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Brahmavidyâ-Upanishad, »die Geheimlehre der Wissenschaft von Brahman«, mit diesem vielversprechenden Namen bezeichnet sich diese kleine, in unserer Rezension nur aus 14 Çloka's bestehende (im Telugudrucke etwa das achtfache dieses Umfangs habende) Upanishad. Nachdem aber schon in den ältern Upanishad's die völlige Unerkennbarkeit des Brahman gelehrt worden war ( neti! neti! – yato vâco nivartante, – avijñâtam vijânatâm, usw)., konnte eine eigentliche Wissenschaft von Brahman nicht mehr aufgestellt werden, es wäre denn als die Wissenschaft von dem Symbole, unter welchem man das unerkennbare Brahman anschaute und verehrte. Als solches Symbol dient, schon seit Kâṭh. 2,15, die alte Opfersilbe Om, bestehend aus den drei Moren (mâtrâ's) a + u + m, wozu sich noch als dreieinhalbte Mora der summende Nachhall (nâda) des m gesellte, der zugleich mit diesem durch den über die Silbe gesetzten Punkt (bindu) des Anusvâra bezeichnet wird. Diese Silbe Om als Symbol des Brahman hatte den Vorzug, vermöge ihrer vollkommenen Bedeutungslosigkeit alle Prädikate der Sinnenwelt von Brahman fern zu halten, aber den Nachteil, dass sie einer zügellosen Phantastik keine Schranken zu ziehen vermochte. Eine Probe derselben ist, wie so manche andre Upanishad des Atharvaveda, auch die vorliegende.
Die Einleitung (v. 1-3) verkündet die Absicht, die Brahmanlehre mitzuteilen, in welcher man den Ursprung und Vergang aller Dinge aus[629] Brahmán, Vishṇu und Çiva und in dieselben erkennt (v. 1). Namentlich ist es die Geheimlehre des Vishṇu und seiner Menschwerdungen, welche in der Brahmanlehre als das Dhruva-Feuer gepriesen wird. Dhruva (beständig) ist, wie Aksharam (unvergänglich, Silbe) eine Bezeichnung des höchsten Wesens (dhruvam Vishṇu-samjñitam, Maitr. 6,38) und somit auch des Lautes Om (vgl. Râmatâp. Up. ed. Weber p. 335,14 und Mahâbh. 1,2430 dhruva-aksharam). Der Om-Laut nämlich ist, wie v. 3 erklärt, das Brahman, dessen Wissenschaft hier gelehrt werden soll, und dieselbe besteht darin, 1) çarîram, den Leib, 2) sthânam, den Standort, 3) kâla, die Zeit, d.h. hier den Endpunkt, 4. laya, das Hinschwinden des Om-Lautes zu erkennen. Hiermit sind die vier Teile der Upanishad (v. 4-7. 8-10. 11-12. 13-14) voraus bezeichnet.
Als solcher werden bezeichnet:
dreidreidreidrei
Veden:Feuer:Welten:Götter:
Leib desṚigvedaGârhapatyaErdeBrahman (n).
a-Lautes:
Leib desYajurvedaDakshiṇaLuftraumVishṇu
u-Lautes:
Leib desSâmavedaÂhavanîyaHimmelÇiva.
m-Lautes:
Hierzu kommt noch die dreieinhalbte Mora, welche nur erwähnt wird (v. 4). Die Anordnung ist wie in Praçna 5.
Inmitten der Hirnmuschel (ça kha) glänzt als Sonne der a-Laut; in ihm als Mond der u-Laut; in diesem wiederum (so müssen wir wohl verstehen) als Feuer der m-Laut, während die dreieinhalbte Mora aus ihnen als Spitzflamme (çikhâ) aufsteigt. (Vgl. Maitr. 6,38, oben S. 362).
Der Sinn dieser nach Lesung und Erklärung sehr problematischen Verse scheint dieser zu sein: sonnenähnlich und einer Spitzflamme an Glanz vergleichbar ist auch die Ader Sushumnâ; der Laut Om durchbricht, wenn das Ende (kâla) herankommt, die vorher (v. 8) beschriebene Sonne im Hirn sowie auch die 72000 übrigen Adern und gelangt (auf jener Sushumnâ), im Haupte durchbrechend (bhittvâ mûrdhani) durch das Brahmarandhram, dazu, Allschöpfer und Alldurchdringer zu sein.
Wie ein Blechtopf oder eine Glocke, wenn angeschlagen, einen langsam verhallenden Ton geben, so soll man auch den Om-Laut ausklingen lassen; die Beruhigung (çânti), in welche er verhallt, ist das höchste Brahman; denn der Om-Laut (dhruva) ist Brahman und hilft zur Unsterblichkeit.[630]