard kann mit Wien nur gescherzt haben; das sind vor der Hand Rechnungen im Traum gemacht. Auf keinen Fall geschähe es aber vor Weihnachten. Bedenke, was ich zurücklasse! Einmal, und vor Allem die Heimath – möge mein Herz niemals so erkaltet sein, daß diese mir gleichgiltig, sodann Verwandte, Dich, die ich in ein paar Stunden sehen und sprechen kann – dann Leipzig selbst, wo Alles blüht und im Schwunge geht – sodann Clara, Mendelssohn, der im künftigen Winter wieder zurückkehrt – und hunderterlei anderes. Würde durch einen Umzug meine Zukunft fixirt, so stünde ich keinen Augenblick an: aber leichtsinnig und ohne Erwähr unternehme ich nichts. Das würde mich zurückbringen, was ich niemals einholen könnte. Also Du hast und behältst mich noch auf ein Jahr und ich Dich – und das Jahr wollen wir auch schön verleben und für einander nützen. Im Sommer komme ich jedenfalls auf 1–2 Wochen zu Dir, Du aber vorher zu mir, das versteht sich. Daß wir es nur gut einrichten! Höre, ich möchte gern mit Mendelssohn nach Düsseldorf zum Musikfest; dann würde ich etwa den 18. Mai fort. Kommen Hindernisse oder säh' ich sie voraus, so reife ich jedenfalls mit M. bis nach Frankfurt, das letzte geschehe aber schon in 3–4 Wochen. Wüßt' ich nur erst genau, wenn Du kommen willst. Denn es liegt nur an Deinem Willen. Eduard muß. Was ist da zu zweifeln. In der Zeit vom 14.–18. Mai bin ich aber gewiß unter jeder Bedingung in Leipzig. Also richte es auf diese Zeit ein.

Was mein übriges Leben (betrifft), so würdest Du mich darum loben. Wie ich immer gern etwas Extraordinäres...... (unleserlich), so bin ich, wie ich ehemals einer der stärksten Raucher und Baiern war, jetzt einer der schwächsten geworden. Cigarren des Tages höchstens vier, Bier seit zwei Monaten gar keines. Nun fleckt aber auch Alles und ich bilde mir ordentlich etwas ein. Lobe mich also nicht, denn ich thu' es für mich schon hinlänglich.

Mendelssohn ist der, an den ich hinanblicke, wie zu einem hohen Gebürge. Ein wahrer Gott ist er und Du solltest ihn kennen. Außer mit ihm, gehe ich um mit David (dem Concertmeister) und einem Dr. Schlemmer, Begleiter des jungen Rothschild und mit dem letztern selbst.[341] Die drei letzten wirst Du noch in Leipzig finden. Der Doctor wird ganz nach Deiner Art sein – ein Weltmann von der Zehe bis zum Kopf.Dr. Reuter und Ulex sind natürlich meine alten Begleiter. Ueber Wieck's und Clara sprechen wir mündlich; ich bin in einer kritischen Lage, aus der mich herauszuziehen Ruhe und klarer Blick fehlt. Doch steht es so, daß ich entweder nie mit ihr mehr sprechen kann, oder daß sie ganz mein Eigen wird. Du sollst Alles wissen, wenn Du kommst, und wirst mein Bestes fördern.

Dank für Alles, was Du mir thust – Du hast im Voraus zu Allem meine Zustimmung. An den Hemden wünschte ich seine Manchetten. Beim besten Willen, Dir über meine Wäschangelegenheiten so klar wie möglich zu werden, hälfe es nichts. Hier muß eine Frau selbst mit eigenen Augen sehen und zwischen dem Ganz – und Halb – Zerrissenen nicht schwanken, wie wir Männer. Also komm nur bald und sei mir eine recht gute Schwester; ich habe ja gar nichts Weibliches mehr zum Schutz. Dieser Gedanke würde mich niederschlagen, wenn Du mir nicht Alles verträtest.

Eduard findet starke Concurrenz. Sprich ihm nur Muth ein! Ach thu' es!

Schreibe mir bald, meine geliebte Therese. Lebewohl, ich küsse Dir Stirn und Augen.


Dein

Robert.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 340-342.
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