Beißschildkröte (Trionyx ferox)

[78] Unter den zu dieser Sippe gehörigen Arten kennen wir die Beißschildkröte (Trionyx ferox, Testudo und Platypeltis ferox, Trionyx spiniferus und carinatus, Gymnopus spiniferus, Aspidonectus Emoryi, spinifer, asper und nuchalis) noch immer am genauesten. Sie kann ein Gewicht von fünfunddreißig Kilogramm, eine Gesammtlänge von 1,6 Meter erreichen, von welcher auf den Hals 33, das Schild 84 und den Schwanz 16 Centim. zu rechnen sind. Ihr Schild ist oberseits auf dunkelschiefergrauem Grunde mit zahlreichen und großen Augenflecken und, zumal am Rande, mit dunklen Tüpfeln gezeichnet, unterseits dagegen schmutzigweiß, der schieferfarbene Kopf oben seitlich dunkel gefleckt, in der Augengegend durch einen, bis zum Halse reichenden und hier sich verlierenden Augenstreifen geziert, am Kinne, ebenso wie die Füße und der Schwanz, schwarz und weiß gemarmelt, die Iris endlich gelb.

Die bissige Schildkröte bewohnt, laut Holbrook, den Savannah- und Alabamafluß und alle Ströme und Flüsse, welche sich in den Meerbusen von Mejiko ergießen, ebenso die großen nördlichen Seen sowie endlich den Hudson, fehlt aber in allen Flüssen, welche zwischen dem letztgenannten Strome und dem Savannah in das Atlantische Weltmeer münden. In die großen Seen des Nordens gelangte sie von den wahrscheinlich als ursprüngliches Wohngebiet zu betrachtenden Flüssen des Südens, möglicherweise während der Frühjahrsüberschwemmungen, welche den Illinoisfluß mit dem Michigansee und den Petersfluß mit dem nördlichen Redriver in Verbindung setzen, in die Gewässer des Staates New York aber nachweislich erst durch den New-York-Kanal, vor dessen Vollendung sie dort unbekannt war. In den meisten dieser Gewässer, zumal in den südlichen tritt sie häufig auf. Man sieht sie bei stillem Wetter in namhafter Anzahl auf der Oberfläche des Ohio- und Eriesees treiben, in Flüssen oft zahlreich an Felsen im Wasser erscheinen, um hier, in seichterem Gewässer, sich zu sonnen. Gewöhnlich liegt sie unter Wurzeln und Wasserpflanzen verborgen, um auf Beute zu lauern. Sie jagt auf Fische, Lurche und Wasservögel, schwimmt langsam an das ersehene Opfer heran und schnellt ihren verhältnismäßig langen Hals blitzschnell und mit großer Sicherheit vor. Den Bauern wird sie durch ihre Jagd auf Enten und junge Gänse lästig, Fischen und kleineren im Wasser lebenden Kriechthieren gefährlich. In den südlicher gelegenen Staaten soll sie unter den jungen Alligatoren wahrhafte Verheerungen anrichten, dafür aber wieder von den alten Kaimans gefressen werden.

Im Mai suchen die Weibchen sandige Plätze längs der Ufer an den Gewässern, welche sie bewohnen, und ersteigen, ungeachtet ihrer sonstigen Schwerfälligkeit, in dieser Zeit Hügel von mehr als Meterhöhe. Die Eier sind kugelig und verhältnismäßig zerbrechlich, jedenfalls mehr als die der Flußschildkröten, welche dasselbe Gewässer bewohnen. Ueber das Leben der Jungen, welche im Juni ausschlüpfen, scheinen Beobachtungen nicht veröffentlicht worden zu sein.

Unter allen nordamerikanischen Schildkröten hat diese Art das schmackhafteste Fleisch, wird deshalb auch eifrig verfolgt. Man erlegt sie mit der Büchse, umstellt ihre Schlafplätze mit Netzen oder fängt sie an Angeln. Erwachsene müssen mit Vorsicht behandelt werden, weil sie sich zur Wehre stellen und empfindliche Bißwunden beibringen können. Namentlich diejenigen, welche geangelt wurden, geberden sich wie unsinnig, schnappen, sobald sich ihnen jemand naht, wiederholt in die Luft, suchen überhaupt ihre Wuth in jeder Weise auszudrücken. Bell erzählt, daß einst eines dieser Thiere seinem ungeschickten Fänger den Finger abbiß.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 78.
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