Unerlaubte Leidenschaft.1

[179] Auf Südgebirges hohen Zinnen

Wird sein der Fuchs so einsam innen.

Der Weg nach Lù geht gradhinaus;

Den zog die Tochter Thsî's von hinnen;2

Und zog sie ihn einmal von hinnen,

Was kannst du denn auf sie noch sinnen?


Von Zeugschuh'n giebt's fünf Paar zu reihen,

Hutbänder trägt man auch zu zweien.

Der Weg nach Lù geht gradhinaus;

Den hat die Tochter Thsî's genommen;3

Und hat sie ihn einmal genommen,

Wie kannst du denn an sie noch kommen? –


Den Hanf zu sä'n, wie fängt man's an?

Man pflügt sein Feld hinab, hinan.

Ein Weib zu frei'n, wie fängt man's an?

Man geht darum die Eltern an.4

Und da sie angegangen waren,

Wie darfst du ihr denn so willfahren?5
[180]

Das Holz zu hau'n, wie fängt man's an?

Nicht ohne Beil kann man es zeigen.

Ein Weib zu frei'n, wie fängt man's an?

Ohn' Werberin wird's nicht dein eigen.6

Und ward sie nur einmal dein eigen,

Wie kannst du denn zum Ärgsten schweigen?7

1

Fürst Siāng von Thsî liebte eine nahverwandte Prinzessin seines Hauses Namens Wên-Kiāng, obgleich diese bereits an den Fürsten Huân von Lù vermählt war. Sie erwiederte seine Leidenschaft und bewog ihren Gemahl zu einem Besuche bei Siāng, von welchem er dann ermordet wurde. Das Lied ist offenbar noch vor dieser Katastrophe gedichtet und wendet sich in den beiden ersten Strophen an Siāng, in den beiden letzten an Huân.

2

– nehmlich zu ihrer Vermählung mit Huân von Lù, welche im Jahre 708 v. Chr. stattfand.

3

– nehmlich zu ihrer Vermählung mit Huân von Lù, welche im Jahre 708 v. Chr. stattfand.

4

Hier sind die eignen Ältern gemeint, die zuerst in eine Verbindung des Sohnes willigen müssen. Fürst Huân, dessen Ältern bereits verstorben, hatte seiner Pflicht dadurch genügt, daß er ihnen im Ahnensaale seine beabsichtigte Heirath angezeigt hatte.

5

Dieß bezieht sich auf die Nachgiebigkeit Huân's in Betreff der verhängnißvollen Reise.

6

Daß eine Verehelichung durch eine Werberin vermittelt werde, gehörte zu den vorgeschriebenen Bräuchen.

7

Dieses Ärgste, Äußerste ist die unbesonnene Reise.

Quelle:
Schī-kīng. Heidelberg 1880, S. 179-181.
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