Besetzung des »Freischütz« in Dresden

[383] Als Material, woraus Weber seine Gestalten in Dresden schnitzen konnte, hatte er kein ganz günstig dotirtes Personal vor sich.

Für die Rolle der Agathe berechtigt war zunächst die hübsche Caroline Willmann vorhanden, die Geläufigkeit und Sicherheit auszeichnete. Weber gab ihr die Agathe nicht, weil ihre Mitteltöne (bei schöner Höhe) rauh waren und Koketterie im Spiel, eine gewisse Manierirtheit in der Tonbildung und Tendenz auf Anbringung von Verzierungen, sie ihm ungeeignet für die Verlebendigung des einfachen Jägermädchens erscheinen ließ.

Noch weniger eignete sich dafür die Coloratursängerin, Antonie Unzelmann, mit spitzer, knabenhafter Stimme, und nicht besser Camilla Miksch, die eine gewisse Aengstlichkeit niemals ablegen konnte, daher vor dem Publikum oft detonirte, ungeschickt vortrug und überdieß ungenügende Höhe hatte.

Es blieb also nur Friederike Funk übrig, die für die Darstellung der Rolle viel mitbrachte und viel vermissen ließ. Bei edler Erscheinung, geschicktem Spiel und Bühnenroutine wurde sie doch nie frei von einer gewissen Kühle der Darstellung, die Weber, in seiner derben Weise, »Ledernheit« nannte und die sich sehr häufig dem Publikum, trotz aller Anerkennung ihrer Vorzüge, mittheilte. Klug und dieses[383] Mangels bewußt, hatte sie versucht, ihn durch anhaltendes Studium der Technik der italienischen Bühnenlebendigkeit abzulegen, während sie unter des berühmten Mosca in Neapel Leitung ihre Stimmbildung vervollkommnete. Sie war aber nur bis zu einer sorgsam reflectirten Nachbildung von Wärme gekommen, die selten täuschte. Ein andrer, schlimmerer Fehler haftete ihr in Gestalt des Detonirens an, der um so hartnäckiger war, als ihr Ohr oft für die Fehler ihrer Intonation ganz unempfindlich schien. Der Fehler trat indeß, je nach Glück und Zufall, öfter oder seltener auf und es blieb zu hoffen, daß sie bei ihrer Klugheit, ihren Talenten und schönen Mitteln, trotz ihrer Mängel, die beste in Dresden zu beschaffende Repräsentantin der Agathe sein werde.

Ganz von selbst, durch Aeußeres und specielle Befähigung, kennzeichnete sich die Besitzerin der Rolle des Aennchen in Frau Julie Haase, deren Erscheinung und Gesang sich durch den Ausdruck »schalkhaft lieblich«, als für das Aennchen geschaffen, charakterisirte. Die Lage ihrer nicht sehr starken aber geschmeidigen und weichen Stimme war ganz für die fragliche Rolle geeignet.

Eine passende Stellvertreterin in dieser Rolle für diese liebenswürdige Frau hätte sich übrigens in Fräulein Julie Zucker ergeben, die später das Aennchen auch mit Beifall spielte.

Für den Max konnte nur Carl Unzelmann und Gottfried Bergmann in Frage kommen; jeder von diesen Beiden besaß das, was dem andern abging. Unzelmann war routinirter Schauspieler, geschickt in Verwendung seiner schwachen Mittel, und Weber würde ihn gewiß für den Max gewählt haben, wenn dieß eine specifische Spielrolle gewesen wäre. Er brauchte aber vor Allem für diese lyrische Gestalt eine schöne Stimme, einen guten Sänger, und das war und das besaß Bergmann, dem dagegen die schauspielerische Beweglichkeit bis zur Steifheit abging. Oft neckte ihn Weber selbst mit seiner Corporalshaltung, seinen Marionettenbewegungen, und in einer der Proben zum »Freischütz« sprudelte ihm, vor Verdruß über Bergmann's Unbeweglichkeit, die Galle bis zu kränkendem Spott über. Er rief auf die Bühne hinauf: »Lißmann! Lißmann! (der Theatermaschinist) können[384] Sie nicht eine Stützlatte dressiren, daß sie Bergmann einmal die Scene vorspielt!?«

Ein andermal durchschritt, in einer Probe der »Zauberflöte«, der wackere Sänger die Wasserfluth mit einer Behaglichkeit, die, in ihrem Mangel an Eingehen auf den Geist der Scene, Weber entrüstete. Er rief ihm zu: »Bergmann! denken Sie denn der Meeresgrund ist ein Kegelschub? Ducken Sie sich doch und strecken Sie sich, daß man sieht, wie Sie klettern und sinken!«

Bergmann war dann oft gekränkt und Weber hatte Mühe, ihn zu begütigen, indem er ihm seine gute Absicht und alle Achtung vor seinen trefflichen Eigenschaften zeigte.

Nicht wenig trug es dazu bei, daß Weber Bergmann den Max so unbedingt zutheilte, weil er bei diesem Sänger vor der italienischen Unsitte der Verzierungen sicher war, die dieser eben so haßte, wie Weber selbst.

Im Bassisten August Mayer fand sich ein sehr passender, gewandter Darsteller des Caspar, der leider nur den, in dieser Rolle empfindlichen Mangel einer deutlichen Aussprache mitbrachte, während die ihm anhaftende, an's Gemeine streifende Trivialität der Auffassung, die ohnehin auf die Spitze gestellte Zeichnung der Figur des Caspar mit einem Herunterziehen unter das ihr vorgeschriebene Niveau bedrohte.

All' diese Kräfte, mit Weber's praktischem Sinn, Feuereifer und eigner Lust und Liebe zusammengeschult, vereint gehend mit dem, vortrefflich vom Chordirektor Miksch eingeübten Chore und der unvergleichlichen Capelle, ließen mit Zuversicht, besonders nach den Vorgängen in andern Städten, Erfolg hoffen.

Nichtsdestoweniger erkrankte die, in Folge ihres Zustandes schon längere Zeit unpäßliche Caroline aus Besorgniß vor demselben, so daß sie der Vorstellung nicht beiwohnen konnte. Ein vollständiger Staffettendienst, den sämmtliche Freunde und Dienstleute des Hauses thaten, organisirte sich für den Abend zwischen Theater und Weber's Wohnung, um ihr nach jeder Scene Nachricht vom Erfolge zu geben.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 383-385.
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