[174] Billroth, Christian Albert Theodor, der geniale Chirurg, als Neffe des Physikus zu Stettin, Wilhelm Frierich B. (der sich wesentliche Verdienste während der Cholerazeit erwarb), auf Rügen 26. April 1829 geboren, besuchte 1848 bis 1852 die Universitäten zu Greifswald, Göttingen (hier besonders von dem alten Baum für die Chirurgie angeregt) und Berlin und wurde auf letzterer 1852 Dr. med. mit der Dissertation »De natura et causa pulmonum affectionis quae nervo utroque vago dissecto exoritur« Nach einer wissenschaftlichen Reise, die sich nach Wien und Paris erstreckte, war er 1853 bis 1860 Assistent in B. v. Langenbeck's Klinik zu Berlin, habilitierte sich bei der dortigen Universität 1856 als Privatdozent, wurde 1860 als Professor[174] ord. und Direktor der chirurgischen Klinik nach Zürich berufen und blieb in dieser Stellung bis 1867, seit welcher Zeit er in gleicher Eigenschaft an der Wiener Universität wirkte. Mehrfache, 1862 und 1864 an ihn ergangene Berufungen nach Rostock und Heidelberg, sowie diejenige als Nachfolger v. Langenbeck's nach Berlin (1882) lehnte er ab. 1870 nahm er freiwillig Anteil an dem deutsch-französischen Kriege und war namentlich in den Lazaretten von Weissenburg und Mannheim thätig. Auf B.'s energisches Betreiben wurden das »Rudolfinerhaus«, eine Lehranstalt für weltliche Krankenpflegerinnen in Wien, sowie das Haus der K. K. Gesellschaft der Ärzte ins Leben gerufen; dagegen gelang es ihm trotz vielfacher dahingehender Bemühungen nicht, den Bau einer neuen chirurgischen Klinik durchzusetzen. Bis zum Frühjahr 1887 völlig gesund und leistungsfähig, von ausserordentlicher körperlicher und geistiger Rührigkeit und bewundernswerter Vielseitigkeit erkrankte er jetzt zum ersten Male an einer schweren Lungen-Entzündung mit so bedeutender Herzschwäche, dass damals schon sein Ableben befürchtet wurde. Doch genas er und konnte noch 1889 seinen 60. Geburtstag, sowie 1892 sein 25jähriges Wiener Professorenjubiläum unter zahlreichen, von allen Seiten dargebrachten Ovationen begehen. Indessen nahm die seit der Erkrankung zurückgebliebene Herzschwäche stetig zu, sodass B. vielfach seine Berufsthätigkeit unterbrechen musste. Am 6. Februar 1894 trat der Tod dieses weltberühmten Chirurgen in Abbazia ein, der von der ganzen Welt als ein schwerer Verlust tief betrauert wurde. Am 9. Februar wurde B. in Wien »unter fürstlichen Ehren« bestattet. Am 16. Februar veranstaltete die K. K. Gesellschaft der Ärzte in Wien eine Trauerfeier zu seinen Ehren, wobei Albert die Gedenkrede hielt; am 7. November 1897[175] wurde im Arkadenhofe der Wiener Universität sein Denkmal enthüllt. B. wird mit Recht als ein Stern erster Grösse, als ein Chirurg von universeller Bedeutung gefeiert. Was ihm seine wissenschaftliche resp. geschichtliche Bedeutung giebt, ist in erster Linie die Betonung von der Notwendigkeit der streng anatomisch-mikroskopischen Richtung und die Pflege der pathologisch-anatomischen Forschung, die er auch als die einzig rationelle Basis für den Fortschritt und das Gedeihen der praktischen Chirurgie ansah. Unter seinen Schriften finden wir namentlich aus seiner Erstlingszeit eine grosse Reihe darauf bezüglicher Veröffentlichungen, unter denen als die bedeutendsten die Untersuchungen über Wundkrankheiten gelten müssen, die ihren dauernden Wert wegen der darin betonten und bethätigten Prinzipien behalten werden, trotzdem sie in ihren Ergebnissen z.T. als überholt gelten müssen. Seinen Hauptruhm verdankt B. dem Ausbau der Eingeweidechirurgie, die er dank den Fortschritten der Anti- und Asepsis um die erste vollständige Kehlkopfexstirpation (1874) und die erstmalige glückliche Pylorusresektion (1881) (bei einer 43 jährigen an Pyloruscarcinom leidenden Kranken) bereichert hat. Über die erstgenannte Operation hat sein damaliger Assistent Gussenbauer in v. Langenbeck's A. XVII. 1874, über die letztgenannte B. selbst in der Wiener klin. Wochenschr. 1891 und Wölfler an verschiedenen Stellen berichtet. Grosse Popularität erlangte er durch seine oft aufgelegten und von unzähligen Schülergenerationen benutzten, ausserordentlich anregenden und geradezu klassisch geschriebenen, weltbekannten, in fast alle neueren Sprachen übersetzten Vorlesungen über allgem. chir. Pathol. und Therapie, die auch heute noch in der erweiterten Gestalt, die ihnen B.'s Schüler v. Winiwarter gegeben hat, ein über alle[176] Massen wertvolles Buch sind und bleiben werden. Was B. als Mensch bedeutete, davon legen Zeugnis ab seine von Georg Fischer, Hannover, jetzt schon in 4. Aufl. herausgegebenen, geradezu bezaubernden Briefe; sie verraten die universelle Bildung, die edlen Herzens- und Charaktereigenschaften, die grenzenlose Begeisterung für die Kunst, die dichterischen und musikalischen Anlagen, mit einem Wort die Universalität und Genialität B.'s, der mit seiner Persönlichkeit alle gefangen nahm, welche das Glück hatten, mit ihm in nähere persönliche Beziehungen zu treten. Seine Verdienste um die Wiener Hochschule, um die Hebung des medizinisch-chirurgischen Unterrichts, um die Erweiterung der ärztlichen Institutionen daselbst, um die Ausbildung zahlreicher Schüler zu klinischen Lehrern und Chirurgen von Weltruf, um die Kriegschirurgie, um die Krankenpflege und viele andere Zweige der neuzeitlichen Medizin können an dieser Stelle leider nicht weiter gewürdigt werden. Anstatt dessen genüge der Hinweis auf den Nekrolog von J. v. Mikulicz in B. k. W. 1894 No. 8 und die übrigen in der gesamten Weltliteratur erschienenen Gedenkschriften auf B., deren Verzeichnis der hauptsächlichsten sich bei Gurlt in Virchow's A., CXXXIX p. 555 findet. B.'s Schriften sind ausführlich im älteren Lexikon (I p. 460 bis 461) verzeichnet, auf das wir hiermit verweisen müssen.