[301] Daß es mir vergönnt war, in Leipzig die zwei Männer kennen zu lernen, die mehr als irgendwelche andere, die ich zu nennen wüßte, durch ihre Arbeiten auf meine eigenen psychologischen Studien von Einfluß gewesen sind, Ernst Heinrich Weber und Gustav Theodor Fechner, habe ich stets als eine besondere Gunst des Schicksals betrachtet. Mit Fechner durfte ich noch mehrere Jahre lang verkehren. Der unvergeßlichen Stunden dieses Verkehrs habe ich in meiner im Auftrag der sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften am 11. Mai 1901 gehaltenen Rede zur hundertjährigen Wiederkehr seines Geburtstages dankbar gedacht (Reden und Aufsätze, S. 254ff.). Ernst Heinrich Weber hat der um wenige Jahre jüngere Fechner den »Vater der Psychophysik« genannt. Ich bin zweifelhaft, ob dieser Name zutreffend ist. Der Schöpfer der Psychophysik ist jedenfalls Fechner selbst. Weber aber würde ich eher den Vater der experimentellen Psychologie nennen. Das ist vom Standpunkt unserer heutigen Psychologie aus gesehen erheblich mehr, es ist aber jedenfalls ganz etwas anderes. Den Gedanken der Messung psychischer Größen und der Aufstellung exakter Beziehungen zwischen ihnen als der erste erfaßt und ausgeführt zu haben, das ist Webers großes Verdienst. Ja nicht bloß das, sondern er ist es auch gewesen, der als der erste das in unserer Zeit so viel erörterte Prinzip der Relativität in seiner allgemeinsten Geltung im Gebiet der Sinnesempfindungen erkannt hat – eine Erkenntnis, die, so einfach sie auf den ersten Blick erscheinen mag, doch im Grunde[301] die notwendige Anwendung dieses Prinzips auf die gesamte physische Welt in sich schließt, da uns alle äußere Erfahrung in unseren Sinnesempfindungen gegeben ist. Das von Weber gefundene Gesetz der Empfindungen sagt aber aus, daß wir die Empfindungen immer nur in ihrem Verhältnis zu einander, niemals nach ihrem absoluten Werte auffassen, daß für uns also z.B. zwei Druckempfindungen, die durch die zwei Gewichte von 10 und von 5 Grammen verursacht werden, in ihrem Verhältnis zu einander zwei anderen entsprechen, die durch 100 und durch 50 Gramm entstehen. Daß dieses Prinzip der Relativität gerade in seinen psychologischen Gestaltungen so überaus einfach ist, tut hier nichts zur Sache. Nicht darauf kommt es an, noch weniger darauf, daß im Gegensatze hierzu die Bedingungen der physikalischen Beobachtung seine Nachweisung erschwert oder sogar längere Zeit ganz verhindert haben. Vielmehr liegt sein Wert darin, daß dieses in der Psychologie noch heute als das »Webersche Gesetz« bezeichnete Prinzip wahr ist. Zu der Erkenntnis, daß es dies ist, wesentlich mit beigetragen zu haben, ist allerdings auch ein Verdienst Fechners, und eben hierin haben Weber wie Fechner der unzulänglichen Form, in der das Prinzip zunächst in der Physik aufgestellt worden ist, von Anfang an vorgebeugt. Denn solange man in dieser unter der Einführung des Relativitätsprinzips bloß die Substitution des Lichtes an Stelle der Gravitation betrachtete, war offenbar das sogenannte Relativitätsprinzip nichts anderes als die Einführung eines neuen absoluten Maßstabes für den Verlauf der Naturvorgänge. Das »Webersche Gesetz« schließt dagegen nach seiner erkenntnistheoretischen Bedeutung von vornherein alle Erscheinungen, die physischen so gut wie die psychischen, in sich, die ja beide zu einander in unabänderlichen Beziehungen stehen.[302]
Für Fechner lag jedoch in dem Prinzip der Relativität nicht die wesentliche Bedeutung der von ihm geschaffenen Psychophysik, sondern für ihn hat das »psychophysische Grundgesetz«, wie er die in dem Weberschen Gesetz nach seiner Ansicht ausgedrückte Beziehung zwischen einem physischen Reize und einem diesem entsprechenden psychischen Werte nennt, eine ungleich weiter reichende metaphysische Bedeutung. Es ist das allgemeinste Weltprinzip, das in ihm zutage tritt; denn es beherrscht die gesamten Beziehungen zwischen der materiellen und der geistigen Welt. Seine Auffassung beruht also auf einem Dualismus zwischen Körper und Seele, von dem das Relativitätsprinzip, das an sich einen rein erkenntnistheoretischen Inhalt hat, nichts weiß, dessen Wesen vielmehr gerade darin besteht, daß es alle Erfahrung beherrscht, von den Dingen aber, die jenseits der Erfahrung liegen, ganz abstrahiert. Umgekehrt betrachtet Fechner sein »psychophysisches Grundgesetz« durchaus nur unter dem Gesichtspunkt, daß es im letzten Grunde uns Aufschluß über die »Dinge des Diesseits und des Jenseits« gibt, deren Beziehung zu einander der unmittelbaren Erfahrung unzugänglich ist, in die es uns einen Einblick eröffnet. So ist denn auch die Psychophysik nach Fechners Auffassung gar nicht eine Grundlage oder etwa ein Teil der Psychologie, sondern sie gehört zur Metaphysik, wie das deutlich das Hauptwerk Fechners, der »Zentavesta« zeigt, der ausdrücklich die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit von psychophysischen Grundgesetzen höherer Ordnung statuiert, die mit dem Relativitätsprinzip ebensowenig wie mit dem Weberschen Gesetz etwas zu tun haben. Es ist hier nicht der Ort, die bedeutsame Stellung zu erörtern, die Fechner durch seine im religiösen Gefühl wurzelnde Weltanschauung in der Philosophie dieser Zeit einnimmt. Aber es begreift sich aus dieser Stellung, daß der Begründer der Psychophysik, der[303] dieser als solcher einen ganz andern Inhalt gegeben, als er selbst beabsichtigte, demnach in Wahrheit der Begründer einer exakten psychologischen Methodik geworden ist – ein scheinbarer Widerspruch, mit dem zugleich die merkwürdige Tatsache zusammenhängt, daß er persönlich für die Psychologie nur wenig Interesse hatte. Die Macht der religiösen Weltanschauung, die er sich gebildet, war in ihm so gewaltig, daß für ihn eigentlich nur die Fragen Wert besaßen, die unter diesem Aspekt betrachtet werden konnten. Das waren aber die Fragen der Psychophysik in seinem Sinne, in der wiederum die Frage der Bestätigung des psychophysischen Grundgesetzes die zentrale Stellung einnahm. Andere psychologische Probleme, wie z.B. die des zeitlichen Verlaufs der psychischen Vorgänge, des Zeitbewußtseins, der Kontrastphänomene usw., die mich damals gerade beschäftigten, interessierten ihn nicht im geringsten. Auf Arbeiten dieser Art, die man ihm zusandte, reagierte er daher in der Regel nicht, während er andere, die irgendwie das Webersche Gesetz berührten, stets mit ausführlichen, meist kritische Bemerkungen enthaltenden Briefen beantwortete. Denkwürdig für diese Konzentration des Interesses auf das engere Gebiet ist mir besonders sein Erstaunen über den Plan, den ich ihm eines Tages auseinandersetzte, in Leipzig ein psychologisches Institut gründen zu wollen. »Dann werden Sie ja,« meinte er, »in einigen Jahren mit der ganzen Psychologie fertig sein.«
Ich konnte natürlich diese den Standpunkt einer in sich abgeschlossenen Metaphysik widerspiegelnde Meinung nicht teilen. Im Gegenteil, abgesehen von der unbeschränkten, über alle Grenzen fortschreitenden Entwicklungsfähigkeit jeder empirischen Wissenschaft, glaubte ich schon in den bisherigen bescheidenen Ergebnissen der experimentellen Psychologie Aufforderungen genug für die Weiterverfolgung der in ihnen[304] bearbeiteten und aus ihnen neu entsprungenen Probleme zu finden. So begann ich zuerst in dem kleinen Raum, der mir in der Universität zur Unterbringung meines mitgebrachten Instrumentariums durch die Güte der Universitätsverwaltung angewiesen war, mit einer Anzahl treuer Arbeitsgenossen aus der Zahl meiner älteren Zuhörer einige der, wie mir schien, brennenden Fragen zum Thema unserer Untersuchungen zu nehmen. Da war es zunächst die Gründung der großen medizinischen und naturwissenschaftlichen Institute, die in der Universität selbst, in der sie bisher untergebracht waren, neuen Arbeitsgebieten Platz schafften. Ein glücklicher Zufall war es, daß eines dieser Institute an unseren Experimentierraum angrenzte. Ein weiteres Entgegenkommen der Regierung gewährte dann der experimentellen Psychologie den Zugang zu den von der Pharmakologie verlassenen Räumen, woran auch bald die Anerkennung des psychologischen Instituts als eines der Seminare der philosophischen Fakultät und die Anstellung eines Assistenten sich anschloß. Wieder mehrere Jahre später geschah der entscheidende Schritt, der das Institut zu einer selbständigen Stellung überführte, in der es zugleich eine den verschiedenen Richtungen der experimentellen Arbeiten mehr als bisher entsprechende Organisation gewann. Abermals war durch den Neubau eines großen medizinischen Instituts, der gynäkologischen Klinik, nicht nur eine Anzahl von Zimmern, sondern ein ganzes der Universität zu Gebote stehendes Haus vakant geworden. Die Gelegenheit wurde benutzt, um nunmehr dem großen Plan eines Umbaus und zumeist Neubaus der Universität selbst näherzutreten. In der Zwischenzeit aber bot jenes von der Medizin geräumte Gebäude, das alte »Trierianum«, so genannt nach dem Leipziger Bürger, welcher dereinst dieses Haus der Universität gestiftet hatte, für die provisorische Unterkunft von Auditorien und Instituten[305] eine willkommene Aushilfe. Es gelang mir, das oberste Stockwerk dieses Hauses ganz für das psychologische Institut zu gewinnen. Jetzt bildete dieses zum ersten Male ein geschlossenes Ganzes, das durch seine baulichen Verhältnisse die Gelegenheit bot, für besondere Zwecke ihnen entsprechende Einrichtungen zu schaffen. So entstanden ein größeres Lesezimmer, eine Anzahl von experimentellen Arbeitsräumen, die planmäßig durch elektrische Leitungen sämtlich mit einander und einer zugehörigen in einem eigenen Raume untergebrachten elektrischen Zentrale verbunden waren, ein Direktorial-, ein Assistentenzimmer, ein für optische Versuche bestimmtes Dunkelzimmer mit Einrichtungen für die auf dem angrenzenden Balkon anzubringenden heliostatischen Apparate. Es waren im ganzen elf Räume, über die nun das Institut verfügte. In diesem Stadium seiner Entwicklung ist es in dem in offiziellem Auftrag von W. Lexis aus Anlaß der Weltausstellung in Chicago herausgegebenen Buch über die deutschen Universitäten näher von mir beschrieben worden. (Bd. 2, S. 452 ff.)
In diesem Interimsgebäude hat das psychologische Institut fünf Jahre lang, von 1802–97, zugebracht. Es ist eine Zeit inneren Wachstums gewesen, für dieses um so fruchtbarer, je mehr es nach außen in sich abgeschlossen war. Indem es nunmehr, dank dem Entgegenkommen der Regierung, über Mittel verfügte, die, seinem Wachstum entsprechend, die frühere kleine Beihilfe überschritten, wuchs die Zahl und Vollkommenheit der erforderlichen Apparate, wozu als günstiger Umstand hinzukam, daß es in dem Präzisionsmechaniker Emil Zimmermann eine Kraft gewann, die hier den Bedürfnissen dieses neuen Zweiges experimenteller Technik mit besonderem Talent zu Hilfe kam und von da die weiteren Jahre bis zum Ausbruch des Kriegs sich um das Institut große Verdienste erworben hat. Aus seiner[306] Werkstätte sind während einer Reihe von Jahren nicht bloß für das unsere, sondern für zahlreiche auswärtige Institute der experimentellen Psychologie die erforderlichen instrumentellen Hilfsmittel hervorgegangen.
Der Umstand, daß das Institut im Trierianum ein provisorisches war, brachte aber noch einen anderen Vorteil mit sich. Diese provisorische Unterbringung, die doch durch ihre Ausdehnung und Abgeschlossenheit allen wesentlichen Zwecken genügte, machte es möglich, die Einrichtungen, die in dem künftigen definitiven Institut getroffen werden sollten, sorgfältig zu erproben. Unter der Beihilfe des Baumeisters Arwed Roßbach, der den Neubau der Universität herzustellen hatte, war ich jetzt in der Lage über den in diesem Neubau dem Institut zur Verfügung gestellten Raum hinsichtlich der Zimmereinteilung, der elektrischen und Gasleitungen sowie der anderen schon beim Bau vorzusehenden Einrichtungen vollkommen frei zu verfügen, so daß, als das Institut seine neuen Räume im Herbst 1897 bezog, alle Vorbereitungen getroffen waren, um sofort mit den Arbeiten und Übungen beginnen zu können. Es ist das jetzt noch bestehende Laboratorium für experimentelle Psychologie, das seitdem in diesen Räumen tätig ist, und das sich aus vier größeren und zehn kleineren Zimmern zusammensetzt, wobei, abgesehen von einem Direktorial- und zwei Assistentenzimmern, eine nach der Südseite gerichtete Flucht von Räumen speziell optischen Untersuchungen, eine nach der Hofseite gerichtete und durch Doppelfenster gegen äußere Geräusche geschützte den anderen Zwecken dient, während außerdem ein größeres Lesezimmer und eine kleine mechanische Werkstätte als Hilfsräume zur Verfügung stehen. Ein Dunkelzimmer mit schwarzgestrichenen Wänden und Möbeln und ein Stillezimmer, hergestellt durch Doppelwände mit zwischenliegender Schuttschicht, ergänzen diese Einrichtungen.[307]
Im Jahr 1913 hat endlich das Institut noch einen letzten Schritt zu seiner Vervollständigung getan. Es verdankt ihn der Initiative des verstorbenen Historikers Karl Lamprecht. Er hatte, von einer Reise nach Amerika zurückgekehrt, den Plan gefaßt, die Bürgerschaft Leipzigs zu einer Stiftung anzuregen, die, auf deutsche Verhältnisse übertragen, hier das in ihr bestehende und oft schon betätigte Interesse an unserer Hochschule in ähnlicher Weise durch eine großartige Stiftung zum Ausdruck bringen sollte, wie dies in Amerika nicht selten durch die Gründung teils von Universitäten teils von einzelnen Universitätsanstalten geschehen war. Ein näherliegendes Beispiel bot hier überdies die wenige Jahre zuvor entstandene Kaiser-Wilhelm-Stiftung in Dahlem bei Berlin, durch die eine größere Zahl naturwissenschaftlicher Institute von einem die gewöhnlichen Mittel der Universitäten überschreitenden Umfang ins Leben gerufen worden war. Für Leipzig, wo seit alter Zeit die Pflege der Geisteswissenschaften im Vordergrund der Wirksamkeit des Universitätsunterrichts gestanden hatte, lag der Gedanke nahe, in Parallele zu diesem für Preußen verwirklichten Unternehmen ein Forschungsinstitut für Geisteswissenschaften zu begründen, wobei dann noch allerdings als ein auszeichnender Zug hinzukam, daß dieses Institut aus der freien Leistung privater Personen hervorgehen sollte, die der Universität ihr besonderes Interesse zuwandten. Indem die sächsische Regierung dieses Unternehmen in ihren Schutz nahm, hatte sie jedoch weiterhin zu dem bedeutenden Kapital, das auf diese Weise zusammenkam, eine ansehnliche jährliche Beihilfe hinzugefügt, so daß das neu erstandene und wohl in seiner Art einzigartige Forschungsinstitut beträchtlich über den anfangs geplanten Umfang ausgedehnt werden konnte. Während die Leitung der verschiedenen Abteilungen dieses Forschungsinstituts, soweit die betreffenden Fächer durch mehrere akademische[308] Lehrer vertreten sind, der gemeinsamen Direktion dieser übertragen wurde, genoß das psychologische Institut neben einigen anderen den Vorzug, der ständigen Direktion des Leiters des Universitätsinstituts unterstellt zu werden. Dazu wurde demselben ein ansehnliches Kapital von einem der an dieser Stiftung beteiligten Leipziger Bürger, Geheimen Kommerzienrat Rehwoldt, zugewandt, als eine Stiftung zum Andenken an seinen verstorbenen Sohn, der ein mehrjähriger treuer Mitarbeiter des Instituts gewesen war.
Damit waren die Mittel des Instituts auf einem Punkte angelangt, wo an die Verwirklichung eines letzten Planes gedacht werden konnte, welcher in der bisher noch auf lange Zeit für unerfüllbar gehaltenen Begründung einer völkerpsychologischen Abteilung bestand. Auch diesem letzten Unternehmen kam die sächsische Regierung wohlwollend entgegen. Dies geschah durch den Aufbau eines Stockwerkes über dem größeren Teil des bisherigen Instituts, durch welchen diesem eine Anzahl von Bibliotheks-, Lese- und Arbeitszimmern sowie ein für Seminarkurse und kleinere Vorlesungen bestimmter größerer Raum hinzugefügt wurden. Diese im obersten Stock des Paulinum untergebrachte Abteilung war ausschließlich für die Pflege der Völkerpsychologie bestimmt.
Aber das alte Wort, daß alles menschliche Wirken Stückwerk bleibt, hat sich schließlich auch hier bestätigt. Ich konnte von vornherein kaum daran denken, die Übungen und Arbeiten, die in dieser völkerpsychologischen Abteilung unternommen werden sollten, selbst noch zu leiten, ich hoffte aber den Ausbau noch soweit zu Ende führen zu können, daß mein Nachfolger die Stätte bereitfinde, auf die den künftigen Psychologen die heutigen Bedürfnisse unserer Wissenschaft hinweisen. Es ist mir nicht beschieden gewesen, dieses Ziel ganz zu erreichen. Mit der Unterbringung der völkerpsychologischen Räume in diesem obersten Stockwerk verband sich die Absicht,[309] einen davon abliegenden Zweig der experimentellen Psychologie, nämlich die experimentelle Psychophysik, ähnlich in einem besonderen Raum der gegenwärtig sich über die Nebenhäuser der Universität erstreckenden Seminargebäude unter einem geeigneten Direktor unterzubringen, wie dies schon für die experimentelle Pädagogik unter einem besonderen Assistenten mehrere Jahre zuvor geschehen war. Da kam der Weltkrieg, der einer sofortigen Ausführung dieser Absicht in den Weg trat und dazu nötigte, dieser psychophysischen Abteilung eine provisorische Unterkunft in einigen für das völkerpsychologische Institut bestimmten Zimmern zu gewähren. Das ist im Hinblick auf die völlig verschiedenen Zwecke dieser Gebiete und auf die Beschränkung, die dadurch dem Ausbau der Völkerpsychologie gesetzt ist, ein auf die Dauer unhaltbarer Zustand. Erst wenn er überwunden ist, wird das Leipziger psychologische Institut zu dem geworden sein, was mir dereinst vor 40 Jahren als ein fernes, freilich damals kaum erhofftes Zukunftsbild vor Augen schwebte.
Ausgewählte Ausgaben von
Erlebtes und Erkanntes
|
Buchempfehlung
Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.
106 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro