38. An Keferstein.

[383] Leipzig, den 24. August 1840.


Mein theurer Freund,


Vielen Dank für Ihren erfreuenden Bericht, und daß Sie mich auch aus der Ferne haben mitgenießen lassen. Ich dachte noch immer, in dieser Zeit selbst nach Jena zu kommen; es hat sich nun aber Alles anders gestaltet. Klara ist von Weimar nach Bad Liebenstein bei Eisenach, zu Ihrer Freundin Emilie List, die unvermuthet von dort aus an sie schrieb. Dort bleibt sie denn auch noch einige Wochen bis zu unserer Trauung, wird aber auf der Rückreise sich nirgends aufhalten, so daß ich auch meinen Plan, ihr über Jena nach Weimar entgegenzureisen, aufgegeben habe. Unserer Trauung stehen nun (mit höherem Beistand) wohl keine Hindernisse mehr im Wege, wie Sie fürchteten. Wir sind gestern schon zum zweitenmal aufgeboten worden; ich hab es in Seligkeit angehört. Klara ist auch ganz glückselig, wie Sie sich denken können; es waren doch gar zu unwürdige Duldungen, die wir zu bestehen hatten. Von ihrem Aufenthalt in Jena und in Ihrem Hause schrieb sie mir mit großer Freude, Sie haben sie so schön geehrt, daß es auch mich auf das Innigste erfreut. Ihr Aufsatz ist mir ein neuer Beweis Ihrer freundlichen Gesinnung. Einiges darin, namentlich in Bezug meiner, scheint mir, wenn Sie den Ausdruck nicht mißdeuten wollen, zu enthusiastisch. Wenn der Artikel die wahre Unterschrift seines wohlwollenden Verfassers trüge (was ich Ihnen bei Ihrer Stellung übrigens keineswegs anmuthe) so hätte ich kein Bedenken.[383] Gegen anonyme enthusiastische Berichte hat aber das Publikum immer einen kleinen Verdacht, ob da nicht gute Freundschaft im Spiel, und ist sie es, da Sie uns ein lieber werther Freund sind, so will doch das Publikum eben den Namen wissen, um trauen und glauben zu können. Wie dem sei, Ihre Theilnahme thut mir im Herzen wohl, und ich hoffe, daß sie meine spätern Arbeiten wenigstens nicht schwächen werde. Wollen Sie nun Klara und mir eine öffentliche Anerkennung zu Theil werden lassen, so wäre das Frankfurter Journal allerdings ein guter Ort. Doch fürchte ich, hat die Redaction zu wenig Interesse an uns Ausländern. Versuchen Sie es, lieber Freund. Nimmt sie den Artikel nicht, so schlag' ich Abendzeitung oder noch lieber Elegante Zeitung vor.

Durch Härtels auf Fink influiren zu wollen, bin ich, aufrichtig gesprochen, zu stolz, wie mir überhaupt alles künstliche Belebenwollen der öffentlichen Meinung durch den Künstler selbst verhaßt ist. Was stark ist, dringt schon durch. Daß ich aber gegen gründliches und kenntnißreiches Urtheil taub wäre, glauben Sie wohl, daß es nicht ist, nur soll der Künstler nicht selbst dazu veranlassen. Klara ist ähnlich wie ich, so sehr sie auch Aufmunterung erfreut, und sie auch wirklich nöthig hat; sie hat mir oft unerklärliche melancholische Anfälle, worüber ich sie schon manchmal habe schelten müssen.

Genug davon und nur noch die Versicherung, die ich wohl kaum auszusprechen brauche, daß ich mich jetzt gar herrlich befinde in der Gegenwart wie in meinen Hoffnungen auf eine glückliche reiche Zukunft. Die Reise nach Petersburg hab' ich Klara'n feierlich angeloben müssen; sie wolle sonst allein hin, sagte sie. Ich traue es ihr in ihrer Sorglosigkeit für unser äußeres Wohl auch zu. Wie ungern ich aus meinem stillen Kreise scheide – das erlassen Sie mir zu sagen. Ich denke nicht ohne die größeste Betrübniß daran, und darf es doch Klara nicht wissen lassen. Körperlich wird es aber Klara eher nützlich sein; so zart sie ist, so ist sie doch gesund und kann wie ein Mann aushalten.

Adieu denn, mein theurer Freund; schreiben Sie mir bald wieder. Den Tag unserer Trauung laß ich Ihnen später wissen.


Mit herzlichem Gruß

Ihr

Robert Schumann.[384]


Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 383-385.
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