14. An Heinrich Dorn in Riga.

[345] Leipzig, den 14. September 1836.


Mein theuerster Herr!


Eben als ich vorgestern Ihren Brief erhalte und antworten will, wer tritt herein? – Chopin. Das war große Freude. Einen schönen Tag lebten wir, den ich gestern noch nachfeierte. Heute aber setze ich mich festen Willens her, meine alte Schuld abzutragen, so gut das auf so engem Raum möglich ist. Also 1) denke ich fast täglich an Sie, oft traurig, weil ich doch gar zu unordentlich lernte, immer dankbar, weil ich trotzdem mehr gelernt habe, als Sie glauben. Wie Vieles sich von da bis jetzt begeben und verändert, wissen Sie zum Theil. Den andern verspare ich bis auf einmaliges Sehen, woran ich, wie weit es auch hinausliegt, doch nicht verzweifle.

Dank für die vielen Zeichen Ihrer Theilnahme an unserm Streben. Noch viel zu thun ist übrig; wir sind aber jung und das Beste kömmt mit den Jahren. Besondern Dank auch dafür, daß Sie von der Zeitung sprechen und ihr Freunde gewinnen. Für Herrn Weitzmann lege ich ein paar Zeilen bei. Der Davidsbund ist nur ein geistiger romantischer, wie Sie längst gemerkt haben. Mozart war ein eben so großer Bündler, als es jetzt Berlioz ist, Sie es sind, ohne gerade durch Diplom dazu ernannt zu sein. Florestan und Euseb ist meine Doppelnatur, die ich wie Raro gern zum Mann verschmelzen möchte. Das andere darüber steht in der Zeitung. Die andern Verschleierten sind zum Theil Personen; auch vieles aus dem Leben der Davidsbündler aus dem wirklichen. Bogen möcht' ich vollschreiben. Genüge Ihnen dies Wenige. – ........ (unleserlich) Kunst dieses: 1) (Die 1) oben hat keine 2, was ich eben merke. – Ihr Jahresbericht steht von Nr. 13 an. Ueber das Musikfest erwarte ich sehnlichst.[345]

Die Irisbeilage mit Respekt paßt zur Iris; sehr ledern und gezwängt. Wollen Sie mir nicht einmal freie Aufsätze schicken, über Musikfeste überhaupt und wie sie zur Bildung der Masse passend eingerichtet werden müßten und dergleichen, über die musikalische Zukunft etc., über gegenwärtige Zwiespalte etc., thun Sie das. Auch würde eine Parallele der Breitkopf'schen und unserer Zeitung nicht ohne Interesse sein, müßte aber natürlich in ein drittes Blatt (elegante Zeitung, oder Comet, oder Abendzeitung) abgedruckt werden. Möchten Sie darüber nachdenken.

2) Auf die Phantasie freue ich mich natürlich sehr. Könnte ich Ihnen irgend nützen, so versteht sich das. Haslinger habe ich als sehr honnest kennen gelernt. Ich will eine gute Stunde abwarten und Ihnen das Nähere schnell mittheilen. Uebrigens können Sie wohl glauben, daß, fürchteten die Verleger nicht den Redakteur, auch von mir die Welt nichts erfahren würde, vielleicht zum Besten der Welt; indeß die schwarzen sichern gedruckten Köpfe gefallen einem doch gar zu wohl. Auf meine Sonate in Fis-moll mache ich Sie aufmerksam, noch mehr aber auf ein Concert ohne Orchester, das eben bei Haslinger erschienen ist. Gerne möchte ich Ihre Gedanken darüber erfahren.

Von Chopin habe ich eine neue Ballade. Sie scheint mir sein genialischstes (nicht genialstes) Werk; auch sagte ich es ihm, daß es mir das liebste unter allen. Nach einer langen Pause Nachdenken sagte er mit großem Nachdruck – »das ist mir lieb, auch mir ist es mein Liebstes«. Außerdem spielte er mir eine Menge neuer Etüden, Notturnos, Masureks – Alles unvergleichlich. Wie er am Clavier sitzt, ist rührend anzusehen. Sie würden ihn sehr lieben. Clara ist aber größere Virtuosin und giebt seinen Compositionen fast noch mehr Bedeutung, als er selbst. Denken Sie sich das Vollendete, eine Meisterschaft, die von sich selbst gar nichts zu wissen scheint! Im Winter wird wieder reiches Leben. Mendelssohn, David (brillanter Kopf), Lipinski, Liszt, Clara, zwei stehende Concerte, zwei musikalische Zeitungen. Zwölf Quartette. Bessere Kirchenmusik. Stegmayer (leider sehr faul). Banck (guter Liedercomponist). Vieles Andere, was mir nicht gleich einfällt. Kurz, Sie fehlen.

Schreiben Sie mir bald und aufmunternd, wie bisher. Ich bedarf dessen.


In innigster Freundschaft

Ihr

R. Schumann.[346]


Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 345-347.
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