Klage der Verstoßenen.

[103] Des Ostes sanfter Windeshauch

Bringt Dunkel, bringt des Regens Born.

Nach Herzenseinheit soll man trachten,

Und nicht geziemend ist der Zorn.

Die Ampfer und Kohlraben wollen,

Beachten nicht die Wurzelknollen.

Blieb unverletzt mein guter Ruf,

Hätt' ich bei dir auch bleiben sollen.


Ich ging des Wegs gar zögerlich,

Mein ganzes Innre sträubte sich.

Es war nicht weit, nur wenig Schritte,

Daß du geführt zur Schwelle mich.

Wer nennet noch die Raute bitter?

So süß wie Eppich ist sie jetzt.

Du schmausest mit der Neuvermählten,

Wie Bruder sich mit Bruder letzt.


Der Kïngfluß macht den Wéistrom trübe,

Vor Inseln fließt er klar und rein.

Du schmausest mit der Neuvermählten,

Ich soll die Reine nicht mehr sein.

Tritt nicht heran auf meine Dämme,

Zieh' meine Reusen dir nicht her! –

Doch meiner wird ja nicht geachtet –

Was kümmert mich die Zukunft mehr?
[104]

Wenn ich vor Wassertiefen kam,

Hab' ich ein Floß, ein Boot genommen,

Wenn ich vor seichte Wasser kam,

Bin ich gewatet und geschwommen.

Ob wir besaßen, ob gebrach,

Ich mühte mich, um zu bekommen,

Traf irgendwen ein Trauerfall,

Ich kroch dahin, um ihm zu frommen.


Nun hältst du dich der Lieb' entbunden,

Ja, siehest mich an als dir feind erfunden.

Da meine Güte du verschmähst,

Bin ich ein Kaufmann ohne Kunden.

Einst sorgt' ich angstvoll mich um's Nöth'ge bleich,

Versank in Noth mit dir zugleich;

Nun kannst du leben, bist du reich,

Und ich bin dir dem Gifte gleich.


Ich hatte Köstliches gespeichert,

Zu sorgen für die Winterzeit.

Du schmausest mit der Neuvermählten,

Ich war nur für die Dürftigkeit.

Du schäumtest, braustest ohne Scham,

Und überläßt mich nun dem Gram,

Uneingedenk des, was vergangen

Und was ich dir zu leisten kam.

Quelle:
Schī-kīng. Heidelberg 1880, S. 103-105.
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