45. An Carl Koßmaly.

[391] Leipzig, d. 5. Mai 1843.


Mein lieber Freund!


Es wird wenig aus diesem Briefe werden; vor meinem Fenster bläst und heult eine Meß-Musikbande, im Hause selbst ist viel Unruhe –[391] morgen soll getauft werden (unser zweites Mädchen) – und doch muß ich Ihnen einmal schreiben, da Sie immer so freundlich an mich denken. Dank für Ihre schönen Lieder; was ich darüber denke, verschweige ich, bis ich's in der Zeitung thu', was ehestens geschehen soll. Ließen Sie nur mehr drucken und kämen ganz nach Leipzig. Ueber die neue Theaterveränderung weiß man noch gar nichts Bestimmtes. Ein Dr. Schmidt soll es übernommen haben; ich kenne ihn etwas, und werde seiner Zeit gewiß von Ihnen sprechen.

Sonst war die Zeit, in der wir uns nicht sahen, eine recht ergiebige. Können Sie sich meine 3 Quartette, die erschienen sind, nicht einmal in Detmold vorspielen lassen? Das wünschte ich sehr. Dann erscheint bald ein Quintett für Pianof. etc. und ein Quartett desgl. und manches Andere. Im Augenblicke bin ich in einer großen Arbeit, der größten, die ich bis jetzt unternommen – es ist keine Oper – ich glaube beinahe ein neues Genre für den Concertsaal – daran will ich denn meinen ganzen Fleiß setzen und hoffe noch im Laufe des Jahres damit fertig zu werden.

Mit einiger Scheu lege ich Ihnen ein Paquet älterer Compositionen von mir bei. Sie werden, was unreif, unvollendet an ihnen ist, leicht entdecken. Es sind meistens Wiederspiegelungen meines wildbewegten früheren Lebens; Mensch und Musiker suchten sich immer gleichzeitig bei mir auszusprechen; es ist wohl auch noch jetzt so, wo ich mich freilich und auch meine Kunst mehr beherrschen gelernt habe. Wie viele Freuden und Leiden in diesem kleinen Häuflein Noten zusammen begraben liegen, Ihr mitfühlendes Herz wird das herausfinden.

Von den Claviercompositionen, die ich für meine besten halte, konnte ich leider kein Exemplar austreiben; es sind das, wie ich glaube: Die Kreisleriana, 6 Phantasiestücke, 4 Hefte Novelletten und ein Heft Romanzen. Gerade diese vier sind die letzten Claviercompositionen die ich geschrieben (im J. 1838). Doch auch die früheren werden Ihnen ein Bild meines Charakters, meines Strebens geben; ja gerade in den Versuchen liegen oft die meisten Keime der Zukunft. D'rum nehmen Sie sie wohlwollend auf mit ihren Mängeln – ich kann nichts weiter darüber sagen.

Diese Sachen sind alle nur wenig bekannt worden, aus natürlichen Gründen: 1, aus inneren der Schwierigkeit in Form und Gehalt, 2, weil ich kein Virtuos bin, der sie öffentlich vortragen könnte, 3, weil ich Redacteur meiner Zeitschrift, in der ich sie nicht erwähnen konnte,[392] 4, weil Fink Redacteur der andern, der sie nicht erwähnen wollte. Es ist aber Manches anders geworden. Das Publicum nimmt, wie ich höre, jetzt größeren Antheil an meinen Sachen, auch den älteren – Die Kinderscenen und Phantasiestücke, die ich Ihnen leider nicht mittheilen kann, haben sogar ein größeres gefunden. Auch darin hat sich die Zeit verändert; sonst galt es mir gleich, ob man sich um mich bekümmere oder nicht – hat man Frau und Kinder, so wird das ganz anders – man muß ja an die Zukunft denken, man will auch die Früchte seiner Arbeit sehen, nicht die künstlerischen, sondern die prosaischen, die zum Leben gehören und diese bringt und vermehrt nur der größere Ruf.

Nennen Sie es also nicht Eitelkeit, wenn ich Ihnen diese älteren Stücke jetzt, nachdem ich ihnen schon längst entwachsen bin, noch zuschicke und Ihr freundliches Anerbieten, ein Wort darüber irgendwo zu sagen, dankbar annehme. Ich habe die Künstler verachtet immer, wenn der Wisch noch naß aus der Druckerei kommt, ihn auch schon auf die Post befördern an die verschiedenen Redactionen. Doch, was mach' ich für Worte? Sie kennen mich ja und verstehen mich.

Stoff zu Betrachtungen – glaub ich – geben meine Arbeiten manchen – und wird es Ihnen leicht werden, darüber ein paar Spalten zusammen zu bringen. Da die meisten Sachen bei Härtels erschienen, so würden es diese gewiß sehr gern sehen, wenn in Ihrer Zeitung darüber noch gesprochen würde. Daß diese früheren Sachen noch jetzt zur Anzeige kommen, findet, was Sie anführen können, ja seinen Grund darin, daß die 4 ersten opus ausgenommen, seit über 10 Jahren über keines, von den andern in jener Zeitung etwas gesagt wurde. Die Form des Aufsatzes scheint mir passender die eines selbstständigen, als die gewöhnliche Recensionsweise zu sein. So thun Sie denn, lieber Freund, wie Sie wollen. Haben Sie sich durch diesen ersten Haufen durchgearbeitet, so sende ich Ihnen, wenn Sie wünschen, einen zweiten nach (meine Liederzeit), dann vielleicht die Symphonien, und meine letzen Kammermusiksachen.

Noch erwähn' ich, daß die Compositionen in den beiden gebundenen Büchern und in der Folge stehen, wie sie der Zeit nach geschrieben sind: Die Variationen und Papillons 1830 – bis zu dem Concert 1836. Die nicht eingebundenen folgen sich so: Phantasie 1836, Davidsbündlertänze 1837, 2. Sonate 1835–38, Kinderscenen 1838, alles andere 1839.[393]

Hier haben Sie meine Bekenntnisse. Daß Bach und Jean Paul den größten Einfluß auf mich geübt in früheren Zeiten, finden Sie wohl ohne meine Anmerkung heraus. Jetzt bin ich wohl selbständiger geworden.

So möge die Sendung mit meinen besten Wünschen für Sie abgehen. Was Ihnen von den einzelnen Sachen gefällt, behalten Sie zum Andenken an mich.

Schreiben Sie nur bald ein Wort

Ihrem

R. Sch.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 391-394.
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