Rhizochilus Antipathum

[276] Nun gibt es aber zwei der Purpura ganz nahe stehende Gattungen, welche, sich festsetzend, die merkwürdigsten Umwandlungen erleiden, Magilus und Rhizochilus. Anfangs frei, werden sie nicht nur seßhaft, sondern es geht mit ihrem Gehäuse auch eine solche Formveränderung vor, daß ihre Ernährungs- und Lebensweise dadurch völlig umgestaltet wird. Wir folgen der Beschreibung, welche Steenstrup von diesen Verhältnissen gegeben. Die Jungen von Rhizochilus Antipathum gleichen den Purpura-Schnecken so vollständig, daß man sie mit jüngeren Exemplaren mancher Arten derselben verwechseln kann. Das Gehäuse der sich eben festsetzenden Thiere von 15 Millimeter Länge hat die Seite 277 angegebene Form. Die längliche Mündung ist nach oben hin abgerundet, nach dem kurzen Kanale zu spitz, und die beiden Lippen sind ganz einfach, bis zur Anheftung, wo dann sowohl die äußere als die innere sich zu verlängern und die Zweige der Korallen zu umfassen beginnen. Betrachtet man dagegen den späteren Zustand nach der Anheftung, so ist eine merkwürdige Veränderung mit dem Mündungstheile des Gehäuses vor sich gegangen, [276] besonders durch das eigenthümliche Verhalten der Lippen. Dieselben sind aufgewulstet und haben einen oder mehrere Zweige der Hornkoralle umfaßt, sich dabei einander genähert, und durch die fortgesetzte Kalkabsonderung hat das Thier gleichsam seine eigene Schalenöffnung zugemauert. Mitunter haben sich mehrere Exemplare so nahe bei einander angesiedelt, daß eines durch des anderen Schale seine Mündung theilweise verschließt. Dieser Verschluß nach der Anheftung ist natürlich kein vollständiger; es bleibt die Kanalöffnung, und von hier auswächst eine Röhre hervor, welche große Aehnlichkeit mit einer Wurmröhre (von Serpula) hat. Da die Hornkorallen, wie wir später sehen werden, aus einer festeren Axe und der dieselbe umgebenden weicheren, korkartigen oder fleischigen Substanz bestehen, so muß diese letztere berücksichtigt werden, wenn man sich mit Steenstrup ein vollständiges und anschauliches Bild vom Leben des Rhizochilus verschaffen will.


Junges Exemplar von Rhizochilus Antipathum.
Junges Exemplar von Rhizochilus Antipathum.

Denn wenn schon die jungen Rhizochilen auf den mit thierischer Masse umgebenen Antipathesbüschen leben und sich später auf den noch in diesem Zustande befindlichen Korallenstöcken ansiedeln, so wird natürlich die weiche Rindenschicht des Polypen von wesentlichem Einflusse auf die parasitischen Schnecken sein. Obgleich dem dänischen Naturforscher nur getrocknete Antipathesstöcke zu Gebote standen, ließ sich das Verhältnis doch mit Sicherheit feststellen. Alle darauf haftenden Rhizochilen waren mit der eingetrockneten weicheren Polypenmasse überzogen. Indem also die Rhizochilusschnecke sich festgesetzt hat, wird sie nach und nach von den wachsenden und sich ausbreitenden Polypen bedeckt, und in dem Maße, als dieselben sich über ihr aufschichten, verlängert die Schnecke jene Röhre und führt nun in jedem Falle ein von den übrigen Verwandten sehr abweichendes Leben, welches näher zu schildern einem künftigen Beobachter vorbehalten ist.


Aelteres festsitzendes Thier von Rhizochilus Antipathum. Natürliche Größe.
Aelteres festsitzendes Thier von Rhizochilus Antipathum. Natürliche Größe.

Ein ähnliches und doch auch wieder eigenthümliches Verhalten zeigt die andere oben genannte Sippe Magilus, welche nur in einer einzigen Art im Rothen Meere vorkommt. Magilus ist eingesenkt in die Blöcke der Steinkorallen. Während aber bei Rhizochilus nur der Kanal zu einer engen Röhre verlängert wird, zieht sich hier die ganze Mündung in eine weite Düte aus. Das ursprüngliche Gehäuse und der untere Theil der Düte füllen sich allmählich mit Kalk aus, und das Thier rückt in der sich verlängernden Röhre vor, gleichen Schritt haltend mit der sich ausdehnenden Koralle.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 276-277.
Lizenz:
Kategorien: