4. Amtsbewerbungen.

[165] Ich ließ nichts unversucht, um zu einer festen Anstellung zu gelangen, und ich war so glücklich, Gönner zu haben, die nach Kräften für mich wirkten: aber ein Gelingen dieser Bemühungen blieb im Reiche der Wünsche.

Ich hoffte noch auf Wittenberg. Oberhofprediger Reinhard und Leibarzt Kreyßig bewiesen mir jetzt, wie immer, das aufrichtigste Wohlwollen, verwendeten sich auf das Lebhafteste für mich und suchten, wenn ihre Bemühungen fehlschlugen, mich zu trösten und meinen Muth aufrecht zu halten. Aber der Minister v. Burgsdorf, ein wohlgesinnter, braver, aber hyperorthodoxer und grämlicher Mann, hatte Zweifel an meiner Rechtgläubigkeit, und so kam es denn, daß Dr. Kletten in Greifswalde auf Befehl des Ministeriums von der Universität Wittenberg zu der vacanten Professur daselbst denominirt wurde, die er natürlich auch erhielt.

Man ging damit um, neben den Zuchthäusern in Torgau oder Waldheim eine Irrenheilanstalt anzulegen, und auf Veranlassung meines Onkels, der mich bei sich zu haben wünschte, bewarb ich mich, da der bisherige Arzt am Torgauer Zuchthause, Dr. Michaelis, pensionirt werden sollte, um dessen Stelle, die jedoch dem Dr. Autenrieth, der sie interimistisch verwaltet hatte, ertheilt wurde. Indeß entschloß sich das Ministerium auch, die Irrenanstalt nicht in Torgau, sondern in Waldheim zu errichten, und nach dem Berichte eines Vertrauten schwankte Burgsdorf wegen Besetzung dieser Stelle zwischen mir und – Haynern, der schon 1801 seine Apotheke verkauft und sich wieder nach Mittweide gewendet hatte. Ich hatte dem Minister auf Kreyßigs Anrathen meine Beiträge[165] zur Kenntniß des Gehirns dedicirt und mir dadurch sehr geschadet, indem er mich darin als einen Anhänger der ihm verhaßten Naturphilosophie zu erkennen glaubte. Kreyßig gab sich alle Mühe, ihm vom Gegentheile zu überzeugen und ihm zu beweisen, daß ich meinen Beruf zum Irrenarzte documentirt hätte. Indeß blieb der Minister bei seiner Meinung und gab die Stelle Haynern, woran er auch, freilich aus unrechten Gründen, ganz recht that.

Ich wurde nun zum außerordentlichen Professor ernannt und ich beschloß, zum Antritte dieses Amtes einen Beweis zu liefern, daß ich auszufüllende Lücken der Wissenschaft aufzufinden verstünde, mich gern einer empirischen Forschung dahingäbe und dabei auch Opfer zu bringen bereit wäre. Die Betrachtung, daß die Aetzmittel, vermöge der Verschiedenheit ihrer Mischung, auch in ganz verschiedener Weise auf die Substanz des menschlichen Körpers wirken müßten, folglich auch nicht in jedem Krankheitszustande ohne Unterschied angewendet werden dürften, bestimmte mich, eigene Untersuchungen darüber anzustellen. Ich zeichnete auf der Streckseite meines linken Unterarmes verschiedene Felder ab, auf deren jedes ich ein eigenes Aetzmittel anbrachte: Aetzkali, Schwefelsäure, salpetersaures Silber, salzsaures Spießglas, beobachtete genau die Erscheinungen und untersuchte die sich bildenden Schorfe; zum Vergleiche applicirte ich dieselben Aetzmittel auf dem Arme eines Leichnams von einem gesunden Manne, der sich das Leben genommen hatte. In meinem Eifer der Beobachtung ertrug ich die Schmerzen der völligen Zerstörung jener Hautstellen mit Freuden; nur die eine, dem Handgelenke zu nahe, über Flechsen liegende Stelle wurde brandig, so daß ich bei hinzutretenden Fieberbewegungen mit fernerem Aetzen einhalten mußte. In meinem Antrittsprogramme1 habe ich über diese Versuche berichtet. – Unter den Narben, die ich zu Ehren der mir ertheilten außerordentlichen Professur[166] mit ins Grab nehme, zeichnet sich die zwei Zoll breite und drei Viertel Zoll lange, brandig gewesene Stelle dadurch aus, daß sie nur am Umkreise so kreideweiß wie die übrigen Narben, in der Mitte hingegen blaulich roth ist.

Im August 1807 trat durch den Tod des Professors Vogt eine neue Vacanz in Wittenberg ein und ich wieder als Candidat dazu auf. Vom 7. December desselben Jahres erhielt ich folgendes Schreiben.


»Unsre freundlichen Dienste zuvor.«

»Hochgelahrter,«

»Günstiger Herr und guter Freund.«


»Se. Königliche Majestät von Sachsen etc. Unser allergnädigster Herr, haben Uns in dem wegen Wiederbesetzung der durch Herrn Dr. Vogts Ableben erledigten ordentlichen Professur der Anatomie und Physiologie auf hiesiger Universität untern 20sten v.M. an Uns erlassenen höchsten Rescripte unter andern huldreichst anbefohlen, daß wir dem Herrn Doctor Allerhöchst Dero gnädigste Zufriedenheit mit seinen zeitherigen Bemühungen, und daß Allerhöchstdieselben vorkommenden Falls auf Seine weitere Beförderung und Unterstützung besonders Rücksicht nehmen zu lassen geneigt wären, zu erkennen geben sollten. Wir eröffnen dahero hierdurch dem Herrn Doctor diese Uns bekannt gemachte allergnädigste Willensmeinung und sind denselben übrigens jederzeit freundlich und angenehm zu willfahren bereit. Datum Wittenberg den 7. December 1807.«


»Pro-Rector, Magistri und Doctores der Universität allda.«


Zu Ende 1807 wurde eine Collegiatur bei der Leipziger Universität erledigt, welche 300 Thaler eintrug und nach der alten Eintheilung der Docenten Einem der Meißner Nation gebührte, zu welcher ich als geborner Leipziger gehörte. Indem ich mich nun darum bewarb, traf ich unterwegs mit dem Hofrathe Wenck zusammen, der in seiner plumpen Aufrichtigkeit sich[167] folgendermaßen ausließ: »Nun, lieber Herr Doctor, das ist recht, daß Sie auch um die Collegiatur anhalten; Sie sind ein braver Mann und verdienten sie; – aber Sie bekommen sie nicht, Magister Schäfer bekommt sie.« Mich verdroß dies nicht wenig und ich beschloß, den Wahlherren die Ausführung ihres Vorsatzes wenigstens gehörig zu erschweren. Ich ging also in meinem Anhaltungsschreiben davon aus, daß das löbliche Collegium bei der bevorstehenden Wahl unstreitig Bedacht nehmen würde, das erledigte akademische Beneficium nur einem Manne zuzuwenden, der durch seinen Eifer als akademischer Docent und durch seine Bemühung zu Förderung der Wissenschaft beizutragen sich der Universität nützlich bewiesen habe und daß ich in dieser Hinsicht auf die Gewährung meines Gesuches hoffen dürfte, indem eine noch so große, aber nicht zum Ruhme der Universität angewendete und nicht in eigenen Schriften bewiesene Gelehrsamkeit hier wohl nicht in Betracht kommen könnte, – Schäfer nämlich, als mein einziger Rival, war weder als Schriftsteller bekannt, noch auch las er Collegia. Ich richtete durch mein Schreiben so viel aus, daß beim Votiren die Stimmen getheilt waren und Professor Ludwig durch seine Stimme den Ausschlag zu geben hatte; er war mein Gönner, aber um Niemanden zu verletzen, begab er sich seiner Stimme und ließ über uns loosen. Das Loos entschied für Schäfer. So nahe dem Ziele, war ich also doch wieder auf die alte Lage zurückgewiesen.

Nach Burgsdorfs Tode wurde von Nostitz und Jänckendorf Minister: ein Mann, welcher der neueren Zeit angehörte, vielseitig gebildet, höchst human, ein geschätzter Dichter. Auch ich gewann an ihm einen Gönner; in seinen Briefen an mich bewies er die edelste Theilnahme, indem er rieth, tröstete, ermunterte und von dem Wohlwollen der Regierung versicherte. Durch seine Vermittelung erhielt ich im Januar 1808 eine Gratification von 100 Thalern und im Juni einen Jahresgehalt (oder, wie es bei außerordentlichen Professoren hieß: eine Pension) von 150 Thalern. Der Minister war so freundlich, mir dies in einem Privatschreiben selbst zu melden,[168] in welchem er sagte: »Zum ausgezeichneten Vergnügen gereicht es mir, durch diese Benachrichtigung meine vorhin Ihnen geäußerten Hoffnungen einigermaßen bestätigen zu können. Nie beunruhigt mich die Unzulänglichkeit unserer durch die Zeitverhältnisse beschränkten Fonds lebhafter, als dann, wenn es auf Belohnung und Aufmunterung verdienter akademischer Lehrer ankommt. Fahren Sie, werthester Herr Professor! in Ihrer uns erprobten nützlichen Thätigkeit fort; die Wissenschaften und ihre nie dankbar genug zu würdigenden Heiligthümer und Asyle, – die deutschen Universitäten – bedürfen jetzt mehr als je der Theilnahme und Mitwirkung Aller, die sich ihrem Dienste mit Vorliebe weihen.«

Während dieses ganzen Zeitraums hatte es mir nicht an Aussichten, auf andere Universitäten zu kommen, gefehlt und meine Freunde waren in dieser Beziehung thätig für mich gewesen.

Der Jurist Hübner, Sohn eines wohlhabenden Fabrikanten in Chemnitz, hatte als außerordentlicher Professor in Leipzig ein mühevolles Leben, indem er den größten Theil des Tages über privatissima (besonders als Vorbereitungen zum Examen) gab, die allerdings gut honorirt wurden. Seine Gesundheit litt bei dieser Lebensweise, und durch die Hülfe, die ich ihm als Arzt leistete, war das schon seit mehreren Jahren bestandene freundschaftliche Verhältniß unter uns immer enger geworden. Er folgte im Jahre 1804 einem Rufe nach Jena, und da er von einer Gelbsucht eben erst wieder hergestellt war, so geleitete ich ihn dahin und war also mit ihm in dem solennen Zuge des Comitats, welches ihm die Studirenden bis Markranstädt gaben: wie wünschte ich mir ein ähnliches Glück! – Sobald er in Jena festen Fuß gefaßt hatte, sann er darauf, mich ebenfalls dahin zu ziehen. Eichstädt äußerte sich gegen ihn günstig über mich, was freilich nicht hoch angeschlagen wurde, da derselbe für einen Intrigant galt. Als im Sommer 1805 Ackermann von Jena plötzlich nach Heidelberg ging, bewarb ich mich um seine Stelle und hatte einige Hoffnung, als ich hörte, daß man Fuchs in Würzburg vorgeschlagen[169] hatte, der bloß Anatom, nicht Physiolog war. Allein ich erfuhr durch Eichstädt, daß Ackermann bloß für Anatomie und Chirurgie angestellt gewesen war, welche beide Fächer an Fuchs und Stark den Jüngern vertheilt werden sollten, und der Geheime Rath von Voigt ließ mir melden, daß ich vor der Hand nur auf eine unbesoldete Extra-Professur in Jena rechnen dürfe.

Scherff empfahl mich dem Präsidenten von Vincke zu einer Professur an der neu zu errichtenden Universität zu Münster; doch die Universität kam nicht zu Stande. 1807 ließ er sich von Hufelanden, mit dem er in Pyrmont zusammen kam, auf Ehre und Freundschaft versprechen, sich bei der ersten Vacanz einer Professur der Physiologie oder Pathologie auf einer preußischen Universität aus allen Kräften für mich zu verwenden. Vielleicht bezog sich darauf, was mir 1814 Berends (damals in Breslau), mit welchem ich wegen eines andern Geschäftes in Briefwechsel gekommen war, meldete: »vor mehreren Jahren gab ich mir alle Mühe, Ihnen eine Lehrstelle auf der Universität Frankfurt zu verschaffen, correspondirte deßhalb mit dem verehrungswürdigen Platner, der sich für Sie auch sehr interessirte. Das damalige Ober-Curatorium der Universität, auf dessen Veranlassung ich handelte, würde Ihnen auch gewiß schon damals die Vocation gesendet haben, wenn es nicht am Ende demselben an Fonds gefehlt hätte. Um desto größer ist nun meine Freude, daß Sie doch dem preußischen Staate geschenkt worden sind.«

Der Geheime Justizrath Schmalz, mit welchem ich durch die Freimaurerei bekannt geworden war, versicherte mich zu Anfange des Jahres 1808, daß er es sich angelegen sein lasse, meine Anstellung bei der Universität zu Berlin zu bewirken. Vielleicht war dies keine Lüge, denn Hecker, der dahin berufen wurde, glaubte, als ich ihn 1811 in Berlin besuchte, ich sei für dasselbe Lehrfach neben ihm bestimmt.

Hofrath Vogel machte auf seiner Durchreise durch Leipzig meine persönliche Bekanntschaft und versprach mir, Alles thun zu wollen, um mich zu seinem Collegen an der Universität[170] Rostock zu gewinnen. Im Mai 1806 meldete er mir, daß die Besetzung der daselbst vacant gewesenen Professur während seiner Abwesenheit und auf einem nicht gewöhnlichen Wege erfolgt sei und wiederholte seine Zusicherungen, wobei er meine Propädeutik rühmt mit dem Zusatze: »meine eigene Encyklopädie hat keinen Werth dagegen, obgleich sie gut aufgenommen worden ist. Haben Sie nur noch ein wenig Geduld: es kann und wird Ihnen sicher nicht fehlen«. 1807 empfahl er mich auf das Dringendste zum Nachfolger des verstorbenen Professors Weber; da aber der Krieg dazwischen kam, ließ man diese Professur vor der Hand unbesetzt.

Der Kanzler Niemeyer, mit dem ich beim Leipziger Jubiläum persönlich bekannt geworden war, versprach mir 1810 in einem Briefe, den westphälischen Minister, Staatsrath von Leist, auf mich aufmerksam machen zu wollen.

Dr. Rehmann, der kurze Zeit nach mir in Wien Franks Klinik besucht, 1802 einige vergnügte Tage bei mir in Leipzig verlebt und eine Freundschaft mit mir geschlossen hatte, die immer gleich warm geblieben ist, war 1803 als Leibarzt des Grafen Alexis Rasumowski nach Rußland gegangen und 1805 mit der nach China bestimmten Gesandtschaft unter Golofkin durch Sibirien und in das Innere der Mongolei gereiset. 1807 knüpfte er von Moskau aus den früheren freundschaftlichen Verkehr mit mir wieder an und erbot sich zu Dienstleistungen in Rußland. Im Anfange des Jahres 1811, wo er in Petersburg lebte und Rasumowski Minister geworden war, versprach er mir, bei dem Grafen Severin Potocki meine Berufung nach Charkow zu bewirken. Hofrath Dreyßig meldete mir von da aus im Juni, daß der akademische Senat mich zum Professor der Arzneimittellehre und medicinischen Literatur gewählt, aber Rasumowski die Wahl nicht bestätigt hatte, da nach seinem Willen nur Russen oder doch in Rußland geborne Deutsche zur Besetzung medicinischer Lehrstühle gewählt werden sollten.

Endlich erfolgte auch ein Antrag, der mich aus der akademischen Laufbahn entfernen sollte. Professor Suckow war[171] im Jahre 1808 durch eine bedeutende Erbschaft bestimmt worden, seine bisherige Stellung als Leibarzt in dem Gräflich Hochbergschen Hause in Schlesien aufzugeben und trug mir, vielleicht auf Veranlassung meines Freundes Hübner, diese Stelle an mit 500 Thaler festem Gehalte, einem Getreidedeputat, freier Wohnung, 60 Scheffeln Steinkohlen, 6 Klaftern Holz, freier Equipage in herrschaftlichen Angelegenheiten und Freiheit, in der umliegenden Gegend zu prakticiren. – Als hochgräflicher Leibarzt zu dienen, war ich nun von Anfang an nicht gesonnen, denn wiewohl ich hier vor Nahrungssorgen gesichert gewesen wäre, so glaubte ich doch nicht, daß ich an dem kleinen Hofe mich glücklich fühlen könnte und mußte dabei fürchten, für das wissenschaftliche Leben ganz verloren zu sein. Ich war also nur bedacht, mir Vortheile in Leipzig durch diesen Antrag zu verschaffen und meldete denselben dem Minister von Nostitz mit der Bitte, meinen Gehalt auf 300 Thaler zu erhöhen, damit ich in Leipzig bleiben könne. Ich fühlte sehr wohl, wie unverschämt es war, gerade jetzt, unmittelbar nachdem ich so überzeugende Beweise erhalten hatte, daß der Minister das Mögliche für mich thue, ihn mit einer solchen Forderung zu belästigen. Allein ich konnte mir nicht anders helfen und wurde auch von dem humanen Manne nicht mißverstanden. Er antwortete mir unterm 30. Juni 1808 sehr ausführlich, machte mich aufmerksam auf die Nachtheile des Vertauschens eines akademischen Lehramtes mit der Anstellung bei einem Privatmanne und auf die Schwierigkeiten eines Rücktrittes aus solcher Zurückgezogenheit in öffentliche Dienste; er deutete darauf hin, daß die Annahme der angebotenen Stelle unter den gegenwärtigen Umständen nicht ohne Bedenklichkeit sei, bemerkte nämlich, daß Graf Hochberg neuerlich sich die Königliche Erlaubniß zum Verkaufe von Gütern erbeten habe. Er forderte mich auf, mir eine Bedenkzeit bis Michaelis auszubedingen und erklärte, daß es vor der Hand nicht möglich sei, mir einen Gehalt von 300 Thalern zu verschaffen, daß aber jede mögliche Maßregel ergriffen werden solle, um mein Verbleiben auf der Universität Leipzig sicher zu stellen. Er schloß mit den Worten:[172]

»Mir wäre der Fall Ihrer Entfernung von da überaus empfindlich, und ich müßte ihn, wenn er wider Verhoffen einträte, unter die unabwendbaren Unfälle zählen, die oft eben in dem Zeitpuncte, wo man sie am wenigsten besorgt, die mit Vorliebe entworfenen Pläne zerrütten.«

Es war allerdings ein ausgezeichnetes Glück, daß mir eine so warme Theilnahme des Ministers, so wie die Gunst der ganzen Reihe von vorher genannten Männern geschenkt wurde; ich hatte sie nicht durch Kriecherei und Schmeichelei erworben, wie sie denn auf diesem Wege sich gar nicht hätte erlangen lassen, sondern sie war eine Gabe des Geschicks, welche die Redlichkeit meiner Bestrebungen belohnte.

Um meine Angelegenheit persönlich betreiben zu können, und kostenfrei nach Dresden zu kommen, beredete ich eine Familie, deren Arzt ich war, eine Reise dahin in ihrer Equipage mit mir und meiner Frau zu machen. Ich konnte daselbst nichts ausrichten, zumal da meine Gönner, Nostitz und Reinhard verreist waren. Der eine Minister aber, dem ich mich vorstellen mußte, um ihm mit der Möglichkeit meines Weggehens bange zu machen, erschrak so wenig darüber, daß er mir ganz treuherzig rieth, ich möchte mir die schöne Gelegenheit einer Anstellung doch ja nicht entgehen lassen, sondern in Gottes Namen nach Schlesien ziehen. Meine Reise wurde auf diese Weise zu einer bloßen Lustpartie. Zu Ende des Jahres 1809 ertheilte das Ministerium mir wieder eine Gratification von 100 Thalern. – 1810 wurde durch Erdmann's Abgang nach Kasan die Substitutenstelle des Hofraths Leonhardi bei der Wittenberger Universität erledigt; als ich aber erfuhr, daß die Einkünfte derselben ungefähr 250 Thaler betrügen, gab ich den Gedanken, nach Wittenberg zu gehen, auf. 1811 erhielt ich wieder eine Gratification von 100 Thalern.

Im Vorbeigehen bemerke ich, wie auch in den Titulaturen, die mir in den officiellen Schreiben beigelegt wurden, die Umwandlung zu erkennen war, welche durch Napoleon, diesen Sohn der Revolution, in die Verwaltung von Sachsen gekommen war, wobei die altväterische Schwerfälligkeit sich nicht[173] mehr halten konnte. Im Jahre 1807 lautete die Anrede der Universität Wittenberg: Edler und Hochgelahrter! die des im Auftrage des Ministeriums 1808 an mich schreibenden Freiherrn von Ferber: Hochedelgeborner, Hochgeehrter Herr Doctor und Professor! und die des eben falls officiell schreibenden Freiherrn von Manteuffel 1809: Wohlgeborner Herr, hochgeehrtester Herr Professor!

Fußnoten

1 Quaestionum de natura causticorum specimen. Scripsit et ad audiendam orationem, qua munus professoris medicinae extraordinarii d. 17. Julii a. 1807 auspicabitur humanissime invitat C.F. Burdach, 29. p. 4.


Quelle:
Burdach, Karl Friedrich: Rückblick auf mein Leben. Selbstbiographie. Leipzig 1848, S. 174.
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