44. An Carl Koßmaly.

[390] Leipzig, d. 1. September 1842.


Lieber Freund!


Ihr Brief kam spät, aber wie immer willkommen. Vieles darin hat mich sehr erfreut, vorzüglich daß einige Worte, die ich über Sie selbst fallen lassen, so freundlich von Ihnen aufgenommen worden sind. Es liegt so mancher schöne Gedanke in Ihnen vergraben, sprechend und singend – möchten Sie sie nicht zu lang in Kopf und Herzen ruhen lassen.

Was Sie über mich urtheilen, wünsche ich, daß es sich in der Folge, wo ich noch mehr zu leisten denke, bestätigen möge. Am zurückgelegten Weg freut mich manches; es ist aber nichts gegen die Aussichten, die ich sich mir in einzelnen schönen Stunden in der Ferne eröffnen sehe. Wissen Sie mein Morgen- und Abendliches Künstlergebet? Deutsche Oper heißt es. Da ist zu wirken. Aber auch die Symphonie soll nicht vergessen werden.

Von Ihren Tageblättern hab' ich das Meiste gelesen. Mir gefällt immer an Ihnen, daß man hinter dem philosophirenden Kopf einen so gut praktischen Musiker erräth, und umgekehrt. Mit dem »Oppositionellen« haben Sie sehr Recht. Leider paßt gerade dieser Artikel nicht gut in mein Blatt, da doch der Chri stern'sche auch abgedruckt werden müßte, was mir als Eitelkeit ausgelegt werden würde. Sie sprachen davon, daß Sie von Schmidt in Wien Anträge bekommen hätten. Wünschen Sie es, so send' ich den Aufsatz an ihn; den Artikel aus dem Telegraphen[390] werde ich mir dann zu verschaffen suchen und ihn beilegen. Schreiben Sie mir darüber. Dies bringt mich auf eine Bitte. Wir (meine Frau und ich) machten vor Kurzem einen Ausflug nach Böhmen u.a. nach Königswart, wo gerade der Fürst Metternich war. Er nahm uns sehr huldreich auf und versprach uns in den freundlichsten Worten seinen Schutz, wenn wir nach Wien kommen sollten. Dies hat mir einigermaßen Lust dahin gemacht. Nun möchte ich aber auch, daß die Leute dort etwas von meinen Compositionen erfahren und namentlich möchte ich meine 1. Symphonie, vielleicht auch eine andere, dort aufführen lassen. Die Wiener sind ein unwissend Volk, und wissen im Ganzen wenig, was draußen im Reich vorgeht. Anderntheils hat es freilich auch guten Klang in der Musikwelt und eine günstige Aufnahme von dorther berichtet, kann mir in mannigfacher Weise nützen. Wollten Sie nun vielleicht mich und meine Symphonie dort einführen, durch einen Artikel in der Schmidtschen Zeitung. Ich würde Ihnen in diesem Fall den 4 händigen Clavierauszug und – wünschen Sie's – auch die Partitur schicken. Der Aufsatz müßte dann freilich noch im October dahin abgehen, weil wir, wenn wir reisen, schon im November abreisen würden. Hierauf schreiben Sie mir denn womöglich ein freundliches Ja, das ich Ihnen herzlich danke im Voraus. Einige Andeutungen, was mir bei der Symphonie im Herzen vorgegangen, sende ich Ihnen dann auch.

Wir sind in nebelhaften Umrissen von einander geschieden was mich hinterher oft lachen gemacht. Jetzt sind aber die guten Vorstellungen und Gedanken wieder bei einander, und Ihr Brief bestätigt mir das. Hoffentlich auch der meine Ihnen. Möchte ich denn recht oft so deutlich lebhaft vor Ihnen stehen, wie Sie mir, und dann nehmen Sie die Feder zur Hand und sagen mirs.

Ihr

Sie herzlichliebender

R. Sch.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 390-391.
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