Innerhalb des großen Kreises der Gliederthiere, zu welchen auch die Insekten, Tausendfüßer und Spinnen gehören, nehmen die Krebse einen wohl bestimmten Platz ein. Mit jenen die durchgehende Gliederung des Körpers, sowohl des Rumpfes als der Gliedmaßen, theilend und in der Anlage und Lagerung der Körpertheile im wesentlichen mit ihnen übereinstimmend, sind ihre Eigenthümlichkeiten im allgemeinen solche, welche dem Leben im Wasser entsprechen. Wenn viele Insektenlarven lange Zeit unter Wasser leben, einige ausgebildete Insekten, Spinnen und Milben wenigstens zeitweilig unter Wasser gehen können, so verleugnen sie dabei ihre Natur als Luftthiere nicht, ihre Athmungswerkzeuge bleiben dem Schema der Luftathmungswerkzeuge getreu, und manche Käfer und Spinnen nehmen sich sogar eine Portion Luft mit unter Wasser, um davon ihr Athmungsbedürfnis zu bestreiten, während sie dem gasförmigen Elemente Lebewohl gesagt haben. Nicht so die Krebse: sie sind Wasserathmer und zu diesem Zwecke mit Kiemen versehen, die wir vorläufig mit den Kiemen der Fische vergleichen können, später aber etwas specieller betrachten müssen.
Nicht wenige Krebse, namentlich aus den Gruppen der Asseln und Krabben, haben sich jedoch im Laufe der Jahrtausende dem Landleben angepaßt und athmen Luft, obschon ihre Athmungswerkzeuge ein kiemenartiges Aussehen bewahrt haben.
Ein zweites Merkmal aller ausgebildeten und nicht durch Schmarotzerleben verkümmerten Krebse ist, daß sie mehr als vier Paar Beine besitzen. Es ist also nichts leichter, als wenigstens oberflächlich zu konstatiren, daß ein uns in die Hände kommendes Gliederthier ein Krebs ist. Mit drei Paar Beinen ist es ein Insekt, mit vieren eine Spinne. Die Verwechselung mit einem Tausendfuß liegt bei der Wurmähnlichkeit dieses letzteren und dem Mangel äußerer Kiemen auch fern. Die Hautbedeckungen aller Gliederthiere, und mithin auch die der Krebse, bestehen aus einem mikroskopisch und chemisch sich eigenthümlich verhaltenden Stoffe, dem Chitin, während bei vielen Krebsen dieser Hautpanzer durch Zwischenlagerung von kohlensaurem Kalk eine größere Stärke und Widerstandsfähigkeit erhält. Damit dürfte alles gesagt sein, was die Krebse als Gesammtheit betrifft. Denn, so mannigfaltig die Insekten sind, in der Verschiedenheit ihres Baues und der Lebensweise werden sie weit von den Krebsen übertroffen. Im offenen Meere gleich heimisch wie an den Küsten, halten sie sich zugleich in den verschiedensten, dem thierischen Leben überhaupt zuträglichen Tiefenzonen auf. Eine Reihe von Ordnungen hat sich dem süßen Wasser akkommodirt, dem fließenden und stehenden, guten und mit faulenden Substanzen erfüllten. Aus ihrem eigentlichen Elemente hervortretend, leben diese unter Steinen und Gesträuchen, während andere weite Reisen über sandige Flächen unternehmen und einzelne Krabben auf die Palmen klettern, um deren[1] süße Früchte für sich zu pflücken. Meist frei ihrem Raube nachgehend, dazu durch ihre scharfen Sinneswerkzeuge, starke Kiefern, Scheren und robusten Gliedmaßen befähigt, haben sie auch zahlreiche Genossen unter sich, bei welchen die anfänglich viel versprechende Gliederung beim weiteren Wachsthume ins Stocken geräth, und die nun einem Schmarotzerthume auf Fischen, Krebsen, wohl auch auf Würmern, verfallen, in welchem sie zu scheinbar leblosen Säcken verkümmern.
Das unumgänglich nothwendige Kapital von anatomischen Kenntnissen, mit welchem wir ausgerüstet sein müssen, um die Merkmale der verschiedenen Abtheilungen, Ordnungen und Gruppen der Klasse zu verstehen, eignen wir uns wohl am leichtesten an, wenn wir den allen zugänglichen gemeinen Flußkrebs einer genaueren äußeren und inneren Besichtigung unterziehen. Diejenigen Leser, welche sich schon mit den Insekten und Spinnen vertraut gemacht, werden mit um so größerer Leichtigkeit sich auch hier orientiren, zumal wenn sie die Mühe sich nicht verdrießen lassen, an einem wirklichen Exemplare des Krebses das im Texte Gesagte sich zur Anschauung zu bringen.
Der Flußkrebs erscheint, besonders wenn man ihn von oben betrachtet, aus zwei Hauptkörperabschnitten gebildet: der vordere, das Kopfbruststück, wird von oben von dem aus einem Stücke bestehenden Rückenschilde bedeckt, welches sich seitlich nach abwärts krümmt und bis zur Einlenkung der Beine an den Körper reicht. Das Vorderende des Rückenschildes läuft in den Stirnstachel aus, an dessen Grunde die zwei Augen liegen. Letztere sind auf beweglichen Stielen, können nach verschiedenen Richtungen gestellt oder in ein Paar schützende Halbrinnen zurückgelegt werden. Schon mit scharfen Augen, besser mit einer mäßig vergrößernden Lupe, überzeugt man sich, daß die Oberfläche der Augen nicht glatt, wie unsere eigene Hornhaut, sondern gefeldert, facettirt ist, in vollständiger Harmonie mit den ebenso beschaffenen Augen der Insekten. Wir müssen es uns leider versagen, auf die nähere Beschaffenheit solcher Gesichtswerkzeuge einzugehen, da es ohne die allerfeinsten Einzelheiten nicht möglich wäre. Nur so viel, daß der Flußkrebs mit Hülfe derselben ohne Zweifel vollständig gut sieht, und daß er sowie die ähnlich gebauten Kruster sowohl seine Feinde als seine Beute aus ziemlicher Entfernung erkennt. Nach ein- und abwärts von den Augen befinden sich die großen äußeren Fühler. Ihre dicken Grundglieder sind von oben durch eine bewegliche Schuppe bedeckt. Die Grundglieder tragen die lange, aus vielen kleinen Ringen bestehende Geisel. Am Grunde dieser Fühlhörner fallen zwei kegelförmige Erhebungen auf, welche mit einer inneren grünen Drüse in Verbindung stehen, nach ihrer Bedeutung aber noch nicht hinreichend bekannt sind. Die inneren Fühlhörner liegen zwischen den äußeren und ihre Basis trägt zwei Geiseln. Innerhalb der Basis derselben befinden sich die Gehörwerkzeuge.
Zur Orientirung über diese höchst merkwürdigen, allgemein interessanten Organe des Flußkrebses und seiner Klassengenossen im allgemeinen muß ich mir eine Einschaltung erlauben. Wie [2] jedes Sinneswerkzeug, bestehen auch die Gehörwerkzeuge aus einem die äußeren Eindrücke aufnehmenden und leitenden Apparate, der geradezu mit einem für einen bestimmten Zweck gebauten physikalischen Instrumente verglichen werden kann, und aus einem Nerv, auf welchen jene Eindrücke – Lichtwellen, Schallwellen usw. – übertragen und von dem sie dem Gehirne zu weiterer Verarbeitung übermittelt werden. Der physikalische Apparat des Gehörorgans muß geeignet sein, durch die Schallwellen leicht in Zitterungen versetzt zu werden, und wird um so künstlicher und vollkommener, auf je feinere Unterschiede der Wellen er in verschiedener Weise seinerseits antworten kann, und je mehr auch die feinsten Formbestandtheile des Nervs diesen Nüancen des aufnehmenden Apparates entsprechen. Ein haarförmiger Fortsatz, welcher von den Schallwellen in Zitterungen versetzt wird und diese Zitterungen auf einen an seine Wurzel sich anlegenden Nerv überträgt, kann demnach ein wenn auch in dieser Einfachheit sehr unvollkommenes Gehörorgan sein. Nach diesem Principe, nach diesem einfachen Grundplane sind die Gehörwerkzeuge aller der Krebse gebaut, welche sich dem Flußkrebse anschließen. In der Basis ihrer inneren Antennen ist ein geschlossenes oder mit einem nach außen sich öffnenden Spalt versehenes Säckchen enthalten, auf dessen Innenwand einige Reihen oder viele federförmige oder einfachere Haare sich befinden.
Die Erzitterungen des die geschlossene Höhle ausfüllenden Gehörwassers, des gewöhnlichen Wassers bei offener Höhle, übertragen sich auf die Gehörhaare, und die Wirkung wird verstärkt durch die sogenannten Gehörsteine. Der genaue Beobachter dieser Verhältnisse, Professor Hensen, sah, wie ein kleiner Seekrebs sich seine Ohren voll feinen Kies stopfte und somit die verloren gegangenen Gehörsteine ergänzte. Höchst interessant sind auch die von dem Genannten angestellten Versuche, sich die Ueberzeugung zu verschaffen, daß die Krebse wirklich hören. Er bediente sich dabei besonders einer bei Kiel vor kommenden Garneele (s.S. 27), des Palaemon antennarius. »Wenn man jüngere Thiere, frisch eingefangen, in das Aquarium bringt, wird jeder Ton, der vom Fußboden oder von den Wandungen der Gefäße aus erzeugt wird, sie momentan zu einem lebhaften Satze über das Wasser hinaus bewegen, eine Erschütterung der Wände ohne Schall läßt sie dagegen ruhig. Wenn man diese Thiere in mit Strychnin versetztes Salzwasser auf mehrere Stunden hineinbringt, läßt sich der Nachweis ihrer Hörkraft noch besser führen. Dann erzeugen selbst leise Töne im Hause, am Tische oder Glase Reflexe (d.h. die Krebse werden durch die Tonempfindung unwillkürlich zu Bewegungen angeregt), und man kann die Thiere durch wiederholte Töne in entsprechend häufigen Sprüngen im Glase umhertreiben.«
Andere Versuche bezogen sich auf das Wie der Tonempfindungen. Sollten die Krebse ähnlich wie Menschen hören, so ließ sich voraussetzen, daß die in Länge und Dicke verschiedenen Hörhaare auch nur von verschieden hohen Tönen in Schwingungen würden versetzt werden. Auch dies konnte im Einklange mit den berühmten Untersuchungen von Helmholtz über das Hören im allgemeinen bestätigt werden.
Wir kehren wieder zu unserem Flußkrebse zurück. Geht man an der Unterseite von den inneren Fühlern weiter nach abwärts, so gelangt man an die von zahlreichen beweglichen Theilen umgebene Mundöffnung. Außer der quer vor dem Munde liegenden ansehnlichen Oberlippe gehören in das Bereich der Mundwerkzeuge nicht weniger als sechs Paare von Organen, die von der linken Seite in der oben stehenden Figur auseinander gelegt sind.
Die ersten drei (a, b, c) entsprechen den bei den Insekten beschriebenen Theilen der übrigen Gliederthiere; a ist der starke, mit einem beweglichen Taster versehene Oberkiefer, b erster [3] Unterkiefer, c zweiter Unterkiefer, welcher, obschon vollständig getheilt, der Unterlippe der Insekten entspricht. Figur d, e und f sind die sogenannten Hülfskiefer oder Kieferfüße, ihrer Entstehung und Lage nach Beine, welche aber nicht im Dienste der Ortsbewegung sind, sondern mit den beiden Unterkieferpaaren zum Festhalten, Betasten und Zurechtlegen der Nahrung verwendet werden, während die Oberkiefer die vorläufige Zerkleinerung der Nahrung vornehmen. Ich sage die vorläufige, indem die weitere Zerlegung, das eigentliche Zerbeißen durch die sonderbaren Magenzähne (siehe unten) geschieht.
Auf die Hülfskiefer folgen fünf Paar Beine, von denen die drei vorderen mit Scheren endigen. Erwägt man, daß bei den Insekten die drei Paar Beine der Brust angehören, und daß diesen beim Flußkrebse doch wohl die drei Paar Hülfskiefer entsprechen, so ergibt sich, daß derjenige Abschnitt des Kopfbruststückes, welcher die fünf eigentlichen Gebeine trägt, nicht der Brust, sondern dem Leibe (abdomen) der Insekten verglichen werden muß, und daß folglich der sogenannte Schwanz des Krebses ein neuer, in der Klasse der Insekten gar nicht vorhandener Körperabschnitt ist, den wir den Nachleib (postabdomen) nennen. Auch beim Skorpion ist dieser Abschnitt als sogenannter Schwanz vorhanden. Die Ringe des Nachleibes tragen fußartige Anhänge, an und zwischen welchen beim Weibchen die gelegten Eier angeheftet werden. Am letzten Ringe, an dessen Unterseite sich der Darmkanal öffnet, haben diese Anhänge die Form breiter Flossen angenommen. Und so zeigt der Flußkrebs von den Oberkiefern an bis zu diesen Flossen ein und dasselbe Grundorgan in der verschiedenartigsten Form und Verwendung.
Zu den bisher abgehandelten Körperanhängen kommen noch die Kiemen. Sie erscheinen am Grunde der Beine befestigt, wenn man die unten freien Seitenblätter des Panzers abschneidet. Das Wasser tritt neben den Mundwerkzeugen zu ihnen ein und kann nach unten und hinten abfließen, indem durch die fortwährende Bewegung der Hülfskiefertaster für beständige Erneuerung gesorgt ist. Das Wedeln der Taster und der übrigen Theile der Hülfskiefer ersetzt hier also das »Athemholen« der mit inneren Lungen versehenen höheren Thiere.
Wir gehen nun, mit dem Aeußeren bekannt geworden, auf die Untersuchung der wichtigeren inneren Organe über.
Der Verdauungsapparat beginnt hinter der Mundöffnung mit einer kurzen Speiseröhre, welche in einen geräumigen, mit seiner Wölbung nach dem Rücken gerichteten Magen übergeht. Seine Innenfläche ist mit einer Reihe von Hervorragungen, Leisten und Zähnen versehen, die durch besondere Muskeln bewegt werden, und wodurch das durch die Oberkiefer angefangene Kaugeschäft fortgesetzt wird. Allbekannt sind die sogenannten Krebsaugen, zwei linsenförmige Kalkbildungen in den Seitentheilen des Magens, welche nach der jährlichen Häutung bei der Wiedererzeugung des Hautpanzers aufgebraucht werden. Vom Magen aus verläuft durch den Hinterleib ein fast gerader, dünner Darm, welchen man mit dem Endstücke des Schwanzes leicht ausreißen kann, eine Operation, welche vor dem Sieden der Krebse nie versäumt werden sollte. Die eine Art von Bauchspeichel erzeugende sogenannte Leber auf beiden Seiten des Magens ist an ihrer grünlichen Farbe und dem faserig-lappigen Baue leicht zu erkennen.
Oeffnet man den Krebs vom Rücken, indem man mit einer guten Schere den Hautpanzer trennt und den Rückentheil desselben möglichst behutsam und oberflächlich abhebt, so stößt man in der Mitte der Mittellinie auf das weißliche, in mehrere Zipfel ausgehende Herz, von wo aus auch die Hauptgefäße zu verfolgen sind. Wir erinnern daran, daß auch diese Lage mit derjenigen des sogenannten Rückengefäßes der Insekten übereinstimmt, was ebenso von der Richtung des Blutkreislaufes gilt. Das weißliche Blut wird aus dem Herzen in den Körper getrieben, kehrt dann zu den Kiemen zurück und gelangt aus diesen ins Herz.
Der Flußkrebs gehört zu denjenigen Mitgliedern seiner Klasse, bei welchen in Uebereinstimmung mit der gestreckten Gestalt das Nervensystem in Form einer ebenfalls wohl entwickelten Strickleiter vorhanden, wie z.B. auch bei den Garneelen (Palaemon), während bei den Krabben, [4] deren Körperform in ihrer Koncentration einen Gegensatz zu jenen bildet, auch die Bauchganglienkette diese Gedrängtheit zeigt. Gleich fast sämmtlichen übrigen Krustern ist unser Flußkrebs getrennten Geschlechtes. Ohne auf die inneren Organe der Fortpflanzung einzugehen, kann man sich leicht von den äußeren Geschlechtsverschiedenheiten überzeugen. Bei den Männchen ist an der Basis des fünften Fußpaares und gleichsam zu einer äußeren Fortsetzung der inneren Samengänge jederseits in Gestalt einer Halbrinne der erste Fuß des Nachleibes (Schwanzes) umgeformt. Die Oeffnungen der Eileiter befinden sich am Grunde des dritten Fußpaares. Die Entwickelung, welche der Flußkrebs im Eie durchmacht, stimmt in den wesentlichen Grundzügen mit derjenigen des Insekteneies überein. Aus einem Keimstreifen geht die Bauchseite des Embryo's hervor. Durch eine Längsspaltung desselben entstehen die sogenannten Keimwülste, die erste Anlage des symmetrischen, zweiseitigen Baues, den wir in seinen weiteren Stufen durch Quertheilung der Keimwülste und Entwickelungen dieser »Ursegmente« nicht verfolgen. Der Flußkrebs kommt in einem Stadium der Ausbildung aus dem Eie, daß er eine Verwandlung, wie so viele Insekten und sehr viele andere Kruster, nicht zu bestehen hat. Jedoch erinnert seine jährliche Häutung an die mit Häutungen verbundene Insektenmetamorphose. Alle sich nicht häutenden Gliederthiere sind nach ihrer Verwandlung und nachdem ihr Hautskelett eine gewisse Starrheit und Festigkeit erlangt, an eine bestimmte Größe gebunden: sie wachsen nicht mehr. Die sich periodisch häutenden Krebse haben damit die Fähigkeit erlangt, zeitlebens zu wachsen. Man betrachte einige hundert Maikäfer: ihre geringen Größenunterschiede haben sie aus ihrem Puppenzustande ererbt, und während ihrer kurzen Schwärmzeit gleichen sie sich nicht aus.
Ein kleiner Krebs hat aber die Hoffnung, ein großer zu werden, wenn nicht eine unkluge Nationalökonomie ihn schon als Jüngling der Küche überliefert. Das Erstaunen über die Möglichkeit, wie der Krebs sich seines starren Panzers alljährlich entledigen könne, wird vermehrt, wenn man sieht, wie auch die feineren Organe, Fühlhörner, Augen, Kiemen dabei ihrer Hüllen ledig werden, ja, daß auch der Darmkanal an der Häutung theilnimmt. Schon Réaumur hat in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Häutung des Flußkrebses genau beobachtet und beschrieben. Er hielt zu diesem Zwecke Krebse in durchlöcherten Glasgefäßen, die in fließendem Wasser standen. Bedenkt man, daß auch die Magenhaut und die Magenzähne [5] wechseln, so begreift man, daß der Krebs einige Tage vor der mit großen Unbequemlichkeiten und Unbehaglichkeiten verbundenen Häutung keinen großen Appetit verspürt. Wer könnte viel ans Essen denken, wenn ihm alle Zähne wackeln? Man merkt auch die bevorstehende Katastrophe durch das Gefühl; drückt man mit dem Finger auf das Hautskelett, so gibt es etwas nach. Es hat sich also wohl schon in der vorhergehenden Zeit durch eine theilweise Auflösung seines Kalkes gelockert. Eine auf chemischen Analysen beruhende Vergleichung liegt meines Wissens nicht vor. Bald darauf wird der Krebs unruhig. Er reibt die Beine gegen einander, dann wirft er sich auf den Rücken, arbeitet mit dem ganzen Körper, und es gelingt ihm, die Haut zu zerreißen, welche am Rücken den Panzer des Kopfbruststückes mit dem Schwanz verbindet. Damit hebt sich das große Rückenschild. Auf die ersten Anstrengungen folgt eine Ruhe. Bald beginnt der Krebs wieder seine Beine und alle Körpertheile zu bewegen, und man sieht nun, wie der Panzer des Kopfbruststückes sich mehr und mehr hebt und sein Abstand von den Beinen größer wird. In weniger als einer halben Stunde hat sich der Krebs aus seiner Haut gezogen, indem er erst, mit dem Kopftheil sich nach hinten stemmend, Augen und Fühler frei macht und dann seine Beine aus ihren engen Etui's herauszwängt. Das letztere macht ihm die größten Schwierigkeiten, und mitunter verliert er dabei das eine und andere Bein. Er würde überhaupt gar nicht damit zu Stande kommen, wenn sich die abzustreifenden Beinhüllen nicht der Länge nach spalteten. Nachdem jedoch diese schwierige und gewiß schmerzhafte Arbeit vollendet, entledigt er sich seiner Kleidung geschwind. Er zieht den Kopf unter dem Rückenschilde hervor, und der Schwanz begibt sich nun leicht aus seinem Futterale heraus. Die abgestreifte Hülle ist bis auf jenen Riß am Schwanze vollkommen unversehrt. Der eben aus seiner Hülle gekrochene Krebs (Butterkrebs) hat eine weiche Hautbedeckung, welche jedoch schon nach einigen Tagen durch reichliche Ablagerung von Chitin und Kalk die Festigkeit des alten Hautskelettes erlangt. Die Periode der Neubildung und Erhärtung dauert bei den kurzschwänzigen Krebsen oder Krabben bedeutend länger; sie ziehen sich während der Zeit zurück, indem sie sich in Felsritzen oder unter Steinen oder auch in Erdlöchern verbergen.
Hier, wo wir von dem regelmäßigen Wechsel des Hautpanzers gesprochen, ist wohl auch am passendsten die Rede von dem, wie es scheint, freiwilligen Abstoßen der Gliedmaßen und dem Ersatze dieser und der zufällig verlorenen Beine, wie solches oft bei den höheren Krebsen beobachtet wird. Jeder Sammler von Krebsen weiß, daß namentlich die Galatheen und Porcellanen mit äußerster Vorsicht behandelt werden müssen, wenn sie nicht in der Hand des Fängers sich mehrerer oder auch aller Beine entledigen sollen. Ob der Vorgang wirklich auf sogenanntem »freiem Willen« infolge von Bosheit oder Furcht und Schrecken beruht, oder auf einem Krampf, wie das Ausspeien der Eingeweide bei den Holothurien, ist schwer zu sagen. Doch dürfte das letztere der Fall sein, wie denn wohl auch ein Krampf das Bein nahe am Leibe abbricht, wenn das äußerste Glied beschädigt worden ist. Die Krabben- und Hummerfischer behaupten allerdings, daß das Thier, an einem Beine gepackt, dieses abwerfe, um zu entkommen. Namentlich sollen auch die Hummern bei Gewitter und Kanonendonner aus Schreck ihre Beine verlieren. Das sind eben Fischergeschichten. Die zuverlässigsten Beobachtungen über dieses merkwürdige Faktum sind von Leach, und mitgetheilt von Bell in seiner »Naturgeschichte der britischen stieläugigen Krebse.« Er sagt, daß nicht die Fühlhörner, wie man wohl auch behauptet, sondern nur die Beine, einschließlich der Scheren, leicht und freiwillig abgestoßen würden, und daß einzelne, wie Porcellana platycheles, ihre Beine in den Händen ihrer Verfolger zurückließen, wie Joseph seinen Rock, um zu entfliehen. Bei Verletzungen können einige oder alle Beine abgeworfen werden, aber bei den einen Arten leichter als bei den anderen. Bei dem »freiwilligen« Abwerfen des Stummels nach Verwundungen findet zugleich die die Verblutung verhindernde Unterbindung und Verstopfung statt. Die Heilung nach solchen natürlichen Amputationen besteht in dem Hervorsprossen eines anderen Beines, während oft Verblutung eintritt, wenn nach einer leichteren Beschädigung keine Amputation erfolgt ist.
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