12. An Ignaz Moscheles.

[342] Leipzig, den 30. Juli 1836.


Mein hochverehrter Herr,


Durch Hrn. Mendelssohn werden Sie erfahren haben, daß ich Ihnen während der Zeit meines Schweigens auf keinen Zoll näher gewesen bin – physisch; denn sonst beschäftige ich mich wohl täglich mit Ihnen und Ihren Compositionen. Düsseldorf mußte ich also aufgeben; desto mehr habe ich denn gearbeitet, literarisch wie musikalisch. Auch habe ich Ihre Erlaubniß, Ihnen eine Sonate widmen zu dürfen, lieber auf ein Concert für Clavier allein ausgedehnt, von dem ich so eben die Revision nach Wien geschickt, wo es Daslinger verlegt. In[342] vier Wochen ohngefähr wird es in Ihren Händen sein und dann mögen Sie sich nur wundern, was man für tolle Einfälle haben kann.

Sehr sehnen wir uns nach Neuem von Ihnen, dem pathetischen Concert, den Etuden, der Clavierschule und vergessen Sie nicht, bei einer Stunde Muße uns darum wissen zu lassen.

Für Ihren letzten Brief mit der Einlage von Thomson, der mich allerdings sehr verbinden würde durch öftere Nachrichten aus Edinburgh, meinen besten Dank. Da ich keine weitere Nachricht über Ihr Concert im Mai erhielt, so stoppelte ich mir nach dem Bericht im Atlas, den Sie an Mendelssohn, und dieser mir geschickt, etwas wie Correspondenz zusammen, der Sie wohl die Unechtheit angesehen haben. Meine einzige Quelle, woraus ich mir Notizen nehme, ist der Globe jetzt; kompetent scheint er mir freilich nicht. Mendelssohn sagte mir von Herrn Legationssecretairs Klingemann geistreicher Feder. Glauben Sie vielleicht, daß dieser auf meine ausdrückliche Einladung und auf eine Empfehlung von Ihnen zu Zeiten schreiben würde?

Die Zeitung sende ich jetzt an Herrn Emden in Hamburg. Ich möchte wissen, wie weit sie in Ihren Händen wären, was Ihnen davon gefällt und nicht gefällt u.s.w. Sie interessirt mich jetzt mehr wie je und Sie werden meine Aufsätze leicht erkennen.

Noch Eines, was mir eben einfällt. Vor länger als vier Wochen schickte ich durch Ihren Hrn. Schwiegervater die Sonate ab, die Sie von Clara Wieck hörten. Da ich mich doch auch als einen Ring in der großen Kette fühle, so müßte sie mit einigen Worten den Lesern meiner Zeitschrift vorgestellt werden. Eine Selbstkritik hat Alles gegen sich und ist so schwierig, als undankbar. Würden Sie mir also vielleicht Ihre Meinung über die Arbeit, so kurz und scharf Sie können und wollen, mittheilen wollen und mir erlauben, Ihren Namen darunter zu setzen. Die Sonate trägt nicht einmal meinen Namen, sondern die des »Florestan und Eusebius« als Verfasser auf dem Titel, so daß Sie sich, wie es sich ja auch versteht, allein auf die Sache berufen können. Ihre Worte würde ich in der Zeitung dann etwa mit Folgendem einleiten »der Verbrüderung der Autoren (Florestan und Euseb) halber hat sich die Redaktion veranlaßt gefunden, einen Dritten um sein Urtheil über die Sonate zu ersuchen, und zwar Hrn. Prof. Moscheles, der uns darüber Folgendes mitzutheilen die Güte gehabt hat.«

Sollten Sie, mein theurer Herr, irgend innere oder äußere Gründe haben, mir meine Bitte nicht zu gewähren, so stehe ich natürlich im[343] Augenblick ab. Hätten Sie aber diese nicht und finden Sie die Composition der höheren Kunstform, in der sie auftritt, eines Wortes, – und des hohen Strebens halber, von dem sie gewiß etwas zeugt, einer Empfehlung werth, so können Sie glauben, wie ich es Ihnen innigst Dank weiß und von wie großem Vortheil auch für die Verbreitung und für Hrn. Kistner, den Verleger Ihre Bemühung sein wird. Dies der prosaische Theil der Sache. Wüßten Sie aber, wie ich noch auf den ersten Zweigen zum Himmelsbaum zu stehen meine und wie ich da oben in einsamen heiligen Stunden Lieder zu hören glaube, von denen ich meinen geliebten Menschen später noch verkünden möchte, so werden Sie mir gewiß schon deshalb ein aufmunterndes Wort, das ja jedem Künstler von Nöthen ist, nicht versagen.

Dies und den innigsten Gruß der Verehrung für heute von


Ihrem

treulich ergebenen

R. Schumann.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 342-344.
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