3. Die Sammlung des Oupnekhat.

[534] Im Jahre 1656 liess der Sultan Mohammed Dara Schakoh indische Gelehrte aus Benares nach Delhi kommen und durch dieselben eine Sammlung von fünfzig Upanishad's unter dem Titel Oupnekhat ins Persische übersetzen; aus diesem übertrug sie Anquetil Duperron Wort für Wort, mit Beibehaltung der persischen Satzkonstruktionen, ins Lateinische (2 vol., Argentorati 1801-1802); und an der Hand dieser persisch-lateinischen Übersetzung, unter Herbeiziehung der indischen Originale, lieferte dann A. Weber in den Indischen Studien, Bd. I, II und IX, eine erstmalige Durcharbeitung des Materials. In der Vorrede der persischen Übersetzer heisst es (Anquetil I, 4): »et prophetae illius temporis, cum illum librum (die Upanishad's) separatum fecissent (aus den vier Veden ausgesondert hatten), super illo commentaria, expositiones et explanationes integras scripserunt et semper illum, – optimum religionis opus hoc ut sciverunt, – legunt«. Diese Worte setzen voraus, dass die Sammlung der Upanishad's älter sei als die Kommentare zu denselben; eine Annahme, welche für Nârâyaṇa zutrifft, da derselbe, wie wir sehen werden, schon eine Sammlung der Atharva-Upanishad's vor sich hatte, nicht aber für Ça kara, welcher in den Einleitungen auf einen vorhergegangenen rituellen Teil zu verweisen pflegt, somit wohl die meisten Upanishad's noch in ihrem Zusammenhange mit den entsprechenden Brâhmana's vorliegen hatte. Jedenfalls aber beweisen die angeführten Worte der persischen Übersetzer, dass sie ihre Sammlung der fünfzig Upanishad's nicht etwa selbst veranstaltet haben, sondern schon fertig vorfanden, ja, als aus einer weit zurückliegenden Zeit herrührend betrachteten. Diese Sammlung nun befasst fünfzig Upanishad's in folgender Reihenfolge:

1. Tschehandouk (Chândogya); 2. Brehdarang (Bṛihadâraṇyaka); 3. Mitri (Maitrâyaṇîya); 4. Mandek (Muṇḍaka); 5. Eischavasieh (Îçâ); 6. Sarb (Sarvopanishatsâra); 7. Naraïn (Nârâyaṇa); 8. Tadiw (Tadeva = Vâj. Samh. 32,1-12, übersetzt Gesch. d. Phil. I, 291); 9. Athrbsar (Atharvaçiras); 10. Hensnad (Haṅsanâda); 11. Sarbsar (Sarvasâra = Ait. Âr. 2, die Aitareya-Up. einschliessend, oben S. 10-11); 12. Kok'henk (Kaushîtaki); 13. Sataster (Çvetâçvatara); 14. Porsch (Praçna); 15. Dehian band (Dhyânabindu); 16. Maha oupnek'hat (Mahâ); 17. Atma pra boudeh (Âtmaprabodha); 18. Kioul (Kaivalya); 19. Schat roudri (Çatarudriyam = Vâj. Samh. 16, verkürzt als Nîlarudra-Up).; 20. Djog sank'ha (Yogaçikhâ); 21. Djogtat (Yogatattva); 22. Schiw sanklap (Çivasamkalpa = Vâj. Samh. 34,1-6, übersetzt Gesch. d. Phil. I, 335); 23. Abrat sak'ha (Atharvaçikhâ); 24. Atma (Âtma); 25. Brahm badia (Brahmavidyâ); 26. Anbrat bandeh (Amṛitabindu, richtiger Brahmabindu); 27. Tidj bandeh (Tejobindu); 28. Karbheh (Garbha); 29. Djabal (Jâbâla); 30. Maha naraïn (Mahânârâyaṇa); 31. Mandouk (Mâṇḍûkya); 32. Pankl1; 33. Tschehourka[535] (Kshurikâ); 34. Pram hens (Paramahaṅsa); 35. Arank (Âruṇika); 36. Kin (Kena); 37. Kiouni (Kâṭhaka); 38. Anandbli (Ânandavallî = Taitt. 2); 39. Bharkbli (Bhṛiguvallî = Taitt. 3); 40. Bark'he soukt (Purushasûktam, Ṛigv. 10,90 nebst Uttaranârâyaṇam, Vâj. Samh. 31,17-22; übersetzt Gesch. d. Phil. I, 156 fg., 290 fg).; 41. Djounka (Cûlikâ); 42. Mrat lankoul (Mṛityulâ gala); 43, Anbratnad (Amṛitanâda, besser Amṛitabindu); 44. Baschkl (Vâshkala?); 45. Tschhakli (Châgaleya?); 46. Tark (Târaka = Târasâra 2, Telugudruck p. 745 und Râmottaratâpanîya 2); 47. Ark'hi (Ârsheya?); 48. Pranou (Praṇava?); 49. Schavank (Çaunaka?); 50. Nersing'heh atma (Nṛisiṅha).

An dieser Sammlung lassen sich vier Bestandteile unterscheiden:

1) Zwölf Nummern werden durch die elf Upanishad's der drei ältern Veden gebildet, welche sämtlich Aufnahme gefunden haben mit Ausnahme von Taitt. 1, während Taitt. 2 und 3 als zwei Upanishad's gerechnet werden.

2) Mit diesen vermischt, und ohne dass irgend ein Prinzip der Anordnung zu erkennen wäre, stehen sechsundzwanzig Atharva-Upanishad's, welche auch von den andern Hauptsammlungen anerkannt werden; vermisst werden von wichtigeren Stücken nur die Kârikâ des Gauḍapâda, der erste Teil der Nṛisiṅhatâpanîyâ und (bis auf ein kleines Stück als 46. Tark) die Râmâtâpanîyâ Upanishad.

3) Hierzu fügt unsre Sammlung vier Stücke aus Vâjasaneyi-Samhitâ 16. 31. 32. 34 (No. 19. 40. 8. 22), von denen das Çatarudriyam (Vâj. Samh. 16) in verkürzter Form als Nîlarudra-Upanishad auch in den andern Hauptsammlungen unter den Atharva-Upanishad's aufgeführt wird, während die drei übrigen sonst unsers Wissens nirgend anderswo Aufnahme gefunden haben, vermutlich, weil man sie als aus der Vâj. Samh. bekannt voraussetzte. Sie gehören der Vorgeschichte der Upanishad's an und haben, dem entsprechend, Gesch. d. Phil. I, 150 fg., 288 fg., 291 fg., 335 ihre Übersetzung und Erklärung gefunden.

4) Endlich enthält der Oupnekhat noch acht Stücke, welche nicht in den ältern Veden vorliegen und dennoch in den Hauptsammlungen keine Aufnahme gefunden haben, sei es dass man sie nicht kannte oder als apokryph verschmähte. Unter ihnen ist Âtmaprabodha ein kurzer Anhang zur Nârâyaṇa-Upanishad; Mṛityulâ gala, Pai gala, Ark'hi, Pranou und Schavank scheinen sehr späte und sekundäre Produkte zu sein. Baschkl und Tschhakli wollen dem Ṛig- und Yajurveda angehören, machen auch einen altertümlichern Eindruck; ein bestimmtes Urteil über dieselben lässt sich jedoch, solange die Texte nicht vorliegen, nicht gewinnen; der Umstand, dass sie nirgendwo sonst erwähnt werden, lässt auch diese Stücke verdächtig erscheinen.2

[536] Über das Alter der Oupnekhat-Sammlung lässt sich, solange es an einer Geschichte der Upanishadtradition fehlt, schwer ein Urteil fällen. Der Umstand, dass dieselbe, im Gegensatz zu den demnächst zu besprechenden Sammlungen, nicht nur alle ältern Upanishad's, sondern auch noch andre wichtige Samhitâstücke aufnahm, als sei Gefahr, dass sie sonst der Vergessenheit anheimfallen könnten, lässt auf eine relativ späte Zeit der Zusammenstellung schliessen.

Fußnoten

1 Nicht Çâkalya, wie Weber vermutet hatte, sondern Pai gala, unter welchem Namen sie sich in der Muktikâ-Sammlung als No. 59 vorfindet.


2 Vielleicht ist es auf das Sanskrit-Original des Oupnekhat zu beziehen, wenn Colebrooke misc. ess. I, 93 n. sagt: in two other copies, which I also obtained at Benares, the arrangement differs, and several Upanishads are inserted, the genuineness of which is questionable; while others are admitted, which belong exclusively to the Yajurveda.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 534-537.
Lizenz: