Franz u. Joseph Seconda

[314] Die Schritte, die Weber bei den Gebrüdern Franz und Joseph Seconda, welche das Kunststück durchführten, in Leipzig und Dresden zugleich Bühnen zu leiten, für Anbringung seiner Opern bei einem derselben that, schlugen fehl, wie es derselbe bei der entschiedenen Vorliebe dieser Herren für die italienische Oper nicht anders erwartet hatte, dagegen zeigten sich die Verleger Härtel und Kühnel, die ihm auch aufs freundlichste ihre gastlichen Häuser öffneten, sehr geneigt, fortlaufende Lieferungs- und Verlagsverträge mit ihm abzuschließen.

Im Ganzen sagte Weber, wahrscheinlich hauptsächlich durch den Contrast mit dem Glanz, der Fülle und der äußeren Ueppigkeit der Existenz in Prag, vielleicht auch durch eine Verstimmung, die das lange Verschieben seines Concerts erzeigte, und ihn unthätig in der Geschäfts-Stadt zu liegen zwang, das Leben in dem damals ziemlich stillen, sehr schlichten, farblosen und alles Glanzes der Namen, der äußeren Stellung und des großen Reichthums entbehrenden Leipzig nicht wohl zu, so daß es schon möglich war, daß ihm als »summum bonum« desselben: »Gohlis, Merseburger Bier, Tabak und Kegelschieben« erschienen, die Bälle ihn langweilten, die Mädchen ihm nicht hübsch, die Studenten, mit denen er sich später sehr wohl befreundete, unerträglich roh erschienen. Von dieser Stimmung giebt der Brief ein Bild, den er am 31. December 1811 an Gänsbacher richtet und dem ein musikalisch geistvoller Neujahrstusch angehängt ist, während ein diesem vorgedruckter auch vom 31. December datirter Brief an Gottfried Weber mehr Thatsächliches referirt.


An Gottfried Weber.


»Leipzig den 31. Dezember 1811.


Prost Neujahr!


Etsch! hab dies gewonnen; da hast Du einen herzlichen derben Kuß Û und übrigens bleibts, Gott sei Dank, mit Uns beim Alten.[314] Daß Du Deine lieben Eltern, Gustel Houts etc. recht ordentlich in meinem Namen gratulirst, versteht sich am Rande und nun gleich zum Trost die Nachricht, daß ich – in Leipzig bin, allwo ich den 27. anlangte. Doch nun zur Ordnung zurück. d. 20. November schrieb ich Dir zum letzten Mal von München aus und den 1. December trennte ich mich schwer von da und fort ging die Reise nach Prag wo ich den 4. nach Tag und Nacht fortgesetzter Reise ankam. Die Freude des guten Jörgels war aber so wie meine grenzenlos. Er hatte noch nie mündlich über den V.5 gesprochen, Du kannst also denken daß ich ihm viel zu erklären, auseinander zu sezzen und zu erzählen hatte. ich hielt eine förmliche Sitzung mit ihm und gab ihm alle unsere gewechselten Briefe zu lesen, die ihn dann sehr au fait setzten und zugleich lebendig für die Sache entflammten ich zeichnete ihm einige Wege zur Thätigkeit vor und befahl besonders streng sich in öftere Berührung mit dem C.6 zu sezzen. Er wird es halten. Die andren Menschen, die ich kennen lernte beobachtete ich vereint mit ihm, genau, und fand leider daß keiner sich eigne.


Gänsbacher hat ein Requiem geschrieben, das ganz vortrefflich ist, es ist so neu im Plan, himmelweit von Voglers verschieden, so kräftig, so fließend und gelehrt, ohne Schwulst daß es mich wahrhaft hingerissen hat. ich wünschte daß Dusch einen deutschen Text dazu macht und Du es aufführtest. Nachdem wir überall herrlich in Prag aufgenommen wurden, gaben wir den 20. unser Concert worüber Dir Trias ein mehres schreiben wird. es fiel sehr gut aus wir nahmen gegen 4000 fl. ein und alles ging sehr gut. d. 23. früh 2 Uhr reißten wir ab von Prag und kamen den 24. in Dresden an. da der Hof nicht da war, so fanden wir es für gut, einige vorläufige Anstalten zu treffen und dann sogleich nach Leipzig abzugehen, wo wir den 27. früh anlangten und ich die von Dir geschickten Empfehlungen fand. daß Benzels Mannheim verlassen thut mir unendlich leid[315] hier hatte ich nun so viele Briefe abzugeben, daß ich ganz toll im Kopfe wurde. – –

d. 14. ist hier unser Concert, d. 16. gehen wir von hier nach Gotha von da nach Weimar und dann nach Dresden zurück, berechne also nach dem Empfang dieses Briefes wohin Du mir schreiben kannst. – Von Dresden gehts gerade nach Berlin wo ich gegen d. 10. Februar einzutreffen gedenke, von dort wahrscheinlich nach Hamburg, Koppenhagen etc. nach Petersburg. sollten aber Kriegerische Aussichten sein, so nehme den Antrag an, eine neue Oper für das dortige Theater zu schreiben, man hat mir ganz freien Aufenthalt und eine garantirte Einnahme von 100 # circa angetragen, und es ist sehr möglich, daß ich den Sommer dazu anwende, als der Jahreszeit, wo doch nichts mit Concerten zu verdienen.« – – etc.


Auch diese freundliche, entgegenkommende Zuschrift vermochte den grauen Geist einer halb unbegründeten Verstimmung, die sich durch die Ansicht Gottfried Weber's, daß Carl Maria den Verein zu sehr für sich ausbeute, zwischen die beiden herrlichen Menschen geschlichen hatte nicht ganz zu bannen und ihre Correspondenz verlor an Lebendigkeit und Wärme bis ein Wiedersehen das gute Vernehmen sehr spät herstellte.

Der Brief an Gänsbacher lautet:


»Leipzig d. 31. Dec. 1811.


Lieber Bruder!


Sei nicht böse daß ich Dir noch nicht geschrieben habe, aber es war beinah unmöglich einen Augenblick Zeit zu finden, d. 2. wollte ich Dir auch gern etwas bestimmtes schreiben. d. 21. kamen wir über höchst elende Wege, und vom Sturm halb umgebracht in Dresden an. ich suchte vor allem Mieksch auf, und erfuhr daß der Hof erst den 5. Januar zurückkömmt, und dann natürlich auch die ersten Tage nicht gleich etwas zu machen ist. Wir entschlossen uns also[316] schnell diese Zeit zu benutzen und unterdessen Leipzig, Gotha und Weimar zuschlachten. Wir gaben daher nur den Brief an Abbé O'Kelly von Wrtby und den armen Grafen Mozin ab und reißten d. 26. nach Leipzig ab, wo wir d. 27. früh anlangten. Daß wir nun diese paar Tage nicht zu Athem kommen konnten, ehe unsre Briefe an die langweiligen Nullenkrämer abgegeben waren, kannst Du denken, nun ist unser Concert auf d. 14. hier bestimmt, da der Teufel noch so einen Klavierhund, einen jungen Buben aus Braunschweig Mühlenfeldt herbei geführt hat, der den 7. sein Concert herunterreißt. Mit Kühnel habe ich gesprochen, er grüßt Dich und will nachsehn, wohin die Exempl: geschickt worden waren, denn er glaubt sie an Dich abgesendet zu haben. besonders freute er sich von Unsern Freunde Dr. Jung etwas zu hören, den ich bitte, nebst Unsern herzlichsten Empfehlungen beiliegende Zeilen zu geben. Kühnel hat einiges von mir zum Verlage verlangt, vielleicht streicht er die zarte Ouverture aus D moll. Ans Centrum habe ich heute geschrieben und von Dir berichtet, auch Deines Requiems erwähnt. auch hier habe ich schon Cabale gegen Dich gemacht, und schlecht von Dir gesprochen. mache nun daß ich die Partitur der Silvana und die Textbücher der beiden Opern schnell abgeschrieben bekomme. bis d. 16. bleiben wir hier da kannst Du mir noch hierher antworten. ich logire bei Herrn Küstner im Hotel de Baviere. Wie sehr der Aufenthalt in dem ledernen Leipzig gegen unser liebes, gastfreies und herzliches Prag absticht, kannst Du Dir denken – – – Mein Trost ist daß mir hier Zeit genug bleiben wird, rückständige Briefe und Aufsätze zu schreiben. Hast Du die Aufsätze spedirt? schikke mir doch die Prager Zeitung 3 mal, wo was über unser Concert steht. An alle Bekannten die besten Grüße, besonders aber empfiehl uns dem Andenken Deines vortrefflichen Hauses, dessen freundschaftliche Aufnahme wir nie vergessen werden, und von dem ich nun recht gut Deine feste Anhänglichkeit an dasselbe zu begreifen weis. alles Schöne auch an Liebich – – – – – etc. etc. etc. Leb wohl und schreibe bald und oft. von hier gehts nach Gotha. Post restant und dann nach Weimar[317]


Poz Blitz: Jörgel! bald hätte ichs vergessen


Canone 34 Voci.

!!!!!!

Prost Neujahr!


Franz u. Joseph Seconda

Franz u. Joseph Seconda

Canone in infinitum Sempre Dacapo.


Es bleibt beym Alten!!


Hier ein derber Kuß Û«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 314-318.
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