Aufführung des »Freischütz« in Dresden 26. Jan. 1822

[385] Den 26. Januar fand die Vorstellung statt. Der Zudrang glich zwar nicht entfernt dem in Berlin, indeß war doch das Theater[385] bis auf den letzten Platz gefüllt. Als bezeichnend für den Geist der damaligen Theaterleitung finde hier die Bemerkung statt, daß man Weber Parkettbillets für Friedrich Kind und Frau von Chezy bezahlen ließ, die sich mit 1 Thlr. 8 Gr. in seinem Tagebuche verrechnet finden.

Die Vorstellung ging vortrefflich. Nach der Ouverture rauschte der Applaus minutenlang, dazwischen schrien frische, begeisterte Stimmen: »Weber hoch!« Nach dem ersten Akte zog sich Weber unter dem Jubel des Auditoriums zurück. Da erschien plötzlich über den dunkeln Wogen der Menschenmasse im Parterre, am Eingange desselben, ein großer, mit Atlasbändern und Gedichten behangener Lorbeerbaum in schwerem Kübel. Alles erkannte sofort Zweck und Ziel der sinnigen Gabe, alle Hände hoben sich ihn zu tragen und weiter zu geben, und so schwamm der Baum denn auf der Fluth begeisterter Köpfe und liebevoll dienstbereiter Hände, majestätisch schwankend, wie von Geistern dirigirt, von selbst seinem Ziele am Dirigentenpulte zu, wo er niedergestellt wurde. Großer Jubel begrüßte Weber, als er, wieder in's Orchester tretend, erstaunt den Baum fand, dessen Geber zwar unbekannt geblieben den ihm aber gleichsam das ganze Publikum durch sein Zujauchzen schenkte, als habe der eine nur im Auftrage Aller gehandelt.

Das ergriff Weber so tief, daß er eine Pause machen mußte.

Unter fortwährendem, oft den Gang der Handlung unterbrechendem, jubelvollem Beifall verlief die Darstellung. Der Jägerchor wurde da capo verlangt, eine Ehre, die in Dresden noch niemals einem Chore widerfahren war. Am Schlusse der Aufführung durchbrach der jauchzende Lärm alle Gränzen, und flogen auch hier nicht, wie in Berlin, Blumen. Kränze und Gedichte dem Meister entgegen, so rief ihn das Publikum doch unter tausendfachem »Hoch Weber!« heraus und wollte sich nicht beruhigen, als er nur einmal mit den Damen Funk und Haase erschien.

Holtei, der in seinem »Obernigker Boten« eine lebensvolle Schilderung des Abends giebt, schreibt: »Oh mein Himmel! haben wir geschrien, ich und meine Studenten aus dem goldnen Hirsche und dem[386] kleinen Rauchhause, und alle die Andern alle, alle: Weber! Weber! Weber! hoch! hoch!«

Weber schreibt über die Vorstellung in sein treues Tagebuch: »Alles ging ganz vortrefflich. Bei dem meisten blieb gar Nichts zu wünschen übrig...... Am Ende rief mich das Publikum heraus, ich kam mit Fräul. Funk und Mad. Haase. Es that mir leid, daß ich nicht Orchester, Chöre, Maschinisten etc. mitbringen konnte. Sie hatten es alle verdient!«

Als Weber nach Hause kam, fand er die botschaftbringenden Freunde um die chaise longue versammelt, auf dem die kranke und doch so selige Caroline ruhte. Der Rittmeister von Mangoldt, Bräutigam von Weber's Lieblingsschülerin, Fanny Egloffstein, ein athletischer Mann, packte den kleinen Meister, nahm ihn auf den Arm und tanzte mit ihm im Zimmer herum. Es war ein goldener Tag im Leben Weber's, das sich ja überhaupt mit seinen höchsten Freuden in den Erfolgen des »Freischütz« gipfelte.

Die durch den ihm überall entgegenquellenden Weihrauchduft verwöhnten Sinne des Meisters wurden durch den Ausspruch andersseitiger Meinungen durch die Kritik im Allgemeinen weit über die Gebühr verletzt. Ganz besonders verdrossen ihn aber, mit Bezug auf seine Wiener Pläne, die Kundgebungen der »Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur und Mode«, des Blattes, für das Arbeiten zu liefern, er eben verweigert hatte. Dieß Blatt nennt Agathen's große Scene »ermüdend«, die Abschiedsscene mit Max »nur durch Aennchen's Schalkhaftigkeit gewürzt«, vermißt »Quintetts, Finales etc.«, wünscht »lieblichere, zum Herzen sprechendere Melodien«, »weniger Herrschaft von Verstand und Phantasie«, degradirt den, Weber geschenkten Lorbeerbaum zu einem »bänderbehängten Bäumchen« etc.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 385-387.
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