64. An C. Reinecke.

[411] Dresden, d. 9. April 49.


Lieber Herr Reinecke,


Mit vielem Dank folgen hier die Manuscripte zurück. Die Sarabande32 ist ein alter Liebling von mir, die ich viele Dutzendmal mir vorgespielt. Nun aber gleich eine Bemerkung – ich hab mir den Vortrag immer Forte (markirt und kräftig) gedacht – und der Charakter der übrigen Sarabanden in den Suiten bestärkt mich darin. Fragen Sie doch vielleicht noch einen Musiker. Die Variationen haben Sie[411] mit Liebe geschrieben, das merkt man ihnen an. Mir gefüllt Vieles und namentlich zeigen Sie sich auch in den canonischen Verschlingungen leicht und glücklich. Nun aber der Totaleindruck scheint mir kein befriedigender, und dies liegt wohl an der Kürze, und wenn Sie mir's nicht übel nehmen, an der Unruhe des Finale's33. Auch wär's gut, wenn das Thema ein breiteres wäre – sinnen Sie darüber nach! Das Hauptmotiv müßte natürlich bleiben, – der 4/2 Takt aber in jedem Fall in Allabreve C umgeändert werden.

Sodann klingt mir Manches hier und da nicht voll genug; da läßt sich ja auch nachhelfen.

Ein etwas sonderbares Ansehen hat die 3. Variation namentlich gleich der 1. Takt, der doch eigentlich noch in die 2. Variation gehört. Wollen Sie den 2/4 Takt nicht lieber erst mit dem: 64. An C. Reinecke anfangen?

Mein Rath ist, legen Sie die Variationen ein paar Monate hin, und dann die letzte Hand daran.

Von den Myrthen sagen mir besonders zu:

1) Die Widmung,

2) Die Lotosblume,

3) Du bist wie eine Blume,

an denen ich nichts zu ändern wüßte.

Auch der Nußbaum gefällt mir, bis auf die rothbekreuzte Stelle, die eine Octave tiefer besser klingt.

Von guter Wirkung sind auch die Lieder der Braut – nur im 2. möcht' ich das Vorspiel weg.

Dagegen gefällt mir die Verlegung der Melodie in die tiefere Octave in d. L. a. d. östlichen Rosen nicht – und auch das hochländische Wiegenlied lassen Sie ja doch ganz einfach; es macht viel bessere Wirkung.

Die 2 venetianischen Lieder –, glaub' ich, eignen sich am wenigsten für's Clavier; sie sind zu kurz und eigentlich nicht bedeutend genug für die Mühe, die sie dem Spieler machen. (Unter uns gesagt, der Componist hat daran die meiste Schuld.) –

Hier haben Sie nun mein aufrichtiges Urtheil und sind mir nicht[412] bös darum; wie lieb und theuer mir die Theilnahme ist, die Sie meinen Compositionen geschenkt, wissen Sie ja. –

Nun bitte ich noch auf eine möglichst hübsche Folge der Lieder zu denken – namentlich daß sie auch in den Tonarten nicht zu schnell und fremdartig wechseln. Sodann bitt' ich Hrn. Senff um eine Revision, wenn es so weit ist, wie Sie dasselbe auch Hrn. Schuberth sagen möchten. Es bleibt sonst zu viel Aergerliches stehen.

Verzeihung um die Flucht dieser Zeilen; ich habe noch einen Ausflug vor.


Mit herzlichen Grüßen

R. Sch.

32

Eine Bach'sche Sarabande, über welche C. Reinecke Variationen geschrieben und als op. 24 veröffentlicht hat.

33

Ist im Sinne Schumann's geändert worden.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 411-413.
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