Weber's Aufnahme in Wien

[395] Nicht klagen durfte er über den Empfang, der ihm in Wien zu Theil wurde, als seine Anwesenheit bekannt zu werden begann.

Prinz Friedrich von Sachsen. der sich zur Zeit, in Begleitung des General von Cerrini. in Wien aufhielt, zog ihn auf's Auszeichnendste in seine Kreise, und aus allen Sphären des öffentlichen und[395] privaten Lebens strömten ihm die Kundgebungen von Verehrung und Schätzung zu. Die Zeitungen posaunten in hohem Tone von ihm, z.B.:


»Weber ist in unsern Mauern. Alles drängt sich den genialen Tonsetzer kennen zu lernen, und ihm seinen Aufenthalt in unserer Stadt angenehm zu machen. Wer den sanften, bescheidenen Mann persönlich kennen lernt, gewinnt ihn noch lieber. Es läßt sich wohl denken, daß er mit der Aufführung seines Freyschützen auf unserer Bühne und mit den vorgenommenen Abänderungen nicht zufrieden seyn konnte, wenn er sich gleich nicht eben mißbilligend darüber äußerte. Wer kann auch eine Verstümmelung seines Kindes mit gleichgültigen Augen ansehen? Weber hat, wie man versichert, mit der Direktion des Hofoperntheaters hinsichtlich der Composition einer neuen Oper für diese Bühne sich ins Einvernehmen gesetzt und das Buch (welches bereits zur Hälfte componirt seyn soll) der hiesigen Censur überreicht.«


Und Weber schildert dieß lebhaft in folgendem Briefe, der auch auf's Geeignetste seine Anschauungen vom Wiener Publikum, sowie eben so kurze als kräftige Bemerkungen über Wiener Künstler giebt, unter denen die, über die eben im Auftauchen begriffene Wilhelmine Schröder die interessanteste ist. Wunderlich wirkt es, wenn man hier die, später so gewaltig gegliederte, imposante, kraftvolle Frau als blaß und schwächlich geschildert findet.


»Wien den 10. Februar 1820.


etc. Man empfängt mich überall wie ein Wunderthier, und als den Gott des Tages. Gestern macht' ich den ganzen Tag Visiten. Mein geliebter Prinz Friedrich und Cerrini empfingen mich mit unverstellter großer Freude und Theilnahme. Ich mußte versprechen, recht oft zu kommen. Ueber den Enthusiasmus mit dem Alles über meine Oper spricht, sage ich dir gar nichts, denn er ist unbeschreiblich, und ich finde weder Worte noch Redensarten, noch Bewegungen, noch Gesichter zum Antworten mehr. Abends gab die Gesellschaft von der Wieden: die ›Italienerin in Algier‹, im Kärnthnerthor. Recht brave Talente, die wir alle brauchen könnten. Mad. Schulz, noch ziemlich Anfängerin[396] im Spiel, aber schon sehr brav im Gesang. Jäger, außerordentlich schöner Tenor, geht und steht aber wie ein bucklichter Kater. Aber so ein Publikum ist eine Wonne. Drei Noten gut vorgetragen haben gewiß ihr murmelndes Bravo durch's ganze Haus.

Nach der Oper ließ mir Duport keine Ruhe, ich mußte noch auf einen Ball gehen. Da machte ich mich aber bald wieder fort, denn das Begucken, sich Gruppenweise an mich herandrängen etc., wurde mir ganz kurios. Grünbaums hatten eine große Freude. Die alte Schröder habe ich noch nicht gesehen, aber die Junge, die recht schwächlich aussieht, blaß, aber vom Theater sehr schön seyn soll. Nun geht heute der Tanz von vorne an. Ich nehme mir aber Zeit, und hetze mich gar nicht ab. Ich wüßte auch nicht warum. etc.«


Wir würden in der That, um der Gefahr willen, den Meister als allzu selbstbewußt erscheinen zu lassen, der Versuchung widerstehen, die nachfolgenden Briefstellen hier zu geben, wenn nicht alle öffentlichen Kundgebungen über Weber's Aufenthalt in Wien im Jahre 1822 seine eigenen Schilderungen seiner Popularität, des Andrängens an seine Person, noch weit in Schatten stellten, und wenn nicht in diesen Zuschriften an Caroline, bei alle dem, ein Geist der Bescheidenheit und Liebe wehte, der uns in unserm Zwecke, Liebe für den Meister zu erwecken, nur fördern kann. Dabei motiviren sie aber auch Weber's große Vorliebe für Wien, ohne die er später schwerlich den Kampf eingegangen wäre, von dem er wohl wußte, daß er fast auf Leben und Tod sei. Er schreibt:


»Wien den 22. Februar 1822.


etc. Der Andrang der Menschen ist zu groß, und ich gehe wie ein Fangball von einer Hand in die andere. Indessen ist es doch recht schön, und ein eignes Gefühl, zu sehen und zu wissen, daß man seiner ganzen Zeit einen Stoß oder eine Richtung gegeben hat, die sich Niemand bei dem herrschenden Geschmack erwarten konnte. Du kannst dir wirklich keinen Begriff von der Verehrung und Liebe machen, mit der mir Alles entgegen kommt. Vorgestern, nachdem der Vormittag wie gewöhnlich mit Visiten geben und nehmen vergangen war, aß ich[397] bei Duport. Da war ein schönes Instrument, ich war gut gelaunt, spielte, und da wollten die Leute etwas Weniges aus der Haut fahren. etc.

etc. Diese enthusiastische Verehrung, die mit so viel inniger Gutmüthigkeit verbunden ist, findet man wohl außer Wien nirgends, und wenn die Mutter da wäre hätte ich nichts mehr zu wünschen. etc.«


»Den 23. früh.


etc. Wie ich gestern früh zu Cerrini kam, wollte er eben an mich schreiben; ich mußte mit ihm zum Prinzen, der auf den Abend, weil kein Theater war, alle Erzherzoge zu sich geladen hatte, die mich hören sollten. Ich fuhr also gleich zu einem Instrumentenmacher, und suchte ein Pianoforte aus; dann Mittags mit Rombergs bei Grünbaums sehr vergnügt. Dann nach Hause mich umgezogen, und um 1/2 7 Uhr zu Prinz Friedrich. Da mußte ich denn viel spielen, und man schien zufrieden. Der Kronprinz von Oestreich und sein jüngerer Bruder, dann der neapolitanische Prinz, der eine Tochter des Kaisers hat etc. waren da. Besonders erfreute mich dabei den Erzherzog Carl und seine ungemein liebe Gemahlin zu sehen, die ich als Kind schon in Nassau-Weilburg gekannt hatte. Von da gings wieder nach Hause, und Stiefel angezogen, in den Mazacker Hof, wo eine Gesellschaft von Künstlern mich erwartete, deren Präsident Mozart ist. etc.«


»Den 25.


etc. So viel Herrliches und wahrhaft Erhebendes es hat, für einen großen Mann gehalten zu werden, und diese allgemeine enthusiastische Verehrung zu sehen, so viel Beschwerliches ist auch damit verbunden, und ich lobe mir mein stilles Stübchen mit dir, Mukkin, ohne die doch Alles kaum halb Genuß ist. Ja, mein geliebtes Leben, du weißt es wohl daß ich eigentlich nur in dir lebe, und daß alle meine Freude immer nur darin liegt, wie es dich freuen wird. etc.«

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 2, Leipzig: Ernst Keil, 1866, S. 395-398.
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