Einunddreißigste Familie: Honigsauger (Nectariniidae)

[568] In der Alten Welt werden die Zuckervögel durch die Honigsauger (Nectariniidae) vertreten. Sie sind kleine, zierlich gebaute Vögel, welche theilweise in den prachtvollsten Farben prangen und dadurch auch an die Kolibris erinnern. Doch unterscheiden sie sich von diesen sofort durch ihre kurzen Flügel und die langläufigen Füße, demgemäß aber auch durch die Lebensweise, und deshalb ist es gewiß nicht richtig, sie, wie es oft geschehen ist, als die altweltlichen Vertreter der Kolibris anzusehen. Die Kennzeichen der Honigsauger sind gedrungener Leib, gestreckter, sanftgebogener, dünner und spitziger Schnabel, ziemlich hochläufige und schlankzehige Füße, mittellange Flügel, deren Handtheil aus zehn Schwingen besteht, und entweder gerade abgestutzter oder zugerundeter oder keilförmig zugespitzter Schwanz, dessen beide Mittelfedern außerdem noch sehr verlängert sein können. Die Zunge ist lang, röhrenförmig, tief gespalten und ausstreckbar. Das Gefieder ist nicht bloß nach den Geschlechtern, sondern auch nach der Jahreszeit verschieden gefärbt.

Die Familie, welche ungefähr einhundertundzwanzig Arten zählt, verbreitet sich über Afrika, Asien und Oceanien; der erstgenannte Erdtheil ist besonders reich an Arten. Wo die Honigsauger vorkommen, sind sie häufig und deshalb eine außerordentliche Zierde der Wälder, Gebüsche und Gärten. Ihr Wesen und Treiben ist höchst anziehend; denn sie gehören zu den begabtesten und liebenswürdigsten Mitgliedern ihrer Ordnung. Man findet sie regelmäßig paarweise und nur kurz nach der Brutzeit in kleinen Gesellschaften, welche sich bald in einzelne Paare auflösen. Von diesen erwählt sich dann jedes einzelne ein Gebiet von ziemlichem Umfange und bewacht es vorsichtig gegen andere derselben Art, während es artlich verschiedene Verwandte duldet. Innerhalb dieses Gebietes machen sich die Honigsauger sehr bemerklich. Sie erscheinen mit einer gewissen Regelmäßigkeit an bestimmten Plätzen, da, wo gerade ein Baum in Blüte steht, gewiß, kommen oft in Gärten herein und treiben sich dann ohne Scheu vor den Menschen in unmittelbarer Nähe der Wohnungen umher. Wenn in Nordostafrika der Feigenkaktus in Blüte steht, wird er zum Vereinigungsorte aller Arten, welche die Gegend beherbergt. Dasselbe gilt für die Wälder, wenn hier eine blühende Mimose vereinzelt unter anderen Bäumen steht; dies gilt für alle Bäume, deren Blüten Kerbthiere herbeilocken. In der Zeit der Liebe brüsten sich die Männchen mit ihrer Schönheit, nehmen sonderbare Stellungen an, bewegen sich in eigenthümlicher Weise und singen dabei auch recht niedlich. Das Nest ist ein kunstreicher Bau, welcher in den meisten Fällen an dünnen Zweigen aufgehängt wird. Das Gelege zählt wenige Eier von reinweißer Färbung.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 568.
Lizenz:
Kategorien: