56. An Friedrich Hebbel in Wien.

[402] Dresden, den 28. Juni 1847.


Verehrter Herr!


Die Vollendung des Textes verzögerte sich etwas. Wir sind im letzten Act auf Schwierigkeiten gestoßen, deren wir uns nicht vorgesehen hatten. Nun wird das Buch schwerlich vor Ihrer Ankunft hier (Ende Juli, wie Sie mir schreiben) ganz fertig. Am Ende ist es so noch besser; mündlich verständigt man sich doch schneller. Möchten Sie nun auch die Güte haben, mir gleich Ihre Ankunft hier wissen zu lassen, damit ich Sie aufsuchen kann und bedürfen Sie etwa eines Führers in der fremden Stadt, so nehmen Sie mich dazu. Erlauben Sie dann auch, daß, wenn Sie Ihre Frau Gemahlin mitbringen, ich Ihr und Ihnen auch meine Frau vorstellen darf, deren Sie Sich so freundlich von Hamburg aus erinnern. Daß ich mich von Ihnen als Componist nicht gekannt glaubte, war eine Einbildung, mit der ich mich dafür strafen wollte, daß ich Sie auch nicht früher gekannt, als erst seit Anfang dieses Jahres; und Ihre Judith, Ihre Genoveva sind doch schon seit Jahren da – glanzvolle Gestirne, die Jeder kennen sollte – und ich bin doch sonst ziemlich beim Neusten.

Nun aber, wenn mir das Glück wird, Sie zu sehen, sind Sie mir kein Fremder mehr – und der »Diamant« hat zuletzt das Seinige noch gethan. Welch' Stück wieder – als tiefsinnige Komik und Naturfrische einzig in der ganzen deutschen Poesie.

Verzeihen Sie, daß ich Ihnen etwas sagen will, was mir nicht zukömmt, nämlich etwas sehr Lobendes über Ihre Poesie – aber so[402] viele Hände sind bereit, Ihnen den Krane, den schönsten, höchsten zuerkennen – und so sei es auch dem Musiker verstattet, sein Blättchen dazu zu geben.


Ihr

ergebenster

R. Schumann.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 402-403.
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