I, 25. An Varuna.[24] 22

Das Lied zerfällt nach Delbrück's Mittheilung in vier Pentaden.


1. Wie sehr wir auch, o Varuna,

verletzen dein Gebot, o Gott,

Nach Menschen Weise Tag für Tag,

2. So gib uns nicht dem Morde preis,

nicht preis dem Hieb des zürnenden,

Noch auch der Wuth des rasenden.

3. Wir lösen, Varuna, zur Huld

durch Lieder deinen Sinn, o Gott,

Wie Reiter das gebundne Ross.[24]

4. Denn meine Wünsche fliegen fort

zu dir, um Güter zu empfahn,

Wie Vögel hin zu ihrem Nest.

5. Wann werden wir den Varuna,

der weithin schaut und Herrschaft schmückt,

Den Helden stimmen uns zur Huld?


7. Er, der den Pfad der Vögel kennt,

die durch die weiten Lüfte ziehn,

Und auf dem Meer die Schiffe kennt,

8. Der Ordnungschirmer, der die zwölf

an Kindern reichen Monde kennt,

Und auch den nachgebornen Mond,

9. Er, der die Bahn des Windes kennt,

des weiten, hohen, mächtigen,

Und die darüber thronenden,

10. In seinem Palast sitzet er,

Gesetz beschirmend Varuna,

Zur Herrschaft der allmächtige.

11. Von dort aus blickt er achtsam hin

auf alles, was verborgen ist,

Was schon gethan und noch zu thun.


12. Mög Aditi's allweiser Sohn

tagtäglich segnen unsern Pfad,

Verlängern unsers Lebens Lauf.

13. Mit goldnem Mantel angethan

hüllt er sich in sein Prachtgewand,

Und Späher sitzen um ihn her,

14. Der Gott, dem kein Verletzer naht,

den nie ein frecher Lügner täuscht,

Noch Hinterlist der Männerschar,

15. Und der den Menschen Herrlichkeit

verleiht, die ganz vollkommen ist,

Und selbst an unsern Leibern auch.

16. Zu ihm, dem weithinschaueuden,

gehn wünschend meine Lieder hin,

Wie Kühe auf die Weide gehn.


17. Lass miteinander reden uns

jetzt, da ich lieben Meth gebracht,

Dass wie ein Priester du ihn schlürfst.

18. O säh' ich ihn allsichtbar nun

und seinen Wagen auf der Flur;

Vernähm' er gerne dies mein Lied![25]

19. O höre heute meinen Ruf

und sei mir gnädig, Varuna;

Schutzsuchend sehn' ich mich nach dir.

20. Du, weiser, bist der Herr des Alls,

des Himmels und der Erde auch,

Drum höre mich auf deinem Pfad.

21. Lös' ab von uns das höchste Band,

reiss mitten durch das mittelste,

Zum Leben lös' die untersten.

(6. siehe Anhang.)

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1877, [Nachdruck 1990], Teil 2, S. 24-26.
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