60. An Gustav Nottebohm in Wien.

[407] Dresden, d. 3. Juli 1848.


Lieber Freund,


Oft hab' ich Ihrer in diesen Zeiten gedacht, und daß die erschütternden Ereignisse, wie auf alle, auch auf Ihre Entschlüsse für die Zukunft einwirken möchten! Wien und Berlin, wie Sie selbst sagen, sind keine Stätte für den Musiker jetzt. Hier ist es äußerlich ruhiger; aber der großen allgemeinen Brandung kann doch zuletzt auch das politisch ziemlich träge Dresden nicht widerstehen. Aber aus Wien gehen Sie doch ja – Sie können es nun – und für den guten Musiker sah es ja von jeher dort schlimm, wenn er nicht zugleich etwa Charlatan oder Millionär war. Führe doch die Revolution auch in ihre Musikmägen; aber die Musikzeitung giebt ein schlechtes Exempel – und immer noch schreiben sie über mittelmäßige Virtuosen die Blätter voll, – und über die schaffenden Künstler verstehen sie nichts zu sagen. Wahrhaft erbärmlich ist's! –

Von Ihnen freue ich mich zu hören, was Sie gearbeitet haben. Ich lieber Nottebohm, war gräulich fleißig. Vor acht Tagen gaben wir die Scenen aus Faust und das hat mir Freude gemacht. Der Totaleindruck schien mir ein stärkerer als der der Peri – und dies liegt wohl in der großartigeren Dichtung. Außerdem ist ein Trio erschienen, von dem ich Ihnen wohl schrieb. Auch die Partituren meiner Streichquartette – ein Geburtstagsgeschenk von Härtel's – haben mich sehr erfreut. Endlich darf ich es Ihnen wohl sagen, daß meine Oper immer mehr anwächst, und daß ich sie mit Hülfe des Himmels doch in diesem Jahr zu beenden hoffe.

Frau und Kinder sind auch wohl. So hab' ich denn alle Ursache, zufrieden und dankbar zu sein.

Schreiben Sie mir nur bald, was Sie beschließen und sein Sie immer meines herzlichen Antheils sicher


Ihres

ergebenen

R. Schumann.[407]


Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 407-408.
Lizenz:
Kategorien: