1. Sippe: Molukkenkrebse (Limulus)

[52] Die Trilobiten, welche Anknüpfungspunkte für die heutigen Kiemenfüßer bieten, veranlassen uns auch, hier eine Gattung krebsartiger Thiere vorzuführen, welche bis jetzt als eigene Ordnung, als die sogenannten Molukkenkrebse (Poecilopoda), dem Systeme der Krebse einverleibt war.

Machen wir uns zuerst mit ihrem Aeußeren bekannt.

In den größeren Aquarien sieht man jetzt häufig diese 30 bis 60 Centimeter langen, flachen Thiere von Gestalt eines mit langem Stiele versehenen Kasserols, sie heißen Limulus.

Betrachten wir ein Exemplar von oben. Der Körper ist bedeckt von zwei Schildern. Das erste größere ist halbmondförmig. Seine Ecken endigen mit einem Stachel. Die Seitentheile breiten sich von zwei bestachelten Längskanten aus, an welchen auch die beiden fast nierenförmigen facettirten Augen liegen.


Molukkenkrebs (Limulus). 1/3 natürl. Größe.
Molukkenkrebs (Limulus). 1/3 natürl. Größe.

Zwei einfache Augen befinden sich mehr einander genähert weiter nach dem Vorderrande zu. Mit diesem das Kopfbruststück bedeckenden Panzertheile ist durch ein fast geradliniges Gelenk das hintere fast sechsseitige Schild verbunden, geziert durch Zähne und starke seitliche Stacheln. Diesem wieder ist ebenfalls gelenkig der lange, scharfe Schwanzstachel eingefügt. Da die Thiere oft langsam an den Wänden der großen Glasgefäße, in welchen sie in unseren Aquarien gehalten werden, hinaufzuschwimmen pflegen, hat man alsdann hinreichende Muße, die höchst sonderbar gestellten Glieder der Bauchseite und ihren Gebrauch zu beobachten. Obgleich wir schon gewohnt sind, die Mundöffnung der Krebse nicht am Vorderende zu finden, so ist sie zu unserem Erstaunen hier noch weiter als gewöhnlich davon entfernt, umgeben von sechs Paar mit Scheren endigenden Gliedmaßen. Das vorderste Paar, das kleinste, steht ganz vor dem Munde und dürfte den Fühlhörnern entsprechen. Die darauf folgenden drei Paare, durchaus den Scherenbeinen der Zehnfüßer gleichend, zeichnen sich durch ein abgerundetes, mit vielen kleinen Dornen besetztes Hüftglied aus, mit welchen das sonderbare Wesen kaut. Abweichend ist dieses Grundglied der beiden folgenden Gliedmaßen gebaut, während die übrigen jenen vorderen gleichen.

Ebenfalls noch auf der Unterseite des großen halbmondförmigen Schildes ist der große Deckel befestigt, welcher sich über die fünf Paar platten, als Ruder und Kiemen ihre Dienste leistenden Gliedmaßen des Hinterleibes legt. Der Schwanzstachel, an dessen Grund sich die Oeffnung des Darmkanales findet, ist bei den das Ei verlassenden Jungen noch nicht vorhanden, ebenso nicht die hinteren Schwimmfüße. Die Jungen haben jedoch im übrigen schon das ganze Gepräge ihrer Eltern. Aus diesem äußeren Befunde, besonders in Berücksichtigung der ganz krebsartigen Schilder und der Vertheilung und Anzahl der Gliedmaßen, sahen sich die Zoologen veranlaßt, die Limulus bei [52] den Krebsen »unterzubringen«, obwohl eine nähere Verwandtschaft zu einer der so zahlreichen Krebsabtheilungen sich nicht ergab. Allein gewisse Eigenheiten der vordersten Gliedmaßen, vor allem aber des Herzens und der Blutgefäße sowie des Nervensystems, die erst vor kurzem gründlich untersucht wurden, haben eine unverkennbare Hinneigung dieser sonderbaren Thiere zu den skorpionartigen Spinnen ergeben. Hieraus und aus der Vergleichung mit sehr alten Gliederthierformen aus den Zeiten der Trilobiten und, wie es scheint, verwandt mit denselben, ist man zu dem Schlusse gekommen, die Limulus seien der Rest eines einer Klasse gleichwerthigen Stammes, der schon vor der Entwickelung der eigentlichen Krebse und der eigentlichen Spinnen sich aus den ältesten, die Urerde bevölkernden Gliederthieren abgelöst habe.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 52-53.
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